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 Georg Washington

Washington.

Leben und Briefwechsel Georg Washingtons. Nach dem Englischen des Jared Sparks im Auszuge bearbeitet. Herausgegeben von Fr. v. Raumer (2 Bde. Leipzig, 1839). Vergl. Marschalls Life of Washington (5 Bde. Philadelphia 1804; 2. Aufl. 2 Bde. 1832) und »Washington« von Guizot (Leipzig, 1849). Lebensgeschichte Georg Washingtons. Von Washington Irving. Aus dem Englischen von dem Uebersetzer der Werke Prescotts (Erster Band. Leipzig, 1856).


Georg Washington wurde in der Grafschaft Westmoreland in Virginia am 22. Februar 1732 geboren. Er war der älteste Sohn aus der zweiten Ehe seines Vaters Augustin Washington und Urenkel des Johann Washington, der nach Amerika auswanderte. Sein Vater, ein ehrenwerther, sehr fleißiger und ordnungsliebender Pflanzer, zog bald nach der Geburt Georgs auf eine Besitzung in der Provinz Stafford, am östlichen Ufer des Flusses Rappahannoc gelegen, Fredericksburg gegenüber. Hier blieb er bis an seinen Tod; er starb nach kurzer Krankheit in einem Alter von 49 Jahren, am 12. April 1743.

Georg erbte das Grundstück und Wohnhaus, worin sein Vater gestorben war, der übrigens, in unbedingtem Vertrauen, das er in die sehr verständige und treue Mutter setzte, testamentarisch verordnet hatte, daß sie über alle Einkünfte von dem Vermögen der Kinder verfügen sollte, bis diese das mündige Alter erreicht hätten. Das älteste, unser Georg, war erst 11 Jahre alt, und zu der Sorge für die Erziehung ihrer fünf Kinder kam noch die Führung ziemlich verwickelter Geschäfte; aber die charakterfeste und gewandte Frau erfüllte mit bestem Erfolg ihre mannigfaltigen Pflichten, und sie hatte die Freude, daß alle ihre Kinder sich gut entwickelten und hoffnungsvoll ihre Laufbahn begannen. Sie erlebte noch die ruhmvollen Thaten ihres ältesten Sohnes, und sah ihn an die Spitze eines großen Volks gestellt, verehrt und gepriesen in der alten und neuen Welt.

Die Schulbildung war bei der damaligen Verfassung der Kolonieen, namentlich in den südlichen Provinzen, sehr mangelhaft, wie sie es noch jetzt großentheils ist. Es waren wohl einige öffentliche Schulen vorhanden, aber dabei blieb doch das Meiste dem Privatfleiß des Einzelnen überlassen, und wer eine höhere Bildung anstrebte, ging nach England.

Georg Washington besuchte die Schule in Williamsburg, und zeichnete sich durch Fleiß und ein sehr gesittetes Betragen aus. Er gewann sich bald die Achtung seiner Mitschüler, welche ihn gewöhnlich zum Schiedsrichter in ihren Streitigkeiten ernannten und immer mit seinen Entscheidungen zufrieden waren. In seinen Kinderspielen trat übrigens schon sehr entschieden seine Lust zum Kriege und zu kriegerischen Bewegungen hervor; er theilte seine Mitschüler in Kompagnien ein, zog mit ihnen auf die Wache und übte sie im Marschiren; dann lieferten sie kleine Schlachten, und immer war er Anführer der einen Partei. Er hatte eine große Freude an körperlichen Uebungen und erwarb sich eine große Geschicklichkeit im Laufen, Springen, Ringen, Stangen werfen und ähnlichen Fertigkeiten. Es gingen aber die Fortschritte im Erlernen der Wissenschaften nicht minder lebhaft von Statten. Washingtons Schulbücher sind von seinem 13ten Jahre an aufbewahrt worden, und geben uns merkwürdige Aufschlüsse über die Richtung seines Gemüths, namentlich über den Ernst, womit er so früh das Leben von seiner praktischen Seite erfaßte.

Viele Seiten des erwähnten Manuscriptes sind mit Abschriften angefüllt, die er »schriftliche Abfassungen« benennt, dahin gehören Verschreibungen, Wechsel, Empfangscheine, Abtretungsurkunden, Kontrakte und Testamente. Alles ist sauber und sorgfältig geschrieben. Dann kommen Verse, die nicht durch poetische Schönheit, wohl aber durch die Gesinnung und das darin ausgesprochene religiöse Gefühl sich auszeichnen. Ein Theil des Buches enthält, aus verschiedenen Quellen geschöpft, eine Sammlung von Grundsätzen und Vorschriften für's Leben Einige Proben mögen die Haltung des Ganzen andeuten.
1) Wenn wir unter Menschen kommen, sollen wir nie etwas thun, wodurch wir die Achtung gegen irgend Einen in der Gesellschaft verletzen. 2) In Gegenwart Anderer singe nicht in brummenden Tönen für dich, und trommle nicht mit den Fingern oder Füßen. 3) Schlafe nicht, wenn Andre sprechen, sitze nicht, wenn Andre stehen, sprich nicht, wenn du schweigen solltest, und gehe nicht weiter, wenn die Andern stehen bleiben. 4) Kehre Niemand den Rücken, besonders wenn du mit ihm sprichst; lehne dich nie gegen irgend Jemand. 5) Sei kein Schmeichler, und scherze mit Keinem, der nicht gern mit sich scherzen läßt. 6) Lies in Gesellschaft weder Bücher, Briefe, noch andere Papiere; tritt aber ein dringender Fall ein, wo du es thun mußt, so bitte vorher um Verzeihung. Wenn ein Anderer schreibt oder liest, so tritt ihm nicht so nahe, daß du mitlesen kannst, wenn er dich nicht darum bittet, und sage deine Meinung über das Gelesene nur, wenn er dich danach fragt. 7) Dein Gesicht sei freundlich, bei ernsten Veranlassungen sei es aber ernst. 8) Zeige dich nie erfreut über das Unglück eines Andern, und wäre er auch dein Feind. 9) Wenn dir ein Vornehmerer begegnet, als du bist, so bleib stehen und mache ihm Platz. 10) Denjenigen, welche ein Amt oder Würde haben, gebührt bei jeder Gelegenheit der Vorrang; aber wenn sie jung sind, sollen sie denen, welche ihnen durch die Geburt oder andere Eigenschaften gleich stehen, Ehrfurcht bezeigen, wenn diese auch kein öffentliches Amt bekleiden. 11) Dein Gespräch mit Geschäftsmännern sei kurz und bündig. 12) Wenn du einen Kranken besuchst, so spiele nicht den Arzt, wenn du nichts davon verstehst. – Dies sind die 12 ersten der 56 Nummern.
, unter dem Titel: »Regeln des Betragens in Gesellschaft und bei Unterhaltungen.« Diese Regeln des Betragens standen nicht bloß auf dem Papiere, sondern gingen vollständig in's Leben über, und wurden Charakterzüge des Mannes. Washington hatte von Natur ein feuriges, leidenschaftliches Temperament, aber es war sein unausgesetztes Streben, dasselbe in seine Gewalt zu bekommen, was ihm auch vollkommen gelang. Sein Verkehr mit anderen Menschen, sei es in öffentlichen oder vertraulichen Verhältnissen, war stets gleicherweis durch Festigkeit des Benehmens wie durch Fügsamkeit in die Verhältnisse, durch hellen Verstand wie durch richtiges Gefühl, durch sittliche Strenge wie durch zarte Beobachtung der Gesetze der Höflichkeit ausgezeichnet.

Er verließ die Schule im Herbst nach seinem funfzehnten Geburtstage. Auf die Sprachen hatte er wenig Fleiß verwendet, da seine Anlagen dafür gering zu sein schienen. Die alten Sprachen betrieb er gar nicht; vielleicht hatte er auch in der Muttersprache keinen grammatischen Unterricht erhalten, denn er schrieb sie nicht fehlerfrei, und erst nachher durch vieles Lesen und Aufmerken überwand er diesen Mangel, ja er schrieb später nicht nur in einer reinen Sprache, sondern auch mit vieler Klarheit und Kraft des Styls. Dagegen hatte er die drei letzten Jahre seiner Schulzeit fast ausschließlich dem Studium der Geometrie und Trigonometrie gewidmet, sowie auch dem Feldmessen, wozu er eine vorherrschende Neigung hatte. Seine Verwandten munterten ihn zu solchen Uebungen noch auf, da zu damaliger Zeit das Feldmessen ein sehr einträgliches Geschäft war. Im letzten Sommer seiner Schulzeit maß er die zum Schulhause gehörenden Felder nebst den angrenzenden Pflanzungen, und trug diese Messungen, Risse und Berechnungen mit großer Genauigkeit in seine Bücher ein. Er wußte sich dabei der Logarithmen zu bedienen, und die Richtigkeit seiner Arbeiten auf verschiedene Arten zu prüfen. Alles, was er zeichnete oder schrieb, war mit äußerster Ordnung und Sauberkeit gearbeitet. Und dies war ein Charakterzug, denn die geschäftlichen Papiere, Tagebücher, Hauptbücher und Briefe des späteren Generals und Präsidenten zeugten von derselben Ordnungsliebe und Pünktlichkeit.

