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Abschnitt 4.

Das Land zur Niederlassung. – Die Wölfe. – Die Pferdediebe. – Die hölzerne Festung. – Das Kanoe. – Das Feld. – Fischfang. – Die Bärenjagd. – Die Felle. – Der Jaguar. – Der vermoderte Baum.


. Die Gegend gewährte den Reitern während mehrerer Stunden fortwährend denselben Anblick: zu ihrer linken Seite stand der prächtige Urwald, wie eine hohe grüne Mauer, und zu ihrer rechten lag die üppige Prairie, deren Ende mit der duftigen Ferne verschwamm. Vor ihnen aber stieg jetzt über dem äußersten Rande der Grasflur ein Wald auf, der sich wie blaues Gewölk von Westen her nach dem Bärflusse zog und den Warwick als das Gehölz bezeichnete, welches die Ufer eines Baches bedeckte. Dieser Bach wurde der Pflaumenbach genannt, wegen der unglaublich vielen wilden Pflaumen, die auf seinen Ufern wuchsen; er kam mehrere Stunden weit aus der Prairie und ergoß sich in den Bärfluß. Nachmittags erreichten die Reiter das Gehölz, welches den Bach in seinem tiefen Schatten verbarg und welches hier, wo es im rechten Winkel auf den Wald am Bärfluß stieß, mehrere tausend Schritte breit war. Ein Büffelpfad, dem die Jäger schon seit einigen Stunden gefolgt waren, führte gerade in das Holz hinein und auf ihm langten sie sehr bald an dem herrlichen, silberklaren Bache an, der nahebei rauschend in den Bärfluß stürzte. Nicht umsonst wurde er Pflaumenbach genannt, denn da, wo die Reiter ihre Pferde in demselben tränkten, waren die Ufer allenthalben mit Pflaumenbäumen bedeckt, die ihre mit herrlichen blauen Früchten beladenen Äste weit über das Wasser hinausstreckten. Dasselbe war nicht tief, so daß die Reiter unter die herabhängenden Zweige reiten und sich nach Herzenslust an den Pflaumen laben konnten. Ihre Kleidung war wieder ganz trocken geworden und die Kühlung, welche sie hier in dem dunklen Schatten des über ihnen geschlossenen Waldes duftig und belebend umwehte, that ihnen nach dem langen Ritt in der brennenden Sonne außerordentlich wohl. Nachdem sie selbst und ihre Pferde sich erfrischt und erholt hatten, folgten sie wieder dem Büffelpfad, der sie an der andern Seite des Holzes abermals in die Prairie führte und sich an dem hohen Walde des Bärflusses hinzog. Hier hielt Warwick sein Pferd an und wandte sich mit den Worten zu Turner: »Sehen Sie, Herr Turner, dies ist das Stück Land, welches ich so gern zu meiner Niederlassung gewählt haben würde und welches ich jetzt Ihrer Beachtung empfehle. Gerade in diesem Winkel, wo der Wald des Baches auf den des Bärflusses stößt, liegt der reichste Boden, der mir auf weit und breit bekannt ist; schauen Sie nur, welch üppiger Graswuchs und welch riesige Pflanzen hier stehen; die Sonnenblumen reichen ja viele Fuß über unsere Köpfe hinaus. Hier in dieser Ecke, dachte ich, sollten Sie Ihr Feld anlegen und dort, einige tausend Schritte weiter am Walde hin, wo der Bärfluß sich aus demselben hervorwindet und sich an die Prairie anlehnt, würde ein sehr passender Platz für Ihre Wohnung sein. Lassen Sie uns hinreiten, damit Sie denselben selbst in Augenschein nehmen.«

Hiermit ritt Warwick durch das hohe Gras voran, welches ihm bis an den Sattel hinaufreichte, und bald hielt er mit seinen Gefährten auf dem steilen, dreißig Fuß hohen Ufer, unter welchem die brausende Flut des Bärflusses wild tobend dahineilte. Der Platz bestand aus einem Hügel, der wohl fünfzehn Fuß über der andern Uferfläche erhaben war und hierdurch einen weiten Blick über die flache Prairie gewährte. Auf der Höhe standen mehrere dichtbelaubte rote Ulmen, welche den Hügel beschatteten, und an seiner Abdachung nach dem Pflaumenbache hin rieselte ein frischer, kühler Quell aus zu Tage liegendem Gestein hervor. Etwas weiter, nur etwa hundert Schritte von dem Hügel, wand sich der Bärfluß wieder in den Wald hinein.

»Sie haben hier alle Vorteile, die Sie wünschen können,« nahm Warwick wieder, zu Turner gewandt, das Wort. »Sie übersehen die ganze Prairie, den Quell hier am Fuße des Hügels können Sie mit in Ihre Einzäunung fassen, diese prächtigen Ulmen geben Ihnen den herrlichsten Schatten, dort unten, wo der Fluß in den Wald einbiegt, haben Sie auf diesem Ufer so viel Holz in Ihrer Nähe, wie Sie nur bedürfen, und von da aus bis an den Pflaumenbach können Sie Feld in beliebiger Größe anlegen. Außerdem haben Sie hier im Flusse eine Wasserkraft, die hinreicht, irgend ein Mühlwerk zu treiben. Ich für meinen Teil könnte mir keinen passenderen und angenehmeren Platz wünschen.«

»Auch mir sagt er in jeder Weise zu und ich bin Ihnen unendlich dankbar dafür, Herr Warwick, daß Sie mich hierher geführt haben. In Gottes Namen will ich denn hier den Meinigen die neue Heimat gründen, und er mag mich dabei gnädig beschützen und mir die Kräfte verleihen, mein Ziel zu erreichen,« entgegnete Turner und hielt Warwick die Hand zum Danke hin.

»Und auf uns am Choctawbache dürfen Sie zu jeder Zeit rechnen, wir werden Ihnen gute Nachbarn sein,« erwiderte Warwick, indem er Turner die Hand schüttelte.

»Es ist eine etwas weitläufige Nachbarschaft,« sagte Turner lächelnd, »und doch wird sie mir ein Trost werden.«

»Seien Sie guten Mutes, Sie werden hier nicht lange allein bleiben; es kommen sicher bald mehr Ansiedler in unsere Gegend, und am Choctawbache nehmen wir sie nicht auf, wir senden sie alle hierher zu Ihnen!« antwortete Warwick und sagte dann, indem er sein Pferd den Hügel hinablenkte: »Nun wollen wir aber den ersten Büffelpfad durch den Wald einschlagen, damit wir nicht zu spät nach Hause kommen.«

Er ritt nun mit seinen Gefährten am Ufer hin, bis wo der Fluß aus dem Holze hervorkam, und folgte dann wohl eine halbe Stunde weit dem Waldsaume bis zu einem tief ausgetretenen Büffelpfade, der aus der Prairie in denselben hineinführte. Daniel war der letzte im Zuge und wollte eben hinter Karl her in den Wald einlenken, als er diesem zurief:

»Halt, junger Herr, steigen Sie schnell ab, vielleicht können Sie einen Wolf schießen, dort kommt ein ganzes Rudel hinter einem Büffel her. Schnell, schnell!«

Zugleich stieg er vom Pferde, führte dasselbe in den Wald und ergriff den Zügel des Falben, während Karl absprang und hinter dem letzten Baume an die Prairie trat. Ein lautes Wolfsgeheul, welches jetzt zu Karls Ohren drang, lenkte seinen Blick weit über die Prairie, wo er einen Büffel erkannte, der im Sturmlauf herangesaust kam. Derselbe hatte nur noch wenig Vorsprung vor einer Schar Wölfe, die ihm nachfolgte. Sie kamen schnell näher, das Geheul wurde immer lauter, immer wütender, und immer größer wurde die Anstrengung des Büffels, den Wald zu erreichen. Er kam in gerader Richtung auf Karl zu, wie es schien, um dem Pfade zu folgen. Seine Flanken waren mit weißem Schaum bedeckt, seine brennendrote Zunge hing ihm weit aus dem Maule hervor und die Erde dröhnte unter seinen schwerfälligen, doch sehr flüchtigen, weiten Sprüngen. Die wütende Schar hinter ihm hatte ihn bis auf wenige Schritte erreicht und schwärmte heulend nach beiden Seiten auseinander, um ihm in die Flanken zu fallen. Es waren wohl vierzig von den kleinen Prairiewölfen, doch ihnen voran setzte ein ungeheurer weißer Wolf, der jetzt mit geöffnetem Rachen den Büffel erreichte. In diesem Augenblick blitzte es aus Karls Büchse, der weiße Wolf überschlug sich heulend, der Büffel schreckte zur Seite, dem nahen Dickicht zu, und die Schar der Wölfe stob nach allen Richtungen hin auseinander. Karl sprang hinter dem Baume hervor, richtete sein Geschoß auf einen fliehenden, glänzend schwarzen Wolf, und als das Feuer aus dem Laufe fuhr, rollte derselbe kopfüber in das Gras.

»Ei, ei, allen Respekt vor Ihrem Schießen, junger Freund!« rief Warwick, der in die Öffnung des Waldes geritten war. »Wo haben Sie das gelernt? So in aller Flucht zwei Kugeln anzubringen, da muß der älteste Frontiermann seinen Hut abnehmen.« Dann wandte er sich nach Turner um und sagte:

»Von solchen Schützen halten sich die Indianer gern entfernt; der Knabe wird Ihnen eine gewaltige Stütze werden.«

»Das ist er mir in der That schon oft gewesen, wofür ich ihm vielen Dank schulde; er ist ein äußerst braver Junge,« erwiderte Turner, indem er nach Karl hinsah, der bei dem weißen Wolfe stand und untersuchte, wohin er ihn getroffen hatte. Er warf ihn auf die andere Seite, um zu sehen, ob die Kugel auch durchgeschlagen sei, und strich ihm mit der Hand das schöne weiße Haar glatt. Dann rief er dem Neger zu:

»Daniel, sollen wir die Felle nicht mitnehmen?«

»Wenn es Ihnen Freude macht, junger Herr, so will ich sie schnell abstreifen, es sind aber Sommerfelle, an denen das Haar nicht so gut ist wie im Winter,« entgegnete der Neger.

»Ach, laß sie uns mitnehmen, wir können sie doch wohl benutzen,« sagte Karl, und begann seine Büchse wieder zu laden.

»Gern, gern,« rief Daniel, band schnell seinem Pferde die Vorderfüße zusammen und ließ es mit dem Falben im Grase gehen; dann machte er sich rasch an die Arbeit, um den Wölfen die Häute abzunehmen.

Mit außerordentlicher Geschicklichkeit und Gewandtheit hatte er es bald vollbracht, hing die beiden Felle hinter seinen Sattel über das Pferd, schwang sich auf dessen Rücken und folgte seinen Gefährten in den Wald hinein.

