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Neuntes Capitel.


Drüben war die Ruhe halb und halb nur eine scheinbare. Weder Elisabeth, noch Flora, noch Frau Artefeld suchten den Schlaf, Letztere wider alle Gewohnheit, da sie eine strenge Regelmäßigkeit des Lebens für eine der Gesundheit nothwendige Pflicht hielt. Heute zog ein allmächtiges Gefühl sie noch zu ihrem Kinde. Die Wärterin des Knaben schlief fest, der Schein der Nachtlampe verbreitete ein mattes Halbdunkel, gerade hell genug, die Züge des Kleinen magisch zu beleuchten.

Es giebt kaum einen reizenderen Anblick als den eines schlafenden Kindes. Es ist das Bild des süßesten, unschuldigsten Friedens, selbst der Traum hält sich dieser Ruhe fern. Das Leben prägt seinen Eindruck noch nicht tief genug, um im Traume nachzuwirken, oder es sind höchstens helle Bilder, die das lächelnde Antlitz wiederstrahlt, wie ein ruhiger heller Bach die Sterne, die hineinschauen.

Frau Artefeld war keine Freundin von halbdunkeln Stuben. Sie holte aus ihrem Zimmer die Lampe herein. Ein Kind wacht nicht so leicht auf, und ob die Wärterin gestört wurde, war ihr gleich. Sie stellte die Lampe auf den Tisch, der hinter der kleinen Bettstelle stand. So fiel der Lichtstrahl nur erleuchtend, nicht blendend auf das rosige Gesicht des kleinen Schläfers. Dann setzte sie sich an das Bett, und ihr starrer, strenger Blick milderte sich unwillkürlich, als sie so in schweigenden Gedanken den Schlummer ihres Sohnes, ihres einzigen Sohnes bewachte.

 

Flora und Elisabeth plauderten sonst oft noch lange mit einander, heute aber erklärte Flora, sehr müde zu sein, und zog sich in ihr Zimmer zurück, das von dem Wohnzimmer Elisabeth's durch ein kleines Cabinet getrennt war, welches zugleich den Eingang zu beiden bildete und auf den langen Corridor hinausging, der zur Treppe führte. Elisabeth's Wohnstube war die letzte auf der Frontseite des Hauses, das Cabinet, die Schlafzimmer Beider und Flora's Stube hatten, da das Haus ein Eckhaus war, die Fenster nach einer kleinen Seitenstraße hinaus.

Kaum hatten sich die beiden Mädchen gute Nacht gesagt und Elisabeth sich in ihr Zimmer zurückgezogen, als Flora, nachdem sie eine kleine Weile gewartet, leise in das Cabinet schlich, aus einem dort stehenden, beiden Mädchen angehörenden Kleiderschrank einen schwarzseidenen Mantel nahm, ihn sich rasch umwarf, eben so rasch den ersten besten Hut aufsetzte und leisen Schrittes den Corridor entlang, die Treppe hinunter in das untere Stockwerk eilte und in das Zimmer des alten Gebhard eintrat, dem sie schon vorher gesagt, daß er nicht schlafen gehen solle, weil sie ihn noch sprechen müsse. Sie fand ihn also noch wach, mit dem Putzen des Silberzeugs beschäftigt, eine Arbeit, die er mit aller Eigenwilligkeit eines alten Dieners von keinem Andern gut genug besorgt glaubte und deshalb immer selbst übernahm.

»Lieber Gebhard,« sagte sie gleich beim Eintreten, »Sie müssen mich noch auf einem Gange begleiten; Bruder Richard ist hier, ich erfuhr es vor einer Stunde. Er will aber Niemand sehen und in dieser Nacht schon wieder abreisen. Das dürfen wir nicht zugeben! Zu ihm in's Gasthaus gehen kann ich nicht, wir wollen ihn auf der Post überraschen. Er kann nur um zwölf oder zwei Uhr abfahren. Bis wir hinkommen, ist es zwölf, finden wir ihn nicht, so gehen wir zur alten Dorothee König und warten bis um zwei, um welche Stunde wir ihn dann gewiß treffen.«

Der alte Diener stand in starrem Erstaunen da.

»O Gott, der junge Herr!« sagte er nur.

»Ich hatte schon daran gedacht, Sie allein zu ihm, zu schicken und ihn beschwören zu lassen, länger zu, bleiben, mich oder Elisabeth oder den Vater erst zu sehen, aber ich glaube, er giebt nicht nach. Er hat es Herrn Richter gesagt, er wolle Niemand sehen. O, manchmal ist er starrköpfig wie« – sie verschluckte das: wie seine Mutter, – was ihr auf den Lippen schwebte. »Wir müssen ihn überrumpeln, es hilft nichts, aber dann muß er unseren Bitten nachgeben. Er muß hierbleiben, bis ich mit dem Vater gesprochen habe, der Vater allein kann es durchsetzen, daß man ihn wieder als einen Sohn des Hauses behandelt.«

In ihrem guten Glauben übersah sie die zweifelnde Miene des alten Dieners, der, ohne ein Wort zu sagen, rasch das Silberzeug in die Schublade des Tisches legte, seine Mütze von der Wand nahm und sich anschickte, die junge Dame auf der nächtlichen Wanderung zu begleiten.