Diese Ordnungsliebe war ihm, als er an der Spitze der Armee stand, von größtem Nutzen. Namen und Rang aller Offiziere, sowie den Wechsel der Adjutanten, Proviantmeister und Quartiermeister faßte er in geordneten Tabellen zusammen, die so eingerichtet waren, daß er sich die wichtigsten Punkte in's Gedächtniß prägte, ohne sich durch viele Einzelnheiten zu zerstreuen. Wenn das Heer vorrücken oder eine Stellung einnehmen sollte, welche eine Verbindung und Uebereinstimmung mit andern Truppentheilen nöthig machte, so zeichnete er einen Entwurf auf das Papier; und beim Beginn eines neuen Feldzuges oder den Vorbereitungen zu einer einzelnen Unternehmung machte er einen Riß von der Schlachtordnung, wies jedem Offizier seinen Platz an und schrieb den Namen des Regiments, das er kommandiren sollte, nebst der Zahl der Mannschaft dazu.

Als er Präsident war, führte er bei den Akten der Schatzkammer und den dazu gehörenden Dokumenten dieselbe Ordnung ein. Alles wurde mit unendlicher Geduld und Ruhe in Tabellen zusammengefaßt;, er machte sich's aber dadurch möglich, der Ordnung nach eine Reihe einzelner Punkte herauszugreifen und im Gedächtniß zu behalten, sowie die Ergebnisse verwickelter Rechnungen leicht zu überschauen.

Sein Bruder Laurenz hatte den letzten Krieg als Seemann mitgemacht und sich das Vertrauen des Generals Wentworth und des Admirals Vernon erworben; er rieth, da er die Neigung Georgs zum Kriegsdienst bemerkte, diesem schon 1746, als Seekadett in englische Dienste zu treten. Die Verwandten fanden eine solche Laufbahn auch günstig, nur die Mutter widersprach auf das bestimmteste, da sie von ihrem Erstgebornen eine kräftige Unterstützung in ihrem Hauswesen mit Recht erwarten durfte.

Uebrigens begab sich der junge Washington, bald nachdem er die Schule verlassen hatte, zu seinem Bruder Laurenz, der das Landgut am Potomak bewohnte, das später dem Admiral zu Ehren Mount Vernon genannt wurde. Der Winter verging ihm unter seinen Lieblingsstudien der Mathematik und Feldmeßkunst. Da Laurenz eine Tochter des sehr angesehenen Gutsbesitzers William Fairfax geheirathet hatte und dadurch in Verwandtschaft mit Lord Fairfax gekommen war, der einen großen Strich Landes zwischen den Flüssen Potomak und Rappahannoc besaß, ward auch Georg in die Familie des Lord Fairfax eingeführt, und diese Bekanntschaft war von großem Einfluß auf sein späteres Leben.

Die große wilde Landstrecke, welche Lord Fairfax in den herrlichen Thälern des Alleghany-Gebirges besaß, war damals noch nicht vermessen. Ansiedler suchten sich stromaufwärts ziehend ihren Weg und nahmen ganz willkürlich von fruchtbaren Ländereien Besitz, ohne daß sie der Besitzer kontroliren konnte, weil das Land noch nicht vermessen war. Sobald der Lord den jungen Washington kennen gelernt hatte, bekam er eine so vortheilhafte Meinung von dessen Fähigkeiten, daß er ihm das wichtige Geschäft anvertraute.

Washington hatte eben sein sechzehntes Jahr vollendet. Nur von Georg Fairfax, einem Sohn des William Fairfax begleitet, machte er sich im März auf den Weg zur Lösung der schwierigen Aufgabe. Als sie die erste Bergkette der Alleghany's überstiegen, geriethen sie in eine Wildniß und brachten von nun an die Nächte unter freiem Himmel zu, oder in Zelten und Hütten aus Baumzweigen, die ihnen nur geringen Schutz gegen die Witterung gewährten. Auf den Spitzen der Berge lag noch der Schnee, in den Thälern brausten die hochangeschwollenen Bäche und die Furthen der Flüsse waren so tief, daß sie auf den schwimmenden Pferden hindurch mußten. Die zu vermessenden Grundstücke lagen am südlichen Arm des Potomak, 70 englische Meilen aufwärts von dem Punkte, wo die beiden Arme dieses Flusses sich vereinigen.

Washington besorgte das Geschäft zur größten Zufriedenheit seines Gönners und dieser erste glückliche Erfolg verschaffte ihm das Amt und die Bestallung eines öffentlichen Feldmessers und Landbeschauers. Er hatte eine Gegend gründlich kennen gelernt, auf der er später als Feldherr operiren sollte, hatte auch einem kriegerischen Tanze der Indianer beigewohnt und war mit einem Volke zusammengekommen, auf dessen Lage im Kriege und Frieden er später den größten Einfluß gewann. Endlich hatte er Vertrauen gewonnen zur eigenen Kraft.

Das Geschäft eines Feldmessers war höchst einträglich, und da man sich allerseits von der großen Redlichkeit des jungen Washington überzeugte, ward er mit vielen Aufträgen bedacht, wobei er mit den ausgezeichnetsten Männern Virginiens bekannt wurde. Drei Jahre blieb er in dieser Thätigkeit bei seinem Bruder auf Mount Vernon, besuchte jedoch fleißig seine Mutter und führte die Oberaufsicht über ihre Geschäfte.

Die Grenzen des Landes wurden damals durch die Franzosen und Indianer häufig bedroht, weshalb die Regierung die Miliz in Vertheidigungszustand setzte, die Provinz in Distrikte abtheilte und jedem einen Offizier vorsetzte, der mit dem Range eines Majors den Titel eines General-Adjutanten bekam. Der neunzehnjährige Washington genoß schon einer solchen Achtung, daß er gleichfalls einen Distrikt erhielt, mit einer Besoldung von 150 Pfund. Er studirte nun fleißig Kriegswissenschaften, übte sich in der Führung der Waffen und war im Dienst sehr eifrig.

Einstweilen mußte er jedoch seine Stelle wieder verlassen, da sein Bruder Laurenz erkrankte und die Aerzte diesem eine Reise nach Westindien verordneten. Da die Begleitung eines Freundes nöthig war und der Kranke nach seinem lieben Georg verlangte, reisten beide Brüder im September 1751 nach Barbados ab. Doch schon im folgenden Jahre starb der seit langem kränkliche Laurenz, und neue Pflichten und Beschwerden fielen auf Georg, der zum Testamentsvollstrecker ernannt worden war. Mount Vernon war der hinterlassenen Tochter vermacht, im Fall diese aber keine Erben hinterließ, sollte die Besitzung sammt andern Landgütern an Georg fallen, die Wittwe aber den Nießbrauch für ihre Lebenszeit haben.

Die pünktliche Besorgung dieser Privatangelegenheiten störte indeß keineswegs die Sorgfalt, mit welcher Washington seinen Pflichten als General-Adjutant genügte. Nachdem der Gouverneur Dinwiddie nach Virginia gekommen, ward die Kolonie in vier Bezirke getheilt und der nördliche und größte unter Washingtons Adjutantur gestellt. Da galt es denn die verschiedenen Milizkompagnien fleißig zu mustern, die Offiziere zu unterrichten und ein gleichartiges System der Uebungen und der Kriegszucht einzuführen. Eine solche amtliche Thätigkeit stimmte ganz zur Neigung Washingtons, und war ebenso vortheilhaft für seine Bildung wie für die der ihm untergebenen Offiziere, welche er durch sein Beispiel zum Eifer und zur frischen Thätigkeit anfeuerte.