Die Sonne war eben versunken, als die Reiter Warwicks Niederlassung erreichten und dort mit großer Freude empfangen wurden. Die beiden prächtigen Truthähne und die Büffelzunge wurden der Hausfrau übergeben, und die beiden Wolfsfelle prangten während der Nacht ausgespannt bei dem Lagerfeuer, welches Karl und Daniel für sich errichtet hatten. Am folgenden Morgen ritt Warwick zu allen Ansiedlern am Choctawbache und forderte sie auf, dabei behilflich zu sein, für Turner die Häuser am Bärflusse zu erbauen. Zwei Tage später nahm dieser mit den Seinigen von Warwicks Familie Abschied, um das Ende seiner langen Wanderung zurückzulegen, wobei Warwick selbst und noch einige zwanzig Männer vom Choctawbache ihn begleiteten. Obgleich keine Spur von einem Wagen nach dem Bärflusse führte, so gelangten sie doch ohne große Schwierigkeit durch die offene Prairie bis an den Wald, in welchem jenes Wasser floß, hier aber mußte Halt gemacht werden, weil die Wagen nicht auf einem Büffelpfade den Wald durchziehen konnten. An dessen Saume unter einer schattigen Eiche wurde ein Feuer angezündet, bei welchem Madame Turner eine Mahlzeit bereiten wollte, während die Männer sich mit dem Aushauen eines Weges durch den Wald beschäftigten. Karl fehlte zwischen diesen nicht und schwang seine Axt trotz einem der Männer. Warwick führte den Zug, um dem Wege die Richtung nach einer Stelle am Flusse zu geben, wo das Ufer nicht sehr steil und das Wasser seicht war. Alle größeren Bäume ließ man unberührt stehen, indem man den Weg hin und her zwischen ihnen durchwand, und hieb nur die dünneren Stämme und das Buschwerk dicht an der Erde ab. Beides wurde zur Seite in das Dickicht geworfen. Die Arbeit ging sehr rasch von statten, weil Warwick für den Weg immer die lichtesten Stellen wählte, da es weniger darauf ankam, denselben so kurz wie möglich zu machen, als ihn mit der wenigsten Mühe herzustellen. Schon nach Verlauf von einigen Stunden war derselbe bis an den Fluß beendet, worauf die Männer zu Madame Turner zurückkehrten, um sich bei der Mittagsmahlzeit von der Arbeit zu erholen. Sie erlaubten sich aber nur eine kurze Rast, dann eilten sie wieder nach dem Flusse, um ihr begonnenes Werk zu vollenden. Das Ufer zu beiden Seiten desselben wurde nun abgetragen, so daß ein Wagen ohne große Schwierigkeit hinab und hinauf fahren konnte, und dann führten die Männer den Weg weiter durch das Holz nach der westlich von demselben gelegenen Prairie. Die Sonne war noch nicht versunken, als sie die Arbeit vollbracht hatten und zu den Wagen zurückkehrten, die jetzt schnell bespannt und zur Durchfahrt durch den Wald in Bewegung gesetzt wurden. Nur ein guter Fuhrmann, wie es Daniel war, konnte mit dem langen Gespann von drei Paar Ochsen diese Fahrt ausführen, da die Biegungen des Weges zwischen den Bäumen hier oft sehr kurz waren. Es ging aber alles gut, und noch strahlte das scheidende Tageslicht von dem glühenden Abendhimmel her über die dunkelnde Prairie, als die Wanderer aus dem düsteren Walde hervorzogen und ihre künftige Heimat mit jubelnden Herzen begrüßten.

Nicht weit von dem Platze, wo der Weg den Wald verließ, erhob sich der Hügel, welcher für die Ansiedelung ausgewählt war, und dorthin richtete sich jetzt der Zug. Mit einem herzinnigen »Gottlob!« stieg Turner vom Pferde, und »dem Allmächtigen sei es gedankt!« sagte Madame Turner, als sie ihr Gatte vom Wagen hob und sie, von Hoffnung und Vertrauen für die Zukunft beseelt, an seine Brust drückte. Bald war das Zelt an dem Hügel unweit der Quelle aufgeschlagen, ein Feuer vor demselben angezündet, ein anderes Feuer loderte auf dem Hügel empor, wo die Männer vom Choctawbache sich lagerten, und alle Zug- und Reittiere weideten mit gebundenen Füßen in dem hohen saftigen Grase, welches den Boden in der Nähe des Lagers bedeckte. Mit freudigem beglückenden Gefühl stellte Madame Turner an diesem Abend die Töpfe, Pfannen und Kannen auf die Kohlenglut; es war ja das erste Mahl, welches sie in der so lang ersehnten neuen Heimat bereitete. Mit einem inbrünstigen Dankgebet zu Gott schlossen Turners erst spät in der Nacht die Augen, während die Männer vom Choctawbache auf dem Hügel um das Feuer herum so sorglos eingeschlafen waren, als ob sie in dem Schoße der Civilisation ruhten. Karl Scharnhorst und Daniel hatten sich ihr Ruhelager bei dem Feuer vor dem Zelte bereitet, und zwar Karl auf der weißen Wolfshaut. Die Schläfer lagen so fest und unbeweglich, daß die Feuer nach und nach erloschen und kein Zeichen von Leben mehr im Lager zu erkennen war. Auch die Pferde und die Stiere hatten sich in dem Grase niedergelegt, um sich von des Tages Arbeit zu erholen, und nur das Brausen des Flusses unterbrach die Stille, die auf Wald und Flur lag. Der Mond stand hoch am Himmel und die dichten Ulmen warfen ihre schwarzen Schatten auf die sorglosen Schläfer. Da erwachte Karl, weil er glaubte, Pluto habe geknurrt. Er schlug die Augen auf und überzeugte sich, daß er sich nicht geirrt hatte; denn der Hund saß aufrecht und knurrte jetzt wieder, indem er unbeweglich in der Richtung auf die Pferde hinabblickte, die sich unterhalb des Hügels gelagert hatten. Karl setzte sich auf und spähte aufmerksam weiter über die Tiere hinaus, da kam es ihm vor, als ob er in einiger Entfernung von denselben einen dunklen Gegenstand sich langsam durch das Gras bewegen sähe. Bald glaubte er, sich getäuscht zu haben, dann aber wieder meinte er, er hätte es sich deutlich dort bewegen sehen. Er stieß Daniel leise an und weckte ihn, ohne Geräusch zu machen.

»Daniel, ich sehe dort etwas sich im Grase bewegen, dort hinter den Pferden, sollte das wohl ein wildes Tier sein?« sagte er leise zu dem Neger, und dieser hob sich auf seinem Arm empor und blickte eine Zeitlang regungslos nach dem bezeichneten Platze. Dann sagte er: »Das sind keine wilden Tiere, es sind wilde Menschen, es sind Indianer, die unsere Pferde stehlen wollen. Nehmen Sie ihre Büchse zur Hand, wir wollen ihnen doch einen Schreck einjagen.«

»Es ist aber noch viel zu weit, um zu schießen,« flüsterte Karl.

»Wenn sie aber in die Nähe der Pferde kommen, so wird es nicht mehr zu weit sein. Ich will es Ihnen sagen, wenn es Zeit ist zu feuern.«

»Aber die Tante wird sicher erschrecken, Daniel, ich will es ihr schnell sagen, daß wir schießen wollen.«

»So beeilen Sie sich und stehen Sie nicht auf; kriechen Sie auf den Knieen nach dem Zelte hin. Aber eilen Sie, die Kerls kommen schnell näher,« flüsterte Daniel, und Karl glitt auf Händen und Füßen durch das hohe Gras in das Zelt hinein. Nach wenigen Augenblicken kehrte er daraus zurück und schlich sich ebenso vorsichtig wieder an des Negers Seite, der ihm zuflüsterte: »Sehen Sie dort, junger Herr, über die beiden Schimmel hinweg, dort bewegt es sich jetzt, das müssen mehrere Indianer zusammen sein. Jetzt können Sie sie sehen, das Gras ist da nicht so hoch, wahrhaftig, es sind drei oder vier Kerls. Schießen Sie, es kann nicht viel weiter sein als hundert Schritte; schießen Sie aber kein Pferd; jetzt Feuer!«

Der Blitz fuhr kaum aus dem Rohre, da sprangen sechs dunkle menschliche Gestalten hinter den Pferden aus dem Grase empor und flohen mit des Hirsches Schnelligkeit über die vom Monde mit Tageshelle beleuchtete Fläche.

»Jagen Sie auch die andere Kugel hinter den Spitzbuben her!« rief Daniel, und Karl gab abermals Feuer. Die Indianer aber verdoppelten nur noch ihre Eile und waren bald in der nebelichten Ferne verschwunden.

Der Krach des ersten Schusses hatte die Schläfer aus ihrer Ruhe aufgejagt, alle hatten zu ihren Waffen gegriffen, und als ihnen der zweite Schuß die Richtung zeigte, wo der Feind zu suchen sei, so erkannten auch sie die fliehenden Indianer und schossen sämtlich noch ihre Büchsen nach ihnen ab, obgleich sie schon längst aus dem Bereiche der Kugeln waren.

»Die Schurken haben wenigstens das Blei pfeifen hören und kommen nun sobald nicht wieder; es hat öfterer geknallt als sie erwartet hatten,« rief Warwick in seinem Zorn, und setzte dann, indem er den Indianern die geballte Faust nachstreckte, noch hinzu: »Aber wartet, Ihr werdet hier am Bärflusse noch Blut lassen!«

Auch Turner war gleich nach dem ersten Schüsse aus dem Zelte hervorgekommen, und Daniel mußte nun den ganzen Hergang des Vorfalles berichten.

»Laßt uns schnell auf die Gäule springen und ihnen nachjagen!« riefen mehrere der Männer; doch Warwick entgegnete ihnen: »Den Ritt können wir sparen. Die Schurken haben bereits das Dickicht am Pflaumenbache erreicht, dort werden sie ihre Pferde verborgen haben und wir sollten wohl lange nach ihnen suchen. Sie kommen sobald nicht wieder; einige zwanzig Kugeln sind mehr als sie lieben.«

Turner schlug vor, die Pferde aus dem Grase zu holen und in der Nähe anzubinden, doch Warwick versicherte ihm, daß es jetzt unnötig sei, diese Vorsicht zu gebrauchen. Er riet, sich wieder zur Ruhe zu legen und war der erste, der sich bei dem frisch angefachten Feuer auf seine Satteldecke ausstreckte.

.

