Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Vierte Szene

Zimmer.

Herbert. Lady Herbert. Theodor in einem Armstuhl, mit herunterhängenden Haaren.

Herbert: Nein, ärger stets und ärger wird der Schimpf,
Am Hof, im ganzen Land, im Volk bekannt,
Der Gassen Sprichwort, Bildchen ausgeboten
Mit seines Namens Unterschrift und Wappen,
Das alles, fühl ich, gibt den letzten Stoß,
Das Hohngelach ist nun mein Grabgeläut. –
Da sitzt die Mißgeburt, ganz unbekümmert,
Verwegen recht, als müßt es nur so sein.

Theodor: Das Schlimmste ist ja nun auch überstanden;
Ich hatte klug den Schaden erst versteckt,
Das war umsonst: nun weiß es denn die Welt;
Was ist es weiter? Das nur bleibt mein Vorsatz,
Vor Äpfeln hab ich Abscheu, unaussprechlich,
Und keiner soll mir je die Zunge netzen. –
Doch ist ja Hoffnung von dem fremden Doktor –
Fällt das Gewächs erst ab, ist's nur wie Fabel.

Lady Herbert: Doch das wird nie, ach! das wird nie geschehn.

Theodor: So läßt man's stehn, und einst nach meinem Tod
Kömmt's zum andern Geweih ins Jagdschloß 'naus.

Ein Diener kömmt.

Diener: Da draußen ist ein Mensch, der mit Eu'r Gnaden
Gern sprechen möchte, der –

Theodor:                                         Nun, der? Was, der?

Diener: Der ehemalge Dietrich, mit Verlaub,
Doch jetzt ist er ein Narr und Hasenfuß.

Theodor: Was geht's dich an?

Diener:                                       Ich denke nur, Hanswürste –
Es schickt sich nicht, daß sie ins Zimmer kommen.

Theodor: Laß ihn herein, und ohne Handwerksneid!

Diener ab.

Herbert: Und wieder neue Fratzen? Immerdar
Vertreibst du mich. Ich mag nichts sehn und hören. Geht ab.

Theodor: Kurios! Nicht sprechen dürfen, wie ich mag,
Mit Narren nicht verkehren, Hörner nicht,
Einfälle haben nicht zu dürfen, nichts!
Als ging nicht alles nur auf meine Kosten.

Dietrich kömmt als Harlekin.

Theodor: Was willst du, Mensch?

Dietrich: Der Doktor schickt mich, mein neuer Herr; er hat nicht Zeit zu kommen, er dreht Pillen, und er läßt sagen, die Kur könnte auch ohne ihn verrichtet werden.

Theodor: So? Mir kann's recht sein. Nun, die Kur?

Dietrich: Ich soll sie verrichten.

Theodor: Du? So schnell bist du zum Doktor geworden?

Dietrich: Ihr müßt mir aber versprechen, daß ihr mich, wenn die Kur anschlägt, wieder in Eure Dienste nehmen wollt, sonst fange ich sie gar nicht an.

Theodor: Das kann ich dir leicht versprechen, denn du Pinsel wirst doch nichts ausrichten können. Wie soll dir denn die Kunst so schnell gekommen sein? Der Habit kann's doch nicht allein tun.

Dietrich: Dann sollt Ihr mir mein Geld herausgeben, das ich an Euch zu fordern habe.

Theodor: Wenn's sein muß.

Dietrich: So eßt denn diese vier Pillen, eine nach der andern, und Ihr seid so wohlgestalt, wie Ihr nur je gewesen seid.

Theodor: Gib. Eins – noch ändert sich nichts – zwei – sacht, mir deucht, es fängt an zu wackeln, das Wesen – drei – vier – seht, Frau Mutter, da fallen die verdammten Stuhlbeine herunter, als wenn sie nie meine leiblichen Glieder gewesen wären. Er klingelt, ein Diener kömmt. Da, nehmt das Zeug, schmeißt es gleich ins Feuer, daß kein Span übrigbleibt, und wer von dem dummen Wesen noch spricht, nur muckst, der hat es mit mir zu tun.

Diener ab.

Dietrich: Gottlob, nun bin ich doch wieder in Eurem Dienst!

Theodor: Nein, Freund, sieh, die Sprossen sind zwar glatt vom Kopf herunter, das kömmt aber von des Doktors Medizin, dazu hast du nichts getan. Das fehlte noch, daß die Leute von uns sagten: Das sind sie beide, die Transformierten; wie der Herr, so der Knecht; sage mir, mit wem du umgehst; gleich und gleich; wie der Priester intoniert, so schließt der Küster; wie man in den Wald hineinschreit, und dergleichen verfluchte Sprichwörter mehr. Wenn ich einmal aus dem Lande gehe, oder verreise, dann könnt es sich eher passen, bis dahin, mein guter Dietrich, muß ich mich deiner immer schämen. – Kommt, Frau Mutter, ich will mich dem Vater zeigen, nun wird er an meinem Kopf nichts mehr auszusetzen haben.

Sie gehn.

Dietrich: Und ich bin so desperat, daß ich mich aufhängen möchte, wenn sich das für einen Harlekin irgend schickte. Geht ab.

 


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