Schon längere Zeit hatten die Franzosen auf einen Landstrich an der Westgrenze von Virginien Anspruch gemacht, den die Engländer sich zugeeignet hatten. Nun traf plötzlich die Meldung ein, französische Truppen seien in großer Anzahl über die Seen von Kanada geschifft und im Begriff, sich an den Ufern des Ohio festzusetzen. Von London kam zwar der Befehl, daß der Gouverneur von Virginia sogleich zwei Forts in der Nähe des Ohio bauen solle, um die Besitzung zu sichern, die Eindringenden zurückzutreiben und das Bündniß mit den Indianern aufrecht zu erhalten, aber ehe dieser Befehl in Amerika anlangte, hatten die Franzosen schon in dem streitigen Gebiete festen Fuß gefaßt.

Der Gouverneur Dinwiddie beschloß, zunächst einen mit hinlänglicher Vollmacht versehenen Abgeordneten als Unterhändler an den französischen Befehlshaber zu senden, der bei dieser Gelegenheit zugleich die Stellung und Stärke des Feindes beobachten sollte. Diese Sendung erforderte Geistesgegenwart und Kenntniß indianischer Sitten; da der Weg durch die Wälder ging, auch körperliche Rüstigkeit. Bei wem hätten sich aber diese Eigenschaften mehr vereinigt, als bei Georg Washington? Ihm wurde, obgleich er erst 21 Jahre alt war, das wichtige Geschäft anvertraut. Er führte dasselbe, trotz einer mühe- und gefahrvollen Reise, mit so viel Umsicht und Entschlossenheit aus, daß er nach seiner Rückkehr zum Befehlshaber der neuausgehobenen Milizen ernannt wurde; denn das war dem englischen Gouverneur nun klar genug, daß nur mit Gewalt etwas auszurichten sei.

Dinwiddie begann mit großer Thätigkeit zu rüsten, und berief sogleich eine Versammlung der Bürgerabgeordneten, um die zu ergreifenden Maßregeln zu berathen, schrieb auch an die Gouverneure der übrigen Provinzen, ihren Eifer anzuregen. Die Kolonisten waren jedoch keineswegs so kriegslustig, als es Dinwiddie erwartete, und meinten, was denn der Gouverneur von Virginien damit zu schaffen habe, wenn sich die Franzosen am Ohio niederlassen wollten? Und wenn der König von England jenen Boden als sein Eigenthum beanspruche, warum er nicht seine eigenen Soldaten schicke, statt seine Kolonisten die Sache ausfechten zu lassen? Man bewilligte zwar endlich 10,000 Pfund zur Verteidigung der Kolonie, aber die Art, wie solches geschah, verdroß den Gouverneur sehr, und er schrieb an einen Freund: »Sie können wohl denken, wie ich darüber in Eifer gerieth, daß eine englische Versammlung es wagen durfte, die Rechte Seiner Majestät an die innern Theile des Landes, diese Stützen seines Reiches, zu bezweifeln.« Besonders ärgerte er sich über den Schritt der Versammlung, daß diese Bevollmächtigte ernannte, um die Aufsicht über die bewilligten Gelder zu führen. »Es thut mir leid,« äußerte er sich darüber, »daß ich sehen muß, wie ihre Gesinnung eine sehr republikanische Richtung nimmt.«

Indessen wurde doch eine ziemlich bedeutende Miliz zusammengebracht, ein Engländer, Oberst Fry, zum ersten, und Washington mit dem Range eines Oberstlieutenants zum zweiten Befehlshaber derselben ernannt. Es war ihm Vorbehalten, das Kriegsschauspiel zu eröffnen. Als man nämlich meldete, eine französische Streifwache habe sich in der Nähe seines Lagers in Hinterhalt gelegt, nahm er 40 Mann seiner Soldaten, vereinigte sich mit befreundeten Indianern und ging in einer dunkeln Nacht unter strömendem Regen den Franzosen entgegen, die, 50 Mann stark unter Jumonville, sich tapfer wehrten, aber bald zurückgeschlagen wurden. Jumonville und 10 Mann blieben auf dem Platze, 22 wurden gefangen genommen; von den Soldaten Washingtons ward nur einer getödtet und wenige verwundet.

Die Franzosen wetzten jedoch diese Scharte bald wieder aus, indem sie den Zeitpunkt, wo Washington von einem anstrengenden Marsche ermüdet und an Vorräthen Mangel leidend sich verschanzte, um Verstärkungen abzuwarten, benutzten, und plötzlich mit überlegener Macht sein Fort angriffen. Er mußte kapituliren und sich nach Wills-Creek zurückziehen, benahm sich aber bei dieser Gelegenheit mit solchem Geschick, daß er und seine kleine Armee den Dank der Bürger-Repräsentanten erhielt.

Während bei den Franzosen Alles in guter Disciplin zusammenwirkte, waren auf Seite der Engländer so viel Zerwürfnisse, daß eine Einheit in den Operationen gar nicht möglich war. Gouverneur Dinwiddie machte zwar Pläne über Pläne und wollte organisiren, aber er war so unklug, die englischen Offiziere über die amerikanischen zu setzen, und auch den Sold der Truppen niedriger zu stellen, so daß die Miliz gegen das reguläre Militär sich in allen Stücken zurückgesetzt sah. Unwillig nahm Washington seinen Abschied und brachte den Winter 1754-55 in stiller Zurückgezogenheit zu. Aber im Frühling 1755 landete General Braddok mit zwei wohlausgerüsteten englischen Regimentern in Virginien, und Washington ließ sich bewegen, als Adjutant am neuen Feldzuge Theil zu nehmen, da er wenigstens durch guten Rath sich nützlich machen konnte.

General Braddok war ein sehr tapferer Soldat, doch fehlte ihm die nöthige Umsicht; in seiner Hitze und seinem Stolz hörte er nicht auf das, was der besonnene Washington ihm rieth, und so geschah es, daß er mit seiner schönen und stolzen Schaar in einen Hinterhalt fiel, den ihm die Franzosen und Indianer gelegt hatten, die aus sicherem Versteck ein so wohlgezieltes Feuer auf das englische Militär richteten, daß die Vorhut, von Braddok selber geführt, zum größten Theil aufgerieben, der General selber getödtet wurde. Von den 86 Offizieren, welche sich in diesem Treffen befanden, wurden 26 getödtet, 37 verwundet. Washington eilte mit todesverachtender Tapferkeit, die Befehle des Generals überbringend, auf die bedrohtesten Punkte, die Kugeln des Feindes nahmen ihn wiederholt zum Ziel, ohne ihn zu treffen. »Die allwaltende Vorsehung,« schrieb er nach der Schlacht an seinen Bruder, »hat mich beschirmt, so daß mir, gegen alles menschliche Erwarten, kein Leid geschah; denn vier Kugeln gingen durch meinen Rock, zwei Pferde wurden unter mir erschossen, und dennoch entkam ich unverletzt, während der Tod die Gefährten an meiner Seite niederstreckte.« Fünfzehn Jahre später, als Washington eine Reise an die Ufer des Ohio machte, begehrte ein alter Indianerhäuptling an der Spitze seines Stammes ihn zu sehen, indem er sagte, daß er einst in der Schlacht am Manongahelaflusse mehrmals seinen Karabiner auf den virginischen Anführer abgeschossen und seinen Leuten ein Gleiches zu thun befohlen hätte, daß aber zu ihrem großen Erstaunen ihre Kugeln ohne Wirkung geblieben wären. Ueberzeugt, daß der Oberst Washington unter dem Schutze des großen Geistes stände, hatte er aufgehört zu schießen und kam nun, dem Manne zu huldigen, der durch die Gunst des Himmels in der Schlacht nicht hatte sterben sollen.