Die Nacht verging ohne alle Störung und der anbrechende Tag rief die Männer wieder zu der Arbeit. Madame Turner und Julie hatten schnell Kaffee gekocht, Maisbrot gebacken und Speck gebraten, das Frühstück wurde verzehrt, und Warwick führte seine Gefährten an dem Flusse hinunter, dahin, wo derselbe wieder in den Wald einbog. Dort begannen die Männer nun auf dem diesseitigen Ufer Bäume zu fällen, um aus deren Stämmen die Häuser und Einzäunungen für die Ansiedler aufzuführen. Es wurde eine mächtige Cypresse gehauen und von ihrem Stamme zwei Fuß lange Stücke abgesägt, welche Daniel mit einem Paar Ochsen nach dem Hügel schleifte. Diese Stücke wurden zu dünnen, breiten Brettern gespalten, welche als Schindeln zu den Dächern der Häuser verwandt werden sollten. Sobald die Bäume nun in größerer Zahl fielen, nahm auch Karl ein Paar Stiere und schleifte die Stämme, so wie Daniel es that, zu dem Hügel hin. Vier Tage lang setzten sie alle die Arbeit unermüdet fort, und am fünften hatten sie bereits so viel Holz um den Hügel liegen, als nötig war, die Ansiedelung zu gründen. Nun ging es an das Aufbauen der Häuser. Es wurden zwei Baumstämme von zwanzig Fuß Länge in gleicher Richtung, vierzehn Fuß voneinander entfernt, auf die Erde gelegt, und dieselben durch zwei sechzehn Fuß lange Stämme miteinander verbunden, welche auf ihre Enden gehoben wurden, so daß sie zusammen ein Viereck bildeten. In dieser Weise wurden nun immer mehr Stämme aufeinander gelegt, bis dadurch die vier Wände eines Blockhauses zwölf Fuß Höhe erreicht hatten. Solcher Häuser stellte man drei nebeneinander, und zwar zehn Fuß voneinander entfernt, und über alle drei ein Schindeldach, so daß auch die beiden Zwischenräume zwischen den Häusern mit dem Dache überdeckt wurden. Nun schnitt man mit der Säge Thüren und Fenster in die Holzwände, schnitt gleichfalls Öffnungen in dieselben, wo die Kamine angebracht werden sollten, und führte von diesen Schornsteine von Holz, Lehm und Steinen auf. Die Thüren und Fensterladen wurden von gespaltenem Cypressenholz verfertigt und mit Eisenbeschlägen, welche Turner mitgebracht hatte, eingehangen. Als die Häuser nun auf der Höhe des Hügels unter den schattigen Ulmen fertig standen, begannen die Männer an der Aufführung der Palissadenmauer. Rund um den Hügel wurde ein zwei Fuß tiefer Graben angebracht, so daß er sich mit seinen beiden Enden an den steilen Abhang über dem Flusse anlehnte, und in diesen Graben stellte man die Baumstämme dicht nebeneinander aufrecht hinein und warf ihn um dieselben mit Erde zu. Die in dieser Weise aufgeführte Mauer war vierzehn Fuß hoch und alle Öffnungen in derselben zwischen den Stämmen wurden mit Holz ausgefüllt. Der Eingang, den man an der Seite in dieser Einzäunung ließ, wurde mit einem starken Thor versehen, welches man innerhalb mit schweren Ketten verschließen konnte. Außerdem wurde in kurzer Entfernung von dieser hölzernen Festung eine Einzäunung errichtet, in welcher nachts die Milchkühe und bei Tage deren Kälber eingesperrt werden sollten. Hiermit waren die Arbeiten vollbracht, welche die Männer vom Choctawbache für ihre neuen Nachbarn auszuführen übernommen hatten, und nach vierzehntägigem Aufenthalt bei ihnen nahmen sie nun Abschied und wünschten ihnen alles Glück und allen Segen zu ihrer Unternehmung. Warwick versprach, ganz in der Kürze das von Turner gekaufte Vieh hier abzuliefern, sowie den zugesagten Mais und die Hühner herzuschaffen, und für die Folge recht oft hier vorzusprechen, um zu sehen, wie es ihm und seiner Familie ergehe.

Mit recht traurigen Herzen blickten Turners den Männern nach und sahen sie auf dem neugeschaffenen Wege in dem Walde verschwinden. Es war ihnen, als ob sie aller menschlichen Gesellschaft Lebewohl gesagt, als wenn sie von der übrigen Welt Abschied genommen hätten. Sie waren allein in der Wildnis, die nur von wilden Tieren und von feindseligen wilden Menschen bewohnt wurde, und es drängte sich ihnen ein unheimliches Gefühl auf bei dem Gedanken, daß vor ihnen nach Westen hin bis an das Stille Weltmeer noch niemals ein weißer Mensch seine Hütte aufgeschlagen hatte. Um so sehnlicher wandten sich ihre Herzen nach den wenigen Niederlassungen am Choctawbache zurück, welche nun noch ihre einzige Stütze, das einzige Band zwischen ihnen und der civilisierten Welt blieben.

Demungeachtet war Turner weit davon entfernt, zu verzagen; der Gedanke, für das Wohl der Seinigen zu handeln, stählte seinen Willen, und das Gefühl, nun in der Wirklichkeit für sie thätig sein und schaffen zu können, gab ihm Mut und Zuversicht in seine eigne Kraft. Dabei stützte er sich auf die vielseitigen Erfahrungen, auf die Treue und Anhänglichkeit des braven Negers und zugleich auf die Hilfe Karls, den die Vorsehung erwählt zu haben schien, seiner Familie in der Not als Retter zu erscheinen.

Die erste Grundlage zu der Niederlage war gelegt, Turners hatten ein Obdach und einen Schutz gegen einen ersten Angriff der Wilden; die eigentliche Arbeit aber, diesen Ort zu einer wirklichen Heimat umzugestalten, sollte jetzt erst beginnen, und mit allen Kräften gingen die Ansiedler an dies schwere Werk. Das erste, was unternommen wurde, war die Anlage eines Gartens. Dies geschah unmittelbar neben der Festung an dem Ufer des Flusses, so daß das Wasser der Quelle, welche innerhalb der Palissaden entsprang, durch den Garten nach dem Strome floß. Daniel hatte dort in wenigen Tagen zu diesem Zwecke ein kleines Stück Land mit einer Einzäunung umgeben und mit Hilfe Turners und Karls dasselbe umgegraben, sowie die feste, schwarze Erde, die der Prairie eigen ist, mit Mühe und Sorgfalt bearbeitet. Es wurden sogleich Beete angelegt und dieselben mit Erbsen, Bohnen, Melonen und Kürbissen, mit Kohl und Rüben bestellt, bei welcher Arbeit auch Arnold und Wilhelm fleißig halfen. Als am vierten Tage dieselbe beendigt war und man sich zum Mittagsessen in das Fort begeben wollte, kam Warwick mit einem leichten Wagen angefahren und brachte auf demselben den versprochenen Mais, die Hühner und eine Sau, während zwei seiner Söhne das von Turner gekaufte Vieh herantrieben. Die Freude der Ansiedler war groß, weil das Wiedererscheinen der Nachbarn ihnen das Gefühl gab, daß sie doch nicht so ganz verlassen seien. Die Kälber wurden in die dafür bestimmte Einzäunung gesperrt, während man deren Mütter sich selbst überließ, da man gewiß war, daß diese sich abends bei ihren Kleinen einfinden würden. Die Hühner befreite man innerhalb der Festung und gab ihnen dort etwas Futter, die Sau wurde gleichfalls dort bewahrt, und für den Mais baute Daniel schnell ein kleines Häuschen aus leichten Stämmen, welches er mit Schindeln bedeckte. Warwick war sehr überrascht, als er in die Wohnung trat; denn in dem einen Zimmer fand er schon Tische und Bänke vor, die Karl aus leeren Kisten verfertigt hatte, die Öffnungen zwischen den Balken waren mit Stücken Holz ausgefüllt und die Wände mit großen Leinentüchern behangen, von denen eine mit einem Spiegel in goldenem Rahmen prangte. An der Wand, der Thür gegenüber, hingen alle Waffen hübsch geordnet, sowie auch Sättel und Zäume, und alles im Zimmer war sauber und nett und gab Zeugnis von der Ordnungsliebe und dem Fleiß der Hausfrau.

Die drei Nachbarn mußten sich zu Tische setzen und wurden dort bei dem einfachen Mahle aufs herzlichste willkommen geheißen.

»Ihr Europäer richtet euch doch, wohin ihr auch kommen mögt, sofort behaglich und gemütlich ein, während wir Amerikaner nur den Nutzen im Auge halten und unsere eigene Bequemlichkeit und Annehmlichkeit darüber vergessen,« sagte Warwick, sich wohlgefällig umschauend, und heftete dann seinen Blick auf die schönen Waffen an der Wand.

»Nun, beim Himmel, damit können Sie ja das Fort gegen eine ganze Armee verteidigen,« rief er erstaunt aus, »das sind ja nicht weniger als sechzehn Gewehre und außerdem noch viele Revolver und Pistolen – da braucht Ihnen wahrlich nicht bange vor den Indianern zu sein. Als ich zuerst nach dem Choctawbache zog, besaß ich nichts an Waffen als eine einfache Büchse und ein Jagdmesser. Demungeachtet rate ich Ihnen die größte Vorsicht an, denn die Rothäute sind schlau wie die Wölfe und grausam wie die wildesten Tiere. Nun, Daniel kennt sie ja hinreichend und weiß, wie weit man ihnen trauen darf.«

»An Vorsicht soll es nicht fehlen,« entgegnete Turner, »und wenn die Wilden uns dazu zwingen, auch nicht an tapferer Gegenwehr.«

»Sie thun besser daran, wenn Sie sich nicht erst von ihnen zur Notwehr zwingen lassen, denn dann möchte es schon zu spät sein. Machen Sie es sich zum Grundsatz, jeden Indianer wie ein Raubtier zu betrachten und ihn zu töten, wo und wie Sie können, er ist nichts anderes und ist auch nichts anderes wert,« sagte Warwick etwas in Eifer, den auch die Röte verriet, die sein Gesicht überzog.

»Das wäre wohl nicht ganz recht,« entgegnete Turner, »es sind doch Menschen, die uns nur darum feindlich entgegentreten, weil wir Weißen uns in den Besitz von Land drängen, welches sie als ihr Eigentum betrachten. So sehr übel kann ich es ihnen nicht nehmen, wenn sie sich nicht geduldig davon verjagen lassen.«

»Es sind Menschen,« sagte Warwick, »freilich, das ist nicht abzuleugnen; es sind aber wilde Menschen, die so wie die wilden Tiere nur für die Wildnis bestimmt sind, und die ihr Recht auf das Land da verlieren, wo die Kultur erscheint. Die Erde ist doch sicher nicht dazu geschaffen, damit sie immer eine Wildnis bleiben sollte. Warum bauen sich denn die Rothäute nicht auch an und leben ein friedliches, gesetzliches Leben? Dann würde sie niemand von ihrem Stück Land vertreiben. Glauben Sie mir, der erste Schuß ist immer der beste; ich habe es stets so gehalten, und nur dadurch habe ich mich am Choctawbache behaupten können.«

Die Unterhaltung bewegte sich während des Essens ausschließlich um die Wilden, es war Warwicks Lieblingsthema, und mit einem gewissen Stolze gab er eine Menge feindseliger Zusammentreffen mit den Indianern zum besten, in denen er Sieger geblieben war.

Daniel hatte sich nicht mit an den Tisch gesetzt, um den freundlichen Nachbarn durch seine Gegenwart nicht einen Anstoß zu geben. Madame Turner aber sandte ihm durch Julie die Speisen und den Kaffee in das andere Haus, wo er eine Kiste statt eines Tisches benutzte.

Als die Sonne sich neigte, begaben sich Warwick und seine Söhne unter den Versicherungen treuester Nachbarschaft auf den Heimweg, und Turner eilte zu der Einzäunung, vor welcher die Kühe darauf warteten, daß man sie zu ihren Kälbern einlasse. Erstere wurden durch Madame Turner und Julie gemolken und in die Einzäunung gesperrt, während man die Kälber in das Gras trieb, damit sie noch bis zur Dunkelheit dort weiden konnten; denn während der Nacht wagte man es nicht, sie draußen zu lassen. Durch die große Menge Milch, welche die Kühe lieferten, war die Haushaltung sehr bereichert worden, und Madame Turner wußte sie in gar vieler verschiedener Weise zu verwenden.

