Julie de Lespinasse
Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse
Julie de Lespinasse

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170.

Sonntags sieben Uhr abends. [Dezember 1775].

Ein paar Worte sollen Sie haben und nicht mehr! Ich habe Besuch. Gewiß machen Sie ebenfalls Besuche. Das ist ungeheuer wichtig. Zweifellos. Ach, wenn wir uns liebten, wie fad würde uns alles das erscheinen. Aber so ...

Hinsichtlich der [neuen] Wohnung muß ich mich, bis Mittwoch früh entscheiden. Dann sind Sie Ihrer Güte und Fürsorge enthoben. Ich werde morgen erst um neun Uhr abends ausgehen. Zu Mittag esse ich zu Haus. Ich habe den Baron nicht gesehen. Statt dessen habe ich anderthalb Stunde auf der Chaiselongue eines reizenden Geschöpfes gelegen. Also können Sie sich denken, welcher Reiz für mich dabei sein muß, wenn mich dies Beisammensein kein bißchen bedrückt. Sie wissen zur Genüge, daß ich nicht lügen kann. Was die Wahrung eines gewissen Geheimnisses anbelangt, so war mir dies schlechterdings unmöglich. Ich weiß wohl, man verfehlt oft gegen die Moral, aber es muß Zerstreuung oder Gewinn bringen, sonst wäre es sinnlos.

Guten Abend!

In der vergangenen Woche hätte ich dreimal mit Ihnen zusammen zu Mittag essen können, aber Sie haben es nicht gewollt. Auch hätten Sie mich alle Tage besuchen können. Der Gesandte, die Herren von Schönberg, d'Anlezi usw. wohnen genau so weit weg wie Sie, aber sie hängen nicht so an tausend Menschen und Dingen wie Sie, sie tragen keine selbstgewählten Ketten, weshalb sie sie auch hie und da abwerfen können. Aber jeder nach seinem Geschmack! Und deshalb schreibe ich Ihnen doch.

Ach, sorgen Sie sich nicht mehr um meine Gesundheit! Ihre Teilnahme rührt mich, aber ich fürchte, es bringt Ihnen Leid.


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