Die Niederlage Braddoks erhöhte den Ruhm Washingtons, der namentlich auch dazu gerathen hatte, indianische Streifwachen dem Heere vorauszuschicken. Seiner Geistesgegenwart und Tapferkeit verdankte man das Gelingen des Rückzuges und die Erhaltung des Restes der Truppen. Der junge Held ging auf sein Landgut Mount Vernon, das ihm nun durch den Tod der Tochter seines verstorbenen Bruders anheim gefallen war. Doch blieb er noch immer General-Adjutant bei der Miliz, und als solcher ließ er einen Befehl zirkuliren, nach welchem sich diese zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Plätzen versammeln mußte, um geübt und gemustert zu werden. Die unerwarteten Fortschritte der Franzosen hatten die Einwohner aus ihrer bisherigen Ruhe aufgeschreckt, ihren kriegerischen Geist erweckt und sogar veranlaßt, daß freiwillige Kompagnien sich bildeten. Von den Kanzeln wurde das Kriegsfeuer sehr eifrig angefacht, und der geistreiche wohlredende Samuel Davies sprach in einer Predigt, die er an eine Milizkompagnie hielt, mit besonderem Nachdruck über Washington: »Als Einen, der sich bei dieser Gelegenheit hervorgethan, muß ich noch einen heldenmüthigen Jüngling, den Oberst Washington, nennen, und ich bin überzeugt, die Vorsehung hat ihn auf eine so auffallende Weise beschirmt und erhalten, weil er seinem Vaterlande noch die bedeutendsten Dienste leisten wird.« Dieß war nur ein Widerhall der allgemeinen Stimme des Volks, das immer entschiedener für die neu organisirte Truppenmacht den Oberbefehl Washingtons verlangte. Der Gouverneur mußte sich dem allgemeinen Wunsch fügen, und Washington erklärte sich willig, dem Vaterlande ferner zu dienen, stellte jedoch folgende Punkte auf als unerläßliche Bedingung für seine Wahl: Eine Stimme bei der Wahl seiner Offiziere, eine bessere Ordnung in den militärischen Einrichtungen, größere Pünktlichkeit in Auszahlung des Soldes und eine gänzliche Umgestaltung in der Verpflegung des Heeres. Es ward ihm Alles bewilligt, aber die Macht eines Kriegsobersten blieb bei der republikanischen Einrichtung der Kolonien und der Furcht der Bürger, durch zu große Gewalt eines Generals ihre eigenen Freiheiten gefährdet zu sehen, noch sehr beschränkt. Es war ein schwieriges Unternehmen, an der Spitze einer an schnellen Gehorsam nicht gewöhnten, zu Widerspruch geneigten und über jede strengere Maaßregel empörten Miliz kämpfen zu sollen; nur die Ausdauer eines Washington war einer solchen Stellung gewachsen, und so gelang es ihm doch, Virginien in den Jahren 1755-60 vor den Einfällen der Feinde zu schützen, so weit es ihm irgend möglich war.

Als der Hauptzweck des Krieges mit der Wiederbesetzung des Ohioforts Düquesne (Pittsburg) erreicht war, legte er seine Stelle nieder, und zog sich wieder nach Mount Vernon zurück, wo er sich am 6. Januar 1759 mit Mistreß Martha Custis, einer durch Schönheit, Liebenswürdigkeit und Reichthum ausgezeichneten jungen Wittwe verheirathete. Durch diese Heirath erhielt Washingtons Vermögen einen Zuwachs von 100,000 Thalern. Er übernahm auch die Vormundschaft über die beiden Kinder seiner Frau und die Verwaltung ihres Vermögens; diesen Pflichten unterzog er sich mit der Treue und Sorgfalt eines Vaters. Seine 15jährige friedliche Thätigkeit, die nun folgte, war gleicherweis zum Segen seiner Familie wie seines Landes. Denn ohne sein Zuthun ward ihm bald die Ehre, zum Volksrepräsentanten erwählt zu werden. Als er in Williamsburg einer Sitzung der Abgeordneten beiwohnte, ward dem Sprecher, Herrn Robinson, aufgetragen, dem Oberst Washington im Namen der Kolonie für die ausgezeichneten Dienste zu danken, welche er im beendeten Kriege seinem Vaterlande geleistet hatte. Sobald Washington seinen Sitz eingenommen, entledigte sich Robinson seines Auftrages mit großer Würde, ließ sich aber durch den Drang seines Herzens zu so feurigen Ausdrücken hinreißen, daß er den bescheidenen Helden in die größte Verwirrung setzte. Dieser ward roth, stammelte, zitterte; der Sprecher kam ihm mit großer Gewandtheit zu Hülfe, indem er sagte: »Setzen Sie sich, Herr Washington! Ihre Bescheidenheit kommt Ihrem Werthe gleich, und der übersteigt jede Macht des Wortes, die ich besitzen kann.«

Washington wurde regelmäßig wiedergewählt; durch Reden wirkte er nicht auf die Versammlung, wohl aber durch sein am rechten Orte und zu rechter Zeit einfach und präcis ausgesprochenes Urtheil. Er war stets mit den Gegenständen der Berathung innig vertraut, und wenn er einmal sprach, so war dies stets kurz und treffend. »Willst Du die Aufmerksamkeit der Anwesenden fesseln,« sagte er einst zu seinem Neffen, »so kann ich Dir nur diesen Rath geben: Sprich selten und nur über wichtige Gegenstände, ausgenommen da, wo es Deine Wahlbürger betrifft; im ersteren Falle mache dich zuvor ganz mit dem Gegenstande bekannt. Laß Dich nie von einem unanständigen Eifer hinreißen und setze kein zu großes Vertrauen in Dein eigenes Urtheil. Ein gebieterischer Ton, erzwingt er auch manchmal Ueberzeugung, erregt doch allemal Mißvergnügen.«

Die Geschäfte eines Pflanzers trieb Washington mit dem größten Behagen; dabei war er ein großer Freund der Jagd. Wenn er sich der Sitzungen wegen in Williamsburg aufhielt, hatte er lebhaften Umgang mit den ausgezeichnetsten Männern der Provinz, und wer ihn zu Mount Vernon besuchte, erfreute sich der edelsten Gastfreundschaft. In seinen Tagebüchern zeichnete er die Namen dieser Gäste auf, unter welchen sich außer den Gouverneurs von Virginien und Maryland fast alle berühmten Männer der südlichen und mittleren Kolonieen finden, die später in der Geschichte von Amerika genannt werden.

Als die Streitigkeiten zwischen den Kolonieen und dem Mutterlande begannen, sprach sich Washington loyal, aber entschieden das Verfahren der englischen Minister mißbilligend aus. Das Grundgesetz der englischen Volksfreiheit, daß keine Auflage ohne Zustimmung der Volksabgeordneten gemacht werden dürfe, steckte zu tief im Blute der Amerikaner, als daß diese es sich hätten ruhig gefallen lassen sollen, die von König Georg III. in seinem Parlament einseitig beschlossenen Abgaben zu entrichten. Die Auflagen waren an sich nicht bedeutend, aber die Ehre und das Recht der Kolonisten forderten, nicht das geringste Zugeständniß zu machen. »Um was handelt es sich und worüber streiten wir?« schrieb Washington an Fairfax, »etwa über die Bezahlung einer Auflage von drei Pence auf das Pfund Thee, weil sie zu drückend sei? Nein, bloß das Recht dazu bekämpfen wir.«

Die Amerikaner erhoben sich zum Kampf für ihr gutes Recht, aber an eine Losreißung von England dachte anfangs Niemand, diese war lediglich das Werk der falschen Politik der englischen Regierung selber. Der hellblickende Lord Crambdon (damals noch H. Pratt) sagte freilich schon 1759 zu Franklin bei dessen Anwesenheit in London: »Trotz Allem, was ihr von eurer Treue sagt, ihr Amerikaner, trotz eurer so oft gerühmten Liebe zu England, weiß ich, daß ihr die Bande, die euch mit jenem verknüpfen, einst abschütteln und das Banner der Unabhängigkeit erheben werdet.« »Kein solcher Gedanke,« antwortete Franklin, »existirt und wird je in die Köpfe der Amerikaner kommen, es sei denn, daß ihr uns schmählich behandelt.« »Das ist wahr; und das gerade ist eine der Ursachen, die ich vorhersehe und die das Ereigniß herbeiführen werden,« erwiderte Crambdon. Ja, noch im Jahr 1774 und 1775, kurz vor der Unabhängigkeitserklärung, schrieb Washington an den Hauptmann Mackenzie: »Man macht Sie glauben, das Volk von Massachusetts sei ein Volk von Rebellen, die sich für die Unabhängigkeit und für was noch sonst erhoben haben. Erlauben Sie mir, lieber Freund, Ihnen zu sagen, daß Sie im Irrthum, im groben Irrthum sind … Ich kann Ihnen als Thatsache bezeugen, die Unabhängigkeit ist weder der Wunsch noch das Interesse der Kolonieen. Aber zugleich können Sie darauf rechnen, daß keine von ihnen je die Vernichtung jener Privilegien, jener kostbaren Rechte sich gefallen lassen wird, die für das Glück jedes freien Staates wesentlich sind, und ohne welche Freiheit, Eigenthum und Leben jeder Sicherheit entbehren.«

Georg III., der sich in seinem Herrscherrecht bedroht sah, war gereizt und reizte auch das Parlament und seine Minister zu einem leidenschaftlichen Verfahren. Vergebens kamen ihm wiederholt sehr ehrerbietig abgefaßte Bittschriften zu, vergebens wurde sein Name altem Gebrauche gemäß bei der kirchlichen Feier genannt und Gott empfohlen. Er nahm auf das Alles keine Rücksicht, und der Krieg ward auf seinen Befehl fortgesetzt, bis er ein Ende nahm, das er nicht erwartet hatte, das aber eine gerechte Vergeltung war für die hochmüthige rauhe Weise, mit welcher die Engländer die letzte Spur von Anhänglichkeit der Kolonieen selber zu vernichten sich bemüht hatten.