»Nur leise, daß der Portier uns nicht hört,« warnte Flora.

Gebhard lächelte.

»Den wird's nicht beunruhigen, wenn er auch die Thür gehen hört,« sagte er leise vor sich hin, öffnete aber dann so geräuschlos als möglich die Hausthür.

»Gehen Sie voran und sehen Sie zu, ob die Straße ruhig ist,« bat Flora.

Gebhard that, wie sie geboten, und rief dann leise zurück:

»Kommen Sie nur, Fräulein Flora; wir können nicht erwarten, die Straßen leer zu finden, und wir müssen uns beeilen, es ist nicht mehr weit von zwölf Uhr.«

Flora ließ ihren Schleier herunter und hüllte sich fester in ihren leichten seidenen Mantel. »Da habe ich wahrhaftig Elisabeth's Mantel genommen,« dachte sie, drückte vorsichtig die Thür hinter sich in's Schloß und schritt dann schnell, von Gebhard begleitet, die Straße entlang, ihre Schritte noch mehr beeilend, als sie bemerkte, daß Jemand ihr nachkam, sie einholte, im Vorbeigehen ihr in das gänzlich durch den Schleier verhüllte Gesicht zu sehen suchte, dann, nachdem er ein paar Schritte vorbei war, wieder umkehrte, sehr langsam und sie aufmerksam beobachtend nochmals an ihr vorüberging. Diesmal hatte sie ihn erkannt. Es war Dorn, der aber nun stehen blieb und ihr nicht weiter folgte.

»Ist es denn möglich,« sagte er, »es war Elisabeth's Mantel, ihr Hut, der alte Gebhard ging mit ihr, ich habe sie aus dem Hause kommen sehen, – was bedeutet das?«

Seit Dorn nach Elisabeth's Gesang, in welchem er, wohl nicht mit Unrecht, ein Geständniß ihres Herzens zu erkennen geglaubt hatte, die Gesellschaft verlassen, war er rastlos auf den Straßen umhergeirrt, immer wieder, wie von einem Magnet angezogen, zu dem Hause zurückkehrend, das seinen Schatz umschloß. Er liebte das Mädchen schon lange, er hatte schon oft sich ihr zu nähern versucht, aber ihre ängstliche Schüchternheit und der Mutter bewachende Blicke hatten ihm immer nur eine Annäherung auf Augenblicke gestattet. Dennoch waren einzelne geheime Beziehungen angeknüpft, die das verborgene Feuer in Beider Herzen nur mehr und mehr anfachten. Sein Auge schien sie überall zu suchen, ihr überall hin zu folgen. Ging sie aus, er begegnete ihr jedesmal; sie wußte die Stunde genau, wenn er an ihrem Hause vorüber seinen Berufsgeschäften nachgehen mußte, sie war jedesmal am Fenster. Sie sah nicht von ihrer Arbeit oder ihrem Buch auf, gab und empfing keinen Gruß, denn das hätte die Mutter bemerken können, aber sie wußte doch, daß er sie sah, und war er vorüber, sendete sie ihm ihre Blicke nach, so lange sie konnte. Sie fand oft die schönsten Blumen an ihrem Fenster. Das erste Mal hatte sie ihre Jungfer gefragt, wo sie herkämen, da diese ihr aber mit schlauem Gesicht geantwortet: »Aus dem Garten meines Vaters, – mein Vater ist Gärtner, Fräulein wissen es ja, und wenn Sie es der Madame sagen, hat sie gewiß nichts dagegen,« seitdem fragte sie nicht mehr, sondern trug dem geriebenen kleinen Kammerkätzchen nur jedesmal einen schönen, recht schönen Dank für den Vater auf.

Daß das schön gebundene Exemplar von Dorn's Gedichten, das sie am Tage vor der Gesellschaft auf ihrem Fenster gefunden, auch aus dem Garten von Lisettens Vater kam, konnte sie allerdings wohl kaum annehmen, aber diesmal schien sie nicht neugierig. »Ein Blumenstrauß, für Dich gepflückt,« stand auf dem Titelblatt, das war ihr genug, und vor dem Strauß erblaßten alle Blumen aus dem Garten von Lisettens Vater, aus ihm schöpfte sie den Muth, die Herzensfreudigkeit, die unschuldige Zuversicht, mit der sie an dem geschilderten Abend den längst im Stillen geliebten Freund begrüßte und, da der Zufall die Mutter entfernt hielt, ihr glühendes Gefühl, fast ohne es zu wollen und zu wissen, in jenem Liede vor ihm und leider vor vielen Unberufenen überströmen ließ.

