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Zwölftes Kapitel.

Wie sind die Häuser so hell, in lauter Sonnenglanz getaucht, wie strahlt es von Pflug und Egge vor des Seppers Scheuer, wie glitzern an den Bäumen die Blätter und die Aepfel haben glühende Wangen, der dürre Reisighaufen ist eitel rotes Gold und der weiße Hahn obendrauf kräht so lustig und schlägt die Flügel und wirft seinen purpurnen Kamm bald rechts bald links auf seinem stolzerhobenen Haupte; drin im Hause gackert die Henne und das Rotbrüstchen auf dem Dache zirpt so in sich vergnügt und schwenkt sein Schwänzchen und wetzt sein Schnäbelchen. Die Welt ist erwacht, es ist zum erstenmal Tag, und gleich so blutwarmer Mittag. Die Kinder, die aus der Schule kommen, sagen guten Tag und lächeln so glückselig wie Engelsgesichter. Guten Tag! Wie wohl thut das, daß da so viele sind, die grüßen, und die Sonnenstrahlen sagen auch guten Tag zum Apfel auf dem Baum, zur wilden Rose am Hag und zu dem Korn auf dem Felde, die Bienen summen zu den Wiesenblumen und die Lerche singt zum Himmel hinauf: Guten Tag!

Aloys that den Hut ab, er hätte ihn gern jauchzend in die Luft geworfen, aber als er den breiten Hut in der Hand hielt, preßte er die Lippen zusammen, die noch vom Kusse Maranneles brannten. Welches Wort wird jetzt zuerst von diesen Lippen kommen? Warum ist es nicht so, daß man nach dem ersten Kusse vor den Altar tritt und vor Gott und den Menschen bekennt: Dies Weib ist mein und ich bin sein?

O Mutter! rief er fast laut, denn aus allem heraus tauchte ihm die Erinnerung auf, wie die Mutter ihm beim Abschiede gesagt: in der Minute, wo du spürst, da ist sie, wir sind füreinander aufbewahrt – da denk', ich bin bei dir, liebes Kind. O Mutter! wiederholte er leise, aber er wendete den Kopf, als hätte jemand hinter ihm gerufen: Und dein Vater!

Wie aus einer Berauschung kam er wieder zu sich; seine Mienen verzogen sich in schwerem Nachdenken:

Nein, es geht doch nicht, es kann nicht sein, es darf nicht sein. Nein, Vater! Ich will dir deine alten Tage nicht verbittern. Du kannst als alter Mann nicht immer vor dir sehen, was dir als junger Mann fast das Herz zersprengt hat; du hast keinen Glauben an eine Tochter von denen da, und müßtest dich zwingen ihr guten Tag zu sagen.

Aber Vater! Sie hat drüber geweint, weil man über euch gespöttelt hat. Und denk', Vater, ich hab ihr einen Kuß gegeben. Ich weiß, was du sagst: ein Kuß ist kein Ehepfand. Das ist wahr, aber eben doch –

So mit sich redend war Aloys gleich von des Seppers Haus weg den Feldweg gen Ahldorf gegangen. Die Menschen, die ihm begegneten, waren erstaunt, daß er auf keinen Gruß Antwort gab, geschweige zuerst grüßte; er war doch sonst so leutselig gewesen. Aber die Menschen waren hungrig und hielten sich nicht auf, dazu brannte die Sonne vom Himmel herunter, wie wenn sie sich eilen müßte, um das Korn zu reifen.

Aus dem Dorfe läutete es zu Mittag, drin im Adler wartete das Essen auf ihn, Aloys spürte auch Hunger, aber er ging doch weiter, er wollte jetzt vor keinen Menschen treten und besonders vor der Adlerwirtin schämte er sich: sie hat ihrer Schwester geschrieben; und nun ist er ungetreu, er hat freilich noch keine Verpflichtung, aber wie verwirrt ist jetzt alles.

Plötzlich schrak er zusammen, er fühlte es kalt an seiner Hand, der Hund war ihm gefolgt. Hat sie ihn geschickt oder ist er von selber gegangen?

Er fürchtete, daß die Menschen, die den Hund sehen, gleich wissen, woher er käme. »Kehr um! Geh wieder heim!« rief er dem Hunde barsch zu. Der Hund sah ihn an, wie wenn er staunte. »Willst du gleich fort?« rief Aloys scheltend; der Hund wendete sich, aber er lief nicht ins Dorf zurück, er jagte durch ein Kornfeld, man sah einen langen Streif, wie sich die Halme bogen und immer weiter zog sich's, bis hinaus ins Schießmauernfeld, wo ein roter Rock durch den Hopfenacker schimmerte.

Sie ist wohl dort! Sei's. Ich gehe nicht hin. Aloys! besinn dich!

Im Felde war ein seltsames Schnarren und Knarren, Knaben gingen die Feldwege hin und her und drehten die sogenannten Ratschen, um die Sperlinge zu verscheuchen, diese flogen auf, aber hinter dem Rücken der Warnenden stürzten sie wieder in hellen Haufen in das reife Getreide und schmausten lustig.

Zum erstenmal that Aloys wie die Leute im Dorfe, zog seinen Rock aus und ging hemdärmlig den Feldweg durch die wogenden Kornfelder. Vielleicht sah doch die im roten Rocke dort den Mann hier mit dem breiten schwarzen Hut und den weißen Hemdärmeln.

Hastigen Schrittes ging er nach dem Wald, aus dem eben ein Forstwart mit der Flinte auf der Schulter und einem scheckigen Dachshund an der Leine auftauchte.

»Sie sind der Herr Aloys Schorer?« fragte der Forstwart. Aloys nickte und der Forstwart fuhr fort: »So sag' ich grüß Gott, Herr Vetter. Meine Frau ist verwandt mit Ihnen, sie ist die älteste Tochter vom Jörgli. Meine Schwiegermutter wartet von Tag zu Tag auf Ihren Besuch.«

»Ich komme eben von dort.«

»So? Das ist schön. Besuchen Sie uns auch einmal in Ahldorf.«

»Danke. Werde einmal kommen.«

»Wohin wollen Sie?«

Aufs neue fremd erschien es Aloys, daß die Menschen hier zu Land so ohne weiteres fragen, wohin man wolle, und dazu wußte er's jetzt kaum anzugeben, er antwortete aber doch:

»Nur da hinunter gegen Egelsthal.«

»Behüt's Gott.«

Der Forstwart ging dem Dorfe zu und Aloys in den Wald.


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