Die nächste Arbeit, welche man in Angriff nahm, war, ein Kanoe zu verfertigen, wozu ein ungeheurer Pappelbaum gefällt wurde.

Ein zwölf Fuß langes Stück seines Stammes wurde auf der oberen Seite platt gehauen und etwas ausgehöhlt, wonach Daniel ein Feuer darauf anzündete und dasselbe in fortwährender Kohlenglut erhielt. In dieser Weise brannte er den Stamm hohl, so daß er, nachdem dies geschehen, nur wenig mit dem Beil und dem Stemmeisen nachzuhelfen brauchte. Dann hieb er den Stamm äußerlich in die Form eines Schiffes, brachte ein paar Bänke in demselben an, und bald schwamm es zu aller Freude leicht und beweglich auf der klaren Flut des Bärflusses.

Auf einer Stelle in nicht großer Entfernung vom Fuße des Hügels flachte sich das Ufer nach dem Wasser hin ab, so daß man dort die Pferde tränken konnte, und hier wurde das Kanoe mit einer Kette an einem Baum befestigt. Während Daniel das Boot anfertigte, schuf Karl ein anderes Werk von ebenso großem Nutzen; er baute nämlich ein Mühlenrad und brachte dessen Welle auf einem kleinen Floß an, welches er auf dem Flusse zusammengefügt hatte, so daß die starke Strömung das Rad drehen mußte. Die Welle setzte er mit einer großen eisernen Maismühle, die Turner vorsichtigerweise früher angekauft hatte, in Verbindung, welche durch dieselbe in Bewegung gesetzt wurde und die viel mehr Maismehl lieferte, als die Ansiedler gebrauchten. Es wurde ihnen hierdurch die sehr beschwerliche Arbeit erspart, selbst täglich den Mais für den Brotbedarf zu mahlen. Nach Beendigung dieser Arbeit begann Karl einen Pflug zu bauen, wozu alles Eisenwerk fertig mitgebracht war. Turner und Daniel dagegen widmeten sich einer schweren Aufgabe, indem sie ein Stück des Waldes am diesseitigen Ufer zu einem Felde umschufen. Der Waldboden ist leicht zu bearbeiten und trägt gleich im ersten Jahre die reichste Maisernte, während ein Feld, in der Prairie angelegt, erst im dritten Jahre zum vollen Ertrag kommt. Diese Erde ist zu fest und hart, als daß man sie gleich im ersten Jahre hinreichend lockern könnte. Die größeren Bäume des Waldes blieben stehen, wurden aber rundum einige Zoll breit von der Rinde entblößt, welches sie bis zum kommenden Frühjahr töten mußte. Die kleineren Stämme und die Büsche wurden abgehauen und dicht um die großen Bäume aufgehäuft, um sie dort zu verbrennen, sobald sie trocken sein würden. Dann zäunte man das Feld ein, und da um diese Zeit der Pflug durch Karl hergestellt war, so wurde dasselbe zum erstenmal umgebrochen, um es während der Winterzeit so liegen zu lassen und im Frühjahr zu besäen. Neben diesen Hauptarbeiten führten die Ansiedler noch unzählige kleinere aus, die teils durch die Notwendigkeit bedingt wurden, teils aber zur größeren Bequemlichkeit verhelfen oder auch nur Vergnügen bereiten sollten. So spannte zum Beispiel Daniel ein starkes Seil über den Fluß und befestigte es auf beiden Ufern an schwanke Bäume. An dieses Seil band er nun viele kurze, mit starken Angelhaken versehene Fischleinen, so daß dieselben in den Strom hinabhingen, und befestigte auch eine Metallschelle daran, die verkünden sollte, wenn sich ein Fisch gefangen habe und an dem Seile zuckte. Zu irgend einer Zeit, wenn Madame Turner nun Fische zu haben wünschte, wurden die Angelhaken mit Fleisch versehen, und es dauerte dann auch nie lange, bis die Glocke ertönte und man in dem Kanoe hinfuhr, um den gefangenen Fisch aus dem Strome zu ziehen. Der Reichtum dieses Wassers war unglaublich, es lebte von Fischen, deren viele ein Gewicht von dreißig Pfund erreichten, und es gewährte dem Auge einen überraschenden reizenden Anblick, dieselben in dem krystallklaren Elemente im Sonnenlichte in allen Farben schillern zu sehen. Auch die köstlichen Schildkröten, die dies Wasser zu Tausenden beherbergte, gelangten oft zu einem Gewicht von dreißig Pfund.

Wenn Karl nun während des ganzen Tages unermüdlich arbeitete und jede Gelegenheit mit Liebe und Lust erfaßte, um sich nützlich zu machen, so gehörte doch stets der frühe Morgen und der späte Abend ihm, und wurde von ihm verwandt, um seiner Liebhaberei, der Jagd, zu folgen. Daniel war dabei immer, wenn es dessen Zeit erlaubte, sein treuer Begleiter, und bald ward der Wald, bald die Prairie von ihnen zusammen durchstreift. Bei diesen Ausflügen gestattete Daniel seinem jungen Freunde stets den ersten Schuß nach dem Wild, und half nur noch mit einer Kugel nach, wenn Karl dasselbe nicht gleich tödlich getroffen oder gar ganz gefehlt hatte. Der Neger war ein außerordentlich guter Schütze und seine Schnelligkeit im Gebrauch der Büchse hielt mit der seines Falkenauges gleichen Schritt. Oftmals wurde Karl dadurch so überrascht, daß er laut seine Verwunderung darüber aussprach, welches Daniel dann immer mit Lachen beantwortete und sagte, das sei noch eine Erinnerung aus seinem Indianerleben. Eines Abends, nachdem sie des Tages Arbeit beendet hatten, ritten sie vor Sonnenuntergang in die Prairie hinaus, um dort womöglich noch einen Hirsch zu erlegen. Wie aber das alte Sprichwort sagt: »Es ist alle Tage Jagdtag, aber nicht alle Tage Fangtag«, so kann man oft in dem besten Jagdrevier sich abmühen, ohne Beute zu machen. So ging es den beiden Jägern heute, und sie lenkten halb verdrießlich ihre Pferde zurück nach der äußersten Spitze des Waldes am Pflaumenbach, welche sich eine Stunde weit hinaus in die Prairie erstreckte und durch einige himmelhohe Pappeln und Cypressen auf viele Meilen weit zu erkennen war.

Die Dämmerung zog schon über die Gegend, als sie diese Waldspitze erreichten und längs derselben hinritten, um nach Hause zurückzukehren. Hier standen die Bäume sehr einzeln, so daß man weit durch den Wald blicken konnte, dessen Boden hier nur mit niedrigem Grase bedeckt war und nur hier und dort einzelne Büsche trug. Daniel erzählte während des Reitens seinem jungen Gefährten von früheren Jagden, und dieser hörte ihm aufmerksam zu, ließ aber dem ungeachtet seinen Blick dabei seitwärts durch den Wald schweifen. Plötzlich hielt er sein Pferd an und sagte leise zu Daniel:

»Was ist das dort unter der Eiche, siehst du den schwarzen Punkt nicht?«

»Ein Bär, wahrhaftig; er hat uns noch nicht gesehen, schnell, springen Sie ab und schleichen Sie sich an ihn, der Wind ist günstig.«

Im Augenblicke war Karl von seinem Pferde und sprang, tief gebückt, von Baum zu Baum durch den Wald. Der Bär suchte Eicheln und stand mit dem Kopfe von Karl abgewandt.

Dieser kam ihm schnell näher und hatte ihn bis auf hundert Schritte erreicht, als er auf ein trockenes Reis trat, dessen Brechen und Knacken ihn selbst erschreckte. Er warf sich nieder, aber in demselben Augenblicke setzte sich der Bär auf seinem Hinterteil auf und blickte sich nach Karl um. Dieser hatte jedoch seine Büchse schon auf ihn gerichtet und gab Feuer. Der Bär rannte davon und Karl schoß auch den zweiten Lauf nach ihm ab, ohne ihn jedoch in seiner Flucht aufzuhalten.

In diesem Augenblicke sauste Daniel zu Pferde an ihm vorüber und unter den Bäumen hin dem dichten Walde zu, um dem fliehenden Bär den Weg dorthin abzuschneiden, und Karls Falber stürmte ihm mit fliegenden Steigbügeln nach. Vergebens rief Karl dem Pferde zu, es folgte zügellos dem Kameraden, und bald war die wilde Jagd in der Richtung nach der Spitze des Waldes vor seinen Augen verschwunden, da der Bär sich vor dem heranjagenden Neger und dem losen Roß abgewandt hatte. Karl lauschte der Jagd, deren Richtung ihm durch den gellenden Ruf Daniels bezeichnet wurde und begann seine Büchse wieder zu laden, während er mißmutig schon in Gedanken sah, wie sein Gefährte nun ohne ihn den Bären erlegen würde. Da schallte abermals der wilde Jagdruf Daniels zu seinem Ohr, und zwar in nicht so großer Entfernung; Karl blickte auf, und dort kam der Bär in weiten Sätzen unter den Bäumen hergerannt. Er kam geradeswegs auf Karl zu, dieser hatte soeben die Kugeln in die Läufe gesteckt und den Ladestock hervorgezogen, um sie hinunter zu stoßen; konnte er noch fertig laden, bis das grimmige Tier ihn erreicht hatte? das war die Frage, die sich ihm aufdrang. Mit aller Macht stieß er die eine Kugel in den Lauf hinab, der Bär war nur noch fünfzig Schritte entfernt, jetzt stieß Karl die zweite Kugel hinunter, warf den Ladestock von sich und griff nach den Zündhütchen, da hatte ihn der Bär bis auf zwanzig Schritte erreicht und stieß, den furchtbaren Rachen weit geöffnet, ein dumpfes Wutgebrüll aus. Karl spannte beide Hähne seiner Büchse, warf dieselbe an die Schulter, und im Knall stürzte der Bär über Kopf nieder. Im nächsten Augenblicke hob er sich wieder hoch auf seine Hinterfüße und, seine Vordertatzen nach dem Schützen ausstreckend, schritt er zähnefletschend auf ihn zu. Karl rührte sich nicht, er sah fest über dem Lauf nach dem Kopfe des Bären, gab Feuer und das wütende ungeheuere Tier stürzte tot zu seinen Füßen. In fliegender Karriere kam Daniel herangejagt und stieß einen lauten Freudenschrei aus, als er den Bären niedersinken sah, denn die Gefahr, in der sein junger Freund schwebte, war ihm nicht entgangen; es war ihm aber nicht möglich gewesen, dem Bären geraden Wegs zu folgen, da dieser sich durch eine Reihe hoher Steinblöcke vor ihm geflüchtet hatte, die er zu umreiten genötigt gewesen war.