 

Dorn war alles Blut in den Kopf gestiegen, als ihm jenes strahlende: »Dein ist mein Herz« zugerufen wurde. In der Aufregung aber vergaß er jede Rücksicht, und so stürzte er lieber fort, als daß er es nur versucht hätte, um ihretwillen sein Gefühl zu zügeln. Es möchte schwer sein, alle die verworrenen, sich widersprechenden Gedanken und Empfindungen wiederzugeben, mit denen seine Phantasie sein Herz beseligte und quälte, als er so auf den Straßen umherlief und in dem: »Dein ist mein Herz« bald einen Triumph der Liebe feierte, bald den Anfang alles möglichen Herzenswehs darin sah. Dazwischen kam auch die Reue, daß er so unüberlegt, so besinnungslos fortgelaufen, daß er sie hatte sprechen lassen, fast zuerst sprechen lassen, und nicht einmal nach einem Augenblick gesucht habe, ihr für diese himmlische Offenheit ihres Herzens einen feurigen Dank zuzuflüstern. Es drückte ihn wie eine Schuld. Er nahm sich vor, in die Gesellschaft zurückzukehren, vielleicht, dachte er, hatte Niemand seine Abwesenheit bemerkt, war es geschehen, konnte er leicht ein Unwohlsein, eine Anwandlung von Ohnmacht, Andrang des Blutes oder dergleichen vorschützen, heiß genug war's im Saal gewesen.

Leider war sein Entschluß zu spät gefaßt; als er in die Nähe des Hauses kam, verließen eben die Gäste dasselbe. Er dachte dennoch daran, hineinzugehen, er sann auf einen Vorwand, er ging unentschlossen hin und her, er war eben wieder in der Nähe der Thür, als dieselbe leise geöffnet wurde, Gebhard sich vorsichtig umsehend heraustrat, er nur die letzten Worte desselben: Wir müssen uns beeilen, es ist nicht mehr so weit von zwölf Uhr, hörte, dann eine in Elisabeth's Mantel, den er genau kannte, gehüllte Dame erblickte, die mit sichtlicher Aengstlichkeit und Eile dem alten Diener folgte.

Ihm erstarrte das Herzblut. Dem ersten Gedanken nachgebend, der ihn antrieb, sich Gewißheit zu verschaffen, folgte er der Dame, es war ihm aber unmöglich, ihr Gesicht zu erkennen, obgleich er deutlich glaubte, Elisabeth's blondes Haar durch den Schleier schimmern zu sehen, und darüber vergaß, daß Flora ja auch helles, wenn auch nicht so schönes, golden schimmerndes wie Elisabeth hatte. Die Größe beider Mädchen war ziemlich gleich, und unter dem weiten, faltigen Mantel konnte sich eben so gut Elisabeth's schlanke wie Flora's gedrungene Gestalt verbergen. An Flora zu denken fiel ihm aber gar nicht ein, denn er war toll genug, an die Möglichkeit eines Rendezvous zu glauben, und er hatte noch nie den Gedanken einer zärtlichen Regung mit der häßlichen Flora in Beziehung gebracht.

Es war wohl Wahnsinn von ihm, einem sittsam und anständig erzogenen Mädchen eine so verwegene Unbesonnenheit der Liebe zuzutrauen, die zu einem nächtlichen Rendezvous führt, noch toller, dies in einem Augenblick zu thun, wo er eben selbst unzweideutige Beweise von Zuneigung erhalten. Er mußte Unschuld, in Zweideutigkeit, Schüchternheit in kecke Nichtachtung aller Sitte, Wahrheit in Lüge verwandeln, mußte diejenige, die er angebetet, aller der bisher bewunderten Seelenreize berauben, mußte Liebe in Verachtung verkehren, um das zu können – aber Verliebtheit und aufgeregte Phantasie scheuen vor keinem Unsinn zurück, aus einem Staubkorn schaffen sie die Wolke, in der alle Logik, alle Vernunft untergehn.

»Sie kann das Lied einem Andern gesungen haben,« dachte Dorn, »ich Thor habe es mir nur angenommen.« Aber ihr Benehmen den ganzen Abend? O, das hatte er falsch ausgelegt. Aber ihr ganzes Wesen überhaupt? Keine Seele hatte sie jemals der leisesten Koketterie beschuldigt, ihre scheue Zurückhaltung wurde fast getadelt, sie lebte so zurückgezogen, so überwacht, daß sogar kaum eine Versuchung ihr nahen konnte; Sittenreinheit spiegelte sich in jedem ihrer Worte, ihrer Blicke, ja, selbst ihr heutiges unbewußtes Hinausgehen über die Grenze strenger Form hatte ihn vor wenigen Minuten durch die unverkennbare Unschuld bezaubert, mit der sie sich einem übermächtig gewordenen Gefühl hingab. Aber alle diese Dinge, vor denen eigentlich ein Verdacht nie hätte aufkommen müssen, dienten jetzt kaum dazu, ihn zum Kampf gegen seinen Argwohn anzuregen, oder führten wenigstens nicht unbedingt zum Siege.