Der englische Minister Lord North hatte zwar am 5. März 1770 alle Steuern zurückgenommen, auch den Theezoll bis auf 3 Pence (30 Pfennige) das Pfund herabgesetzt; aber die Amerikaner beschlossen einmüthig, gar keinen Thee mehr von den Engländern zu kaufen. Die Regierung hob darauf auch den Ausgangszoll für den Thee auf, doch die Amerikaner waren nicht Willens, auch nur den Eingang des Thees zu bezahlen und beschlossen, ihren Widerstand fortzusetzen, um so mehr, als das englische Ministerium durch einen Befehl die Statthalter und Richter, welche bisher überwiegend vom Volke gewählt waren, von sich abhängig zu machen suchte. Nun kam es zu Gewaltschritten. Im Dezember 1773 liefen in den Hafen von Boston drei mit Thee beladene englische Schiffe ein. Das Volk verhinderte die Ausladung der Fracht und als der englische Gouverneur den Schiffen Schutz versprach, überfiel ein Volkshaufe, als Indianer verkleidet, die Theeschiffe, und warf die ganze Ladung, 18,000 Pfund, in's Wasser (18. Dezember).

Das englische Parlament, zur Strafe für diese That, ließ den Hafen von Boston sperren; das war Oel in die Flamme gegossen. Am 1. August 1774 kamen Abgeordnete aus den verschiedenen Provinzen Virginiens in Williamsburg zusammen und konstituirten sich zu einem Konvent, der 7 Männer zu Repräsentanten der Kolonie Virginia für den zu haltenden Nationalkongreß ernannte, unter welchen auch Washington war. Am 5. September trat in Philadelphia der Kongreß zusammen, gebildet aus den Abgeordneten von Virginia, New-Hampshire, Rhode-Island, Konnektikut, New-York, New-Jersey, Massachusetts, Pennsylvanien, Delaware, Maryland, Nord- und Südkarolina (Georgien trat dem Bunde im folgenden Jahre bei). Der Nationalkongreß dieser dreizehn Provinzen entwarf eine Reihe von Proklamationen, die in ruhiger aber entschiedener und kräftiger Sprache abgefaßt der Welt zeigen sollten, was der Grund und Zweck der Erhebung der Kolonieen sei. Namentlich erfolgte eine Erklärung über den Zustand der Dinge in Massachusetts, dem Hauptsitz des Aufstandes; ein Brief von dem General Gage, welcher von England mit vier Schiffen und unbeschränkter Vollmacht nach Boston geschickt worden war; eine Erklärung über die Rechte der Amerikaner und der Menschen überhaupt In vier Hauptsätzen:
1) An Leben, Freiheit und Eigenthum hat jeder Mensch ein unveräußerliches Recht.
2) Die Bewohner der Kolonieen haben von ihren Vorfahren alle Rechte, Privilegien und Freiheiten freier und eingeborner Unterthanen der Krone Englands ererbt.
3) Sie haben ihre ursprünglichen Rechte durch die Auswanderung aus dem Mutterlande nicht verlieren können.
4) Der Grund und die Stütze aller englischen Freiheit und jeder andern Regierung ist das Recht des Volkes, an der Gesetzgebung so weit Antheil zu haben, als dieselbe den Staatsbürgern Leistungen und Beschränkungen ihrer Freiheit auferlegt.
; eine Bitt- und Beschwerdeschrift an den König Georg III. von England; eine Adresse an die Bewohner von Großbritannien; eine Adresse an die Bürger der nordamerikanischen Kolonieen; eine Adresse an das Volk von Kanada. Alle diese meisterhaft abgefaßten Schriftstücke bildeten in ihrer Gesammtheit nicht bloß einen Halt für das Nationalbewußtsein, sondern für die Völker Europa's ein förmliches Evangelium des modernen Staatsrechts, das bei den aufgeklärten und freisinnigen Bewohnern Europa's einen lebhaften Eindruck machte. Man fühlte das Herannahen einer neuen Zeit.

Unter den Kongreßmitgliedern war natürlich Washington eins der hervorragendsten, obwohl er nicht wie der wackere Henry oder Rutledge feurige, begeisternde Reden hielt. Als Patrik Henry nach seiner Rückkehr vom Kongreß gefragt wurde, wen er für den ersten Mann des Kongresses halte, antwortete er: »Wenn ihr von Beredsamkeit sprecht, so ist Herr Rutledge aus Südkarolina der größte Redner; aber wenn ihr von gediegener Kenntniß der Dinge und von gesundem Urtheil sprecht, so ist Oberst Washington unstreitig der größte Name der Versammlung.«

Der zweite Kongreß (10. Mai 1775), an welchem auch Benjamin Franklin als Abgeordneter von Pennsylvanien Theil nahm, beschloß einstimmig, die Kolonieen schleunigst in Vertheidigungszustand zu setzen, und am 15. Juni ward mit gleicher Einhelligkeit Washington zum Obergeneral erwählt. Die Mitglieder des Kongresses gelobten jeder einzeln, mit Gut und Blut ihm beizustehen, und so übernahm der große Mann eine Arbeit, deren Gefahr und Schwierigkeit er sich nicht verhehlte, mit festem Muth und Vertrauen.

Mit Mühe hatte sich der englische General Gage im Treffen von Bunkershill (16. Juni) in Boston behauptet; er wurde abberufen, und Howe trat an seine Stelle, aber dieser ward während des Winters immer enger von Washington eingeschlossen und bei seinen Ausfällen stets zurückgeschlagen. England litt Mangel an Truppen, um deren Zusendung General Howe immer dringender bat. Die deutschen Fürsten trieben damals schändlich genug ihre Seelenverkäuferei; außer Anhalt-Zerbst, Waldeck, Braunschweig lieferte besonders der Landgraf von Hessen-Kassel das deutsche Blut in englische Häfen; hannöversche Mannschaft war auch zur Hand und so konnte denn zum Kampf gegen die Freiheit wieder ein ansehnliches Korps verwendet werden.

Im amerikanischen Heere sah es aber auch sehr mißlich aus, da hier schlechterdings keine strenge Disziplin durchzuführen war und es an allem Kriegsbedarf fehlte.

Und doch gelang es am 4. März 1776 den Amerikanern, die Dorchester-Höhen zu besetzen, was zur Folge hatte, daß die britischen Truppen am 17. März Boston räumten. Die Kunde dieses glücklichen Erfolgs der amerikanischen Waffen erfüllte alle für die Freiheit begeisterten Patrioten mit neuem Muth. Der Kongreß sandte ein Danksagungsschreiben an Washington und ließ ihm zu Ehren eine goldene Denkmünze prägen. Und nun ( im Juli 1776) ward die

 

Unabhängigkeitserklärung

erlassen, worin sich die Kolonieen feierlichst von ihrem Mutterlande lossagten, den Namen »Kolonieen« für immer abgeschafft wissen wollten und die dreizehn Provinzen sich als die » Vereinigten Staaten Amerika's« bezeichneten. Washington hatte zu diesem Akte entschieden gerathen, nachdem er sich überzeugt hatte, daß eine Aussöhnung mit dem Mutterlande nicht mehr zu hoffen war.

Wie es überhaupt bei Revolutionen zu gehen pflegt, daß nämlich die Machthaber sich erst dann zur Nachgiebigkeit bereit finden lassen, wenn es zu spät ist: so entschlossen sich auch nun, da von den Amerikanern die Unabhängigkeitserklärung erlassen worden war, die englischen Minister zum Nachgeben, und Lord Howe, der Bruder des englischen Generals, kam im Namen des Königs von Großbritannien mit Friedensvorschlägen, die vielleicht ihren Zweck erreicht hätten, wenn sie früher gemacht worden wären.

