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Nachwort

Edmund Hoefers Lebensgang zog nur eine schlichte Spur. Am 15. Oktober 1819 in Greifswald als Sohn eines Stadtgerichtsdirektors geboren, verlebte der Dichter, mit Ausnahme seiner Studienjahre, die in Berlin und Heidelberg der Geschichte und Philosophie gewidmet waren, die Hälfte seines Lebens, ungehemmt von äußeren Sorgen, in der Heimat, die andere, auch nicht viel bekümmerter, in Stuttgart, wo er als Schriftleiter von Familienzeitschriften bis zu seinem Tode, am 23. Mai 1882, behaglich und zufrieden wirkte. Sein Erzählerdrang, obgleich früh rege, kam erst im reiferen Mannesalter zum Durchbruch, wies aber dadurch nur um so stärker seine fruchtbare Begabung nach; es entstanden in einem Zeitraum von kaum dreißig Jahren gut neunzig Bände, und das ist selbst für die Schreibemsigkeit jener Zeit allerhand. Gleichwohl findet sich recht viel dichterisch Wertvolles darunter; in erster Linie kleinere Erzählungen und Skizzen, und unter ihnen vor allem die »Erzählungen eines alten Tambours«, die eine Gestaltungs- und Darstellungskunst verraten, wie wir sie nur bei ganz großen Könnern zu treffen gewohnt sind. Solches kann man den größeren Arbeiten freilich nicht immer nachsagen, obwohl auch sie viele dichterische Schönheiten bringen. Hat Hoefer auch alle seine Romane zunächst dem Unterhaltungsbedürfnis zuliebe geschrieben, so doch keineswegs ohne künstlerische Absicht. Und so stellt ihn die Literaturgeschichte mit Recht in die Reihe jener Schriftsteller, die eine vortreffliche, geistig und technisch hochstehende Unterhaltungslektüre geliefert haben, in die Reihe: Holtei, Hackländer, Schücking und Gerstäcker. Hoefer, dessen Verdienst es ist, die düstere norddeutsche Familiengeschichte geschaffen zu haben, gibt zudem in dieser Reihe gewiß nicht den letzten ab, denn er ist um vieles erfinderischer, also dichterischer schlechthin, als die anderen deutschen Romanschriftsteller seiner Zeit. Auch seine leichtesten, entglittensten Arbeiten ermangeln einer bildkräftigen, tonsicheren und sauberen Sprache nicht, wie denn das Handwerkliche dazumal überhaupt bedächtiger war als in unserer hastenden Zeit. Das Geäst der Handlung scheint zumeist wohl dem Zufälligen, Schicksalmäßigen überlassen, jedoch nicht ungepflegt, wie das Zugespitzte der Kapitelausgänge genugsam beweist. Aber was vor allem unser Urteil bestimmt, ist, daß man überall den Eindruck hat, als erzähle der Schreiber nur Selbsterlebtes, und daß seine Gestalten wirklich geschaut sind. Das zeigt besonders auch unser Roman, der – ursprünglich »Der Junker« geheißen – wohl bereits in Hoefers spätere, mehr gewohnheitsgeschreibige als drangvoll ausstoßende Schaffenszeit fällt, aber doch – noch einmal, möchte man sagen – eine geradezu zum Angreifen gestaltete Erscheinung vor Augen führt, einen norddeutschen Landedelmann alten Schlages, einen prächtigen, lebenbejahenden, ja daseinsstolzen Menschen, tief verwurzelt in Arbeit und Erde, und deshalb unberührt von allen Einflüssen des vom Augenblick beherrschten Tages. Neben dem literarischen Wert war uns für die Aufnahme in die »Grünen Bücher« das außergewöhnlich Spannende dieser Geschichte maßgebend, die so geschehnisreich ist, wie sonst keine der früheren oder späteren Hoeferschen Dichtungen; kurz herausgesagt: nicht das Schlackenreinste, sondern das Lebendigste seiner Werke wurde gewählt. Daß damit auch zugleich dem Andenken des zu unrecht völlig Vergessenen gedient werde, erhoffen und wünschen wir.

Den heutigen Leser zu Höfers Werk führen – das heißt nicht die 1200 Seiten des Urbildes mechanisch nachdrucken. Aufgabe unserer Bücherei ist es ja gerade, Romandichtungen von bleibendem Wert dem Leserpublikum unserer Zeit zugänglich zu machen. So erwies es sich als unerläßlich, Hoefers der Großvater- und Urgroßvaterzeit angehörenden Roman aus liebevoll nachfühlendem Geiste umzuschaffen. Hans Steiger, der bekannte Novellist, hat sich dieser Aufgabe unterzogen: nicht nur im Lichten der allzu dicht verrankten Kapiteleingänge, im Absondern der Zeitschrullen und in der Säuberung von heute kaum mehr verständlichen Fremdwörtern, sondern indem er das ganze Werk wirkungsvoll straffte und verjüngte.

M. F.


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