»Stille Wasser sind tief,« sagte Dorn zähneknirschend; »habe ich sie nicht mit lieblicher Freundlichkeit jenem unverschämten Menschen, jenem Moritz Eisenhart folgen sehen, als er unser Gespräch zu unterbrechen kam, und wenige Minuten vorher lachte sie über meine Voraussetzung, als könne er ihr lieb sein! Hab' ich's nicht selber gehört, wie er sie rühmte, ihm sein Lieblingslied vorgesungen zu haben, und sie schwieg dazu? Weiß ich's denn, ob er nicht recht hat? Und wenn sie mit ihm kokettirt, warum soll sie es nicht auch mit mir? Ist sie überhaupt kokett, hat sie dies holde, freundliche Lächeln für Jeden, gleichviel ob sie ihn liebt oder nicht, nun, so hat es ja auch nichts zur bedeuten, und sie mag immer mit Zweien kokettiren und einen Dritten lieben –«

Er rannte wie ein Besessener die Straße: auf und ab. Vis-à-vis vor dem Hause blieb er wieder stehen. In ihrer Stube war noch Licht. Er kannte das Fenster ja genau, er konnte durch das herabgelassene Rouleau deutlich die Umrisse des letzten Bouquets bemerken, das er ihr gegeben. Seine Blumen dort und – wo war sie? Hätte er nur einen Blick in das Fenster werfen können, um zu sehen, ob sie da sei. –

»Ich gehe hinauf,« dachte er plötzlich. »Dem Portier sage ich, daß ich etwas oben im Saal vergessen. Ich kenne den Weg, ich leide nicht, daß er mich begleitet, ich bitte ihn, die Thür offen zu lassen, weil sich gleich wiederkomme. Ich weiß, wo Elisabeth's Stube liegt, die letzte Thür am Ende des Corridors muß zu ihr führen, ist sie zu Hause, so ist sie auch wach, denn sie hat mir selbst gesagt, daß sie nie vor Mitternacht zur Ruhe geht. Ich will sie nur sehen, weiter nichts, erblickt sie mich, ihr nur zu Füßen stürzen, sie um Verzeihung bitten, weiter nichts. Aber diese Qual ertrage ich nicht.«

Er zögerte noch einen Augenblick, er überlegte, daß, wenn die Dame, die er gesehen, Elisabeth gewesen wäre, er ja auch ihre Rückkehr abwarten und sie dann entlarven könnte. Aber vor dem Bedienten? – Nein, vor solcher Unzartheit scheute er zurück. Die viel größere, eine junge Dame in der Nacht auf ihrem Zimmer zu überraschen, weil er den wahnsinnigen Verdacht gefaßt, ein achtzehnjähriges unschuldiges Mädchen könne eine vollendete Heuchlerin sein, diese Unzartheit sah er nicht vor der Wolke, die seine mißtrauische Phantasie vor ihm emporgewirbelt.

Dennoch scheute er von seinem Unternehmen, vor den Gedanken, die ihn dazu anspornten, zurück.

»Es ist Raserei, an ihr zu zweifeln,« sagte er sich leise, »ihre Blicke, ihre Worte, ihr Gesang galten mir, ich weiß es; aber – wenn sie mir nicht gegolten hätten, wenn sie falsch, wenn ich ein Thor gewesen wäre? Was hat sie in der Nacht draußen zu thun?« dachte er weiter, »hat man sie irre geleitet, ihre Jugend und Unschuld mißbraucht zu einem Betruge? Gott im Himmel und ich bin ihr nicht gefolgt, ich habe sie gehen lassen! Aber nein, sie war ja nicht allein.«

Die Sache wurde ihm immer unerklärlicher. Er hatte sich während seiner Reflexionen unwillkürlich vom Hause entfernt, mit einem plötzlichen Entschluß näherte er sich demselben wieder.

Noch immer war es in Elisabeth's Zimmer hell. Daß es nicht das einzige helle war, beunruhigte ihn nicht, er schrieb das weitere erleuchtete Fenster ganz richtig der Kinderstube zu, in der ein Nachtlicht ja nichts Ungewöhnliches ist. Die Stube neben der Elisabeth's war dunkel, und das war ihm die Hauptsache, denn er wußte, das war das Zimmer ihrer Mutter. Diese schlief also, und die doppelten Portieren, meinte er, würden ja wohl den Schall dämpfen, wenn Elisabeth ihn sehen und etwa ein Ruf des Schreckens ihr entschlüpfen sollte.

