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10.

Gräfin Susanne war sehr ungehalten gewesen, daß sie so bald von Berlin zurückkehren mußte. Was mochte nur ihre Schwiegermutter plötzlich zu allerlei Reisen verleiten? Sie war doch sonst nicht von Wildenfels fortzubringen.

Der Brief Gräfin Theas brachte ihr auch nicht genug Aufklärung. Und nun war ein Telegramm gekommen, welches ihre Ankunft meldete und den Wagen nach der Bahn beorderte.

Lothar, der schon längst Sehnsucht nach seiner geliebten Großmama hatte, bat dringend, mit nach der Stadt fahren zu dürfen. Aber Gräfin Susanne erlaubte es nicht. Sie schob die Unterrichtsstunden vor, aber ein wenig versagte sie Lothar die Fahrt aus Aerger auf ihre Schwiegermutter, weil diese ihren Berliner Aufenthalt gekürzt hatte – um irgend eine Bekannte wiederzusehen. Das hätte doch wahrlich Zeit gehabt, bis sie wieder heimkam. Aber Mama gönnte ihr eben die kleine Abwechslung nicht. Sie sollte den ganzen Tag dasitzen und an ihren verstorbenen Mann denken. Lieber Gott – davon würde er doch auch nicht wieder lebendig. Es war doch wirklich genug der Trauer, wenn sie ein ganzes Jahr auf alle Lebensfreuden verzichten mußte.

So lag Gräfin Susanne recht verstimmt und mißmutig auf einem Divan in ihrem Zimmer und quälte sich mit einer langweiligen Lektüre, als ihr gemeldet wurde, daß Gräfin Thea soeben eingetroffen sei.

Sie erhob sich, um sie zu begrüßen. Als sie die Treppe herunter in die große Halle kam, sah sie Grill mit einem bildhübschen kleinen Mädchen an sich vorbei die Treppe hinaufsteigen.

Ein verwunderter Seitenblick aus ihren Augen traf das Kind. Hatte da ihre Schwiegermutter Besuch mitgebracht? Sie vermied jedoch, in Anwesenheit der Dienerschaft eine Frage zu stellen und begrüßte die alte Dame in der ihr eigenen, vornehm kühlen Art, indem sie flüchtig mit ihren Lippen deren Wange berührte.

»Guten Tag, Mama. Es ist gut, daß du wieder da bist. Lothar hat sich schon halb krank nach dir gesehnt. Am liebsten hätte er den Unterricht versäumt, um dich abzuholen,« sagte sie mit einem leisen, mokanten Beiklang.

»Ich hatte auch Sehnsucht nach Hause, Susanne. Aber eine ernste Pflicht hielt mich in Hamburg zurück.«

Die Diener hatten die Halle verlassen.

»Du mußt mir alles erklären, Mama, deine Reise war mir so überraschend und unverständlich. Uebrigens – ich sah da Frau Grill mit einem Kinde hinaufgehen. Wer ist das? Hast du Besuch mitgebracht?« forschte Susanne, entschieden neugierig.

»Das sollst du nachher alles hören, Susanne. Jetzt will ich mich nur erst umkleiden. In einer halben Stunde komme ich zu dir – ich habe dir manches zu sagen.«

In demselben Augenblicke kam Lothar angestürmt und flog seiner Großmutter um den Hals.

»Bist du endlich wieder da, Großmama – liebe Großmama?«

Sie küßten sich beide herzlich und innig.

»Großer Junge, du tust ja gerade, als käme Großmama von einer Reise um die Welt zurück!« spottete Susanne.

Lothar warf den Kopf zurück. Etwas wie Trotz lag in seinen Augen.

»Ach – du weißt nur nicht, wie es ist, so tolle Sehnsucht nach jemand zu haben.«

Gräfin Susanne zuckte die Achseln.

»Jedenfalls liebe ich es nicht, meine Gefühle zu Markte zu tragen, und du tätest besser daran, dir ein Beispiel hieran zu nehmen.«

»Das kann ich nicht, Mama – nie –.«

»Du wirst noch manches lernen müssen. Ueberhaupt – wie kommst du jetzt hierher – mitten aus der Unterrichtsstunde?«

»Es war gerade eine Pause, und ich wollte nur Großmama begrüßen.«

»Gut, das ist geschehen – nun gehe wieder an deine Arbeit.«

Lothar küßte die alte Dame schnell noch einmal.