»Gratuliere, junger Herr, das ist Ihr erster Bär, und ein feister Bursche ist es, er wiegt wenigstens achthundert Pfund,« rief Daniel, indem er vom Pferde sprang und Karl auf die Schulter klopfte, »das haben Sie gut gemacht, es war mir schon bange, Sie möchten den Kopf verlieren und sich auf die Flucht begeben; das Tier würde Sie in wenig Augenblicken eingeholt haben, auch selbst wenn Sie einen Baum erstiegen hätten. Diese schwarzen Bären klettern wie die Katzen, wohingegen die grauen, oder Grizzlybären nicht klettern können. Nun aber schnell nach Hause, wir müssen noch heute Nacht das Tier holen, damit die Wölfe es nicht zerreißen.«

Bei diesen Worten zog Daniel seine Jacke aus und warf sie über die Jagdbeute, und Karl folgte seinem Beispiele. Dann band der Neger Karls weißes Taschentuch an einen Baumzweig, so daß dasselbe über dem toten Tiere hin und her wehte, und nun bestiegen sie ihre Pferde, nachdem Karl den Sattel auf seinem Falben wieder zurückgelegt hatte, der ihm während der Jagd unter den Bauch gerutscht war. Nun ging es im Galopp über die Prairie der Niederlassung zu, die sie mit der Dunkelheit erreichten.

Die Nachricht von dem Jagdglück erzeugte große Freude im Fort, denn Warwick hatte Turners viel von dem Nutzen erzählt, den ein Bär um diese Jahreszeit dem Haushalte gewähre. Der Korbwagen, in welchem Madame Turner die Reise gemacht hatte, wurde angespannt, Daniel versah sich reichlich mit Kienspänen, um sie als Fackeln zu gebrauchen, zündete einige davon an und ritt dem Wagen voraus, auf welchem Karl Platz genommen hatte und die Pferde lenkte. In der Prairie ging die Fahrt leidlich von statten, obgleich manchmal ein umgefallener Mosquitobaum oder ein Graben, den Gewitterwasser gerissen hatten, dieselbe für kurze Zeit unterbrach; als es aber in den Wald hineinging, da waren solcher Hindernisse viel mehr, und die alten Baumstümpfe, die nicht mehr hoch aus der Erde hervorsahen, gaben dem Fuhrwerk manchen unerwarteten heftigen Stoß. Daniel war aber zu gut mit dem Leben in der Wildnis vertraut, als daß er nicht das Erreichen seines Zieles hätte möglich machen sollen, und bald rief er freudig aus: »Dort sehe ich schon Ihr Taschentuch wehen; die Herren Wölfe werden es hoffentlich respektiert haben!«

Der Bär lag denn auch wirklich noch so, wie sie ihn verlassen hatten. Sie fuhren den Wagen dicht an ihn heran, obgleich die Wagenpferde sich anfangs weigerten, in die Nähe dieses gefürchteten Tieres zu kommen, und dann wurden Anstalten gemacht, um den Bär auf das Fuhrwerk zu befördern. Vermittelst Stricken und Hebebäumen gelang dies den beiden Jägern endlich, wenn auch nur durch die größte Anstrengung, und nun wurde die Rückreise angetreten. Es lag etwas Schauerliches in dieser Fahrt: die Nacht war rabenschwarz, das Fackellicht erhellte mit seinem roten Schein nur die nächste Umgebung, der schwarze Rauch des Kienholzes umwölkte den Wagen, auf dem das tote Ungeheuer lag, und nach allen Richtungen hin ertönte das unheimliche klagende Geheul der Wölfe. Daniel ritt schweigend voran, und ebenso stumm lenkte Karl ihm die Pferde nach, während beide die Büchsen zum raschen Gebrauch bereit hielten. Endlich aber zeigte sich die Palissadenwand des Forts in dunklem Umriß vor dem nächtlichen Himmel, und Turner trat mit einer Fackel in der Hand aus der Festung hervor. Im Triumph zog der Wagen durch das Thor ein, wo Madame Turner und die Kinder auf den Anblick des erlegten Tieres harrten. Der Bär wurde nun von dem Fuhrwerk herabgeworfen und mit einem Ausdruck der Überraschung begrüßt. Man betrachtete und bewunderte ihn von allen Seiten, und dem Schützen Karl ward allgemeines Lob gespendet.

»Warum habt ihr aber das Tier nicht an Ort und Stelle ausgeweidet? Ihr hättet dadurch doch weniger Gewicht auf den Wagen zu heben brauchen,« fragte Turner, indem er auf den kolossalen Umfang des Bären schaute.

»Weil wir dann das feinste und beste Feist verloren haben würden. Das Fett, welches zwischen den Eingeweiden des Bären liegt, ist so zart, daß es, solange es noch warm ist, einem zwischen den Fingern zerfließt, und es wäre schade gewesen, es zu verlieren, denn es giebt das köstlichste Öl. Wir wollen den Petz auch ruhig liegen lassen bis morgen,« entgegnete Daniel, indem er die Stränge der Pferde vom Wagen löste und diese in ihre Stände an der Palissadenwand führte, wo sie mit den anderen Rossen jede Nacht befestigt wurden.

Bald nachher saßen die Kolonisten sämtlich vergnügt um den Tisch und erfreuten sich des Abendbrotes.

»Daniel, kurz vorher, ehe ihr kamt, muß irgend etwas bei den Kühen gewesen sein, denn sie fingen mit einem Male schrecklich zu brüllen an und sprangen wie toll in der Einzäunung umher,« sagte Turner zu dem Neger.

»Das kann ein Panther, möglicherweise auch ein Jaguar gewesen sein, diese Gesellen werden uns überhaupt noch viel zu schaffen machen. Ich will morgen, ehe wir die Kühe hinauslassen, spüren, um mich zu überzeugen, was es gewesen ist; denn wir dürfen solche Besuche nicht dulden,« entgegnete der Neger. In diesem Augenblicke ertönten abermals die lauten, erzürnten Stimmen der Kühe, und Daniel sprang rasch auf, ergriff seine Büchse, rief Pluto und eilte zu dem Thore. Er öffnete dasselbe schnell und glitt, von Karl gefolgt, hinaus und durch die Dunkelheit der Einzäunung zu, in welcher die Kühe brüllend umhertobten. Es war umsonst, in der Finsternis einen Gegenstand erkennen zu wollen, darum schossen Daniel und Karl ihre Büchsen ab, und beide ließen laute, gellende Schreie ertönen, indem sie den Hund hetzten. Pluto sprang zwar bellend in die Finsternis hinaus, kam aber sogleich wieder zurück und alles war still; denn auch die Kühe hatten sich beruhigt.

Die Nacht verstrich ohne jede weitere Störung, und als der Morgen anbrach, begab sich Daniel nach den Kühen, um nach dem nächtlichen Besucher zu spüren. Bald entdeckte er denn auch die Fährte eines mächtigen Jaguars, der die Einzäunung umschritten, es aber doch nicht gewagt hatte, zu den erbosten Kühen hineinzuspringen. Daniel spürte nun seiner Fährte nach und fand, daß er von dem Pflaumenbache hergekommen war. Dort aber, das Lager des Raubtieres auffinden, war ohne dazu abgerichtete Hunde nicht möglich, und man mußte sich damit begnügen, dasselbe bei einem wiederholten Besuche in der Nähe des Forts zu belauern. Nun machte sich Daniel dabei, den Bären zu streifen, zu zerlegen, und dann die prächtige Haut zum Trocknen auszuspannen. Mit dem größten Erstaunen sahen Turners den Rücken des Tieres von der Haut entblößen, wo derselbe mit einer sechs Zoll hohen Lage Feist bedeckt war; in gleichem Maße befand sich das Innere des Bären mit Fett durchwachsen, und die Vorratskammer der Madame Turner erhielt einen wesentlichen Zuwachs an köstlichem Öl. Nach dem Frühstück begaben sich Karl und Daniel in den Wald hinter dem neu angelegten Feld, um dort ein Vorhaben auszuführen, welches sie schon lange besprochen hatten. Sie wollten nämlich eine Falle bauen, um wilde Truthähne zu fangen, deren sich unzählige in diesem Walde aufhielten, weil dort sehr viele Pecanußbäume standen, deren Früchte sie außerordentlich lieben und deren Genuß sie sehr fett macht. Auf einer Blöße im Walde baute Daniel eine Hütte, indem er junge Baumstämmchen im Kreise tief in den Boden steckte, sie oben mit den Spitzen zusammenband und dann mit dünnen Stöckchen durchflocht. Die Hütte war mannshoch und so dicht, daß man kaum den Arm zwischen den Stämmchen durchstecken konnte. Nun begann Daniel in einiger Entfernung von derselben einen Pfad zu graben, der nach der Hütte hin immer tiefer wurde, so daß er wohl zwei Fuß tief unter dem Geflecht hin in dieselbe hineinführte und sich innerhalb wieder erhob. Die Stämmchen, unter welchen dieser Weg durchführte, wurden über demselben durch Stöcke und Weidengeflecht an ihren Enden verbunden. Nun streute Daniel um den Anfang des Pfades und auf demselben hin bis in die Hütte hinein losen Mais, welchen die Truthähne sehr lieben. Wenn nun die Vögel beim Aufpicken der Körner dem Pfade folgen und unter dem Geflecht in die Hütte hineingehen, so finden sie den Weg niemals wieder heraus, da sie die Köpfe erheben und an dem Geflecht hin und her laufen, um zwischen demselben einen Ausgang zu finden, nie aber daran denken, sich zu bücken und ebenso hinauszugehen, wie sie hineinkamen. Die Arbeit war nach einigen Stunden vollbracht, und Daniel hoffte, daß sie schon heute Abend einige Gefangene gemacht haben würden. Karl konnte kaum den Sonnenuntergang erwarten, wo er mit dem Neger wieder nach der Falle gehen würde; um so fleißiger aber war er tagsüber bei einer Arbeit, die er auf Anraten Daniels begonnen hatte. Er verfertigte nämlich eine lange, starke Leiter, die von dem steilen Uferabhange innerhalb des Forts bis auf ein Felsstück hinabführen sollte, welches unten aus dem Strome hervorsah. Es war eine Vorsichtsmaßregel des Negers für den Fall, daß einmal die Wilden das Fort stürmen würden, wo die Leiter dann dessen Bewohnern die Flucht aus demselben möglich machen sollte. Man konnte auf ihr leicht den Felsen im Flusse erreichen und von da in dem Kanoe nach dem jenseitigen Ufer in den Wald gelangen, wo Daniel einen Fußpfad bis zu dem Fahrwege ausgehauen hatte. Bis jetzt war zwar noch kein Indianer wieder gesehen worden, Daniel sagte jedoch, daß man gerade darum am meisten auf seiner Hut sein müsse. Während Karl an der Leiter beschäftigt war, schlugen Turner und der Neger lange eiserne Nägel, an denen sie die Köpfe abgefeilt hatten, in die Spitzen der Palissaden, damit dieselben bei einem etwaigen Sturm den Indianern das Übersteigen erschwerten.

Unter solchen und ähnlichen Arbeiten verstrich der Tag, Karl legte vergnügt sein Handwerkszeug beiseite und hing das Jagdgerät um. Voller Erwartung eilte er nun mit Daniel den Hügel hinab und dem Walde zu, wo sie die Falle erbaut hatten. Sie traten in den Wald ein und schlichen sich durch denselben hin, als plötzlich von fernher ein lautes Rauschen und Schlagen zu ihren Ohren drang. »Wahrhaftig, es sitzen schon welche darin, hören Sie nicht, wie sie mit den Flügeln schlagen?« rief Daniel und sprang voran durch das Dickicht, während Karl ihm mit allem Eifer folgte.

Bald hatten sie die Hütte erreicht und gewahrten fünf kolossale Truthähne in derselben, die mit hochgehobenen Hälsen darin umherrannten und mit den Flügeln schlugen, als wollten sie davonfliegen.

