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Achtes Kapitel

Ueberschrift: »Brynhild spricht im Tode Strophen« (frei übersetzt) S; »Gest erzählt von Brynhild und der Riesin« F.

»So ist denn noch zu berichten (sprach Gest), daß ich nordwärts nach Dänemark zog und mich dort auf meinem Vatererbe niederließ, denn er (mein Vater) starb bald. skjótt, = früh? Kurz darauf vernahm ich den Tod König Sigurd's sowie der Gjukunge, und war mir das eine schwere Kunde.« Der König fragte: »Wie kam Sigurd zu Tode?« Gest antwortete: | »So erzählen die meisten Leute, daß Gutthorm, Gjuke's Sohn, ihn im Schlafe neben Gudrun mit dem Schwerte durchbohrte. Deutsche Männer Diese speciell-deutsche Sagengestalt kam später nach dem Norden als die ältere, im Allgemeinen den Eddaliedern zu Grunde liegende. Doch findet sich diese jüngere (deutsche) Sagenfassung schon in einzelnen der Eddalieder (Germ. 23, 86 f. 335**). dagegen erzählen, Sigurd sei ||69) draußen im Walde erschlagen worden. In Gudrun's Klageliede Eigentlich »Gudrun's Gespräch ( rœdha)«, an der entsprechenden Stelle der Liedersammlung »das alte Gudrunlied« genannt. Gudr. II ist gemeint. aber heißt es, daß Sigurd mit Gjuke's Söhnen zu einem Thing (Versammlung) geritten wäre und sie ihn da erschlagen hätten. Darin aber stimmen Alle überein Wörtlich: »das wird allgemein gesagt«., daß sie ihn liegend und nichts ahnend erschlugen und ihn in seinem Vertrauen verriethen.

Da fragte einer der Hofleute: »Wie benahm sich Brynhild da?« Gest sprach: | »Brynhild erschlug da sieben ihrer Knechte und fünf Mägde, durchbohrte sich selber mit dem Schwerte und gebot sie mit jenen Leuten zum Scheiterhaufen zu fahren und ihre Leiche zu verbrennen. So geschah es, daß ein Scheiterhaufe für sie, ein anderer für Sigurd errichtet ward, und verbrannte man ihn zuerst. Brynhild aber ward auf einem Wagen gefahren, und war darüber ein Zelt von kostbarem Gewebe und Purpur errichtet, und funkelte Alles wie Gold, und so ward sie verbrannt.«

Da fragten sie Gest: »Ist das etwa wahr, daß Brynhild als Todte [noch] Strophen gesprochen, als sie zum Scheiterhaufen gefahren ward. Gest erklärte, daß dies wahr sei. Sie baten ihn, dieselben zu wiederholen Eigentlich: »zu sprechen, vorzutragen«, vgl. oben S. 280, Z. 17., wenn er sie wüßte. Da sprach Gest: »Als | Brynhild auf dem Todtenwege Genauer der »Hel-weg«, der Weg der in's Todtenreich der Hel (s. oben S. 71*) führt. Das Gespräch ward ursprünglich (so auch in der Lieder-Edda) auf dem unterirdischen Todtenwege nach der Verbrennung gedacht; unser Verfasser verlegt es irrthümlich auf die Fahrt zum Scheiterhaufen. zur Verbrennung gefahren ward, kam man mit ihr in die Nähe einiger Felsklippen. Dort wohnte eine Riesin. Diese stand draußen vor dem Eingang zur Höhle und hatte einen Fellrock an; sie war schwarz ||70) von Antlitz. Vgl. Fas. 2, 127: »Eine Unholdin im Fellrock ... und schwarz wie Pech«. Schwarz wurden auch die Dunkel-Elfen (unterirdische Seelen) gedacht, und Hel war als Todesgöttin schwarz; nach der älteren Auffassung als Lebens- und Todesgöttin (Hel = Holda = Freyja, s. oben S. 186*) ist sie halb schwarz, halb weiß. Vielleicht meinte der Dichter des folgenden Liedes Hel selbst mit der redenden Riesin. (Gewöhnlich faßt man dieselbe als Brynhild's personificirtes Gewissen auf.) In der Hand hielt sie einen brennenden Baumast, und sprach also: »Hiermit will ich zu deiner Verbrennung beitragen, Brynhild! Und besser wärest du lebendig verbrannt für deine Unthaten, daß du Sigurd den Fafnistödter, einen so vortrefflichen Mann, ermorden ließest. Oft habe ich ihn unterstützt Vgl. Fas. 3, 474 f., und deshalb will ich dich in Strophen ansprechen mit solchen Zornworten, daß du allen noch verhaßter werdest, die solches von dir sagen hören.« Alle diese specielleren Ausführungen scheinen lediglich Ausschmückungen unseres Verfassers zu sein.