»Ich komme nachher zu dir, Großmama.«

»Ja, mein Lothar, ich freue mich darauf,« antwortete die alte Dame, und als er davongelaufen war, fuhr sie, zu Susanne gewendet, fort: »Schilt ihn nicht. Er ist ungestümer in seinem Empfinden wie du. Das liegt ihm im Blute. Er hat die rasche Wildenfelser Art.«

Susanne zog den Mund herb zusammen. Dann sagte sie ruhig und gelassen:

»Brauchst ihn nicht zu entschuldigen, ich bin ihm nicht böse. Aber gerade weil er ungestümes Blut hat, muß er zuweilen einen Dämpfer bekommen. Du zürnst mir wohl zuweilen, daß mein Blut langsamer und bedächtiger durch die Adern fließt. Aber ich glaube, es schadet Lothar nicht, wenn auch ein Einschlag meines Wesens sich dem Wildenfelser Ungestüm zugesellt. Ich bin nicht sentimental und gönne dir Lothars Zärtlichkeiten. Dafür laß mir aber auch einigen Einfluß auf seine Erziehung und wirke nicht gegenteilig auf die Pläne, die ich mit ihm habe.«

»Das will ich gewiß nicht tun, Susanne. Hab' Dank, daß du mir seine Liebe gönnst – wahrlich – ich brauche sie nötig genug.«

»Danken sollst du mir nicht. Und jetzt will ich dich nicht länger aufhalten. Du wolltest dich umkleiden. Ich darf dich also danach erwarten.«

Gräfin Thea stieg die Treppe empor. Es legte sich doch nun ein heimliches Bangen auf ihre Seele. Was würde die kühl denkende Susanne sagen, wenn sie erfuhr, daß sie die Enkelin des ehemaligen Rendanten Horst als Hausgenossin – als Töchterchen in Wildenfels aufnehmen wollte? Sie durfte ihr ja nicht die ganze Wahrheit sagen. Nicht mehr durfte sie erfahren, als was sie Grill und dem Detektiv gesagt hatte. Kein Wort durfte Joachims Beteiligung verraten.

Oben in ihrem Zimmer fand sie Grill mit Jonny beschäftigt. Die Kleine sprang ihr entgegen.

»O liebe, liebe Großmama – wie schön ist es hier bei dir zu Hause. Das ist ja noch tausendmal schöner, als auf dem Bilde über Großpapas Bett.«

Gräfin Thea zog sie herzlich an sich.

»Also gefällt es dir hier?«

»Hm – fein.«

»Und hast auch schon ein frisches Kleidchen angezogen, das ist hübsch.«

»Ja – Grill hat es getan. Sie hat mir auch schon die Locken gebürstet, die gute Grill. Schau – ganz ordentlich sehe ich nun wieder aus. Meinst du, daß Mama sich im Himmel darüber freut?«

»Sehr wird sie sich freuen, mein Goldköpfchen. Am meisten aber darüber, wenn du froh und heiter bist.«

Jonny nickte, hob die Schultern hoch und atmete tief auf, als ob sie etwas Schweres abtun wollte.

»Ja – daran will ich immer denken. Aber nicht wahr – abends, wenn ich in meinem Bettchen liege und hab' so arge Sehnsucht nach Mami – dann darf ich noch ein klein wenig traurig sein – dann sieht es Mami doch nicht.«

Die Gräfin zog das Kind fest in ihre Arme und tauschte einen gerührten Blick mit Grill über das blonde Köpfchen hinweg aus.

»Kleine, tapfere Jonny – das wird auch bald besser werden.«

»Wo hast du denn den großen Jungen, den du so lieb hast?«

»Er hat jetzt Schule. Nachher kommt er zu uns.«

»O – ich freue mich.«

Gräfin Thea lächelte.

»Ich wette, er freut sich auch. Aber nun komm, Grill, ich will mich umkleiden. Nachher habe ich mit Gräfin Susanne zu reden. Du behältst Jonny bei dir, bis ich dich rufen lasse. Dann bringst du sie hinüber, damit ich sie meiner Schwiegertochter vorstelle.«

Das Zimmer Gräfin Susannes hatte Lothar »die blaue Grotte« getauft. Es war in satten, tiefblauen Tönen gehalten. Die Wände, die Teppiche, die Möbelbezüge und die Decke, alles leuchtete in derselben eigenartigen Farbe. Selbst das Licht fiel in blauen Reflexen durch das Fenster, da stets durchscheinende Vorhänge in denselben Farbentönen vorgezogen waren. Und abends sorgte eine elektrische Lampe in blauer Kristallglocke für dieselbe magische Beleuchtung. Gräfin Susanne hatte gefunden, daß diese Farbe besonders vorteilhaft für ihre Erscheinung war. Da sie sonst im Hause fast nur weiße Kleider trug, sah ihre vornehme, junonische Erscheinung auch wirklich immer recht effektvoll aus in dieser blauen Grotte, etwa, als hätte man ein schönes Marmorbild darinnen aufgestellt. Aber jetzt, in ihren schwarzen Trauerkleidern, wirkte sie wie ein dunkler Schatten.