»Ja wartet nur, ich will euch den Weg zeigen!« rief Daniel und zog sein Jagdmesser hervor, während Karl gleichfalls mit dem Messer in der Hand an die Hütte sprang. Sie steckten nun die Arme durch das Geflecht und hieben mit dem Messer den Gefangenen die Köpfe ab. Sie wurden nun auf den Pfad herausgezogen und frischer Mais auf denselben gestreut. Es waren fünf Hähne von außerordentlicher Größe, denn sie wogen ein jeder gegen fünfzehn Pfund. Daniel band dreien von ihnen die Füße zusammen und hing sie über die Schulter, während Karl sich mit den beiden anderen belud, um den Heimweg anzutreten.

Um diese Zeit saß die Familie Turner neben dem Thore vor den Palissaden auf einer Bank und ruhte sich von des Tages Arbeit aus. Es war einer jener milden, wonnigen Abende, wie sie der November in diesen südlichen Ländern gewöhnlich bietet. Die Luft zog kühlend und kräftigend über das hohe, wogende Gras der Prairie, aus dem die Blumen des Herbstes ihre bunten, in den prächtigsten Farben leuchtenden Köpfe hervorhoben; die Sonne hatte den fernen, flachen Horizont erreicht und ließ ihre letzten Strahlen auf dem hohen Walde des Bärflusses ruhen, dessen dunkles Grün schon mit Gold und Karmin gemischt und mit dem brennend roten Laube der Schlingpflanzen durchwirkt war; glänzend silberweiße Reiher und rosenrote Flamingos schwebten dem Urwalde zu und schwangen sich in dem scheidenden Blicke der Sonne auf die schwindelnde Höhe der Cypressen, die ihre Riesenarme über den brausenden Fluß streckten, und der Whippoowill rief seinen eigenen Namen klagend und wehmütig durch das Dunkel des Waldes.

Turner und dessen Gattin saßen in stummer Bewunderung und heiligem Anstaunen der Naturschönheit, die sie umgab, und dankten mit demütigem Herzen dem Schöpfer dieser Herrlichkeit für die Gnade, mit der er sie hierher geführt und beschützt hatte.

»Wie unendlich gnädig ist uns Gott gewesen, Maria!« brach Turner das Schweigen.

»Und er wird uns auch ferner gnädig sein,« sagte Madame Turner mit einem flehenden Blick zu dem Himmel, wo der Abendstern, freundlich blinkend, ihrem Auge begegnete, als wollte er ihr die Zusage ihrer Bitte verheißen.

»Wie sonderbar sich alles zu unserem Besten fügte!« nahm Turner wieder das Wort. »Die Vorsehung hat uns doch augenscheinlich den braven Daniel als Hilfe in unserer Not zugesandt; was hätten wir wohl ohne ihn anfangen wollen? Wie weiß er mit allem umzugehen und wie liebevoll unterweist er unseren Karl in allen Geschäften. Was die beiden auch anfangen mögen, es gelingt ihnen. Soll mich einmal wundern, ob sie wirklich wilde Truthähne fangen werden.«

»Mein Gott, sieh das Tier dort – es springt über die Einzäunung zu den Kälbern!« rief Madame Turner in diesem Augenblick entsetzt aus, und Turner rannte mit dem Ausruf: »Ein Jaguar, ein Jaguar!« in das Fort, um seine Büchse zu holen. Doch ehe er zurückkehrte, hatte das Raubtier eins der Kälber niedergerissen, mit seinem furchtbaren Gebiß auf dem Rücken erfaßt und setzte mit einem Sprunge mit der Beute über die Einzäunung. Trotz dem Rufen und dem Schreien der Madame Turner und der Kinder ließ er seinen Raub nicht fahren und floh in langen Sätzen über das Gras dem Walde zu, während das Kalb in seinem Rachen die jämmerlichsten Klagetöne erschallen ließ.

Turner kehrte mit der Waffe zurück, jedoch nur, um dem Räuber nachzusehen, der wiederholt einige Augenblicke ruhte und dann seine Flucht fortsetzte. Mit wütendem Gebrüll und hoch in die Luft gestreckten Schwänzen kamen zugleich die Kühe aus der Prairie herangejagt, um dem klagenden Kalbe beizustehen; dessen Stimme verhallte aber bald und sein Mörder verschwand mit ihm in dem Walde.

Mit Schrecken und Leidwesen hatten Turners den ganz unerwarteten Vorfall mit ansehen müssen, ohne etwas dagegen thun zu können, und die Kinder weinten und jammerten über den Verlust des hübschen, kleinen Kalbes und konnten sich noch lange Zeit darüber nicht zufrieden geben.

»Es soll mir aber eine Lehre sein, nicht wieder ohne Büchse vor das Fort zu gehen,« sagte Turner, »wie leicht hätten uns auch Indianer hier überraschen können. Man wird viel zu leicht gleichgültig gegen die Gefahr. Geht lieber in das Haus, ich will hier in dem Thore bleiben, bis unsere beiden Jäger zurückkehren; sie werden hoffentlich bald kommen.«

Die Dunkelheit brach schnell herein und bald kamen auch die beiden schwerbeladenen Jäger den Hügel heraufgeschritten.

»Endlich, ich habe sehr nach euch verlangt,« sagte Turner zu ihnen, und teilte ihnen nun gleich mit, was sich während ihrer Abwesenheit zugetragen hatte.

»Das ist glücklich,« bemerkte Daniel, »es kostet uns allerdings ein Kalb, aber nun muß auch der Jaguar sterben. Er wird das ganze Tier nicht in dieser Nacht verzehren und kommt sicher morgen Abend noch einmal zu ihm zurück, dann werden wir ihn erwarten.«

»Ja, ja, wer weiß, wohin er das Kalb getragen hat, er rannte ja so leicht mit ihm davon, als ob es ein Hase wäre,« entgegnete Turner.

»Mag er rennen, so weit er will, ich finde ihn; ich war einst der berühmteste Spürer unter den Indianern; umsonst hatte man mir meinen Namen nicht gegeben!« sagte Daniel mit einem leuchtenden Blick, wie von einer plötzlichen Begeisterung ergriffen.

»Wie nannte man dich denn?« fragte Turner. Der Neger bereute aber augenblicklich schon, was er gesagt hatte, und erwiderte, sichtbar verlegen:

»Man nannte mich den Spürer.«

Dabei warf er die drei Truthähne von der Schulter und zog sie hinter sich her in das Fort, indem er sagte:

»Wir bringen aber für Madame Turner fünf herrliche Braten; unsere Falle hat sich gut bewährt.«

»Aber Karl und Daniel, ihr seid ja prächtige Jäger, ihr bringt uns so viel Fleisch in das Haus, daß wir es kaum brauchen können,« sagte Madame Turner, als sie die fetten Hähne erblickte. »Ich habe das Bärenfleisch eingesalzen, wie du mir rietest, Daniel, nun mußt du mir aber die Vorrichtung machen, um es zu räuchern, damit wir es bewahren können.«

»Das will ich morgen früh thun, wenn wir das Kalb aufgefunden haben. Ich will dann eine Art von Rauchhaus bauen, damit wir immer einen tüchtigen Vorrat von geräuchertem Fleisch halten können; man weiß nicht, wie uns die Indianer einmal verhindern möchten, frisches Wild zu haben,« entgegnete der Neger.

»Mache mir nicht bange, Daniel, der Himmel wird uns hoffentlich vor solchen Schreckensscenen bewahren,« sagte Madame Turner, bat dann Karl, die Hähne außerhalb an das Haus aufzuhängen und ging, um das Abendessen zu bereiten.

Nach Tisch, als das Fort verschlossen war, saßen die Kolonisten traulich um den großen Tisch herum, mit verschiedenen Arbeiten beschäftigt. Madame Turner und Julie hatten Näharbeiten vor sich, Turner mit seinen beiden Söhnen machten Mais von den Kolben los, um ihn am folgenden Morgen für die Mühle bereit zu haben, Karl verfertigte Patronen mit etwas kleineren Kugeln, als er gewöhnlich für seine Büchse gebrauchte, um für einen Notfall schneller damit laden zu können, und Daniel arbeitete an den beiden Hörnern des Büffels, welchen Karl erlegt hatte, um für ihn versprochenermaßen ein Trinkhorn und ein Pulverhorn daraus anzufertigen. Von dem Bären hatte er die großen Fangzähne gleichfalls aufbewahrt, um für seinen jungen Freund ein Pulvermaß und eine Pfeife daraus zu machen. Pluto war die Bewachung der Festung übergeben, welcher Pflicht er treulich nachkam, indem er in der Mitte der Einzäunung lag und auf jeden Ton außer derselben lauschte, oder einen Rundgang an den Palissaden machte.

Die Nacht verstrich in ungestörter Ruhe, und kaum graute der Tag, als Daniel seinen jungen Freund weckte und beide ihr Jagdgerät umhingen, um das geraubte Kalb aufzusuchen. Turner ließ sie aus dem Thor, was er stets zu schließen pflegte, wenn die beiden sich entfernt hatten. Daniel folgte nun der Spur des Jaguars, welche er leicht an dem niedergedrückten Grase erkennen konnte. Bald hatte er mit seinem Gefährten den Wald erreicht, wo einzelne gebrochene Pflanzen oder der wunde Erdboden, auf dem das Raubtier seine Tatzen niedergesetzt hatte, als Wegweiser dienen mußten. Dem Neger schien es durchaus keine Schwierigkeit zu machen, auf der Fährte zu bleiben, wenn Karl auch kein Zeichen derselben erkennen konnte. Daniel aber stand oft still und zeigte seinem Freunde die unbedeutenden Merkmale, denen er folgte, und unterrichtete ihn, dieselben zu bemerken. Die Spur zog sich in ziemlich gerader Richtung zwischen den Büschen hin, wie es schien, der Gegend zu, wo der Pflaumenbach in den Bärfluß mündete. So weit hatte jedoch der Jaguar nicht für nötig gefunden, seinen Raub zu tragen, denn plötzlich standen die beiden Jäger vor dem zerrissenen Kalbe, von welchem sein Mörder die ganze eine Seite verzehrt hatte. Die Überreste davon lagen in einem Dickicht, welches aus Dornen, Rankengeflecht und hohen Kräutern bestand und von den Laubmassen der umstehenden Bäume, die ihre Äste bis auf den Boden herabhängen ließen, versteckt wurde.

»Dies ist ein böser Platz, um dem Burschen aufzulauern, an Schießen ist hier nicht zu denken, und dann würde er uns auch früher gewahren als wir ihn. Wir müssen sehen, wo hinaus er von hier gegangen ist und ihn auf seinem Rückwege erwarten,« sagte Daniel und suchte auf dem Boden, um im Dickicht die Spur des Jaguars aufzufinden. Plötzlich blieb er stehen und sagte:

»Er ist gestern abend, nachdem er sich gesättigt hatte, von hier fortgegangen und heute früh wieder hierher zurückgekehrt. Vielleicht haben wir ihn selbst soeben verscheucht. Hier steht eine Spur, die von dem Pflaumenbach her in das Dickicht führt, und zwei, die dorthin zurückzeigen, und hierbei ist eine ganz frische. Nun wird er während des Tages nicht wieder kommen, aber um so gewisser gegen Abend. Wir wollen jedoch schon früh genug hier sein. Lassen Sie uns dieser frischen Fährte folgen, bis sie über eine offene Stelle im Walde führt, auf der man um sich sehen kann.«

Mit diesen Worten schritt Daniel, gebückt und auf den Boden spähend, voran und Karl vorsichtig hinter ihm her. Nach einer Weile blieb der Neger stehen und schaute um sich auf die Erde.