England, von seiner Flottenmacht unterstützt, setzte nun mit Energie den Krieg fort und fortan wurde das größte und schwerste Stück Arbeit auf die Schultern des amerikanischen Feldhauptmanns Georg Washington gelegt. Kein Anderer wäre der großen Aufgabe gewachsen gewesen. Er aber löste sie zu seinem unsterblichen Ruhm. Nicht, als ob nun viele Siege, die er über die englischen Heere erfochten hätte, zu berichten wären! Im Gegentheil bestand seine Größe darin, daß er seine Landwehr nach jeder Niederlage, die sie erlitt, doch immer wieder zum Angriff bereit zu machen, mit neuen Erfolgen ihren Muth neu zu beleben verstand. Diese sogenannten »Milizen« (die Landwehr) gingen, wie sie freiwillig unter die Waffen getreten waren, auch freiwillig jedes Jahr wieder nach Hause, trotz Kongreß und Oberbefehlshaber. Einem Friedrich dem Großen oder Napoleon stand ein wohlgeschultes Heer zu Gebot, das wie eine Maschine jede Bewegung ausführte, welche der Führer ausgeführt haben wollte. Washington hatte mit dem Unabhängigkeitssinn der Gemeinen wie mit dem Stolz der Offiziere zu kämpfen, deren Eifersucht bei jeder Gelegenheit zum Vorschein kam. Seine Geldmittel waren sehr gering und in den Südstaaten, wo es noch viele »Loyale« gab, welche es mit England hielten, verweigerten die Pächter nicht selten die Abgabe von Lebensmitteln auch gegen Geldentschädigung. Washington hatte unablässig mit dem Kongreß, mit den Oberhäuptern der einzelnen Landestheile, mit Kommunen, Komitees und Einzelbehörden zu korrespondiren. Der feindlichen Uebermacht gegenüber bestand dann seine größere Kunst darin, ein Haupttreffen zu vermeiden, einem Fabius gleich den Krieg in die Länge zu ziehen und so den Feind zu ermüden. In diesem kleinen Kriege ward er trefflich durch seine ausgezeichnete Ortskenntniß unterstützt. Da er sich selber nie schonte, sondern allen Beschwerlichkeiten des Krieges aussetzte und nie den Muth und die Hoffnung auf ein endliches Gelingen der guten Sache verlor: so stand er auch bei allen ihm Untergebenen in hoher Achtung und es gelang ihm, was vielleicht einem als Heerführer noch talentvolleren General nicht gelungen wäre, alle Streitigkeiten zu schlichten und seine Krieger auch bei Schlappen und Unfällen bei gutem Humor zu erhalten.

Der Kampf entbrannte also aufs Neue und zwar unglücklich für die Amerikaner, die bei Brooklyn geschlagen wurden. Nach der Räumung von Boston hatte nämlich General Howe seine gesammte Truppenmacht auf die Schiffe gebracht, fuhr längs der Küste hin und schien einen Angriff auf New-York im Sinne zu haben, landete aber bei Sandy-Hook (Nordkarolina), und nahm seine Stellung so gut, daß Washington, nachdem die Briten Long-Island genommen, New-York räumen und sich hinter den Delaware zurückziehen mußte. General Howe war nicht nur von Europa aus gut unterstützt worden, sondern hatte selbst aus den Provinzen New-York, New-Jersey, Nord- und Südkarolina, wo viele Englischgesinnte waren, beträchtliche Verstärkung erhalten, so daß Washington unter dieser Bevölkerung keineswegs sicher war. Man hatte sogar einen Anschlag gemacht, ihn den Engländern auszuliefern. Ungeachtet der Entmuthigung seines Heeres wußte der Feldherr während des Rückzugs die vereinzelten Stellungen der britischen Truppen zu benutzen, um schnell wieder zum Angriff überzugehen; er überfiel ein hessisches Korps bei Trenton und ein englisches bei Princetown, und machte dadurch den Amerikanern wieder Muth. Er drang wiederholt und mit größter Entschiedenheit in den Kongreß, daß ihm die Macht verliehen werden möge, die Armee umzugestalten. »Ich bin,« schrieb er an den Präsidenten des Kongresses, »durchaus in der Meinung bestärkt, daß man nur auf solche Milizen oder Truppen sich verlassen könne, welche länger dienen, als unsere Reglements bis jetzt vorgeschrieben haben. Ich bin so vollkommen, als von irgend einer Thatsache, die sich ereignet hat, davon überzeugt, daß unsere Freiheiten nothwendig einer großen Gefahr ausgesetzt, wo nicht gänzlich verloren sind, wenn wir nicht ihre Vertheidigung einem bleibenden stehenden Heere, d. h. einem solchen, das die ganze Zeit des Krieges über bleibt, anvertrauen.« Der Kongreß entschloß sich, dem Oberfeldherrn eine Art militärischer Diktatur einzuräumen, da die Brücke der Verständigung mit England abgebrochen, und inzwischen auch die Unabhängigkeitserklärung erfolgt war.

Im Sommer 1777 hatte Washington die Freude, den Marquis von Lafayette als Mitkämpfer für die Freiheit der Amerikaner an seiner Seite zu sehen. Lafayette war gleich beim Beginn des Aufstandes der Kolonieen die Triebfeder der französischen Bewegung zu Gunsten der amerikanischen Freiheit gewesen; er opferte ihr sogar einen Theil seines Vermögens. Denn nachdem er sich entschlossen hatte, selbst nach Amerika zu gehen, um an dem Kampfe Theil zu nehmen, rüstete er auf seine Kosten eine Fregatte aus, warb eine Anzahl Soldaten und überredete besonders viele französische Offiziere zur Theilnahme. Die französische Regierung, obwohl damals noch nicht entschlossen, mit England zu brechen, ließ ihn gewähren und aus dem Hafen von Bordeaux absegeln. Dann, als er das offene Meer gewonnen hatte, sandte sie ihm aus Rücksicht auf England zwei Kriegsbriggs nach, die einen Verhaftsbefehl hatten, aber natürlich unverrichteter Sache wieder zurückkehrten.

Auch zwei ritterliche Polen, Pulawski und Kosciusko, ein preußischer Offizier, v. Steuben, u. A. mischten sich in die Reihen des amerikanischen Heeres, und diese Theilnahme von Seiten Europas trug viel zum Ausharren Seitens der Amerikaner bei. Washington, obwohl mit größerer Macht bekleidet, konnte aus seinen Milizen doch nicht so plötzlich tüchtige Soldaten machen; er wurde im Herbst 1777 zweimal geschlagen, am Brandywien-Fluß (13. Sept.) und bei Germantown (4. Okt.), die Briten rückten in Philadelphia ein und er mußte sich in die Winterquartiere bei Valey-Freye zurückziehen. Glücklicher focht das Nordheer unter Gates, der den englischen General Bourgoyne bei Saratoga schlug, und als derselbe über den Hudson setzen wollte, dessen auf 3500 Mann zusammengeschmolzenen Heerhaufen gefangen nahm. – Es war für Washington eine harte Zeit der Prüfung; zu den Unglücksfällen des Krieges kamen noch Meutereien unter seinen eigenen Offizieren, die es auf seine Entfernung vom Oberbefehl abgesehen hatten und durch eine Partei im Kongreß unterstützt wurden. Auch war ein Band untergeschobener Briefe, die seinen Charakter in ein schlechtes Licht setzen sollten, veröffentlicht worden. Bald aber gewann der gesunde Verstand der Mehrheit des Volkes die Oberhand über solche Kabalen. Im folgenden Jahre ging Washington wieder zum Angriff über und zwang die Engländer, Philadelphia zu räumen. Und was noch glücklicher wirkte als eine gewonnene Schlacht, das war der Vertrag mit Frankreich, der endlich 1778 durch die Bemühungen Franklins zu Stande gekommen war. Hierdurch bekamen die Amerikaner eine französische Flotte zur Disposition; im Juli 1780 kamen acht Linienschiffe und zwei Fregatten unter dem Oberbefehl des Chevalier von Fernay mit 5000 Mann Landtruppen unter dem Grafen von Rochambeau ihnen zu Hülfe. Zwar schien das Kriegsglück sich abermals auf die Seite der Engländer zu neigen, aber am 19. Oktober 1781 ward der Marquis von Cornwallis, der im Vertrauen auf seine früheren Erfolge allzukühn vorgedrungen war, von dem vereinigten amerikanischen und französischen Heere unter Washington und Rochambeau bei Yorktown gezwungen, sich mit 7000 Mann zu ergeben.

