Wilhelm von Humboldt
Wilhelm von Humboldt im Verkehr mit seinen Freunden
Wilhelm von Humboldt

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Einleitung

Wilhelm von Humboldt ist ein klassischer Meister des Briefes. Seine Briefe umspannen das tausendgestaltige Leben, und nichts Menschliches bleibt ihnen fremd. Der Liebeszauber umfängt ihn, und der Vaterschmerz um den Verlust des geliebtesten Kindes erschüttert ihn; er versenkt sich in die Kunstschätze Roms, und er leidet unter dem schwelenden Nebel von London; er schreitet in Madrid zum umständlich-feierlichen Handkuß vor das Königspaar und ist in Berlin beim Leichenzuge der Königin Luise; mit Schiller verhandelt er eingehend über dessen dichterisches Schaffen, und als Gast bei Goethe lernt er die Helena-Szenen aus dem »Faust« in der ersten handschriftlichen Fassung kennen; aus Petersburg bestellt er sich seltene Texte für seine Sprachstudien, und zur hauswirtschaftlichen Erleichterung seiner Gattin handelt er einen Zuckerhut ein, ihn schamhaft vor dem Personal um Mitternacht zerkleinernd; die schwierigsten philosophischen Probleme erörtert er mit den Akademikern, und wiederum muß Frau Karoline in Karlsbad erfahren, daß die Inder einen Gott eigens für die ungestörte Darmfunktion verehrten. Humboldt regt den Ausbau des Kölner Doms durch den Preußenkönig an, und rechnet die ihm von den einzelnen Staaten bevorstehenden kostbaren Dosen um in Schmuck für seine Frau oder in Mitgift für die Töchter; er betrachtet andächtig den Sternenhimmel und spottet über des Turnvaters Jahn Urwaldbart, den er sich abschneidet und der schlafenden Gattin zu deren Schreck als einheitlichen Körper auf die Bettdecke breitet. Goethes unleidliches Biertrinken belästigt sein ästhetisches Gefühl, die peinliche Schulläusegeschichte in Pforta ergötzt ihn, und mit dem General Boyen läßt er sich in ein unblutiges Duell verwickeln. Mitten in den schwierigsten Staatsgeschäften des Wiener Kongresses findet er Muße, die Jugendbekanntschaft von Pyrmont in Briefwechsel und Unterstützung zur Altersfreundschaft neu anzuknüpfen, und das großartige Dankgeschenk der Berliner Juden für sein Eintreten zu ihrer freieren Entwicklung lehnt er in jeder Form ab. Wir sehen den Gesandten auf der stürmischen Überfahrt nach England und begleiten ihn in Paris auf Einkäufen, damit die Gattin ihre Schals und Schnupftücher vorfindet. Der Niedergang der von ihm unter schweren Opfern ins Leben gerufenen Universität bekümmert ihn, des Vaterlandes eherne Zeit findet ihn zu jedem Dienst treubereit – und dennoch hält sich der Frühreife in seiner innersten Seele vom Beruf und Schicksal frei, letztlich nur auf sich gestellt und wahrhaft ein König!

Der Stil all dieser Briefe erweist die Reife eines künstlerischen Höhenmenschen: das Zarteste weiß er durchscheinen zu lassen, das Verwickelte zu entwirren; er steht jedem Ernst und pflegt ihn, er läßt sich keinen Humor entgehen und würzt ihn; lauterste Aufrichtigkeit gegen sich und die andern verbindet seine Lebensvirtuosität für jeden Briefempfänger zu einem geschmeidigen Feinsinn. Humboldts Briefe sind Kulturwerte des deutschen Geisteslebens.

Die Briefe reichen von 1787 bis 1835 – welche Fülle von Erlebnissen, Menschen, Symbolen!

Wilhelm, dem Karoline nicht ohne Verwunderung wiederholt, einer aus dem Seelenbund habe ihn »fein wie Postpapier« genannt, zeigt früh heroische Züge, antike Selbstaufgabe: als Göttinger Student gerät er beim Baden in einen Strudel, der ihn fortreißt; er hält sich für verloren und ruft dem Freunde zu: »Stieglitz« – der spätere hannoversche Leibarzt – »ich ertrinke, aber es tut nichts!« Der Mitbadende konnte ihn retten. Mit dieser tapfern Haltung vermögen wir nur schwer die ebenso echte romantische Süßlichkeit und hinfließende Vielgötterei zu vereinen; so wenn Humboldt von der launischen Henriette Herz berichtet, er und sein Seelenbruder »baten sie, anders zu sein, wenigstens gegen uns, die sie liebten – ich lag vor ihr wie sonst so oft, bat sie so freundlich und gut, und sie blieb wie erst, gab mir einen kalten Kuß, und fing einen neuen Zank an...« Da aber ein rechtes Herz gar nicht umzubringen ist, so fanden sich aus dem Seelenkuddelmuddel die rechten Herzen doch gemach zusammen, und Wilhelm geriet an seine Karoline, so daß kein Karl und keine Jette mit dem echten Schwang der Natur mitzuhalten vermochten.