So viel Besinnung hatte er noch, sich vorzunehmen, dem jungen Mädchen, falls sie da sein sollte, den Schrecken über sein tolles Beginnen und sich zugleich die Beschämung zu ersparen, ihr den Grund desselben erklären zu müssen. Nein, er wollte sich nicht sehen lassen, gewiß, er wollte es nicht! Er beschloß es fest. Er wollte nur leise, ganz leise die Thür öffnen und sich zurückziehen, sowie ihre Anwesenheit seinen furchtbaren Verdacht zerstört haben würde.

Alle diese Ueberlegungen waren jedoch das Werk weniger Minuten. Dann ging er entschlossen über die Straße und hatte schon den Klingelzug, der in das Zimmer des Portiers führte, in der Hand, als er plötzlich gewahrte, daß die Thür nur angelehnt war. Er pries den Zufall, er gab demselben sogar eine höhere Bedeutung. »Ist sie schuldig,« dachte er, »so ist es auch ihre Unbesonnenheit, die zur Entdeckung führt. Jedenfalls ist mir der Weg gebahnt.«

Er trat schnell und vorsichtig ein und lehnte die Thür ebenso wieder an, wie er sie gefunden. Es war ganz still im Hause. Die Flurlampe, halb heruntergeschraubt, verbreitete nur ein düsteres Licht; bis in das obere Stockwerk hinaus, in dem die Schlafzimmer lagen, fiel nur ein ganz matter Schein. Die auf der Treppe liegenden Teppiche fingen den Schall seiner Tritte auf; das Herz schlug ihm zwar, als er, auf dem Corridor angelangt, an so vielen Thüren vorüber mußte, von denen sich ja leicht eine öffnen und ihm irgend ein ungewünschtes Gesicht zeigen konnte. Er zog die Uhr heraus, der Zeiger war nicht mehr weit von zwölf. Er beruhigte sich wieder. In einem Hause, in dem Arbeit an der Tagesordnung ist, pflegt um diese Zeit ein Jeder zu schlafen.

Freilich fiel ihm auf einmal ein, daß allgemeinem Gerede nach Herr Artefeld selbst durchaus nicht zu den Arbeitsamen gehöre, die in der Nacht Kräfte sammeln müssen für den Verbrauch des Tages. Er hatte ihn oft einen Nachtschwärmer nennen, allerlei Vermuthungen über sein ungeregeltes Leben aussprechen hören. »Bah! was bedeuten Vermuthungen!« dachte er, »bestimmter Thatsachen klagt ihn Keiner an. Leere Gerüchte, weiter nichts.« Es war auch zu spät, sich durch dergleichen Besorgnisse stören zu lassen, nun er so weit war, durfte er doch nicht umkehren!

Er stand vor der Thür, die er für die zu Elisabeth's Zimmer führende hielt. Es war die letzte auf dem Corridor, er ahnte nicht, daß man durch die auf der andern Seite liegende Thür des Cabinets zu ihr gelangte. Das Herz schlug ihm hörbar, als er leise die Hand auf die Klinke legte, er verstand die Stimme nicht, die ihn vor dem Frevel warnte. Er dachte nur an den nächstliegenden Augenblick, fand er sie schuldig, war ihm alles Uebrige gleich, war sie unschuldig, was ihm sonderbarer Weises gewisser schien, je mehr er sich der Entscheidung nahte, nun, so konnte ja kein Mensch ihr etwas anhaben. Warum sollte er sie nicht einmal um Mitternacht eben so gut in ihrer Stube sitzen sehen, den schönen Kopf träumerisch in die Hand gestützt oder in ein Buch vertieft, als am hellen Tage? Zudem wußte sie nichts von seinem Kommen. Aller Tadel fiel auf ihn, wenn wirklich ein Tadel daran geheftet werden sollte. Wer konnte sie im Verdacht haben, um seinen Besuch gewußt, ihn dazu ermuthigt zu haben? Jeder, der es wagte, hatte es mit ihm zu thun!

Mit einem raschen Entschluß öffnete er die Thür, in demselben Augenblick fühlend, daß auch von innen an die Klinke gedrückt wurde. Die Thür sprang auf, und Dorn stand vor Frau Artefeld, die endlich sich von dem Anblick ihres Kindes getrennt hatte und nun, wie sie es gewöhnt war, noch einen Blick auf den Corridor werfen wollte, ehe sie sich zur Ruhe begab.

Ihr maßloses Erstaunen, sein bis zur Bestürzung gesteigerter Schreck möchten schwer zu schildern sein.

»Herr Dorn,« sagte sie, »was wollen Sie hier, um diese Stunde, in meinem Zimmer? Soll ich bei Ihrem Anblick ›Diebe‹ rufen, oder was soll ich von Ihrem Hiersein denken?«

Ihre Worte gaben ihm auf einmal die Besinnung wieder. Er kam sich vor wie ein Berauschter, der plötzlich nüchtern wird. Sein wahnsinniges Thun stand in voller Deutlichkeit vor ihm, und mit der Erkenntniß seiner Excentricität griff er auch nach dem einzigen Mittel, das ihm zu Gebotes stand, sie gut zu machen.