Die englische Regierung sah sich durch die Unzufriedenheit des Volkes, auf welchem die unermeßlichen Kosten des Krieges drückend lasteten, zur Nachgiebigkeit gezwungen; ein neues zum Frieden geneigtes Ministerium kam ans Ruder, und im Pariser Frieden vom 3. Sept. 1783 ward die Freiheit und Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten gewährleistet. Washington legte am 19. Dezember seine Befehlshaberstelle vor dem Kongresse zu Annapolis in New-York nieder, um sich auf sein Gut Mount Vernon zurückzubegeben, das er seit acht Jahren nur zwei Mal besucht hatte. Die Verehrung und der Dank seiner Mitbürger begleitete ihn in seine Zurückgezogenheit, die ihm nun ein stilleres, aber nicht minder thätiges Leben bieten sollte. Denn durch zahlreiche Freunde von nah und fern blieb er in reger Theilnahme an den Weltereignissen; er entwarf ferner den Plan jener großen inneren Schifffahrt durch die Verbindung des Hudson und der großen Seen zu einer Wasserstraße, stiftete Schulen und verbesserte seine Güter. Doch nur vier Jahre konnte er dieses glückliche Privatleben genießen. Die bedenkliche Lage der Vereinigten Staaten machte, namentlich bei der gewaltigen Umwälzung, die in Frankreich sich vorbereitete, eine fast einheitliche Leitung nothwendig; im September 1787 versammelten sich die Abgeordneten zu Philadelphia, und Washington ward einmüthig zum Präsidenten der Versammlung berufen, da er in der That auch der einzige Mann war, der so manche widerstrebende Richtungen in Eine der Republik heilsame Bahn zu lenken vermochte.

Unter dem 16. April 1789 heißt es in Washingtons Tagebuche: »Heute um zehn Uhr habe ich Mount Vernon, dem Privatleben, dem häuslichen Glücke Lebewohl gesagt, und das Herz überwältigt von schmerzlichem Gefühlen, als ich es auszudrücken vermag, bin ich nach New-York gereist, entschlossen meinem Lande zu dienen, indem ich seiner Aufforderung gehorche, aber mit wenig Hoffnung, seiner Erwartung zu entsprechen.«

Seine Reise war ein Triumphzug: auf seinem ganzen Wege lief die Bevölkerung herzu, indem sie zugleich ihm freudig zurief und für ihn betete. Auf einer zierlichen Barke, die festlich geschmückt dreizehn Piloten im Namen der dreizehn Staaten zu Ruderern hatte, kam er nach New-York, von Abgeordneten des Kongresses unter einem Ungeheuern Zusammenlauf in den Hafen und an das Ufer geleitet. Washington war mehr unruhig über die Schwierigkeit der Aufgabe, die er zu lösen sich anschickte, als fröhlich über das Zujauchzen der Menge. Vor Allem ließ er es sich angelegen sein, einen klaren Ueberblick über die Lage der nationellen und Verwaltungs-Angelegenheiten zu bekommen; er ließ sich von den Sekretären der verschiedenen Departements genauen Bericht erstatten, las alle seit dem Friedensschluß entstandenen offiziellen Papiere und machte sich Auszüge daraus. Obwohl er selber sich mehr zu den aristokratischen Staatsideen bekannte und namentlich für eine föderative Konstitution war, die den einzelnen Staaten nicht zu viel Selbstständigkeit einräumte, sondern eine starke Centralgewalt möglich machte: so erkannte doch sein scharfer politischer Blick sogleich, daß er auch der bedeutenden demokratischen Partei, welche die Macht der Bürger in ihren örtlichen Behörden zu erhöhen wünschte, Rücksicht schenken müsse, und so wählte er mit großem Takt die Chefs der Departements. Den berühmten Thomas Jefferson, das talentvolle Haupt der demokratischen Partei, erhob er zum Staatssekretär; Alexander Hamilton, seinen aristokratisch gesinnten Freund, zum Sekretär des Schatzes, und einen besseren Finanzmann hätte man nicht finden können. Es war ihm oft schwer, die verschiedenen Ansichten der Mitglieder seines Regierungskollegiums zu versöhnen, aber bei seiner Ruhe und Selbstbeherrschung gelang es ihm doch meistentheils. »Die Verschiedenheit der Ansichten in politischen Dingen ist unvermeidlich und vielleicht in einem gewissen Grade nothwendig,« – so äußerte er sich darüber – »aber ich fühle einen lebhaften Unwillen, wenn ich sehe, wie Männer von Talent, eifrige Patrioten, die im Allgemeinen denselben Zweck sich setzen und ihn mit gleich redlichen Absichten verfolgen, nicht mehr Nachsicht und Milde in ihren Urtheilen über ihre gegenseitigen Meinungen und Handlungen zeigen.« So jeder Polemik persönlicher Leidenschaft sich entschlagend, setzte er seine ganze Politik darein, diese Stellung über den Parteien, die er selber die »richtige Mitte« nannte, sich zu bewahren.

Bald, nachdem Washington seine Präsidentschaft angetreten hatte, wurden schon die guten Früchte sichtbar. In die zerrütteten Finanzen kam Ordnung, der öffentliche, vorher gänzlich vernichtete Kredit lebte wieder auf, Ackerbau und Handel hoben sich, denn in die Gemüther war das Gefühl der Sicherheit zurückgekehrt, ohne welches keine Privatunternehmungen gedeihen. Die vom Kongreß entworfene Verfassung, zu welcher auch Washington und Franklin ihre Zustimmung gegeben hatten, »da für den Augenblick keine bessere zu erlangen war,« bewährte sich im einmüthigen Zusammenwirken des Landes und der Regierung. In drei amtlichen Reisen suchte Washington das Land und seine Bedürfnisse möglichst kennen zu lernen, und in der liebevollen Bewunderung, die ihn überall empfing, fand er den schönsten Lohn seines staatsmännischen Wirkens. »Ich bin glücklich, diese Reise gemacht zu haben,« schrieb er nach seiner Rückkehr – »das Land scheint in großem Fortschritt begriffen, Arbeit und einfache Sitten kommen auf. Im Volk herrscht Ruhe, in Verbindung mit einer der Gesammtregierung wohlwollenden Stimmung, die wiederum jene erhalten muß. Der Landmann findet für seine Erzeugnisse einen leichten Absatz, der Kaufmann rechnet mit größerer Gewißheit auf Bezahlung. Die Erfahrung jedes Tages scheint die Regierung der Vereinigten Staaten zu befestigen und sie immer populärer zu machen. Der pünktliche Gehorsam gegen die von ihr gemachten Gesetze beweist augenscheinlich das Vertrauen der Bürger zu ihren Vertretern und zu den redlichen Absichten der Männer, welche die Geschäfte verwalten.«

Wären die Amerikaner nur auf der begonnenen Bahn in Einigkeit fortgeschritten! Aber noch hatte Washington sein viertes Jahr der Präsidentschaft nicht zurückgelegt, als schon in bedenklicher Weise die Spaltung zwischen der föderativen und demokratischen Partei hervortrat. In einigen Theilen des Landes, namentlich im Westen Pennsylvaniens, hatte eine von den zur Abtragung der Staatsschuld bestimmten Auflagen den Geist des Aufruhrs geweckt; zahlreiche Versammlungen kündigten an, daß sie die Bezahlung verweigern würden, und Washington seinerseits sah sich veranlaßt, anzukündigen, daß er für die Vollstreckung der Gesetze Sorge tragen würde Ja im Schooße des Kongresses selbst ward die Verwaltung nicht mehr so kräftig unterstützt, wie im Anfang, und besonders Hamilton ward der Gegenstand von immer lebhafteren Angriffen. Doch Washington ward einstimmig auf weitere vier Jahre zum Präsidenten erwählt, und gab den Bitten seiner vielen Freunde wie der Mitglieder des Kabinets nach, die Wahl anzunehmen.

Die französische Revolution war auf den Höhenpunkt gelangt; es kam der verhängnißvolle Tag, wo die Kriegserklärung zwischen England und Frankreich den großen revolutionären Kampf von ganz Europa eröffnete. Washingtons Entschluß war schnell gefaßt; er verkündete die Neutralität der Vereinigten Staaten.

