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Der »Straußenkrieg« in Hall oder ein gefährlicher Wegelagerer.

Am 24. Mai 1515 saßen die »Ehrbaren« in ihrer Trinkstube im »Turm der sieben Burgen« am Markt und ließen den Becher kreisen; und zu gleicher Zeit hielt vor dem Hause des Salzsieders Henneberg der Salzfuhrmann Hans Strauß von Neuenstein mit seinem Wagen, den er mit Salz geladen hatte. Über den Preis des Salzes kamen die beiden Männer in Streit. Der derbe Neuensteiner geriet dermaßen in Wut, daß er den Salzsieder mit dem Peitschenstiele übel bearbeitete und, da andere Salzsieder herzuliefen, rasch sein Rößlein ausspannte, sich auf dessen Rücken schwang und zum Eichtor hinausritt. Draußen im Walde hatte er eine Büchse versteckt, denn er war ein Wilderer, die holte er, setzte sich in Weiler in eine Schenke und schrieb am Wirtstisch – mit welcher Mühe! – einen Fehdebrief an die Stadt Hall.

»Ich, Hanz Strauß von Neustei tu Kunth zu Wisen jeterman, daß Hall absaag und feind auf Tod. Anno Domini 1515 am auffar Himmelfahrtabend. abent ††† ...«

Dieser Absagebrief, eine Kriegserklärung in aller Form, heftete er noch am Abend an das Weiler Tor von Hall. Mit seiner Büchse ritt er heimlich dem hällischen Dorfe Heimbach zu. Am Walde begegnete ihm ein Bauer des Dorfes, den er ohne weiteres totschoß. Dann schlüpfte er in eine Scheune und zündete sie an, wie auch das Haus daneben. Dem Besitzer, der entsetzt aus seiner Kammer kommt, jagt er eine Kugel durch den Leib. Rasch schwingt er sich auf seinen Braunen und macht sich davon. Gräßlich lodern die Flammen zum Himmel. In Hall läuten sie Sturm. Da tragen sie auch schon die Leichen der beiden erschossenen Bauern herein. Und mit Entsetzen hören die Städter: der Strauß von Neuenstein hat Hall den Krieg erklärt, die beiden Männer ermordet und den Brand in Heimbach gelegt. Sofort versammelt sich die Streit- und Löschmannschaft. Sie hatten in Heimbach nichts mehr zu tun. Die beiden Häuser lagen in Asche. Der Räuber war entflohen.

Am andern Tage versammelt sich der Rat der Stadt. Es wird beschlossen, Kundschafter auszusenden und die Truppen auf den Mordbrenner Jagd machen zu lassen. Die Obrigkeit ließ eine Bekanntmachung ergehen, daß der Räuber sein Leben verwirkt habe und im Ergreifungsfall auf offenem Markte zu vierteilen sei. Auf den Kopf des Strauß setzte der ehrbare Rat eine Belohnung von 200 fl. Indessen hatte sich der Mörder ruhig nach Hause begeben und rühmte sich allenthalben dessen, daß er mit den Hallern in offenem Kriege lebe. Er trieb seinen Salzhandel nach wie vor und verstand es, überall wo er hinkam, verworfene Gesellen und schlimme Burschen für sich zu gewinnen. Und die Grafen von Hohenlohe sahen es gar nicht ungern, wenn die Haller gezwackt wurden, denn sie hatten seit lange einen Pick auf die stolze Reichsstadt. Der Graf von Waldenburg ließ sofort die Erklärung ergehen: »Die Truppen der Stadt dürfen das Gebiet der Hohenloher nicht betreten.« Damit taten sie dem Strauß ganz gewaltigen Vorschub.

