Ferdinand Gregorovius
Der Kaiser Hadrian
Ferdinand Gregorovius

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Neunzehntes Capitel.

Hadrian kehrt von Aegypten nach Syrien zurück. Neuer Besuch Athens. Einweihung des Olympieion. Götterehren Hadrians.

Es gährte damals ein Aufstand in Palästina. Wenn nun Hadrian von der drohenden Lage der Dinge dort Meldung erhalten hatte und deshalb nach Syrien gegangen war, so wußte ihn das Judenvolk durch ruhiges Verhalten zu täuschen. Dies wenigstens ist Thatsache, daß die zur Rebellion vorbereiteten Juden seinen Fortgang nach dem Westen abwarteten, um die Waffen zu ergreifen. Tiefes Dunkel bedeckt diese letzte Reise Hadrians. Von dem Augenblicke an, wo er am 21. November 130 im ägyptischen Theben für uns sichtbar geworden ist, bis zum 5. Mai 134, an welchem Tage seine Anwesenheit in Rom urkundlich bemerkt wird, ist er unsern Blicken entschwunden. Nur so viel wissen wir aus den Angaben des Dio Cassius, daß Hadrian von Aegypten nach Syrien und dann weiter nach dem Westen gezogen ist.

Wo nun hat er sich in Syrien aufgehalten, wohin ist er von dort weiter gereist, und an welchem Ort hat ihn die Kunde von der Rebellion der Juden in Palästina erreicht? Wir wissen es nicht, aber wir vermuten, daß dies in Athen geschehen ist. Der neueste Forscher über die Reisen Hadrians hat nachzuweisen versucht, daß der Kaiser nur zweimal in Athen gewesen sei, in den Jahren 125 und 126 und zuletzt 129. Er hat ihn sodann vom Ende des Jahres 131 oder vom Anfange 132, wo er von Aegypten nach Syrien gegangen war, durchaus auf dem jüdischen Kriegsschauplatze festgehalten.Dürr S. 42. Aber diese Ansicht ist durch nichts Thatsächliches begründet. Wie sollte man überhaupt glauben, daß der große Philhellene Hadrian diejenige Stadt, welche er so schwärmerisch liebte, und wo er so viele Prachtbauten entstehen ließ, nur zweimal besucht habe?Keil (Philol. II, 1863, S. 546) nimmt 4 Besuche Hadrians in Athen an, 112, 125, vor und nach der ägypt. Reise 130, endlich 132. Siehe dazu Ahrens, De Athenar. statu politico S. 15. Als er von Aegypten über Syrien nach dem Abendlande heimkehrte, lag Athen so gut wie auf seinem Wege. Wie sollte er da an dieser Stadt vorübergeschifft sein? Nun gibt es aber auch Zeugnisse, welche es wahrscheinlich machen, daß Hadrian im Jahre 132 wieder in Athen gewesen ist. In diesem Jahre haben hellenische Städte dem Kaiser Ehrenbildsäulen im Olympieion Athens aufgestellt, was durch feierliche Gesandtschaften in ihrem Namen geschah.Die Reihe der bezüglichen Inschriften (C. I. A. III, 1) beginnt mit jener der Col. Julia Augusta Diensium per legatum C. Memmium Lycium; verzeichnet ist Trib. Pot. XVI, Cos. III, P. P. Olympio, d. i. das Jahr 132. Zwar fehlt das Datum bei den andern Titeln, aber es darf angenommen werden, daß alle andern dieser Reihe derselben Zeit angehören; nam hoc communi consensu et uno tempore factum esse veri simile est (Dittenberger). War dies Zufall und Willkür, oder war es nicht vielmehr eine schon bei der letzten Anwesenheit Hadrians in Athen (im Jahre 129) festgestellte Anordnung? Und war nicht die vorausbestimmte Rückkehr des Kaisers nach Athen zu einer großen olympischen Feier in seiner Gegenwart ausersehen worden? Ich nehme deshalb an, daß im Jahre 132 der Tempel des olympischen Zeus vollendet war und von Hadrian eingeweiht worden ist.Die abweichenden Meinungen über die Zeit der Einweihung hat Flemmer S. 53 zusammengestellt, sich für 130 entscheidend. Dürr nimmt mit andern den Herbst 129 an. L. Renier (Notiz zu Le Bas-Foucart, Inscr. grecques II. partie Megaride, Explication zu n. 49, S. 34) sucht mit schwachen Gründen aus Spartian ebenfalls das Jahr 129 oder Anfang 130 zu erweisen. Für 132 ist Franz (Elem. Epigr. Gr. S. 286), gemäß der Weihinschr. von Sebastopolis (C. I. A. III, I, n. 483) mit Olympiade I, welche fällt auf Olymp. 227, 3, 885 U. C. 132 n. Chr. Siehe dazu Corsini, F. A. II, 105. Auf Franz stützt sich auch Keil a. a. O. Lenormant (Rech. arch. à Eleusis, R. d. Inscr.) S. 179 nimmt als Einweihungsjahr 135 an, aber von Reisen Hadrians nach seiner Rückkehr nach Rom 134 ist nicht mehr die Rede.

