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Fünfundzwanzigstes Kapitel


Das kleine Mandanerdors. – Ein Indianer bietet sich als Kopfkissen an. – Dorf der Rikkarier. – Abstammung der Mandaner. – Walisische Kolonie. – Expedition des Madoc.


Ich habe bereits früher (11. Kap.) gesagt, daß die Mandaner in zwei etwa zwei englische Meilen voneinander entfernten Dörfern leben und das Hauptdorf ist (im 11. und 12. Kap.) so genau beschrieben worden, daß ich über das kleine Dorf, das ich von dem Dorfe der Mönnitarrier aus besuchte, nichts mehr hinzuzufügen brauche.

In dem kleinen Dorfe, das 60-80 Hütten enthält, wurde ich mit derselben Gastlichkeit aufgenommen, wie in dem größeren; ich malte auch hier mehrere angesehene Personen, die ebenfalls darüber erstaunten und sich sehr geschmeichelt fühlten. Überhaupt hat mir mein Pinsel überall unter diesen wilden Völkern enthusiastische Freunde erworben, aber hier wurde ich auf eine höchst eigentümliche Weise geehrt, indem einer dringend um die Ehre bat, mir als Kopfkissen dienen zu dürfen. Da ich einige Tage an der Influenza gelitten hatte, so schlief ich nicht in dem Bette an der Seite der Hütte, sondern legte mich, in eine Büffelhaut gehüllt, auf den Fußboden mit den Füßen gegen das Feuer gekehrt. Hierher folgte mir nun beständig mein unwiderstehlicher Freund und da ich ihm seine Bitte, auf deren Erfüllung er so großen Wert zu legen schien, nicht abschlagen mochte, so erkundigte ich mich nach ihm und erfuhr, daß er ein tapferer Rikkarier mit Namen Pah-tuh-ca-ra sei, der mit mehreren seiner Stammgenossen in diesem friedlichen Dorfe zum Besuche war. Vielleicht wollte er durch diese Hingebung meine Freundschaft gewinnen, und hoffte unter meinem Schutze um so sicherer zu sein. Zum Danke für seine Aufopferung habe ich ihn gemalt. Auch ein hübsches kleines Mädchen, Pschan-schah (das wohlriechende Gras) habe ich auf diese Weise verewigt. Ihr Unterkleid war aus einem Stück gemacht und reich mit Stickerei und Glasperlen und über der Brust mit einer Reihe Elenzähne verziert; die Haut eines jungen Büffels, die sie darüber trug, war ebenfalls geschmackvoll gestickt und hing bis auf den Boden hinab. Außerdem malte ich noch einen Häuptling dieses Stammes, Stan-au-pat (die blutige Hand) und eine alte Frau, Kah-beck-a (Zwilling); die Anzüge der drei letzteren habe ich für meine Sammlung gekauft.

Das Dorf der Rikkarier liegt sehr hübsch am westlichen User des Missouri, etwa vierzig Meilen unterhalb des Mandanerdorfes, auf einer schönen Prärie, die von sanft gewellten Hügeln mit schönem grünem Rasen begrenzt wird; aber nirgends, so weit das Auge reicht, erblickt man einen Baum oder einen Strauch. Es besteht aus 150 Hütten, wie sie bei den Mandanern beschrieben worden sind, und ist auch teilweise mit einer, jedoch unvollkommenen Verpalisadierung von zehn bis zwölf Fuß hohen Pfählen umgeben. Ich zeichnete eine Ansicht dieses Dorfes vom Verdeck des Dampfboots aus, als ich den Missouri hinauffuhr. Auch auf der Rückkehr besuchte ich dies Dorf nicht und tat sehr wohl daran, denn sie hegen einen solchen Haß gegen die bleichen Gesichter, daß sie geschworen haben, einen jeden Weißen, der in ihre Hände fällt, zu töten.

Als Lewis und Clarke vor länger als dreißig Jahren die Rikkarier zum ersten Male besuchten, wurden sie mit der größten Freundlichkeit und Gastlichkeit aufgenommen; aber die Art, wie der Handel in diesem Lande betrieben wird, hat sie zu Todfeinden der ganzen zivilisierten Welt gemacht.

Die Rikkarier sind unstreitig ein Teil des Stammes der Pahnis, die am Platteflusse, einige hundert englische Meilen weiter südwärts, leben, denn ihre Sprache ist fast oder ganz dieselbe. Auch ihr äußeres Ansehen und ihre Gebräuche sind so ähnlich, wie es bei einem Volke möglich ist, das von seinem Stamme schon so lange getrennt lebt und beständig dem Einflusse der benachbarten Stämme ausgesetzt gewesen ist.