Karoline »ahndet« ihres Wilhelm »begegnenden tränennassen Blick«, und sie kann sich nicht halten: »Ich weinte, ach meine Augen sind trübe von Tränen; ich wundere mich, daß ich noch Tränen habe, und ach, wenn ich nicht weinen könnte, müßte ich vergehen; sie sind mir, was der Tau der Nacht in schwülen Sommertagen der hinwelkenden Blume ist – sie fristen mein Leben.« Sonst aber ist's ihnen beiden selig wohl, und sie bauen sich gaukelnde Luftschlösser. Nicht reizlos erscheint aus dieser Zeit (Ausgang 1790) Karolinens Urteil über Goethe: die Geistes- und Herzensverschiebung seines Wesens ziehe sie an. »Aber dann kann er auch wieder wunderbar sein, drückend und leer, wenn er spricht, da, wo er glaubt sprechen zu müssen.« Offen, geistvoll und herzlich im vertrauten Kreise – und das fadeste Zeug auf Begehr ... Die Weimaraner plagen und verschrauben ihn mit dem unehelichen August, Karoline schilt die Unzartheit der regierenden Herzogin gegen Goethe »albern«.

In der Stadt der reinen Vernunft war Dr. Motherbys Haus, in dem er für die anreizende Hausfrau Feuer fing, Humboldts einzige Zuflucht – außer der eigentlichen Hofgesellschaft. Er nennt Königsberg die Bärenstadt, wo die Leute schlecht wohnen und schlecht essen, gar nicht lachen und nichts Vernünftiges tun in ihrem trockenen Ernst; in dieser schändlichen Stadt, wo es häßlich und kleinstädtisch, teuer und geschmacklos sei, mache er es wie Reinecke Fuchs unter den kleinen Meerkatzen, er lobe alles und mache ein Kreuz in der Stille. Doch liest er am Morgen zu seinem Trost den alten Quintus Calaber, der eine griechische Fortsetzung des Homer getätigt hat, mit einzelnen an das Original anklingenden Schönheiten, dichtet selber eine gespenstische Geschichte in elf Sonetten und findet auf einem Dreitageausflug die Kurische Nehrung so merkwürdig, daß man sie wie Spanien und Italien gesehen haben müsse, solle einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen. Die stürmische Mondnacht an der Küste bei Pillau macht ihn zum schwärmenden Poeten – just ein Jahr, seit er Rom verließ.

Den immer neu eintretenden langen und kurzen Zeiten der Getrenntheit der idealen Eheleute Humboldt verdanken wir das in tausend Farbentönen schwingende Miterleben ihres Werdens und ihres Seins; doch soll unser Dank sich weihen an der Kenntnis solcher bittern Bekümmernis, aus der heraus Wilhelm aus Berlin (Mai 1810) der in Pästum herumschwärmenden Gattin schreibt: »... Es ist die letzte Trennung und Ungewißheit des Schicksals in dieser Art. Ich gehe jetzt nicht wieder so von Dir. Nichts hat mehr Wert, wenn das Höchste und Beste fehlt. Ich habe die mühevolle Erfahrung in nunmehr 19 Monaten gemacht und setze mich nie wieder solchem Entbehren, solcher ewig unbefriedigten Sehnsucht aus. Es ist auch bloße Täuschung, wenn man glaubt, es sei nur Glück, das man entbehrt. Es ist unendlich mehr, es entgeht einem das Schönste in der tiefsten Seele. Ich empfinde es täglich. Du bist wie ein reines Element, das mich immer mit gleichem Zauber umgibt und ohne das ich mich gleich verlassen und dürftig und schwach fühle. Es ist nun die zweite Erfahrung, die ich von einer langen Trennung von Dir mache. Aber gewiß auch die letzte...« Es blieb nicht die letzte!