In acht Abteilungen rückte die hallische Kriegsmannschaft in die sechs hällischen Landämter auf die »Straußenjagd«. Aber auch Strauß hatte ein Häuflein Leute um sich gesammelt und mit Musketen, Spießen und Harnischen bewaffnet, so den Blitzbalthes, den Hans Ottenwälder, den Bechlender, den die Haller auf der Henkersbrücke mit einem »D« auf der Stirn gestempelt hatten. Mit diesen fiel er bei Nacht in Ziegelbronn ein und legte sieben Häuser in Asche. In Hall stieg der Unmut aufs höchste. Ein regelrechter Kriegszug gegen den Neuensteiner wurde unternommen. An der hohenlohischen Grenze bei Waldenburg wehrte ihnen ein Streithaufen des Grafen den Weitermarsch. Die Haller mußten unverrichteter Sache wieder umkehren. Da schwoll dem Strauß der Kamm immer mehr. Sein Anhang wuchs von Tag zu Tag. Die Haller sollten wieder von ihm zu hören bekommen. In dunkler Nacht überfiel er das Dorf Orlach, wo 11 Gebäude in Flammen aufgingen.

Im Herbst zog er eines Tages mit seinem Salzkarren von Grünbühl nach Hohebuch. Da begegnete ihm im Walde ein junger Mensch, ein Sporerlehrling, der Sohn einer Schuhmacherswitwe aus Hall. Strauß hielt ihn an, zerrte ihn in das Holz und wollte ihn ermorden. Der Bursche flehte kläglich um sein Leben. Was tut der Unmensch? Mit einem Beil hieb er dem armen Jungen die linke Hand ab und hing sie an einer Schnur ihm um den Hals. So schickte er ihn gräßlich verstümmelt nach Hall.

Bald darauf fing er bei Belzhaag den Heilbronner Frachtfuhrmann auf, als er wertvolle Güter nach Hall lieferte. Da erneuerten sie in Hall den Steckbrief gegen ihn und seine Spießgesellen.

Daraufhin stieg der Junker Volck von Roßdorf zu Rosse und ritt mit seinem wohlbewaffneten Diener auf die »Straußenjagd«. Der Neuensteiner hatte einen Streifzug auf Belthersrot unternommen, um dort einen reichen Bauern zu brandschatzen. Der Überfall gelang. Aber in dem Augenblick, als die Räuber ihr Opfer unter den Händen hatten, erschien auf die Hilferufe des Beraubten der Ritter mit seinem Knechte. Der Räuber flüchtete. Der Ritter verlegte ihm den Weg. Sie fechten. Im Getümmel wird der Knecht schwer verwundet, des Ritters Pferd von Strauß niedergestochen. Der Edle gerät in die Gefangenschaft der Räuber, die ihn fesseln. Da ertönt der Ruf: »Die Haller kommen!« Wie ein Donnerwetter sind die Schnapphähne auf ihren Pferden und in sausendem Galopp davon.

Zwölf Haller Reiter setzen ihnen stürmisch nach. Schon sind sie ihnen auf der Ferse. Da entkommen sie auf hohenlohisches Jagdgebiet und das Tor fliegt den Verfolgern vor der Nase zu. Bald darauf brannte es in einer Nacht in fünf Haller Dörfern, und es gingen dabei 14 Gebäude in Flammen auf. Die Feuer- und Sturmglocken tönten die ganze Nacht in Hall.

Nun ließ der schlaue Räuber einen kleinen Stillstand eintreten und ging wieder wie ehemals mit seinem Salzkarren hausieren, aber nicht ohne die Vorsicht, seine Büchse, ein scharfes Beil und ein großes Metzgermesser mitzunehmen. Im Februar war er in Öhringen und trank in der »Glocke« sein Schöppchen. Dort trifft er den Peter Metzer von Geislingen bei Hall, unterhält sich mit ihm und erklärt ihm offen, daß sie, wenn sie sich im höllischen Gebiet wiedertreffen, Feinde seien; denn er sei der Salzhändler Strauß aus Neuenstein. Auf dem Heimweg, als Metzer im dichten Wald über Neuenstein nach Hall fahren will, fuhr Strauß mit der gespannten Büchse aus dem Busch, um ihn zu berauben. Aber in Metzers Wagen unter der Bläue lagen drei Haller Söldner, die unterwegs aufgesessen waren. Wie der Wind fuhren sie auf den Räuber los. Aber schneller als sie war der Bösewicht im Busch verschwunden.