»Ich liebe Ihre Tochter,« begann er.

»Halt,« unterbrach ihn die Dame, ihn durch einen Wink bedeutend, näher zu treten, die Thür hinter ihm und ebenso die nach der Kinderstube offenstehende schließend, »da Sie Ihre Zeit so sonderbar wählen, mir ein solches Geständniß zu machen, das ich übrigens nicht anhören würde, wollte und müßte ich nicht eine Erklärung Ihres auffallenden Erscheinens hier haben, – da Sie also Ihre Zeit so wider allen Anstand und alle Sitte wählen, so sprechen Sie wenigstens so leise und so kurz als möglich, ich möchte weder meine Töchter, noch meine Leute bei dieser Angelegenheit in's Vertrauen ziehen.«

Die eisigen Worte genügten vollkommen, die Demüthigung und Beschämung Dorn's bis zu einem Grade zu steigern, daß er sich nur mit Mühe der Verwirrung, die ihn gefangen hielt, entriß, und statt, wie anfangs sein Gefühl ihn trieb, mit warmer Offenherzigkeit seine Beichte abzulegen, sagte er jetzt nur das Nothwendige in der gedrängtesten Kürze.

»Ich liebe Ihre Tochter schon lange, ich hoffte auf ihre Gegenliebe und glaubte heute derselben gewiß zu sein, obgleich keine Aussprache zwischen uns erfolgt ist. Ich war nicht im Stande, nach ihrem himmlischen Gesange noch in der Gesellschaft zu bleiben, war eben so wenig im Stande, nach Hause zu gehen. Ich irrte also auf der Straße umher, bis –« Dorn hielt plötzlich inne. Er konnte doch unmöglich der Mutter Elisabeth's seinen Verdacht mittheilen; war das Mädchen schuldig, durfte er der Verräther sein? Aber tausend Stimmen riefen auf einmal in ihm: sie ist unschuldig! Sie hatten es ihm schon zugeflüstert draußen, sie waren lauter geworden, als er das Haus betrat, sie hatten ihn zur Umkehr nöthigen wollen, und er hatte sie nicht gehört. Jetzt pochten sie auf ihr Recht.

»Nun?« fragte Frau Artefeld ungeduldig, ihn mit mißtrauischen Blicken betrachtend. »Gut,« sagte er entschlossen, »ich habe sehr unrecht gehabt, auch nur einen Augenblick dem holden unschuldigen Kinde die Handlung zuzutrauen, die mich ohne Besinnung hierher führte. Durch Verblendung der Liebe kann ich allein mein Thun entschuldigen. Verständniß kann ich nur von dem reinsten Edelsinn, Nachsicht nur von der Güte eines Mutterherzens erwarten. Meine erste Sühne soll in vollständiger Offenheit bestehen.« Er hielt inne, eine ungeduldige Kopfbewegung der stolzen Frau vor ihm gebot ihm fortzufahren. Alle seine Fassung zusammennehmend, sagte er in halb erzählendem Tone:

»Gegen zwölf Uhr etwa verließ eine Dame das Haus. Ich war thöricht, wahnsinnig genug, es für möglich zu halten, es könnte Elisabeth sein. Ich bitte ihr die schmähliche Beleidigung ab, ich wage nicht, sie dadurch zu wiederholen, daß ich erzähle, was ich glaubte. Eifersucht raubte mir den Verstand. Ich sah Licht in Elisabeth's Zimmer, der glühende Wunsch, mich zu überzeugen, ob sie darin sei, überwältigte mich. Ich überlegte rasch, daß ich dem Portier sagen könnte, ich habe etwas im Saal vergessen, was ich mir holen wolle, ich dachte nur an einen flüchtigen Blick in ihr Zimmer hinein, ich wollte sie nicht sprechen, nur sehen –«

»Herr Dorn,« unterbrach ihn Frau Artefeld wieder in ihrer ruhigen, gemessenen Weise, »erlauben Sie, daß ich an Ihrem Verstande oder an Ihrer Wahrheitsliebe zweifle. Ich sage Ihnen jedoch, daß es nicht sehr leicht ist, mich zu belügen, und ebenso, daß ich schonungslos verfahre, komme ich einem Unrecht auf die Spur, wenn es auch eins meiner Kinder ist, welches ich desselben anklagen muß. Ich scherze nicht in Sachen der Moral, und wenn es Ihnen gelungen sein sollte, meine Tochter zu einer Unbesonnenheit, zu einem Spiel hinter dem Rücken ihrer Mutter zu verleiten, blamire ich sie vor aller Welt. Warten Sie jetzt gefälligst hier einen Augenblick.«

Sie stand auf und ging nach dem Zimmer ihrer Tochter. Dorn wagte nicht, ihr auch nur mit den Blicken zu folgen.

