Cicero
Vom Redner
Cicero

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LXI. 227. Bei allen Stimmen, antwortete Crassus, findet ein Mittelton statt; aber jede Stimme hat ihren eigentümlichen. Daß von hier aus die Stimme stufenweise aufsteige, ist nützlich und angenehm, (denn gleich zu Anfang zu schreien verräth Mangel an Bildung;) und zugleich ist es auch zur Kräftigung der Stimme heilsam. Dann gibt es auch in der Hebung der Stimme ein Aeußerstes, das sich jedoch unter dem höchsten Schreitone hält. Bis zu diesem läßt dich die Pfeife nicht aufsteigen, sondern ruft dich sofortNach der, auch von Ellendt aufgenommenen Muthmaßung von Henr. et jam für et tamen. von der zu großen Anstrengung zurück. Desgleichen gibt es auch im Gegentheile in der Senkung der Stimme einen tiefsten Ton, zu dem man auf der Tonleiter hinabsteigt. Dieser Wechsel und dieser Lauf der Stimme durch alle Töne wird einerseits zu ihrer eigenen Erhaltung beitragen, andererseits dem äußeren Vortrage Lieblichkeit verleihen. Doch den Pfeifer laßt zu Hause; nur das durch diese Uebung gewonnene Gefühl bringt mit euch auf das Forum. 228. So habe ich euch nun, so viel in meinen Kräften lag, mitgetheilt, nicht wie ich es wollte, sondern wie ich wegen Beschränkung der Zeit mußte. Es ist ja klug sich in die Zeit zu schicken, wenn es beim besten Willen nicht möglich ist Mehr zu sagen. – Ei, du hast ja wahrlich, entgegnete Catulus, so weit ich, darüber urtheilen kann, Alles so unvergleichlich zusammengefaßt, daß es scheint, als ob du dieses nicht von den Griechen entlehnt hättest, sondern es diesen selbst lehren könntest. – Es freut mich an dieser Unterredung Theil genommen zu haben, und ich wünschte, daß mein Schwiegersohn HortensiusHortensius war 114 v. Chr. geboren, zur Zeit des Gespräches 23 Jahre alt, also 10 Jahre jünger als Cotta und Sulpicius, 8 Jahre älter als Cicero; im neunzehnten Lebensjahre unter dem Consulate des Crassus und Scävola trat er zum ersten Male als Redner auf und vertheidigte die Sache der Afrikanischen Bundesgenossen, deren Inhalt jedoch uns unbekannt ist., dein Freund, zugegen gewesen wäre, von dem ich zuversichtlich hoffe, daß er sich durch alle Vorzüge, die du in deinem Vortrage umfaßt hast, auszeichnen werde. – 229. Sich auszeichnen werde? fiel ihm Crassus ein; ich aber urtheile, daß er es schon jetzt thut, und so urtheilte ich auch damals, als er unter meinem Consulate im Senate die Sache Afrikas vertheidigte, und jüngst noch mehr, als er für den König von BithynienNikomedes. redete. Du hast also ganz recht, Catulus; denn ich weiß, diesem jungen Mann gebricht es weder an Naturgaben noch an gelehrter Bildung. 230. Um so mehr müßt ihr, du, Cotta, und du, Sulpicius, wachen und arbeiten. Denn in ihm wächst kein mittelmäßiger Redner euerem Alter nach, sondern ein Redner von durchdringendem Geiste, brennendem Eifer, ausgezeichneter Gelehrsamkeit und seltenem Gedächtnisse. Wiewol ich diesem gewogen bin, so wünsche ich doch, daß er nur die Redner seines Alters übertreffe; für euch aber würde es nicht eben ehrenvoll sein, wenn der so viel jüngere euch überflügelte. Doch laßt uns jetzt aufstehen, setzte er hinzu, wir wollen der Gesundheit pflegen und endlich einmal nach der Anstrengung und Bemühung, die mit dieser Unterredung verbunden war, unseren Gemüthern Erholung gönnen.


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