Deutsche Balladen
Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siegfrieds Jugend

(Ludwig Tieck, 1773 – 1853)

        In frühen Kindestagen,
aus Trutz und frevlem Mut,
entlief der Burg zu Santen
Siegfried, ein Recke gut.

Er kam nach vielem Irren
in einen fremden Wald,
sah da die große Schmiede,
ein trat der Knabe bald.

Hier wohnt mit seinen Künsten
Mimer, ein Held bekannt,
der mit vielen Gehilfen
schmiedete schön Gewand.

Er wirkte edle Schwerter,
Panzer und Schilde breit,
die kauften werte Recken
und Kön'ge hocherfreut.

Er war ein Held gewaltig,
zu ihm trat Siegfried ein,
und wollt im grünen Walde
Mimers Gehilfe sein.

Als größer ward der Knabe
zeigt er viel bösen Sinn,
er droht und plagte alle,
der Meister furchte ihn:

Es stellt ihn an die Arbeit
an einem Sommertag,
da nahm Siegried den Hammer
und tat so kräft'gen Schlag,

daß er den Ambos spaltete
und schlug ihn in den Grund,
darob sie all erschranken
und wünschten zu der Stund,

er wäre nie gekommen,
sie hatten sein nicht not,
sie furchten, daß der Große
sie alle schlüge tot.

Ein giftiger Linddrache
dort in dem Walde was,
vor dessen grimmen Rachen
der Kühnste nicht genas.

Mimer in seinen Listen
dachte mit klugem Sinn:
der Knab' wird sich nicht fristen;
sandt ihn zum Wurme hin.

Da folgt der Jüngling kühne
dem anbefohlnen Werke,
ohn' Waffen in der Grüne,
nur in selbsteigner Stärke.

Der Drache schoß im Grimme
aus seiner Höhle wild,
den jungen Ritter schirmten
Baumzweige wie ein Schild.

Damit kämpft er so kräftig
und schlug das Ungeheuer,
dann aß er in dem Walde
und zündete ein Feuer.

Im Drachenblut er badete,
hürnen ward seine Haut,
kein Waffen ihm nun schadete,
wie scharf es auf ihn haut.

In sehr grimmigem Mute
riß er vom Wurm das Haupt,
und rennt durch Waldesdunkel,
als schon der Meister glaubt,

er sei im Wald erstorben.
Da schreien die Gesellen:
Wir sehen Siegfried kommen,
der wird uns alle fällen.

Er trägt das Wurmhaupt blutig
wie einen Schildesrand!
Siegfried trat ein wildmutig,
sie flohn zur Steineswand.

Mimer ging ihm entgegen,
er sah des Jünglings Wut,
um Gnade bat der Degen,
Harnisch und Schwerter gut

versprach er fleh'nd dem Werten:
Siegfried nichts sagte wieder,
das Haupt warf er zur Erden
und schlug den Meister nieder.

Auf saß er dann zu Rosse
und nahm ein Sturmgewand,
nicht sucht er die Genossen,
weit fuhr er durch das Land.

 


 


 << zurück weiter >>