 

Elisabeth war zwar, gleich nachdem sie Flora verlassen, zu Bett gegangen, denn sie hatte es für unmöglich gehalten, nach den Erlebnissen des Abends noch zu lesen, aber die Aufregung hielt den Schlaf fern, und die stürmenden Gedanken zur Ruhe zu bringen, hatte sie zuletzt doch zu dem gewohnten Hülfsmittel gegriffen. Sie hatte ein Tischchen mit der Lampe an ihr Bett gerückt, aber diesmal nicht nach den auf demselben liegenden Romanen gegriffen. Heute war ja eine kurze Stunde hindurch ihr Leben viel schöner gewesen als jeder Roman. Wachend träumte sie diese schöne Stunde noch einmal durch, und dann griff sie nach dem Band Gedichte, denen sie schon die vergangene halbe Nacht gewidmet, sie las wieder und wieder die zarten Klänge, die hold in ihre Seele tönten, sie las, bis der Blumenstrauß, für sie gepflückt, sie mit seinem Duft betäubte und sie die Augen schloß vor den Frühlingsbildern, die er heraufbeschwor.

So war sie, das Buch in der Hand, vom Schlaf überrascht worden, und so fand sie die Mutter. Sie wachte nicht auf, als jene an ihr Bett trat, den starren, kalten Blicken, von denen sie wachend immer das Auge abwenden mußte, trotzte die Bewußtlosigkeit des Schlafes. Die Mutter betrachtete sie lange prüfend. Ihr Athem ging ruhig, die Gesichtszüge trugen wie die Georg's das Gepräge friedlicher Unschuld – wahrlich! weder Erwartung noch Täuschung konnten sie bewegt haben, ehe der Schlaf sie in die Arme nahm.

»Gott sei Dank, sie ist wenigstens schuldlos an dieser Tollheit,« sagte Frau Artefeld leise und griff nach dem Buch, das Elisabeth in der Hand hielt. Aber sie mußte ihren Vorsatz, es ihr fortzunehmen, aufgeben. Elisabeth hielt es zu fest umschlossen, sie fürchtete, sie dabei zu erwecken. So begnügte sie sich, einen Blick auf die auf dem Tisch liegenden Bücher zu werfen, schraubte dann die Lampe aus und verließ wieder das Zimmer.

»Wenn Sie so gut sein wollen jetzt nach Hause-zu gehen, und nie, weder bei Tage noch bei Nacht, wiederzukommen,« sagte sie zu Dorn, »so werde ich Ihnen sehr verbunden sein. Die Dame, die Sie haben mein Haus verlassen sehen, ist wahrscheinlich, wenn sie nicht überhaupt ein Geschöpf Ihrer Einbildungs- oder Erfindungskraft sein sollte, eine meiner Jungfern, und ich werde diese Unordnung streng rügen. Sie werden wohl kein weiteres Interesse dafür haben, also gute Nachts.«

Dorn war nicht im Stande, ein Wort der Erwiderung hervorzubringen. Der eisige Ton der Dame, der jede Entschuldigung, jede weitere Erklärung abschnitt, erregte ein Gefühl in ihm, das der Wuth nahe kam, um so mehr vielleicht, als er sich ihr gegenüber im Unrecht fühlte. Was er ihr erzählt, war die reine Wahrheit, aber sie glaubte ihm nicht, das war sichtlich. Hätte ein Mann ihm gegenübergestanden und an seinem Wort gezweifelt, er würde ihn zur Rechenschaft gezogen haben, was sollte er einer Dame gegenüber thun, einer Dame, die noch dazu die Mutter seiner Geliebten war? Er zögerte, er wollte noch einmal sprechen, seine Sache führen, ihr höhnischer, verächtlicher, ungläubiger Blick schloß ihm die Lippen. Er biß die Zähne zusammen, trat mit einem plötzlichen Entschluß zurück, verbeugtes sich sehr förmlich und kalt, verließ das Zimmer und eilte die Treppe hinunter und zum Hause hinaus, als würde er von bösen Geistern gejagt.

 

Auch Flora's Expedition lief unglücklich ab. Als sie um zwölf Uhr mit ihrem Begleiter auf die Post kam, waren die Wagen eben im Begriff abzufahren, sie hatte nur noch Zeit, die Passagiere mit einem raschem Blick zu prüfen, sich zu überzeugen, daß Richard nicht unter ihnen war. Dann gingen sie zur alten Dorothee, die, auf wiederholtes heftiges Läuten an der Glocke aus dem tiefsten Schlaf geweckt, in den Tod erschrocken die Hausthür öffnete, aber dann sehr froh war, daß statt der gefürchteten Unglücksbotschaft nur Floras sanfte Bitte um zweistündige Aufnahme in ihr Ohr tönte. Die zwei Stunden vergingen dem harrenden Mädchen mit tödtender Langsamkeit, obgleich sie Dorothee durch dies Erzählung von der Begegnung Richard's und seiner Mutter abzukürzen suchte. So interessant ihr sonst der Bericht der Alten gewesen wäre, jetzt hatte sie für nichts Anderes Sinn, als für das nahe Wiedersehen, als für ihre schwere Aufgabe, Richard zum Bleiben zu bewegen.