Als sie, nach der Begrüßung ihrer Schwiegermutter, hierher zurückgekehrt war, trat sie an das Fenster und schob den Vorhang ein wenig beiseite. Nachdenklich schaute sie in die leuchtende, blühende Spätsommerpracht hinaus. Im Parke begann bereits an manchen Stellen eine leise, herbstliche Färbung sichtbar zu werden. Gräfin Susanne seufzte. Auch ihre Lebenssonne stand auf der höchsten Höhe und konnte nicht mehr aufsteigen. Langsam würde auch sie sich zum Untergange neigen. Und gerade jetzt ging ihr ein köstliches Jahr verloren. Noch stand sie im Zenith ihrer Schönheit, noch folgten die Blicke der Männer bewundernd ihrer Erscheinung – aber solch ein langweiliges Trauerjahr stumpft ab. Das Leben stagniert und es legt sich wie ein Schleier über das ganze Wesen. Gräfin Susanne kannte nur eine Furcht – alt zu werden und keine Bewunderung mehr zu erregen.

Sie philosophierte über das Törichte einer offiziellen Trauer. Wer einem verlorenen, geliebten Menschen nachtrauern wollte – nun gut – der mochte in seinem Herzen trauern, so lange es ihm Bedürfnis war. Aber die vielen tausend Fälle, wo die schwarzen Kleider nur äußerliche Trauer zum Ausdruck brachten! Warum verbot die gute Sitte den Trauernden jede Zerstreuung, jede Aufheiterung, die doch gerade diese so nötig brauchten? Warum zwang man sie, die ihrem Mann im Leben so fern gestanden hatte, ein ganzes köstliches Jahr lang die Einsiedlerin zu spielen, gerade jetzt, wo ein Jahr für sie doppelt zählte? Es war unsinnig. Sie würde sich sträflich langweilen und versauern. Besuche würden sich selten genug einfinden – natürlich – wer sollte sich denn freiwillig durch Verkehr in einem Trauerhause die Lebensfreude stören lassen. Niemand läßt sich gern an den Tod erinnern, sie konnte es ihren Bekannten nicht verdenken.

Gewiß – es war sehr betrübend, daß Joachim so jung sterben mußte. Ihr wäre es auch lieber gewesen, er wäre am Leben geblieben, denn er war ein sehr bequemer und rücksichtsvoller Ehemann und gab ihr die nötige Sicherheit im geselligen Verkehr. Sie konnte sich den Hof machen lassen, soviel sie wollte, ein Hinweis auf ihren Gatten genügte, allzufeurige Anbeter in ihre Schranken zurückzuweisen. Für Gefühlsausbrüche war Gräfin Susanne nicht zu haben. Sie wollte sich nur anbeten, bewundern lassen, wie eine unnahbare Gottheit. Mitten in diese Betrachtungen hinein kam ihr plötzlich wieder die Erinnerung an das kleine Mädchen, welches Grill die Treppe hinaufgeführt hatte. Was mochte es damit für eine Bewandtnis haben?

»Wenn da nur nicht wieder irgend eine Sentimentalität meiner lieben Schwiegermutter dahintersteckt,« dachte sie ahnungsvoll.

Sie trat vom Fenster zurück und ließ sich in einen Sessel nieder. Zum Zeitvertreib nahm sie ihre Lektüre von vorhin wieder auf, aber das Buch vermochte sie nicht zu fesseln.

Schließlich war sie recht ungeduldig und neugierig geworden, und als ihre Schwiegermutter endlich eintrat, atmete sie auf.

Gräfin Thea ließ sich ihr gegenüber nieder.

»Fühlst du dich auch nicht sehr müde von der Reise, Mama?« fragte Susanne artig, aber ohne Wärme.

»Nein, ich fühle mich leidlich frisch, und es drängt mich, dir eine Mitteilung zu machen. Du hast doch Zeit für mich?«

»Gewiß, Mama, ich stehe vollständig zu deiner Verfügung.«

Gräfin Thea stützte den Kopf in die Hand und sah ihrer Schwiegertochter in das kühle, unbewegte Gesicht. Dann sagte sie halblaut:

»Ich muß ein wenig weit ausholen, Susanne, habe also Geduld.«

Und sie erzählte ihr die Geschichte von dem verschwundenen Halsbande, von Horsts Entlassung und dem Verdacht, der auf ihm lastete.

Als sie soweit gekommen war, richtete sich Susanne interessiert empor.

»Ah – deshalb ist Horst damals mit seiner Familie so schnell von Wildenfels entfernt worden? Sonderbar – es kursierten ganz andere Gerüchte darüber.«

Gräfin Thea sah betroffen auf. »Andere Gerüchte? Was waren das für Gerüchte?«

»Nun, man sagte, Joachim habe eine Liebschaft gehabt mit der Tochter des Rendanten. Sein Vater sei dahintergekommen und habe, um einen törichten Streich seines Sohnes zu verhüten, das Aergernis aus dem Wege geräumt.«

Die alte Dame preßte einen Moment die Lippen fest zusammen. Dann fragte sie tonlos:

»Und wie dachtest du nun über dieses Gerücht, als bald darauf Joachim um deine Hand anhielt?«

Susanne zuckte die Achseln.