Hierauf sprachen sie einander beide in Strophen an, Brynhild und die Riesin. Hier ist das Lied » Brynhildar helreidh« vollständig eingeschoben. | Die Riesin sprach:

»Nicht ist dir beschieden
Zu durchschreiten
Die steingestützten
Höfe mein.
Es ziemte dir besser
Am Webstuhl zu sitzen Teppiche zum (Wirken oder Sticken) ausbreiten. Vgl. oben S. 111***. 144***. 168†.,
Als unsere Häuser
Heimzusuchen. Die Riesin, in der wir vielleicht Hel zu suchen haben (s. oben S. 381**), meint, es wäre weiblicher gewesen nach Sigurd's Tode seine Thaten auf Teppichen darzustellen (vgl. S. 111; wie ähnlich Gudrun that, s. oben S. 168 f.) als sich mit ihm zu tödten und so in Hel's Todtenreich zu kommen, wo sie ohnehin als Odin's Walkyrje nichts zu suchen habe (s. d. folgende Strophe).
Wie darfst du
Vom Schlachtenlande af Val-landi »von der Wahlstatt«, die Odin, dem Herrn Wal-hall's gehört (s. Germ. 23,417). Unser Text liest übrigens vá alandi »Weh-Erzeugerin«.,
Wankelmüthig Weib,
Mein Haus besuchen?
Du hast den Wölfen,
Willst du's wissen, ||71)
Schändlich vergossenes (?) meini blandat. Der Text der Lieder-Edda lautet: »Du hast, freigiebige Fürstin, Willst du es wissen, Von den Händen dir Männerblut gewaschen«.
Männerblut gegeben.«

Da sprach Brynhild:

»Nicht tadle mich drum,
Weib aus der Höhle,
Nahm ich auch früher
Am Kampfe Theil:
Von uns beiden D. h. von dir und mir; oder vielleicht richtiger: von Gudrun und mir (Holtzmann); s. auch oben S. 382††. werde ich
Als besser gelten,
Wo man die Art
Von uns beiden kennt.

Die Riesin sprach:

»Du bist, Brynhild,
Budle's Tochter,
Gar unheilvoll Wörtlich: »unter sehr schlimmen (unheilvollen) Vorzeichen«.
Zur Welt gekommen.
Du hast Gjuke's
Kinder vernichtet
Und ihren glücklichen
Hofhalt zerstört.

Brynhild sprach:

»Sagen will ich dir
Wahre Rede, ||72)
Arglistig Weib Der Text in der Lieder-Edda weicht hier etwas ab.,
Willst du es wissen,
Wie mich machten
Gjuke's Söhne
Der Liebe verlustig Das von ihr ersehnte und ihr eigentlich beschiedene Verhältniß gegenseitiger Liebe zwischen ihr und Sigurd.
Und eidbrüchig. Vgl. oben S. 143***. 1513.