»Dort, wo Sie stehen, ist die Fährte ganz deutlich in dem feuchten Boden ausgedrückt, hier vermisse ich sie!« rief er Karl zu. »Gehen Sie nicht von jener Stelle, ich will in einem weiten Bogen um Sie gehen, dann muß ich die Fortsetzung der Spur finden.«

Er hatte nur kurze Zeit in einiger Entfernung von Karl gesucht, als er sich mehr zu dessen rechter Seite befand und rief:

»Kommen Sie hierher, der Bursch ist über diesen freien Platz gegangen, und hier soll er auch sterben; eine vorteilhaftere Gelegenheit, um ihm aufzulauern, kann man sich nicht wünschen.«

Als Karl aus den Büschen hervor zu Daniel trat, zeigte dieser auf die Erde vor sich und sagte:

»Sehen Sie, hier ist er frisch hinüber geschritten, und dort in dem Büschchen vor jener alten Eiche sollen Sie sich heute abend verbergen; ich wette zehn gegen eins, daß er diesen Weg wieder einschlägt. Nun wollen wir aber nochmals nach dem Kalbe eilen und auch der anderen Fährte nachgehen, damit ich für mich gleichfalls einen Platz aussuche; denn es wäre ja möglich, daß er dort zurückginge.«

Mit derselben Sicherheit verfolgte Daniel bald darauf die andere Spur, die sich etwas weiter rechts wandte, und wählte auf derselben, wiederum eine weite Blöße, um abends darauf selbst seinen Stand zu nehmen. Dieselbe war einige hundert Schritt von der für Karl gewählten entfernt und durch ein undurchdringliches Dickicht von ihr getrennt. Nachdem sich die Jäger genau die Plätze gemerkt hatten, begaben sie sich auf den Heimweg, wollten aber im Vorübergehen doch nach ihrer Falle sehen. Zu Karls übergroßer Freude saßen richtig wieder zwei Hähne in der Hütte, die schnell getötet und hervorgezogen wurden.

»Nun wollen wir aber die Falle schließen und erst dann wieder öffnen, wenn wir Wild nötig haben,« sagte der Neger, und verstopfte den Eingang mit Büschen. Dann nahm er einige Hände voll Mais aus den Taschen und streute sie auf den Pfad, damit die Vögel sich daran gewöhnen sollten, hier immer Futter zu finden.

Ziemlich ermüdet kehrten die Jäger mit der neuen Beute nach dem Fort zurück, wo Madame Turner sie mit Bärentatzen zum Frühstück traktierte. Nach gehaltener Rast begab sich Daniel, von Herrn Turner unterstützt, an den Aufbau eines Rauchhauses, welches sie aus dünnen Baumstämmen aufführten und mit Schindeln bedeckten; Karl aber nahm die Angel, um zu versuchen, ob er eine Schildkröte fangen könne. Zu diesem Zwecke werden vier große Fischhaken so mit dem Rücken zusammengebunden, daß die Spitzen nach allen vier Seiten auseinander stehen. Wenn sie nun an der Leine befestigt sind, so bindet man einige Zoll über denselben ein Stück Fleisch an die Schnur und senkt sie in das Wasser. Die Schildkröte ergreift das Fleisch mit den beiden Vorderpfoten, mit denen sie es festhält, um es zu benagen; wird nun die Angel schnell in die Höhe gezogen, so muß einer der Haken in die Füße des Tieres fassen, und es ist gefangen.

Nicht weit vom Fort machte der Fluß im Walde eine sehr kurze Biegung, und der Strom, der mit aller Kraft sich hier hereindrängte, hatte das Ufer unterhöhlt. Das Wasser war sehr tief, und Karl kannte diese Stelle als einen Lieblingsplatz der Schildkröten, weshalb er hierher eilte und seine Angel auswarf. Er hatte gar nicht lange auf dem Rande des hohen Ufers gestanden und den Bewegungen des schwimmenden Korkes zugesehen, den der Strudel in dieser Bucht im Kreise herumtrieb, als es an der Angel zuckte. Es zuckte wieder und stärker, und nun wurde der Kork in die Tiefe gezogen. Karl schlug schnell die Angel in die Höhe, fühlte aber gleich, daß ein sehr schweres Gewicht daran hing; es mußte eine große Schildkröte sein, die jetzt mit dem Strome davoneilte und gewaltig an der Angel riß. Karl hielt dieselbe mit aller Kraft an; in diesem Augenblicke glitt er aber mit beiden Füßen auf dem lockeren Boden des Ufers aus und schoß von demselben hinab in die Flut. Er sank bis auf den Grund, stieß sich von dort wieder nach oben und geriet, anstatt auf die Oberfläche des Stromes, unter die ausgehöhlte Uferbank in tausend Wurzeln, die aus derselben in dem Wasser hinabhingen. Er verlor jedoch die Geistesgegenwart nicht, sondern erkannte sofort seine Lage, stieß sich mit geöffneten Augen wieder in die Tiefe hinunter und dann nach dem Lichte hinauf, wo er im nächsten Augenblicke über dem Wasserspiegel auftauchte. Mit einigen kräftigen Zügen erreichte er das jenseitige niedrige Ufer, auf dem er landete und sogleich sich nach seiner Angel umblickte, die er wohl hundert Schritt weiter stromabwärts schwimmen sah. Er lief auf dem Ufersand hin, sprang abermals in das Wasser und holte die Angel an das Land. Nun zog er vorsichtig die Leine an, und es gelang ihm, die Schildkröte trotz alles Sträubens auf den Sand zu ziehen. Sie wog gegen vierzig Pfund und war eine sogenannte weichschalige, deren Schild sich zu Gallerte kocht und sehr schmackhaft ist. Er band die Leine um sie und schleifte sie hinter sich her durch den Wald bis an das Ufer gegenüber dem Fort, wo er Daniel rief, damit er ihn in dem Kanoe über den Fluß hole. Karls Erscheinung verursachte unter den Seinigen im ersten Augenblick Schreck und Besorgnis, dann wurde aber herzlich über sein Abenteuer gelacht, und er selbst lachte tüchtig mit. Auf die köstliche Suppe aber, welche Madame Turner versprach für den folgenden Tag aus der Schildkröte zu bereiten, freuten sich alle schon im voraus. Nachdem Karl sich umgekleidet hatte, beteiligte er sich beim Aufbauen des Rauchhauses, bis die Sonne sich zu neigen begann und Daniel an die Zeit mahnte, nach dem Walde zu gehen, um den Jaguar zu belauern. Heute versahen sich die beiden Jäger jedoch außer mit Büchse und Messer auch noch ein jeder mit einem Revolver, und so ungern Turners auch sahen, daß Pluto sich vom Fort entfernte, so mußte er doch mitgehen.

Die Sonne stand noch ziemlich hoch über dem fernen Rand der Prairie, als die beiden Schützen den Platz im Walde erreichten, welcher für Karl ausgewählt war. Er machte seinen Sitz vor der Eiche zurecht und steckte noch mehrere Büsche vor sich herum, damit er dem spähenden scharfen Auge des Jaguars verborgen bleiben möchte. Eine Wurzel der Eiche stand ziemlich hoch aus der Erde hervor und bildete für Karl einen bequemen Sessel, während der Stamm des Baumes ihm als Rücklehne diente.

»Machen Sie nur keine rasche Bewegung, auch selbst nicht mit den Augen, denn der Jaguar erblickt die Blöße sicher, ehe er aus dem Dickicht hervortritt. Halten Sie Ihren Blick besonders dorthin gerichtet, von wo seine Fährte herführt, von dort wird er wohl kommen,« sagte Daniel, als Karl sich zurecht gesetzt hatte und Pluto hinter der Eichenwurzel verborgen lag. »Übereilen Sie sich nur nicht und nehmen Sie sich Zeit zum Schießen. Steht das Tier still, so zielen Sie nach dessen Kopf, bleibt es im Gehen, so halten Sie ihm hinter das Schulterblatt, und sollte es nach dem Schusse auf Sie zuspringen, so setzen Sie ihm den Hund entgegen, dann werden Sie eine gute Gelegenheit finden, ihm die zweite Kugel durch den Kopf zu jagen. Vor allem bleiben Sie ruhig und kaltblütig. Nun will ich mich auf meinen Stand begeben, einem von uns wird er doch wohl kommen, hoffentlich Ihnen; Weidmannsheil!«

Mit diesen Worten eilte der Neger geräuschlos zwischen den Büschen und Stämmen hin und verschwand bald vor Karls Blicken.

Eine feierliche Ruhe herrschte durch den Wald, kein Lüftchen rührte sich, auch die zartesten Ranken, die wie leichtes, buntes Spitzengewebe von den Ästen der hohen Bäume herabhingen, bewegten sich nicht, und jeden leisen Ton, wie das Fallen einer Frucht, das Hüpfen eines Eichhörnchens, konnte man weithin hören. Mit jeder Minute wurde es stiller und heimlicher, denn auch die Vögel verstummten und nur noch einzeln ließ ein Wasserrabe seine krächzende Stimme von dem Flusse her ertönen. Die letzten Strahlen der Sonne, die sich hier und dort durch die Laubmassen stahlen und sich blendend hell auf den Baumstämmen spiegelten, verblichen und das Düster des Abends zitterte mit dem Widerschein des Feuermeers am westlichen Himmel durch den Urwald. Karl saß regungslos und bewegte nur von Zeit zu Zeit langsam seinen Blick über die Blöße vor sich, um ihn dann wieder auf den Fleck zu heften, wo die Fährte des Jaguars aus dem Dickicht hervorkam. Dort war der feuchte Boden mit üppigen Pflanzen bedeckt, deren brennend rote Kelchblumen aus dem tiefsten Schatten des darüber hängenden dichten, immergrünen Lorbeergesträuches hervorleuchteten, und aus diesen dunklen Laubmassen hingen die schneeweißen, federartigen, zwei Fuß langen Blüten einer Magnolienart herab, die man »des alten Mannes Bart« nennt. Karl ergötzte sich an der Farbenpracht, die trotz des zunehmenden Düsters das saftige Grün des Laubes durchwirkte, da bewegte sich eine der weißen, lang herabhängenden Blüten, als sei der Strauch, an dem sie hing, durch irgend etwas erschüttert worden. Mit verhaltenem Atem und fest gefaßter Büchse stierte Karl in das Dunkel unter den dicht belaubten Zweigen hinein; da bewegte sich abermals eine der weißen Blüten, welche aus dem vordersten Busche hervorsah.

Jeder Nerv, jede Muskel in Karl war angespannt, sein Blick wollte das tiefste Dunkel durchdringen; da teilten sich die blutroten Blumen und die goldgelbe, schwarzgefleckte Gestalt des Königs dieser Wälder, des Jaguars, schritt lautlos zwischen ihnen hervor. Er stand jetzt still und seine wie Feuer glühenden Augen überspähten die Waldblöße. Karl hatte die Büchse schon an der Schulter, als der erste goldige Schein zwischen den roten Blüten sichtbar wurde, und blickte über den Lauf hin auf den buntgefleckten Kopf des Königstiers.

