Margarete Beutler
Leb' wohl, Bohème!
Margarete Beutler

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I Zwischen Mittag und Abend

Zwischen Mittag und Abend

            Nun gewandet euch ein in schwere Rhythmen, Gedanken,
Wandelt die dunkle Allee jener Cypressen hinab,
Kräuselt die Stirn voller Ernst und schöpft aus dem Bronnen der Weisheit
Alter Geheimnisse Kraft, wuchtiger Worte Gepräng!
Die ihr so oft euch gesellt den Stunden an regnichten Tagen,
Heute im sonnigen Land leitet mich treulich ans Ziel!
Zwiesprach halt' ich mit euch mit würdig verzogener Braue,
Daß sich Eros erschreckt im Oleander verbirgt.
O, mein Knäblein, ich weiß, du hast für mich eine Schwäche,
Doch gedulde dich heut, bis sich die Sonne geneigt:
Wenn violettes Gewölk enttaucht den gewaltigen Bergen
Und auf den Wassern des Sees silbern die Sichel sich wiegt,
Dann verschenk' ich mich neu, dann fallen die schweren Gewänder,
Unter Lachen und Lust schürzt sich das lockere Lied!
Dann, o Eros, ist's Zeit, den blühenden Busch zu verlassen
Und mich tanzenden Schritts hin zum Gestade zu ziehn! 4

 

Zu Zweien

          Schimmernde Flügel bewegen die dunkelnden Wasser,
Fliehen und suchen und sinken und heben sich wieder;
Leise verzittern die Wellen in schwingenden Kreisen,
Und an dem schwebenden Weidengefieder zuckt bläulich
Schmal die Libelle.

Wie es so fürstlich sich schweigt in den schwankenden Schatten
Tiefer Gedanken, gestaltender Träume zu zweien,
Wenn in der Feierlichkeit der gesegneten Stunde
Fernes dem Geist sich enthüllt und die Seelen entzündet
Allem Geheimnis!

Aber derweilen, entrückt in olympische Zonen,
Wissen wir gar nicht, daß unsere zärtlichen Hände,
Müde der göttlichen Höhe, wie fröhliche Kinder,
Spielen das köstliche Spiel von Libelle und Wasser,
Suchend und fliehend. 5

 

Mädchentränen

        Sieh, wie tropfen Blüten auf jene Stelle,
Wo du standest, Sehnsucht im kleinen Herzen
Deine Arme hobest ins Licht und Tränen
Weintest um Liebe!

Solche Tränen sammelt die Mutter Sonne,
Und sie werden leuchtende Blumenblätter;
Busch und Baum muß strahlen im Glanze ihrer
Schneeigen Sterne!

Tröstend gab die Nacht dir ihr seidnes Kissen –
Doch nun staune, Liebliche! Wo du standest,
Tauen nieder, zierlich verwandelt, die du
Weintest um Liebe! 6

 

An einen Stein

        Aus den Grotten Catulls nahm ich mit lüsterner Hand
Dich als köstliches Gut, atemlos, da ich dich fand.

Zornig rauschte der See, als ich behutsam dich trug
Und mein kindisches Herz stürmischer gegen dich schlug

Eilig ließ ich mit dir, fast wie in ängstlicher Flucht,
Ganz in Sonne getaucht Sirmios zärtliche Bucht. –

Und nun ruhst du bei mir, hier in der nordischen Stadt:
All dein Leuchten entschwand, seelenlos scheinst du und matt.

Doch zu Zeiten geschieht's, daß mich ein Durst überfällt
Nach der prunkenden Lust deiner versunkenen Welt.

Dann ergreif' ich dich wild, halte dich schmerzlich und fest,
Bis dein Leben erwacht, gegen die Stirne gepreßt;

Bis du endlich von mir Pulsschlag und Seele empfängst
Und mir trunkenen Wein seltner Erinnerung schenkst:

»Sprich! Was hast du gesehn? Bronzener Glieder Gerank?
Tänze in Wollust und Glut? Feste voll Wein und Gesang?

Junge Leiber im Schmuck? Fessellos üppiges Spiel?
Laubengänge im Duft? Grotten als Liebesasyl?

Lose Knaben am Strand? Liebliche Mädchen im Bad?
Faun und Nymphe gepaart? Ruhende, selig und satt?

Nächte, sternüberströmt? Morgenrot, göttlich und frisch?
Blütentropfend im Tag Lorbeer und Taxusgebüsch? 7

Sahst du Sirmios Herrn? Stand er nicht still und versehnt
Oft im schwindenden Licht gegen den Abend gelehnt?

Er, der frohe Catull, dem sich die Freude ergab,
Dem das Lachen gehorcht und der umwundene Stab?

Ward dem Spötter nicht auch, Zukunft zu sehen, verliehn?
Wuchs inmitten der Lust Not nicht und Grauen um ihn?

Sah in Ohnmacht und Groll er nicht sein »Perlchen« entstellt,
Sieche Frauen im Schutt seiner vergessenen Welt?

Hat in bitterem Weh über dies flüchtige Sein
Seine Hand dich berührt und dich geliebkost, o Stein? – –

Klinge, Stein, von Catull, klinge von Wollust und Leid
Mir, dem törichten Kind einer entgötterten Zeit!« 8

 

Der kühle Tag

        O Tag, so kühl und sonnensatt
Hast du dich in die Welt geschmiegt!
So kühl wie dieses Rosenblatt,
Das zwischen meinen Lippen liegt,
So kühl wie jene Mädchenhand,
Die über meine Stirne ging,
Kühl wie ein seiden Nachtgewand,
Kühl wie ein weißer Schmetterling!