Es ließ (bei Heimi?)
Der muthvolle König Budle (?). – »Bei Heimi«, wie S. 387, Z. 3-7 zeigt.
Mich, Atle's Schwester,
Unter der Eiche Soll vielleicht heißen: »im Walde«, draußen in dem im Walde gelegenen Gehöfte Heime's, im Gegensatz zu der Königsburg Budle's (?). Ueber die Auffassung dieser Halbstrophe s. d. Nachtr. wohnen.
Zwölf Winter war ich,
Willst Du es wissen,
Als dem jungen Fürsten Sigurd (nicht Agnar, wie gewöhnlich erklärt wird) ist gemeint (s. Germ. 23, 414 f.); vgl. oben S. 1161.
Ich Eide schwor. In der Lieder-Edda folgt hier die Halbstrophe: »Mich hießen Alle In Hlymdal Hild unterm Helme, Wer mich kannte.« In Hlymdal wohnte Heimi, der Schwager Brynhild's, bei dem sie sich aufhielt, vgl. oben S. 109 bis 111; unten S. 387†. – Die folgenden drei Strophen unterbrechen den Zusammenhang, s. unten S. 387**.

[Im Gothenvolke (?)
Ließ den alten
Hjalmgunnar ich
Zu Hel S. oben S. 71*. wandern;
Sieg gab ich dem jungen
Bruder Auda's;
Drob ward mir Odin
Heftig erzürnt. Denn Odin hatte ihm den Sieg verheißen, s. Sigdr. Prosa nach Str. 2, Z. 7 f. Oben S. 96.

Er umschloß mich mit Schilden
In Skatalund ||73),
Mit rothen und weißen,
Schild stieß an Schild. So nach dem besseren Text der Lieder-Edda. Nth. reyndar svæfdha.
Der sollte, gebot er,
Vom Schlaf mich erwecken,
Der nie und nirgend
Furcht gekannt.

Um meines Saales
Südliche Seite
Ließ hoch er flammen
Des Holzes Vertilger. Das Feuer (der Waberlohe).
Dem Einen Wörtlich: »Dem Helden allein«. erlaubt' er
Hinüber zu sprengen,
Der das Gold mir brächte,
Drauf Fafni lag. Der also Fafni vorher erschlagen und sich dadurch als gänzlich furchtlos erwiesen hätte.] Die 3 eingeklammerten Strophen unterbrechen den Zusammenhang: sie sind fälschlich hierher gerathen, aus einem Liede, dessen Prosa-Auflösung (in etwas abweichender Gestalt) in Sigdr. Prosa nach Str. 2, Z. 3-21 vorliegt. Dort entspricht Z. 3-12 einer, unsern dreien vorhergehnden Strophe.

Es ritt der edle
Goldspender D. h. Fürst: Sigurd. auf Grane
Dahin, wo hauste
Mein Pflegevater Heimi in Hlymdal, s. oben 385†..
Er allein erschien dort,
Der Dänenkämpe víkingr Dana. Selbst wenn Danir hier in dem weitern Sinne = Nordleute (»der nordische Held?«) gefaßt wird, bleibt diese Bezeichnung Sigurd's doch auffallend, da Sigurd auch in der nordischen Sage noch als fränkischer Held erscheint. Darf man an Sigmund's Aufenthalt in Dänemark (s. oben S. 361 f.) denken, oder daran, daß eine Fassung der Sage Hjalprek's Reich in Dänemark gedacht zu haben scheint (s. oben S. 60. Z. 9. 168. 369***)? Oder ist Danir ganz allgemein = »Helden«, »Krieger« gebraucht, wie z. B. Herv. s, S. 255, Bugge (s. d. Anm. S. 358)?,
Werther als alle
In der Mannenschaar.

Wir schliefen zufrieden
Auf einem Lager,
Als ob von Geburt ||74)
Er mein Bruder wäre:
Keines von beiden
Durft' um das andre
In acht Nächten
Den Arm schlingen.

Das warf Gudrun mir vor,
Gjuke's Tochter,
Daß ich in Sigurd's
Armen geschlafen:
Da ward ich des inne,
Was ich nicht wollte D. h. was ich lieber nicht gewußt hätte.,
Daß sie mich täuschten
Bei der Vermählung.