»Mein Gott, Mama, die Herren aus unseren Gesellschaftskreisen haben doch alle ihre Liaisons, ehe sie heiraten. Ob es nun eine Dame vom Theater ist oder sonst so ein kleines Mädchen, das ist gleich. Mich hat dieser Gedanke nicht weiter aufgeregt.«

Gräfin Thea richtete sich auf. Ihr Gesicht war gerötet.

»Du irrst dich, wenn du Annie Horst unter diese Kategorie rechnest. Sie war eine sehr wohlerzogene und sittsame junge Dame. Ihre Ehre ist über jeden Zweifel erhaben.«

Susanne lächelte überlegen.

»Aber Mama, das ist mir wirklich sehr gleichgültig. Jedenfalls war sie also die Tochter eines Rendanten, der unter entehrendem Verdacht aus seinem Dienst entlassen wurde. Mir ist diese Entlassung nun sehr verständlich. Papa ist wirklich sehr milde mit ihm verfahren. Natürlich war es ihm hauptsächlich darum zu tun, einen Skandal zu vermeiden. Sonst hätte er wohl strengere Saiten aufgezogen.«

Die alte Dame seufzte.

»Das wäre möglich gewesen. Aber gottlob – Horst wurde öffentlich Schande erspart. Und jetzt ist seine Unschuld erwiesen worden – das Halsband hat sich wiedergefunden.«

»Wiedergefunden?«

»Ja,« sagte Gräfin Thea seufzend und erzählte der interessiert aufhorchenden Susanne die Mär von dem Auffinden des Halsbandes in ihrem Schreibtische.

»O – das ist allerdings sehr fatal,« sagte Susanne.

»Furchtbar war mir die Entdeckung, daß ein Unschuldiger darunter leiden mußte. Ich war durchdrungen von dem Wunsche, gutzumachen.«

»Das kann ich mir denken, Mama. Man nimmt nicht gern einem Unschuldigen seine Ehre, auch wenn er nur ein Untergebener ist.«

»Nicht wahr, das kannst du verstehen?« fragte Gräfin Thea mit zitternder Stimme. Und sie erzählte nun, weshalb sie nach Berlin gereist war und was Anton Völker über Annie und ihre Angehörigen in Erfahrung gebracht hatte.

»Ach, nun verstehe ich alles, Mama. Du reistest natürlich nach Hamburg, um die junge Frau zu entschädigen, nicht wahr?«

»So ist es.«

Die alte Dame berichtete nun, wie sie Annie gefunden und wie sie dieselbe bis zu ihrer Todesstunde nicht verlassen hatte.

Susanne lächelte.

»Das sieht dir nun wieder ähnlich, Mama. So weit hättest du doch nicht zu gehen brauchen. Es war doch wahrlich genug, wenn du dieser Mrs. Warrens sagtest, wie die Unschuld ihres Vaters erwiesen wurde und ihr eine Summe Geld als Entschädigung geboten hättest.«

»Erlaube, Susanne – das genügte mir keineswegs. Ich fühle mich mitschuldig an allem Unglück, welches die Familie betroffen hat. Wären sie in Wildenfels geblieben, lebten sie vielleicht heute noch alle froh und glücklich.«

»Vielleicht – aber vielleicht auch nicht.«

»Gleichviel – ich habe das Bedürfnis, gutzumachen bis zur Grenze der Möglichkeit, weil ich überzeugt bin, daß es meine Pflicht ist. Ich blieb bei Annie und gelobte ihr, für ihr Kind zu sorgen, wie für mein eigenes. Und nun weißt du, wer das kleine Mädchen ist, nach dem du fragtest, es ist Jonny Warrens – Annies Tochter und Horsts Enkelin.«

Susanne zog die Augenbrauen hoch. »Du hast dir da allerdings eine unerhörte und sehr weitgehende Buße auferlegt. So groß war doch wahrlich dein Versehen nicht. Aber darüber wirst du deine eigene Ansicht haben, und mir steht es nicht zu, sie zu bekämpfen. Verstehe ich dich recht, so willst du nun das Kind in irgend eine Erziehungsanstalt bringen und ihr später, wenn sie erwachsen ist, eine Entschädigungssumme zahlen?«

»Nein, Susanne – so wohlfeil will ich mich nicht von meinen Verpflichtungen loskaufen. Ich habe gelobt, Jonny wie ein eigenes Kind zu halten. Und daran will ich nicht drehen und deuteln. Soviel es in meiner Macht steht, will ich ihr die Mutter zu ersetzen suchen, und Wildenfels soll ihre Heimat sein.«

»Aber Mama – verzeihe mir – das ist ein Unsinn – das geht zu weit!« rief Susanne entrüstet.