Eine Viertelstunde vor zwei waren sie schon wieder vor dem Postgebäude, diesmal auch von Dorothee begleitet. Sie gingen in das Passagierzimmer, Richard war noch nicht darin, und sie wagte es auch nicht, dort zu bleiben, aus Furcht, irgend ein Bekannter könnte sie dort sehen. Sie gingen also langsam vor dem Postgebäude auf und ab, sie sahen Jeden der herauskam oder hineinging mit ängstlicher Spannung an, Richard kam nicht. Er mußte also seinen Plan aufgegeben, seine Abreise verschoben haben. Flora war, trotz ihrer augenblicklichen Täuschung, fast geneigt, ein gutes Zeichen darin zu sehen. Gebhard mußte ihr versprechen, bei Tagesanbruch in das Gasthaus zu gehen und Erkundigungen einzuziehen. Dann trat sie den Heimweg betrübten aber doch hoffenden Herzens am Arm der alten Dorothee an, da diese es nicht zugeben wollte, daß sie so allein mit dem Bedienten durch die Straßen irre.

»Es sieht Einem doch jeder Vorübergehende gaffend in's Gesicht,« sagte sie, »da ist meine alte Fratze gerade gut genug, von weiteren Forschungen abzuschrecken, und wenn der Gebhard einen halben Schritt hinter uns hergeht, sieht's um so ehrbarer aus.«

So gingen sie denn in der angegebenen Weise langsam durch die jetzt wieder lebhafter gewordenen Straßen weiter. Es war just kein angenehmes Leben, und Flora schmiegte sich oft ängstlich an ihre Begleiterin, wenn sie an lärmenden Gruppen vorüber mußten. Als sie wenige Schritte von der Straße entfernt waren, in der das Artefeld'sche Haus stand, bog in nicht sehr weiter Entfernung von ihnen ein Mann in dieselbe ein, der Flora's Blicke unwillkürlich auf sich lenkte. Er ging mit unsicherem Schritt, aber doch so ziemlich gerade Linie haltend, wie ein Trunkener, der noch so viel Besinnung hat, zu wissen, daß er betrunken ist, und es zu verbergen strebt. Gebhard und Dorothee warfen sich hinter Flora's Rücken einen bedeutungsvollen Blick zu.

»Wir wollen langsam gehen,« sagte Flora ängstlich, »sonst holen wir den Betrunkenen ein.«

»Ich denke, wir gehen lieber rasch an ihm vorüber,« bemerkte Gebhard, »er geht so sehr langsam und wir würden uns unnütz aufhalten. Sie müssen sich nur nicht nach ihm umsehen, Fräulein Flora, thun Sie, als bemerkten Sie ihn nicht. Vorwärts, vorwärts, Mamsell König!«

Dorothee verstand Gebhard's Absicht. Rasch mit Flora auf die andere Seite der Straße gehend, so daß sie mit ihrer Person sie vor dem Betrunkenen deckte und ihr dessen näheren Anblick entzog, verdoppelte sie die Eile ihrer Schritte.

Der Mann nahm keine Notiz von den Vorübergehenden und blieb bei seinem langsamen Schritt; immer vor sich auf die Straße sehend, summte er mit halber Stimme ein Liedchen vor sich hin. Flora fuhr zusammen, als sie es hörte, sagte aber nichts, sah sich auch nicht um und athmete tief auf, als sie vor ihrem Hause angekommen waren. Der Betrunkene war weit hinter ihnen zurückgeblieben, Gebhard schloß dennoch die Thür so eilig auf, als gälte es sich vor einer Verfolgung zu retten.

»Gute Nacht,« sagte Dorothee hastig.

»Willst Du allein zurückgehen, fürchtest Du Dich nicht?« fragte Flora ängstlich.

Die Alte schüttelte den Kopf.

»Mich schützt jede Straßenlaterne, gutes Kind,« sagte sie, drängte Flora zur Thür hinein und wendete sich zum Gehen.

Flora eilte die Treppe hinauf in ihr Zimmer, dort sank sie auf ihr Bett und weinte ein paar Secunden mit krampfhafter Heftigkeit. Aber dann sich gewaltsam zusammennehmend, sagte sie:

»Mein Gott, was bin ich albern, laß ich mich von dem Liede erschrecken, nur, weil's der Papa auch singt. Richard ist daran schuld,« fügte sie fast schmollend hinzu, »das Warten auf ihn hat mich so aufgeregt.«

Sie schickte sich nun an, zu Bett zu gehen, aber die seltsame Angst, die ihr Herz zusammenpreßte, wollte nicht weichen. Es dauerte lange, bis der Schlaf kam, alle Sorgen, Ahnungen und Befürchtungen in ein sanftes Vergessen einzuwiegen.


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