Am 24. Februar 1515 fiel er mit einer Schar von zwölf reisigen Helfershelfern in Buch (O.-A. Crailsheim) ein, brannte eine Scheuer nieder und plünderte ein Wohnhaus. Dem Bauern, dem Besitzer des Hauses, der sich rasch auf sein Pferd schwang, um von Kirchberg Hilfe zu holen, ritt er nach, holte ihn ein und stach ihm den Spieß ins Bein, daß er vom Gaul stürzte. Er hätte ihn getötet, wenn nicht andere Bauern gekommen wären und den Strauß vertrieben hätten.

Ein andermal überfielen zwei seiner Spießgesellen den Fuhrmann, der Waren von Nürnberg nach Hall führte, schlugen ihn halb tot und schafften die Fuhre fort. Die kostbaren Pelze, die geladen waren, brachten sie den Herren von Rosenberg auf Boxberg, die Liebhaber dafür waren und bald darauf sogar selbst mithalfen, als die Strauchdiebe einen Haller Wagen mit Tuch nach Würzburg abfingen. Da wurde den Hallern verraten, Strauß weile eben in Orendelhall. Rasch zog eine Schar aus, ihn zu überfallen. Und beinahe fingen sie den schlimmen Vogel. Aber es gelang Strauß, zum Küchenfenster hinauszuspringen und zu entkommen. Sein Harnisch und sein Schlachtroß blieben in den Händen der Haller.

Nach Dünsbach, wo wohlhabende hällische Bauern wohnten, unternahm Strauß im Oktober 1515 einen Streifzug, stahl einem Bauer seine drei Pferde aus dem Stall und führte dessen Sohn gefangen mit sich fort. Er überlieferte ihn den »edlen« Junkern von Boxberg und zog Neuenstein zu. Der Gefangene entfloh und verkündigte, wo die Räuberbande sich aufhielt. Bei Brechbach lauerten die Haller ihnen auf. Strauß hatte Kundschaft hiervon, ließ die Haller bei Brechbach wachen, überfiel Kupfer und zündete das Dorf an vier Ecken an. Wie die Übrigshauser Sturm läuten, rücken die Haller an. Strauß entkommt mit einem Streifschuß im Bein abermals, aber zwei seiner Spießgesellen fallen in ihre Hände, werden nach Hall geführt und dort von vier Ochsen in Stücke zerrissen.

Kaum war das Bein des Räubers wieder geflickt, so hielt er's nimmer in Neuenstein aus. Mit zwei Genossen kam er in Westernbach zusammen. Da erfuhr er, daß der Adlerwirt von dort den Hallern Kaufmannsgüter zugeführt hatte. Dafür sollte er 5 fl. Brandschätzung leisten, die am 15. Dezember in Brettach bezahlt werden mußten, wenn nicht am 16. der »Adler« in Westernbach in Flammen aufgehen sollte. Der Mann versprach, die 5 Gulden in Brettach zu zahlen, machte aber den Hallern Meldung von der Sache. Am 15. Dezember war Strauß in Brettach, das Geld in Empfang zu nehmen. Der Adlerwirt brauchte recht lange, bis er das Geld – lauter Kreuzer – auf den Tisch zählte, und schielte dabei immer zum Fenster hinaus. Auf einmal ertönt der Ruf: »Die Haller kommen!« Strauß griff eilends zum Schwert und wollte entfliehen. Aber diesmal hatte sein Stündchen geschlagen. Drei Haller überwältigten ihn, verwundeten ihn durch Hieb und Stich, fesselten ihn in Ketten und führten ihn nach Neuenstadt ins Württembergische. Die Stadt Hall ersuchte das württembergische Gericht, ihr den Strauß auszuliefern, damit er nach Recht und Gerechtigkeit gerichtet und gevierteilt würde. Aber die württembergische Regierung ging nicht darauf ein. Am 21. Dezember wurde der Bösewicht in Neuenstadt zum Tode durch des Henkers Beil verurteilt und zwei Tage vor Weihnachten hingerichtet und sein Leichnam unter dem Galgen begraben. So nahm der Straußenkrieg ein Ende, nachdem dieser Neuensteiner Bauer fast drei Jahre lang einer mächtigen Stadt getrotzt und der Schrecken einer ganzen Landschaft gewesen war.

 

Nach verschiedenen Quellen von F. H.


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