»Das ist nicht meine Ansicht.«

»Aber die meine. Was soll das fremde Kind hier? Da bürdest du dir eine große Last auf.«

»Ganz gewiß nicht. Im Gegenteil. Ich habe die Kleine schon herzlich lieb gewonnen. Sie ist ein süßes, liebes Geschöpf. Sieh sie dir nur erst einmal an, du wirst entzückt sein. Und denke an Lothar, wie der sich freuen wird an einer so lieblichen kleinen Hausgenossin.«

Susanne warf hochmütig den Kopf zurück und sah die alte Dame mit kalten, abweisenden Augen an. »Ich halte es nicht für wünschenswert, daß Lothar mit Kindern von Untergebenen verkehrt.«

Gräfin Thea sah sie vorwurfsvoll an.

»Susanne – willst du deinem Sohne derartige Hochmutsideen in den Kopf setzen?«

»Bitte sehr – das ist kein Hochmut, sondern Standesbewußtsein.«

»Es sind doch Kinder.«

»Aber sie werden einst erwachsen sein, bitte, vergiß das nicht. Und laß dir raten – gib das Kind fort – es bringt nur Widerwärtigkeiten. Du kannst ja auch ohnedies großmütig für die Kleine sorgen.«

Gräfin Thea zog die Stirn wie in Schmerz zusammen. Dann sagte sie ruhig und fest:

»Nein – Jonny bleibt hier – ich halte mein Wort.«

Susanne knüllte nervös ihr Spitzentaschentuch in den Händen und machte ein böses Gesicht.

»Ich kann dich leider nicht daran hindern.«

»Susanne – sei nicht hart. Das arme verwaiste Kind braucht ein wenig Liebe. Und laß Lothar ruhig mit ihm verkehren, es schadet ihm gewiß nicht. Die Kleine ist so lieb und gut – sie ist ebenso viel wert, als das Kind eines Edelmannes.«

»Aber um Gotteswillen, Mama, diese Ansichten! Hast du denn gar kein Standesbewußtsein?«

Gräfin Thea lächelte wehmütig.

»Als ich noch sehr jung und unreif war – da war ich auch so stolz auf meine Geburt – wie du. Damals glaubte ich, wir Aristokraten seien wirklich ein bevorzugter Menschenschlag. Aber ich habe dann bald erkennen lernen, daß das ein Irrtum war. Wir sind auch nur arme, irrende Menschen, wie die, welche keinen alten Stammbaum haben. Nur der Zufall bestimmt die Geburt, und alle Menschen haben ein gleiches Anrecht, auf die Höhe des Lebens zu gelangen, wie wir alle den Keim des Bösen in uns tragen. Und ob adlig oder nicht – in die Tiefe der Schuld können wir alle gerissen werden.«

Susanne erhob sich erregt.

»Mama – ich kenne dich nicht wieder. Besinne dich doch. Wenn dich Joachim – wenn dich dein Mann so hätte sprechen hören.«

Gräfin Theas Blick umflorte sich.

»Mein Mann hat sich nicht zu dieser Freiheit des Gedankens durchringen können. Er war zu sehr davon überzeugt, daß alle seine Standesgenossen so streng ehrenhaft und untadelig waren, wie er. Sein Blick war nicht weit und frei genug, um ihm Erkenntnis zu bringen. Aber mit Joachim fühlte ich mich eins in dieser Beziehung, so unverständlich dir das auch scheinen mag.«

»Und gedenkst du Lothars Erziehung in diesem Sinne zu beeinflussen?«

Gräfin Thea strich sich über die Stirn.

»Ich werde es ihm selbst überlassen, sich über diesen Punkt ein Urteil zu bilden.«

»Das hätte ich auch unbedingt von dir verlangen müssen, Mama. Mir ist es schon widerwärtig genug, daß sein Lehrer in dieser Beziehung sehr laxe Ansichten hat, und wäre ich nicht durch Joachim kontraktlich gebunden, so hätte ich längst einen andern Lehrer engagiert. Dem Kandidaten kann ich wenigstens Vorschriften machen.«

Gräfin Thea lächelte.

»Nun – mir machst du ja eben auch welche.«

»Ja, du zwingst mich dazu. Lothar soll stolz darauf sein, Graf Wildenfels zu heißen und einem alten, untadeligen Geschlecht anzugehören. Lies die Chronik unsers Hauses – kein Wildenfels hat je etwas getan, was seinen Namen mit dem leisesten Makel behaftete. Mein Sohn soll sich mit Stolz seiner bevorzugten Geburt bewußt sein, und mein Ehrgeiz für ihn geht sehr weit.«

Gräfin Thea preßte die Hände fest ineinander. Der kummervolle Zug, der sich in der Todesnacht ihres Sohnes in ihr Gesicht gegraben hatte, trat wieder schärfer hervor. »Kein Wildenfels hat je etwas getan, was seinen Namen mit dem leisesten Makel behaftete.« Diese Worte Susannes erfüllten ihre Seele mit Jammer. Sie wußte es besser.