Es werden mit Sorgen (Hader?)
Allzu lange
Männer und Frauen
Das Leben verbringen Wie auch wir bisher. Ueber die Auffassung dieser Halbstrophe s. Germ. 23, 416.:
Uns ward beschieden
Gemeinsamer Tod,
Sigurd und mir Damit kommt Brynhild auf den Vorwurf der Riesin zurück, daß es ihr nicht geziemte, Sigurd in den Tod zu folgen; s. oben S. 382††.:
Versink nun, feige Riesin!«

Da stieß das Riesenweib ein fürchterliches Geschrei aus, und stürzte hinein in den Berg.«

   

Hierauf sagten die Hofleute des Königs: »Das ergötzt uns, erzähle noch mehr.« Der König [aber] sprach: »Es ist nicht nöthig, noch mehr von solchen Dingen zu erzählen.« ||75)

Der König fragte [darauf]: »Warst du etwa [auch] bei den Lodbrokssöhnen Dies ist die gewöhnliche Bezeichnung der Söhne Ragnar Lodbrok's, s. darüber Storm, Ragn. Lodb. S. 57-63.?« Gest antwortete: »Nur kurze Zeit war ich bei ihnen, und zwar kam ich zu ihnen, als sie im Süden bei den Alpen heerfahrteten und Vifilsburg brachen. Wie oben 299 f. erzählt ist. Da war alles in Schrecken vor ihnen, weil sie überall sieghaft waren, wohin sie nur kamen; | und sie gedachten damals gen Rom zu ziehen. Vgl. Ragnarssaga, Kap. 13. Die folgende Episode giebt in knapperer und wie es scheint ursprünglicherer Form (s. z. B. die folgenden Anmerkungen) den Inhalt dieses Kapitels wieder. Trotz mancher wörtlicher Berührungen kann unsere Darstellung sehr wohl auf mündlicher Tradition beruhen. Sollte indessen die Ragnarssaga die Quelle gewesen sein, so müßte eine ältere, kürzere Gestalt derselben vorgelegen haben; s. d. Einl. (Vgl. auch Storm, Ragn. Lodb. S. 112.) Eines Tages geschah es, daß ein Mann vor König Bjorn Eisenseite Daß Bjorn hier als Leiter des Zuges erscheint, ist ursprünglicher, s. Storm ebd. Vgl. oben 339†. 340***. trat und ihn begrüßte. Dieser nahm ihn freundlich auf und fragte ihn, von wannen er käme und wie er hieße. Jener sagte, er heiße Sones Auch die Erhaltung des Namens beruht auf ursprünglicherer Ueberlieferung, s. Storm ebd.; Bugge, S. 80. und komme von Süden her aus Rom. Der König fragte: »Wie weit ist es bis dahin?« Sones antwortete: »Hier kannst du, König, die Schuhe sehen, die ich an den Füßen trage.« Damit zog er Eisenschuhe von seinen Füßen, die waren oben sehr dick, aber unten ganz abgelaufen: »So weit ist der Weg von hier bis nach Rom, wie ihr hier an meinen Schuhen sehen könnt, wie arg sie mitgenommen sind.« [Da] sprach der König: »Das ist ein gar sehr weiter Weg (ihn zu ziehen), und so wollen wir umkehren und nicht in das Römerreich heerfahrten.« Das thaten die Brüder auch, und zogen nicht weiter. Das Heer aber fand es verwunderlich, auf Eines Mannes Wort hin umzukehren. | Damit zogen die Lodbrokssöhne heim und heerten nicht fürder im Süden.«

König Olaf sprach: »Es ist augenscheinlich, daß die heiligen Männer in Rom ihren Uebergang Ueber die Alpen? Nach Ragnarss. waren sie freilich schon in Luna. Ist also zu übersetzen: »ihren Uebermuth [sich] nicht dorthin [wenden lassen] wollten?« dahin nicht wünschten, und es wird ||76) jener Geist von Gottes Macht gesandt worden sein, da so ihr Vorhaben aufgegeben ward, und sie keine Gewaltthaten in der heiligsten Stadt begingen.«


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