In dem Augenblick, als er seinen Schritt anhielt, preßte Karl die Büchse noch fester gegen die Schulter, heftete ihr Korn noch unbeweglicher auf das Haupt des Feindes und gab Feuer. Der Donner des Gewehrs dröhnte durch den Wald und der Pulverdampf rollte sich in einer dichten Wolke über den offenen Platz, doch Karl hatte im Schuß schon erkannt, daß der Jaguar zusammenbrach.

»Pluto, faß!« schrie er dem Hunde zu, und sprang mit der Büchse in der Hand durch die Büsche vor sich; da sah er das Raubtier an der anderen Seite der Blöße in das Dickicht hineinsetzen.

»Faß, Pluto!« rief er abermals dem Hunde nach, der schon die Dickung erreicht hatte und den Jaguar verfolgte. Auch Karl war mit wenigen Sprüngen in den Büschen und stürzte, sich gewaltsam Bahn brechend, vorwärts; da sperrte ein riesiger umgefallener Baumstamm seinen Weg. Zugleich hörte er an dessen anderer Seite die Stimme Plutos und erkannte, daß derselbe mit dem grimmigen Raubtier in verzweifeltem wütenden Kampfe sei. Mit einem Satze war er auf dem Baumstamme, um ihn zu überspringen; die Borke aber zerbrach unter seinen Füßen und er selbst versank bis an die Brust in dem vollständig zu Pulver vermoderten Stamme. Er sah, wie der Jaguar seinen Hund unter sich liegen hatte, wollte sich aus dem Stamme hervorheben, um dem treuen Tiere zu helfen, da erblickte ihn der furchtbare Feind und wandte sich mit weit geöffnetem Rachen von dem Hunde ab, auf ihn zu. Karl senkte ihm seine Büchse entgegen mit dem Bewußtsein, daß er verloren sein würde, wenn die Kugel fehl ginge. Der Jaguar aber hatte nur einen Sprung vorwärts gethan, als Pluto ihn schon wieder erfaßte und seine Zähne in sein Hinterteil einschlug. Das Raubtier fuhr mit wildem Stoßgebrüll herum, um abermals den Hund zu ergreifen; da feuerte Karl, und die Kugel zerschmetterte den Kopf des wütenden, gefährlichen Gegners.

In diesem Augenblick riß Daniel das nahe Gestrüpp auseinander und sprang mit gespannter Büchse aus demselben hervor; der Tiger lag tot zu seinen Füßen, und Pluto stand über ihm und ließ, ihn zwischen den Zähnen schüttelnd, seine Wut an ihm aus.

»Gott sei gelobt!« rief der Neger, von dem getöteten Jaguar nach seinem jungen Freunde überrascht aufblickend, der seine Büchse von sich gelegt hatte und sich nun aus dem Baume hervorzuheben suchte.

»Um des Himmels willen, wie kommen Sie in den Baum?« rief Daniel aus, indem er Karl zu Hilfe sprang, ihn aus seinem Gefängnisse zu befreien.

»Ich war in eine Falle geraten, Daniel, und wenn Pluto, der brave, treue Hund nicht noch zu rechter Zeit zugefaßt hätte, so würde es mir vielleicht so ergangen sein wie dem Kalbe. Das Tier sprang wütend auf mich ein,« entgegnete Karl lachend, und trat frohlockend zu dem Jaguar hin.

»War recht, Pluto, so war es recht, alter, treuer Kerl, faß ihn, zaus' ihn, das war brav!« rief er, indem er sich über den Hund hinbeugte und seine Arme liebkosend um ihn schlang.

»Freund Pluto hat aber einige tüchtige Feldzeichen davongetragen; sehen Sie, er blutet gewaltig aus der Schulter und auch am Halse; die lange Wunde auf der Schulter ist mit den Krallen gerissen.«

»Jawohl, und das Ungeheuer würde ihn tot gemacht haben, wäre ich nicht hinzugekommen, denn er lag unter demselben und wehrte sich so gut er konnte. Als mich nun der Jaguar in meiner Falle erblickte, verließ er Pluto und wandte sich gegen mich, aber der treue Hund fiel ihm schnell in die Keule, und ich gewann Zeit, meinen Schuß anzubringen.«

»Und ein Meisterschuß war es, gerade durch den Schädel. Hatten Sie ihn denn mit dem ersten Laufe gefehlt, Sie haben doch zweimal geschossen?«

»O nein, ich muß ihn auch das erste Mal getroffen haben, denn er stürzte im Feuer zusammen, dennoch habe ich nicht sicher geschossen, da ich nach seinem Kopfe zielte.«

»Sie haben mit der Büchse gewankt, hier ist das Kugelloch, der Schuß ist ihm durch den Hals gegangen,« sagte Daniel, indem er Pluto zurückzog und auf den mächtigen Nacken des Tigers zeigte.

»Ja, Daniel, ich gestehe es, das Herz schlug mir gewaltig, so daß ich es laut hören konnte, und es flimmerte mir vor den Augen. Das nächste Mal aber, wenn ich wieder nach einem Jaguar schieße, soll es besser gehen. Gefürchtet habe ich mich aber nicht,« sagte Karl, und warf das schöne Tier auf den Bauch, um die herrliche Zeichnung der schwarzen Flecken auf seinem Rücken zu bewundern. Als Karl es anfaßte, fiel Pluto sofort wieder über den Feind her, doch jener zog ihn mit den Worten zurück: »Laß ihn in Ruhe, er ist tot und du verdirbst das schöne Fell,« dabei schmeichelte er den Hund und wandte sich an Daniel: »Was wirst du mir denn aus diesen Fangzähnen machen?«

»Gar nichts, ich will Ihnen den ganzen Schädel aufbewahren; wir vergraben ihn in einen Ameisenhaufen; die Ameisen nagen das Fleisch sehr sauber ab, darauf legen wir ihn in die Sonne, damit er recht schön weiß bleicht, und dann hängen Sie ihn an einen Nagel über Ihr Bett. Sie werden sich noch manchmal über den Meisterschuß freuen. Nun aber muß ich mich wahrhaftig eilen, um die Haut noch abzunehmen, ehe es ganz dunkel wird.«

Hiermit stellte der Neger die wieder abgespannte Büchse an einen Baum, zog das Messer aus der Scheide und begann, bei dem Jaguar niederknieend, denselben seines schönen Kleides zu berauben. Karl war ihm dabei behilflich, während Daniel ihn unterwies und Vorsicht anempfahl, nicht in die Haut zu schneiden. Dieselbe wurde bis an den Kopf abgestreift, dieser nun von dem Körper getrennt und somit war die Arbeit beendet, während die Nacht vollständig hereingebrochen war. Daniel warf das Fell über seine Schulter und ergriff die Büchse, da trat Karl nochmals zu dem Jaguar hin und sagte: »Ich will mir doch nun auch seine Krallen zum Andenken mitnehmen.«

Er schnitt sie schnell von den Tatzen ab, steckte sie in seine Jagdtasche und folgte nun dem Neger, der sicheren Schrittes durch die Finsternis dem Waldsaume zueilte. Auf dem Wege bis dorthin gerieten sie aber wiederholt so sehr in die Ranken und Dornen des Dickichts, daß ihnen Hand und Gesicht blutete, als sie die Prairie erreichten.

»Morgen will ich doch gleich einige Hirschhäute gerben, damit wir uns Lederanzüge machen können. Wir werden schön aussehen, wenn wir nach Hause kommen,« sagte Daniel, nun rasch an dem Walde hinschreitend, der sich wie eine schwarze Wand zu dem sternbedeckten Himmel erhob.

»Hier ist das Kleid des Räubers!« rief Karl triumphierend, als Turner das Thor öffnete und die beiden Jäger einließ.

»Also wirklich!« entgegnete Turner, freudig überrascht. »Ich hatte meine großen Zweifel, ob es euch gelingen würde, seiner habhaft zu werden. Kommt herein, auch die anderen werden sich freuen.«

Karl hatte dem Neger die Haut abgenommen und trug sie stolz in das Zimmer, wo er sie auf dem Boden ausbreitete.

»Das ist ja ein ungeheures Fell, es ist über sechs Fuß lang,« sagte Turner, indem er erstaunt die Haut betrachtete.

»Und wie prächtig ist es gezeichnet, und wie glänzend und glatt ist das Haar,« fiel Madame Turner ein.

»Er holt uns keine Kälber wieder,« sagte Karl und erzählte nun den Hergang der Jagd.

»Das war ja aber eine große Gefahr, der du ausgesetzt warst, Karl; wie leicht hätte dich das Tier verletzen können. Du mußt dich wahrhaftig mehr in acht nehmen, du bist viel zu dreist,« fiel Madame Turner mit liebevollem Tone ein, und strich dem Knaben die wild um seinen Kopf hängenden weichen Locken zurück.

»Dreist ist schon gut, nur muß die nötige Vorsicht und Überlegung damit gepaart werden,« versetzte Turner; »hättest du dich vorsichtig auf den Baum gehoben, so hättest du unbemerkt dem Jaguar wohl deinen zweiten Schuß anbringen können und du wärest nicht in dem Stamme versunken.«

»Aber, lieber Onkel, wer konnte denn denken, daß der Baum inwendig aus lauter Pulver bestand,« entgegnete Karl und zeigte nun die Krallen, die er dem Tiere abgeschnitten hatte. Dann mußte Pluto herbeitreten und seine Wunden in Augenschein nehmen lassen, wofür er von Madame Turner mit einem Überreste von einer Hirschkeule belohnt wurde.

»Aber, Karl, wie siehst du denn aus – dein Rock hängt ja in Fetzen um dich?« sagte Julie, als dieser dem Lichte näher trat; »hat ihn dir der Jaguar zerrissen?«

»O nein, der ist so nahe nicht an mich gekommen; die Dornen haben es gethan, als wir in der Dunkelheit durch den Wald gingen,« entgegnete Karl, indem er vor den Spiegel trat und die vielen Öffnungen in seinem Rocke betrachtete, durch welche das weiße Hemd hervorschien.

»Ich werde morgen Hirschhäute gerben, aus denen wir uns Kleidung machen wollen, denn aller andere Stoff hält auf der Jagd nicht aus. Auch meine Jacke hat diesmal große Not gelitten,« fiel der Neger ein, und verließ mit den Worten das Zimmer: »Ich will schnell noch die Häute der zuletzt geschossenen Hirsche in das Wasser legen, damit sie weich werden.«

Bald kehrte er zurück und nahm mit Turners am Tische Platz, um das Abendbrot zu verzehren. Nachdem dies geschehen war, griff ein jedes wieder zu einer Arbeit, und Daniel kam heute mit der Anfertigung des Pulverhorns und des Trinkbechers zu Ende, welche er Karl überreichte, als sie sich erhoben, um sich zur Ruhe zu begeben. Beide Hörner waren äußerst sauber und geschmackvoll gearbeitet und machten Karl außerordentlich große Freude. Er dankte dem freundlichen Neger von ganzem Herzen und wünschte nur eine Gelegenheit zu finden, ihm gleichfalls eine Freude bereiten zu können.


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