»Laß uns Frieden schließen, Susanne. Wir beide sind so verschiedene Naturen, daß wir uns notgedrungen beiderseitig Zugeständnisse machen müssen. Verhärte dich nicht und versage dem armen Kinde nicht die Aufnahme in unserm Hause. In fünf Jahren ungefähr geht Lothar fort von Wildenfels, um zu studieren. Dann ist die Kleine immer noch ein Kind. Weiter brauchen wir jetzt nicht zu sorgen. Sei nicht unbarmherzig gegen eine Waise.«

Susanne machte eine unmutige Bewegung.

»Ein Unmensch bin ich ja nicht, wenn ich auch deine Aufopferung für übertrieben finde. Ich will nur wünschen, daß kein Unheil mit diesem Kinde bei uns einzieht. Auf dein Haupt fallen jedenfalls die Folgen.«

Gräfin Thea seufzte wie erlöst.

»Darf ich dir die Kleine jetzt bringen?«

Susanne neigte den Kopf: »Bitte sehr.«

Gräfin Thea ließ Grill rufen, und die beiden Damen nahmen wieder Platz und tauschten einige gleichgültige Redensarten.

Kurze Zeit darauf trat Grill ein, Jonny an der Hand führend. Das Kind eilte auf die alte Dame zu.

»Großmama – liebe Großmama!«

Susannes Stirn verfinsterte sich bei dieser vertraulichen Anrede. Aber sie sagte kein Wort, wie unpassend sie dieselbe fand.

Gräfin Thea küßte Jonny herzlich.

»Da bist du ja, Goldköpfchen.«

»Darf ich hinaus in den großen, großen Garten?« fragte Jonny eifrig.

»Gewiß, noch ein wenig. Es wird bald dunkel. Aber nun gehe erst einmal zu der andern Dame hinüber und sag' ihr artig guten Tag.«

Jonny wandte sich zu Susanne und schritt zaghaft zu ihr hin. Die kalten, hochmütigen Augen schüchterten sie ein. Kinder fühlen instinktiv, wer es gut mit ihnen meint.

»Guten Tag,« sagte sie leise, machte ein Knixchen und reichte Susanne beklommen das Händchen.

Diese mußte sich gestehen, daß sie selten ein so schönes, liebliches Kind gesehen hatte und daß die Kleine von einem Aristokratenkinde nicht zu unterscheiden war. Aber gerade das nahm sie gegen Jonny ein. Sie wollte sich nicht bezaubern lassen und empfand schon in dieser Stunde mit Gewißheit, daß ihr das Kind lästig und widerwärtig sein würde.

»Guten Tag,« antwortete sie kühl und berührte nur flüchtig die ausgestreckte Kinderhand.

»Ich heiße Jonny Warrens,« sagte die Kleine hastig und unsicher.

»Es ist gut, Jonny,« erwiderte Susanne ungerührt.

Grill und Gräfin Thea sahen sich einen Moment an, als wollte eine die andere fragen, ob sie Susannes abweisendes Benehmen merke.

Jonny floh zu der alten Dame zurück und sah ängstlich zu ihr auf.

»Ist die schöne Dame böse mit mir?«

»Nein, Jonny. Du mußt nur lieb und artig sein, dann wird sie dich auch lieb gewinnen.«

Jonny schüttelte zweifelnd den Kopf.

»Sie sieht garnicht so lieb aus wie du. Ich möchte, daß sie fortgeht.«

Susanne machte ein unbeschreibliches Gesicht.

»Sehr gut erzogen ist das Kind, das muß man sagen,« bemerkte sie spöttisch.

Gräfin Thea sah sie bittend an.

»Susanne – sie ist noch jung und kommt hier in ganz neue ungewohnte Verhältnisse. Wenn du dich erst ein wenig mit ihr beschäftigt hast, wird sie die Scheu vor dir verlieren.«

»Oh – mich verlangt garnicht danach. Ich verspüre nicht die mindeste Lust, mich um ihre Gunst zu bewerben.«

In Gräfin Theas Gesicht zuckte es. Sie erhob sich.

»Ich will dich jetzt allein lassen, Susanne. Bei Tische sehen wir uns wieder,« sagte sie kurz, nahm Jonny an die Hand und winkte Grill, ihr zu folgen.

Susanne sah ärgerlich hinter ihnen her und ballte zornig die Hände.

»Das hat mir gerade noch gefehlt – so ein bodenloser Unsinn,« murmelte sie.

Gräfin Thea war mit Jonny und Grill wieder in ihre Zimmer gegangen. Drüben blieb sie vor Grill stehen.

»Was sagst du dazu, Grill?«

»Daß der liebe Gott Frau Gräfin schon vergelten wird, was sie an dem Kinde tut. Und Gräfin Susanne wird sich auch an die Kleine gewöhnen.«

Die alte Dame strich mit bebender Hand über Jonnys Scheitel.

