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Flüchtiger Schnee

Deckt jetzt der Schnee auch meine schlimmsten Sünden,
gibt er der Mörderwelt ein Unschuldskleid,
will er den nahen Frieden uns verkünden,
die Hoffnung nach sovielem Herzeleid?
Bald schmilzt er, wird sein Weiß zu schmutzigen Lachen,
ist alles widerlicher als vorher
und, vom Zerstörungswahn besessen, machen
die Menschen sich das Leben selber schwer,
weicht wiederum in nebelhafte Fernen
der Friede, dessen sänftigender Schein
uns grüßte von den seligeren Sternen,
ist jede Kreatur mit sich allein.
Noch mehr bin ich es als in alten Jahren,
weil niemand meinen stillen Gram versteht
und abseits von den tatentrunknen Scharen
mein Leben einsam, hoffnungslos, vergeht,
niemals erlöst von den Gedankensünden,
zu immer schmerzlicherem Trotz verführt.
Die Liebesbotschaft sollte ich verkünden,
vielleicht daß doch mein Sang die Seelen rührt;
der aber harft die eignen Zwistigkeiten
und kann sich nicht von Kleinlichem befrein.
Es taut. Der ganze Unrat unsrer Zeiten
liegt offenbar im vollen Sonnenschein.


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