Die Athener hatten seit Jahrhunderten kein ähnliches Fest erlebt. In der Zeit des sinkenden Heidentums stellte dasselbe noch einmal den ganzen Pomp des antiken Göttercultus und auch die vergangene Herrlichkeit ihres Staatswesens dar. Es war zugleich ein national hellenisches Fest, denn im vollendeten Prachttempel des Zeus hatte Hadrian für ganz Hellas einen neuen religiösen Mittelpunkt geschaffen. Die griechischen Städte von nah und fern hatten ihre Vertreter geschickt, welche beauftragt waren, die Ehrenbildsäulen des Kaisers im Olympieion aufzustellen. Eine Reihe von Inschriften solcher ist uns erhalten,. so der Städte Abydos, Aegina, Amphipolis, Anemurium, Thasos, Cyzicus, Smyrna, Laodicea, Sebastopolis, Milet, Ephesus, Dium, Cyprus, Pales, Pompejopolis, Sestos, und andre, namentlich aus Altgriechenland, werden nicht gefehlt haben.C. I. A. a. a. O. – Durch Gesandte ließen auswärtige Städte überhaupt verdienten Männern noch damals Ehrenstatuen zu Athen errichten, im Hain der Polias auf der Burg, so die Gytheaten dem Herodes Atticus, und Tripolis dem L. Aemilius Juncus, welcher Corrector der freien Städte Achajas und im Jahr 127 Consul war. Wachsmuth (Stadt Athen I, 69) zieht daraus den Schluß, daß die neue Führerstellung Athens doch Anerkennung fand. Nicht ein Athener, sondern der berühmteste Sophist jener Zeit, Polemon aus Smyrna, hatte die Ehre, die olympische Weihrede zu halten. Der Kaiser gab dem Volk tagelange Feste. Es war wol damals, daß er auch eine große Jagd im Stadium Athens zum Besten gab, wobei 1000 wilde Thiere erlegt wurden. Die Hauptsache aber waren die von ihm neu eingesetzten olympischen Spiele.

Diese fünfjährigen Olympien oder Adriana Olympia wurden seither nicht nur in Athen, sondern auch in andern Städten im Reich gefeiert, besonders in Ephesus, Cyzicus und Smyrna. Eine neue Olympiadenrechnung wurde eingeführt.Ueber diese Spiele Flemmer S. 78 f. C. I. A. n. 129. Henzen, Annali d. Inst. 1865, S. 96. Curtius, Hermes IV, 1, 182. Die Aufzählung der Olympien in verschiedenen Städten bei Krause, Olympia, Absch. II, S. 203 f. Der Kaiser nahm jetzt, ohne Zweifel nach einem feierlichen Beschluß der versammelten Hellenen, den Zunamen des Olympiers oder des olympischen Zeus an, und er erhielt in den hellenischen Städten als Wolthäter, Gründer und Heiland der Gemeinden wie der »bewohnten Welt« die Ehren des olympischen Gottes.Διὶ ’Ολυμπίω, Kolophon, C. I. G. n. 3036. Jovi Olympio, Le Bas-Wadd. III, 1, n. 1764 (Parium); n. 1570 (Priapus) Θεὸς ’Ολύμπιος (Nicomedia, Mionnet II, 468). Häufig ’Ολυμπίω σωτη̃ρι καί κτίστη. Smyrna, C. I. G. n. 3174. Pergamon, 3547. Andros, n. 2349 m. add. vol. II. Milet, n. 2863, 2866, 2877. Ephesus, n. 2963b. Aezani, n. 3832. Phaselis, n. 4334. Attalia, n. 4339. Kibyra, n. 4380. Isauria 4382. Korykos 4333. Magnesia am M., I. A. III, 480 u. s. w., Metropolis in Lycien, Tarsus, Cyzicus, Sebastopolis &c.