»O du – die schöne Dame war doch bös auf mich,« flüsterte das Kind ängstlich.

»Nein, nein, Kleinchen, das mußt du nicht denken, sei nur recht brav.«

»Ja, das will ich, damit du Freude an mir hast, du und all meine Lieben im Himmel und die gute Grill. Euch habe ich alle so sehr lieb – nur die schöne Dame nicht.«

»Das mußt du nie wieder sagen, Jonny, hörst du?«

Gräfin Thea setzte sich müde in einen Sessel – es war doch ein wenig zu viel für sie gewesen. Sie schloß einen Moment die Augen und Grill hielt Jonny mit einem besorgten Blick auf ihre Herrin zurück. In diesem Augenblicke kam Lothar mit schnellen Schritten ins Zimmer.

»Großmama – so, nun bin ich frei!« rief er und umschlang die alte Dame zärtlich. »Hast du dich nach mir gebangt?«

»Sehr, mein Junge,« antwortete die alte Dame, ihm liebevoll in die Augen sehend. »Und nun sieh dir an, was ich dir mitgebracht habe.«

Lothar wandte sich nach Jonny um und Grill verließ geräuschlos das Zimmer.

»Du – die ist aber niedlich – wer ist denn das kleine Mädchen?« forschte Lothar.

»Das ist Jonny Warrens. Sie kommt aus Venezuela.«

Lothar machte große Augen.

»So weit her – das kleine Ding? Wo sind denn ihre Eltern?«

»Sie ist eine Waise, Lothar.«

»Oh – die arme Kleine.«

»Jonny soll für immer im Schlosse bleiben, bei uns.«

Lothars Augen strahlten.

»O fein. Du, Großmama, sie ist zu lieb. Was sie für schöne goldene Locken hat. Kann sie Deutsch reden?«

»Versuch's doch einmal,« sagte die Großmutter, mit innigem Lächeln die beiden Kinder betrachtend.

Lothar trat zu Jonny und faßte ihre Hand, ihr ins Gesicht lachend.

»Guten Tag, Jonny.«

Jonny lächelte glücklich zu ihm auf.

»Bist du Großmamas lieber Junge?«

Er lachte herzlich.

»Wie heißt du?« fragte Jonny.

»Lothar.«

»Lothar,« sagte sie mit fremder Betonung.

»Großmama – lieb klingt es, wie sie meinen Namen ausspricht. Ueberhaupt, sie gefällt mir riesig. Wird sie wirklich immer bei uns bleiben?«

»Ja, Lothar. Sie hat ein Heimatsrecht in Wildenfels. Wie das zusammenhängt, erzähle ich dir heute abend. Aber eins will ich dir jetzt schon sagen. Komm einmal her zu mir.«

Lothar trat zu ihr heran. Sie faßte seine Schultern und zog ihn zu sich herab.

»Du wolltest ja deinen Teil an meiner Aufgabe – unser Geheimnis betreffend!«

Lothar nickte eifrig und sah sie erwartungsvoll an.

»Nun wohl – du sollst Jonny lieb haben, wie eine Schwester, sollst sie beschützen und behüten vor allem Ungemach – immerfort – auch wenn ich nicht mehr am Leben bin,« sagte Gräfin Thea leise und eindringlich. Lothar sah sie mit blitzenden Augen an.

»Kannte denn Papa die kleine Jonny?«

»Sie selbst nicht, aber ihre Mutter und ihre Großeltern. Und jedenfalls ist es sein Wunsch und Wille, daß wir Jonny lieb haben und daß sie eine Heimat findet. Kann ich mich nun darauf verlassen, daß du mir dabei hilfst?«

Lothar reichte ihr die Hand und sah sie fest an.

»Du – keiner soll wagen, ihr ein Härchen zu krümmen. Ich will ihr Ritter sein,« sagte er ein wenig prahlerisch, aber sehr ehrlich.

»Das ist recht, mein Junge – ich freue mich, daß du mir helfen willst.«

»Na weißt du – schwer ist das nun eben auch nicht,« erwiderte er, etwas unzufrieden in seinem jugendlichen Tatendrange.

»Destobesser – schwer soll es dir auch nicht sein. Nun komm her, Goldköpfchen – willst du jetzt mit Lothar noch ein Weilchen in den Garten gehen?«

Jonny nickte strahlend.

»Ja – mit ihm gehe ich gern, überall hin – ist mir ganz gleich – er ist ein lieber, großer Junge. Komm, Lothar.«

Sie reichte ihm das Händchen. Er griff ein wenig verlegen und ungeschickt, aber mit sichtlichem Vergnügen danach. Seine Rolle als brüderlicher Beschützer war ihm noch ein wenig ungewohnt und neu. Aber er schritt doch froh neben ihr dahin und nickte der Großmutter noch einmal zu, als wollte er sagen: Verlaß dich nur ruhig auf mich – ich behüte sie getreulich.