»Meine Politik ist einfach. In freundschaftlichen Verbindungen mit allen Nationen der Erde zu leben, aber von keiner abzuhängen, uns der Streitigkeiten keiner anzunehmen; gegen alle unsere Verpflichtungen zu halten, für die Bedürfnisse aller durch unseren Handel zu sorgen, das verlangt unser Interesse und unsere Politik. Ich will eine amerikanische Stellung … den Ruf einer amerikanischen Politik, damit die europäischen Mächte fest überzeugt sind, wir handeln für uns, nicht für einen andern. Der allgemeine Umsturz Europas ist keine durchaus chimärische Annahme. Die Klugheit räth, uns zu üben, nur auf uns selbst zu rechnen und mit unsern eigenen Händen das Gleichgewicht unsers Geschickes zu halten« – so schrieb Washington an seinen Freund Lafayette, und seine Landsleute stimmten ihm bei, das Kabinet erklärte sich einstimmig für das Prinzip der Neutralität. Aber die Nachrichten aus Europa erregten die Gemüther; die gegen Frankreich gebildete Koalition griff die Grundsätze der Freiheit an, auf welchen der amerikanische Staat beruhte; Englands Verordnungen über den Handel neutraler Staaten und das Pressen der Matrosen verletzten die Würde der Vereinigten Staaten, wie ihr Interesse. Als nun der französische Gesandte Genêt in Amerika anlangte und überall mit Jubel empfangen wurde, hatte Washington alle seine Besonnenheit und Festigkeit aufzubieten, um die Neutralität aufrecht zu erhalten und den Umtrieben des Franzosen Einhalt zu thun. Die Opposition erhob indeß immer kühner ihr Haupt; die Verhandlungen mit Großbritannien, die geeignet waren, den Frieden zu befestigen und von Washington bestätigt wurden, gaben neuen Anlaß zur Unzufriedenheit und zu Umtrieben der Gegner seiner Regierung. Die freie Presse griff ihn auf die schamloseste Weise an, und die aufgeregte Menge machte selbst seine republikanische Gesinnung verdächtig. Die besonnenen wahren Patrioten blieben dem Präsidenten zwar nach wie vor treu, und wünschten nichts sehnlicher, als daß er zum dritten Male die höchste Würde übernehmen möchte, aber dazu war er nun durchaus nicht mehr zu bewegen John Adams ward 1797 zum Präsidenten erwählt, gestützt durch ein immer noch vorhandenes Uebergewicht der föderativen Partei; Thomas Jefferson, das Haupt der demokratischen Partei, auf welchen die nächstgroße Anzahl von Stimmen fiel, ward zum Vizepräsidenten ernannt.

Washington zog sich nach Mount Vernon zurück. Als im folgenden Jahre der Krieg mit Frankreich wahrscheinlich ward, ernannte ihn die Regierung zum Oberbefehlshaber der Landmacht. Seine Tage waren aber gezählt; nur 2½ Jahr sollte er sich des so lieben Landlebens freuen, nachdem er seine öffentliche Laufbahn geschlossen. Als er am 12. Dezember 1799 nach seiner Gewohnheit ausgeritten war, um seinen Arbeitern die nöthigen Weisungen zu geben, ward er auf dem Heimwege von einem mit Schnee vermischten Regen überfallen, und kam ganz durchnäßt zu Hause an. Diese Erkältung, die er anfangs nicht achtete, brachte ihm den Tod. Er starb am 14. Dezember in einem Alter von 67 Jahren. Seine Gemahlin, die unten an seinem Bette saß, fragte die Umstehenden: »Ist er verschieden?« Als man dies bejahte, sagte sie: »Es ist gut, nun ist Alles vorüber; ich werde ihm bald folgen und habe keine Prüfungen mehr durchzumachen.« Sie hatte im Glück und Unglück als treue Freundin ihm zur Seite gestanden.

In seinem Testamente gab Washington seinen Sklaven die Freiheit, und vermachte beträchtliche Summen für die Gründung einer hohen Schule zu Kolumbia und einer Freischule für arme Kinder. Das Grab des großen Mannes in seinem Garten zu Mount Vernon ward weder durch einen Stein noch ein anderes Denkmal ausgezeichnet, doch ließ der Kongreß im Jahre 1830 die Asche des Helden nach Washington bringen und in dem dort errichteten Monumente beisetzen. Washingtons Statue, von Canova gearbeitet, steht in Raleigh, der Hauptstadt Nordkarolinas, eine andere von Chantrey in Boston, eine dritte in Baltimore. Dem Namen Washington und dem Bildniß des größten der amerikanischen Republikaner begegnet man überall in den Straßen, Kanälen, Gasthofszeichen, Kompagnieen und Taufregistern.

Ohne Washington wären die Vereinigten Staaten vielleicht geblieben, was sie waren, englische Kolonieen, denn die amerikanische Miliz wäre ohne solch einen Mann ganz unfähig gewesen, die Freiheit zu erkämpfen. Und wie der im Krieg und Frieden gleich große Held sein Vaterland vor den Gefahren rettete, die ihm von Außen drohten, so half er dem Staatsschiff auch über die Klippen hinweg, die im Innern sich zeigten, auch hier als echter Republikaner sich bewährend. Im Jahr 1782, da schon der Krieg seinem Ende nahe, die Unzufriedenheit der Offiziere und Soldaten mit den Maaßnahmen des Kongresses auf dem Gipfel gestiegen war, gewann der Gedanke in der Armee immer mehr Raum, es könne der schwankende Zustand der Regierung nur dadurch beseitigt werden, daß man dem verehrten Oberfeldherrn die unumschränkte Königsmacht verliehe. Eine Anzahl von Offizieren verfaßte eine Adresse an Washington, und ein alter Oberst überreichte sie. Washington antwortete darauf (d. d. 22. Mai 1782, Newburg):

»Sir! Mit einer Mischung von Schrecken und Bestürzung habe ich die Gesinnungen aufmerksam gelesen, welche Sie meiner Prüfung unterstellt haben. Seien Sie überzeugt, Sir, kein Vorfall im Laufe des Krieges hat schmerzlichere Gefühle in mir erweckt, als die Mittheilung, die Sie mir machten, daß Ideen in der Armee gehegt werden, wie Sie ausgesprochen haben, Ideen, die ich mit Abscheu betrachten und mit Strenge tadeln muß. Für diesmal wird die Mittheilung derselben in meinem Busen ruhen, es müßte denn eine fernere Anregung der Sache eine Anzeige nothwendig machen.

»Ich kann durchaus nicht begreifen, welcher Theil meines Benehmens zu einer solchen Zuschrift aufmuntern konnte, die mir das größte Unheil zu verhüllen scheint, das über mein Vaterland kommen könnte. Wenn ich mich nicht in der Erkenntniß meiner selbst täusche, so hätten Sie keine Person finden können, der Ihre Pläne mehr mißfallen hätten. Zugleich muß ich hinzufügen, um meinem eigenen Gefühl Gerechtigkeit zu erweisen, Niemand hegt einen aufrichtigeren Wunsch als ich, daß dem Heere Alles, was ihm gebührt, zu Theil werde; so weit meine Macht und mein Einfluß auf verfassungsmäßigem Wege reicht, werde ich Alles, was ich vermag, zu diesem Zwecke verwenden, sobald eine Gelegenheit sich bietet. Lassen Sie sich also beschwören, wenn Sie irgend eine Rücksicht auf Ihr Vaterland, auf sich selbst oder die Nachwelt, oder auf mich nehmen, solche Gedanken aus Ihrem Geiste zu verbannen und weder aus eigenem Antrieb noch aus Veranlassung eines Andern je wieder eine Gesinnung ähnlicher Art auszusprechen. Ich bin, Sir,

Ihr
George Washington.«

Dieser Brief ist ein schönes Denkmal der edelsten republikanischen Gesinnung. Die dankbaren Nachkommen haben dem Helden aber auch ein würdiges Nationaldenkmal in Marmor errichtet. Der Amerikaner Crawford in Rom hat das große Werk glücklich beendet, dessen riesige Dimensionen noch das Friedrichsdenkmal von Rauch übertreffen. Es ist das größte Denkmal der Art, das wir jetzt kennen. Die Basis ist ein vollkommener Kreis, auf diesem ruht ein Stein mit sechs Spitzen, und erst über diesem erhebt sich die eigentliche Basis der Reiterstatue. Sechs Adler umgeben die Stufen am Kreise, sowie sechs kolossale Statuen ausgezeichneter Amerikaner: Henry, Lee, Mason, Marshall, Allen und Jefferson. Das Ganze ist 70 Fuß hoch.


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