Was tu' ich nun mit meiner Glut,
Die in die Sonne lechzt und drängt,
Wo du mit einer Schleierflut
Von Wolken mir das Licht verhängt?
Trag' ich nun still mit heißer Hand
Recht wie ein wartekrankes Kind
Mein rotes Herz durch müdes Land
Bis an den grauen Abendwind? – 9

 

Die Bürde

        Auf meiner Seele liegt ein grauer Herd,
Ein schwerer grauer Herd mit vielen Töpfen,
Auf meiner Seele liegt ein breites Schwert,
Am Griff verziert mit runden Knabenköpfen
Und einer Inschrift: »Weiber müssen dulden«!
Auf meiner Seele liegt ein Sack voll Schulden,
Und auf ihr liegt – o Gott! – ein Männermagen!
Ja, kann denn eine Seele so viel tragen? 10

 

Im Spiegel

              Ach, du Verliebte,
Wie mein' ich mich selber
In dir zu erkennen,
Wenn deine kleinen
Sehnsüchtigen Füße
Wandern im Zwielicht!
Da wissen die Büsche
Von Obdach und Zuflucht
In Schauer und Dunkel;
Da lachen die Quellen
Mit blitzenden Augen
Und senden dir eifrig
Das rieselnde Rinnsal,
Die purzelnden Bäche
Und stürzenden Wasser,
Den Durst dir zu löschen!

Da blinzeln die Sterne
Verschwiegen und lüstern,
Indessen die Moose
Gefällig sich ducken,
Indessen die Meisen
Die wohlige Wärme
Im Nestchen dir rühmen,
Und nur die zwei Igel
Im Krautwerk dich pfauchend
Und schnaufend verwarnen:
»Auch Liebe macht Arbeit.« 11

Ach du Verliebte,
Wie mein' ich mich selber
In dir zu erkennen,
Wenn deine kleinen
Sehnsüchtigen Füße
Wandern im Zwielicht! 12

 

Als ich ein Zimmer verließ, das ich lieb hatte

        Du lieber Raum, nun müssen wir uns trennen!
Ins Fenster grüßt die schlanke Rosenranke
Noch einmal wie ein glücklicher Gedanke
Aus Tagen, die mich ganz ihr eigen nennen.

Du warst die Ruhe! Deine sanften Wände
Umfingen meines Wesens dunklen Bronnen;
Von ihnen glitt das Auge kühl versonnen
Durch's Fenster in das lieblichste Gelände:

Da sprang der Fluß verwegen durch die Stille,
Da schrieb der Wind den Rhythmus meiner Lieder
Im weißen Buch des Holderbaumes nieder,
Und mein war all des Sommers Farbenfülle.

Was werden nun für Menschen nach mir kommen?
Sie werden deine Seele nicht verstehen,
Und kalten Sinnes diese Schönheit sehen,
Weil ihrem Leben längst der Glanz genommen. – –

Ach, daß wir Dichter das nicht halten können,
Was die Erfüllung unsers Ichs bedeutet! –
Ein Neues winkt, die Dampferglocke läutet –
Du lieber Raum, nun müssen wir uns trennen! 13

 

Die Orchidee

        Bunt wogen im Korbe
Dickköpfige Astern
Spitze Gladiolen
Und Georginen,
Ein flammendes Meer!
Das zierliche braune
Bozener Mädchen
Hat bittende Augen
Auf mich gerichtet;
Und ich, ich liebe
Die bäurischen, bunten
Gesättigten Farben,
Wie, wenn ich sie alle
Im Korbe da kaufte! –
Doch bleibe ich stumm.
Ich recke die Hand nicht,
Um euch zu empfangen,
Dickköpfige Astern
Und spitze Gladiolen
Und Georginen.
Denn vor mir
Loderst du auf,
Blutende Orchidee,
Die der Geliebte
Zum Abschied mir gab,
Und die noch im Glase
Sich treu mir bewahrt, 14
Noch immer blühend,
Noch immer blutend
In tiefroten Blättern!
Ich schäm' mich, du Stolze,
Du Einsame, Schöne,
Ich schäm' mich der Lust,
Dir niedre Gefährten,
Dickköpfige Astern
Spitze Gladiolen
Und Georginen
Geben zu wollen;
Und kehre ich heim,
So press' ich die Lippen
Dir heiß auf den Stempel
Und flüstre: Verzeih!
Verzeih mir die Roheit
Des plötzlichen Wunsches,
Du Einzige, Stolze,
Du Blume des Rätsels,
Verzeih, verzeih! 15

 

Der schwere Abend

        Wie der Traum von einem Schatten,
Dessen Wollen riesengroß
Aus der Erde Mutterschoß
Drängt, dem Leben sich zu gatten,
Überkommt mich todesschwer
Dieses Abends Schicksalsschwüle,
Und die Bürde der Gefühle
Trägt mein matter Puls nicht mehr.

Losgelöst von allen Zeiten,
Losgelöst von allem Sein
Spür' ich nur die Dunkelheiten
Einer namenlosen Pein:
Ohne Form und ungeboren
In der ewigen Nacht verloren,
Das ist Hölle – das allein! 16



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