Spartian sagt, daß Hadrian außer dem Olympieion auch andre in Athen von ihm begonnene Bauwerke weihte, und zu diesen hat der Tempel des panhellenischen Zeus gehört.Dio 69, 10. Pausan. I, 18, 9. Auch mit ihm verband der Kaiser eine neue Nationalfeier der Panhellenien, mit periodischen Spielen, wozu alle griechischen Städte und Kolonien fortan ihre Abgeordneten nach Athen zu schicken hatten, denn diese Stadt wurde zum Vorort der Hellenen erklärt. Ein Parlament sollte den alten Bund der Achäer erneuern. Jedoch diese künstliche Wiederbelebung der Vergangenheit blieb nur ein pomphafter Schein. Die griechische Nation war politisch erloschen, und sowol bei den Olympien als den Panhellenien bildete nur der Kaisercultus den wahren Mittelpunkt der griechischen Angelegenheiten.Hermann, Griech. Staatsalt. § 190. Ein Hellenodarch führte in jenem Parlament den Vorsitz; zuerst scheint dies Herodes Atticus gewesen zu sein: Philostr., Vita Soph. II, S. 58. Ein Finanzminister verwaltete die Bundeskasse als Hellenotomias. Hertzberg II, 331. Auch die panhellenischen Spiele, deren Vorsteher oder Agonothet stets der Priester des vergötterten Hadrian war, dauerten wie die Olympien noch lange nach dem Tode des Kaisers fort.Inschr. aus Aezani in Phrygien, C. I. G. 3832. 3833. Le Bas-Waddington III, 1, n. 867: ο άρχων τω̃ν Πανελλήνων καὶ ιερεὺς θεου̃ ’Αδριανου̃ Πανελληνίου καὶ αγωνοθέτης τω̃ν μεγάλων Πανελληνίων.

Man verehrte ihn in den Städten Griechenlands als Zeus Olympios, Panhellenios, Eleutherios und Dodonäos, als Zeus Ktistes und Soter, und Beläos, oder als Gott schlechthin, wie in Sparta, Abäa, Nikopolis, Thespiä, Koronea, oder als pythischen Apollo und neuen Helios.Eine megarische Inschr. aus der Zeit des Julius Candidus, Proconsuls Achajas, vereinigt die Göttertitel ’Ολύμπιος, Πύθιος, Πανελλήνιος, C. I. G. n. 1072, Le Bas-Foucart II. Megeride, n. 49. Da sie das δὶς αυτοκράτορα hat, so fällt sie nach 135 oder 136. Den Proconsulat des Candidus setzt Renier zwischen 134 u. 136, Explicat. zu n. 49, S. 34. – Als neuer Helios erscheint Hadrian in Klazomenä, Rev. Arch. N. S. XXXII, 1876, S. 44; bei Dürr, Anh. n. 38. Als neuer Dionysos erscheint er zu Aphrodisias in Karien, in Sardes und sogar in einer griechischen Inschrift zu Nimes.Le Bas-W. III, 1, n. 1619 (Aphrodisias). C. I G. n. 3455 (Sardes); n. 6786 (Nemausus). Andre Vergötterungen bei Hertzberg II, 333.

So wurde Hadrian den Göttern Griechenlands gleichgesetzt. Wenn seine Eitelkeit ihn nicht verblendete, so mußte er sich sagen, daß er von der elenden Schmeichelei der Griechen nur dieselben Ehren empfing, welche sie vielen Despoten vor ihm zuerkannt hatten, und daß er diese Prädicate der Göttlichkeit mit einem Nero teilen mußte, welcher nicht minder zum Apollo und Herakles und selbst zum Zeus Eleutherios war erhoben worden.Eckhel VI, S. 278. Aber Hadrian war eitel genug, sich im Olympieion einen Altar aufstellen zu lassen. Hier und im eleusinischen Heiligtum tronte er als Zeus, während auch seine Gemalin nicht leer ausging, denn sie wurde in Eleusis als neue Demeter verehrt. Zu gleicher Zeit aber erhielt ebendaselbst auch Antinous als Jakchos Altäre.Lenormant, Rech. Arch. à Eleusis, S. 185. Sabina erhielt in Eleusis eine Hierophantin, C. I. G. n. 435. Als neue Demeter in Megara, C. I. G. n. 1073, Le Bas-Foucart n. 50. So konnte die unglückliche Augusta diesen Nebenbuler auch nach seinem Tode nicht mehr los werden.

Das Nichtswürdige aller dieser Vergötterungen hat damals kaum ein Grieche gefühlt. Denn seit der Diadochenzeit waren die Hellenen daran gewöhnt, Fürsten, welche sie fürchteten oder als ihre Wolthäter liebten, mit göttlichen Attributen zu ehren. Vergötterung war die einzige Weise der Erkenntlichkeit, welche ein verknechtetes Volk dem Herrscher noch zu geben vermochte. Hadrian aber hatte für Athen so beispiellos viel gethan, daß Pausanias urteilte, er habe die von den Kriegen der Römer ins Elend gestürzte Stadt wieder zur Blüte gebracht.Pausan. I, 20, 7. Man vergleiche dazu die schon angeführten Verse der Hierophantin von Eleusis auf Hadrian, C. I. G. n. 434. Nach Dio 69, 16 schenkte H. den Athenern auch die Einkünfte aus der Insel Kephalenia. Da aber Pales dort sich in der Weihinschrift der dem Kaiser im Olympieion gesetzten Bildsäule (C. I. A. n. 481) Freistadt nennt, so wird wol nicht ganz Kephalenia den Athenern geschenkt worden sein. Flemmer S. 59. Bursian (Geogr. Griech. II, 375) hält die Schenkung für eine Formalität.


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