Die Mandaner in dem kleinen Dorfe sind in jeder Beziehung den Bewohnern des größeren Dorfes gleich, und ich glaube, jenes ist nur ein Sommeraufenthalt für einige angesehene Familien, da sie mir sagten, daß ihre Wigwams im Winter nicht bewohnt würden Siehe Anmerkung 27..

 


Anmerkung 27.

Catlin, der die Mandaner im Sommer besuchte, scheint nicht erfahren zu haben, daß sie besondere Winterdörfer besitzen. Max von Neuwied sagt, daß diese Indianer im Winter, d. h. im Anfange oder in der Mitte des November, mit dem größten Teile ihrer Habe in die benachbarten Waldungen ziehen, wo sie ihre Winterdörfer erbaut haben, die aus ganz ähnlichen, nur etwas kleineren Hütten bestehen. Der Wiedereinzug in die Sommerdörfer fällt gewöhnlich in den letzten Teil des Februar oder in den Anfang des März, so daß sie also etwa acht und einen halben Monat in den Sommerdörfern wohnen. Im Innern der Winterhütte haben die Pferde eine besondere, von Stangen gebildete Abteilung, in die man sie abends stellt und mit Mais füttert, während sie bei Tage in den Prärien geweidet und sich in den Gebüschen von Pappelrinde genährt haben. Man sieht die Indianer aus ihren Winterdörfern häufig nach den Sommerdörfern zurückkehren, um mancherlei Bedürfnisse zu holen, da sie immer einen Teil ihrer Habseligkeiten dort zurücklassen. Im Innern der Winterhütten errichtet man quer vor der Tür eine hohe Schirmwand von Weidenästen, die mit Fellen bedeckt wird, den äußeren Luftzug abhält und namentlich die Feuerstelle vor dem Zuge schützt. Der Eingang besteht aus zwei vorspringenden, oben bedeckten Wänden und gleicht einer Röhre.


 

Die merkwürdigen Sitten und Gebräuche der Mandaner, sowie ihr Aussehen, liefern nach meiner Überzeugung den unwiderleglichen Beweis, daß sie ein aus der Vermischung eines zivilisierten Volkes mit den Wilden hervorgegangener Stamm sind. Sollten wir hier vielleicht die Nachkommen der Wälischen Kolonie, der Gefährten Madoc's finden? Die Geschichte sagt uns, daß dieser mit zehn Schiffen unter Segel ging, um ein Land zu kolonisieren, das er in dem westlichen Ozean entdeckt hatte; seine Fahrt läßt sich genau bis zur Mündung des Mississippi oder bis an die Küste von Florida verfolgen, während seine weiteren Schicksale in undurchdringliches Dunkel gehüllt zu sein scheinen. Ich sehe nun nicht ein, warum man nicht sollte annehmen können, daß diese Abenteurer mit ihren zehn Schiffen, oder wie viel sie davon noch übrig hatten, den Mississippi und aus diesem den Ohio, der ein sehr breiter und ruhiger Strom ist, hinaufsegelten bis zu einem fruchtbaren Landstriche, wo sie sich ansiedelten, Ackerbau trieben und sich bald in einem blühenden Zustande befanden, bis sie von den zahlreichen wilden Horden, die sie um ihren Wohlstand beneideten, angegriffen und zuletzt belagert wurden. Zum Schutz gegen diese Angriffe erbauten sie die zahlreichen von zivilisierten Menschen herrührenden Befestigungswerke, deren Ruinen man noch am Ohio und Muskingum sieht, und in denen sie zuletzt sämtlich erschlagen wurden; nur den Nachkommen weniger Familien, die sich mit Indianern verheiratet hatten, schenkte man als Halbindianern das Leben. Diese bildeten eine eigene kleine Gemeinde, die sich an den Ufern des Missouri ansiedelte. Da sie aber keinen festen Wohnsitz hatten, und sich überdies in dem Lande ihrer mächtigeren Feinde befanden, so waren sie mehrmals genötigt, ihren Wohnplatz zu verändern, und indem sie den Fluß stromaufwärts verfolgten, kamen sie endlich an den Ort, wo ich sie mit allen ihren erwähnten und fast unerklärlichen Eigentümlichkeiten (z.+B. Gesichtsfarbe in allen Schattierungen, Haar in allen Farben der zivilisierten Völker, braune, graue und blaue Augen) fand, die mit dem allgemeinen Charakter der nordamerikanischen Indianer so unvereinbar sind.

Bald nachdem ich das interessante Volk der Mandaner verlassen hatte, ist der ganze Stamm ausgestorben. Über die Ursache dieses Unglücks, sowie über ihre frühere Geschichte und das wahrscheinliche Schicksal der Anhänger Madoc's habe ich mich im Anhang A. ausgesprochen.


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