Gräfin Thea sah vom Fenster aus hinter den beiden Kindern her. Lothar erklärte anscheinend die Gegend. Er sprach lebhaft auf Jonny ein und zeigte mit den Händen bald hierhin, bald dorthin. Die alte Dame trat aufatmend zurück und ihre Augen suchten das Bild ihres Sohnes.

»So ist es doch recht, mein Joachim?« fragte sie, als sei das Bild ein lebendes Wesen.

Dann klingelte sie Grill.

Diese erschien sofort.

»Frau Gräfin befehlen?«

»Grill, du läßt das Zimmer zwischen meinem kleinen Salon und dem Schlafzimmer für Jonny zurecht machen. Ich will das Kind auch nachts in der Nähe haben.«

»Werden Frau Gräfin da nicht im Schlafe gestört werden?«

»Bewahre. Jonny ist groß genug, um die Nacht durchzuschlafen. Es ist nur zu meiner Beruhigung. Und hör' mal zu, Grill – die Garderobe der Kleinen muß ergänzt werden. Sieh mal nach, was da alles fehlt. Das wollen wir dann aus Berlin kommen lassen. Und wenn dich die Dienerschaft über Jonny befragt, so weißt du, daß ich das Kind wie meine eigene Tochter halten will. Danach sollen sich die Leute richten. Ich verlasse mich auf dich, gute Grill.«

»Frau Gräfin können das auch unbesorgt.« –

So war die kleine Jonny Warrens nun in Wildenfels aufgenommen. Und ihr liebliches Wesen nahm bald alle Menschen für sie ein. Jonny wurde wirklich eine Art Sonnenschein für Wildenfels. Nur ein Mensch schloß feindlich sein Herz gegen das liebe Kind. Das war Gräfin Susanne. Sie hatte kein Lächeln, kein warmes Wort für die Kleine.

Es war ihr ein Dorn im Auge, daß Lothar sich so gern mit Jonny beschäftigte und gleich seiner Großmutter einen förmlichen Kult mit ihr trieb.

Scharf tadelte sie das wieder und wieder und sagte Lothar wiederholt, daß Jonny als Enkelin eines Untergebenen gar kein passender Umgang für ihn sei.

Lothar fühlte, daß seine Mutter Jonny feindlich gesinnt war. Das tat ihm weh und eines Tages beichtete er der Großmutter sein Leid.

»Warum spricht nur Mama so verächtlich von Jonny? Ist es denn eine Schande, daß ihr Großvater Rendant in Wildenfels war?«

»Nein, mein Lothar, ganz gewiß nicht.«

»Der Herr Kandidat sagt auch – ob Arbeiterkind – ob Fürstenkind – beide müssen gut und tüchtig sein, wenn sie im Leben etwas gelten sollen.«

»Da hat der Herr Kandidat sehr recht.«

»Nun also, Jonny ist gewiß lieb und gut und mir ist's ganz egal, ob sie von Adel ist oder nicht. Ich habe sie lieb und freue mich sehr, daß sie bei uns ist.«

»Daran halte nur fest, mein Junge.«

»Großmama – warum ist Mama so ganz anders wie du und ich? Warum hat sie nicht wie alle andern Menschen im Schlosse die kleine Jonny lieb?«

Gräfin Thea seufzte.

»Mama kann nicht dafür, sie ist eben von ganz anderer Art als wir.«

Lothar nickte.

»Weißt du, manchmal muß ich denken, Mama kann wohl überhaupt niemand so richtig lieb haben – auch mich nicht.«

Die alte Dame erschrak.

»Kind – so etwas darfst du nicht denken. Mama kann es nur nicht so zeigen, wenn sie jemand lieb hat. Und darum ist sie sehr zu bedauern. Wir wollen sie trotzdem sehr lieb haben, nicht wahr?«

»Ja – ich will gewiß. Aber weißt du, es wäre viel leichter, wenn sie uns einmal zeigte, daß sie uns lieb hat.«

Gräfin Thea seufzte sorgenvoll. Susannes abweisendes Benehmen gegen Jonny tat ihr weh. Umso zärtlicher umfaßte sie im Herzen das Kind. Und daß Lothar von Tag zu Tag mehr an der Kleinen hing, freute sie innig.

Jonny hatte gleichfalls ihr ganzes Herz an Lothar gehängt. Sie zählte die Stunden, wenn er Unterricht hatte. Und oft stahl sie sich heimlich an die Tür des Schulzimmers und lauschte, ob sie seine Stimme hörte, dann war sie wieder für ein Weilchen zufrieden und sprang davon. Alle seine Freistunden widmete Lothar gewissenhaft seinem kleinen Schützlinge. Sogar Großmama kam zuweilen ein bißchen zu kurz, wenn schönes Wetter war und die Kinder im Parke herumtollten.

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