Jeder weiß von Humboldts Altersromantik der »Briefe an eine Freundin« – die der junge Mann einst an der Seite ihres väterlichen Pfarrherrn flüchtig kennen lernte und die ihm nach bewegten Schicksalen als dem berühmten Minister einen langen Schreibebrief mit dem ihr heiligen Albumblatt von seiner Hand zusendet, um sich äußerlich und innerlich an ihm den väterlichen Freund für ihre ferneren einsamen Lebenstage zu gewinnen. Diese anderthalbhundert Briefe Humboldts – die Ergüsse und Schilderungen von Charlotte Diede selber an Humboldt wurden auf ihren Wunsch verbrannt – sind unübertrefflich in der Altersweisheit des hochgestellten und hochgestimmten Schreibers, stilistisch wahre Kleinodien reinen deutschen Schrifttums und mit jedem neuen Jahre ihres Vorrückens deutlichere Zeugnisse für die Einfärbung der Gedankenwelt Humboldts mit der buddhistischen Weltanschauung Indiens – aus deren Schätzen er, als erster in Deutschland, 1825 in der Akademie der Wissenschaften die tiefdringende Studie über die Buch Bhagavadgita (aus dem Heldenepos Mahabarata) ans Licht zog. Charlotte, die als echtes Weib von dem Freunde so sehnlich gern einmal (und noch einmal) gehört hätte, daß sie ihm neben der Gattin Karoline und inmitten seines reichen Kinderglücks notwendig sei, muß sich immer wieder bescheiden: der Weise von Tegel bedarf der Menschen zu seiner inneren Befriedigung nicht, er ruht in sich selber, von Furcht und Hoffnung hat er sich befreit. Das seelische Band zwischen ihm und Charlotte wird treu gepflegt und lockert sich niemals; doch als die Freundin nach Karolinens Tode zum andern Male sich zart anbietet, nach Tegel überzusiedeln, um dem Witwer sein Los zu erleichtern – da winkt er deutlich ab. Man kann sogar sagen, daß Humboldt diese schöne Seele mit unverkennbarer pädagogischer Zurückhaltung und altväterischer Herbigkeit anfaßt, indem er sie auf unbedingten Gehorsam gegen sich auch in Kleinigkeiten verpflichtet und ihr kaum mit der weitherzigen Güte begegnet, die ihm gegen die Gattin und Töchter innerste Natur war. Es tat ihm wohl, sich geistig zu ergehen von seiner wissenschaftlichen und sonstigen Arbeit in der breitfließenden Aussprache über Gott und die Welt und so völlig schleierlos das lenksame weibliche Gemüt dieser Frau bis in jede letzte Falte in ihren Bekenntnissen und Erinnerungen ungescheut betrachten zu können. Doch peinlich hielt er die Verbindung in diesen festumzirkten Grenzen und gestattete ihr und sich keinen Schritt von diesem Wege. Albert Leitzmann in Jena hat in seiner kritischen Ausgabe der Briefe der guten Charlotte eine erhebliche Anzahl Textveränderungen aufgedeckt. So frei schaltete sie mit ihrem köstlichen Besitz – doch wir bleiben ihr dankbar für ihren Kultus am Altar der Freundschaft.

Geist funkelt aus Humboldts Briefen! Ich pflücke mit beiden Händen aus unabgedruckten Briefen meiner Sammlungen die Maximen und Reflexionen, wie Goethe sagen würde:

»Ich hasse nichts so sehr, als mit Grundsätzen Parade zu machen und ein Märtyrertum zu affektieren.

... Diesen widernatürlichen Zustand, der auch nicht dauern wird, segne ich, weil er in die Tiefe des Innern gräbt, was nie ohne Heil ist. Weder er selbst noch das Schicksal können je genug an dem Menschen arbeiten.

Es muß im Innern eine eigene Welt geben, über die die Wellen des Lebens nur hinwegschlagen und die still und verborgen sich fortbildet.

Ich bin den Menschen immer ein Geheimnis gewesen und habe nie verlangt, ihnen zu gefallen.

Ich habe eine Lust an der Verwickelung, die ich oft zurückhalten muß, und Teilnahme an großen und hinreißenden Begebenheiten reizt mich, wie den Mann das Eisen. Ich würde das an mir mißbilligen, wenn ich nicht auch gleich gern in ganz verborgener Einsamkeit lebte. Es geht mir mit den Lagen des Lebens wie mit den Städten; ich liebe immer die, in der ich bin.

Zwischen mir und Stein ist ein ordentlich närrischer Unterschied. Wir sind in der Liebe des Guten einstimmig. Das Schlechte begnüge ich mich als schlecht anzuerkennen. Schon der Haß kommt nicht in meine Seele. Indes ist das vielleicht nicht lobenswürdig. Aber er ist auch nicht zufrieden, wenn er den Haß nicht beständig ausläßt und gleichsam zur Schau trägt.

Es gibt nur zwei gute und wohltätige Potenzen in der Welt: Gott und das Volk. Was in der Mitte ist, taugt reinweg nichts und wir selbst nur insofern, als wir uns dem Volk nahestellen.

Alles Tiefe spielt um Schmerzensgefühle. Aber die gewöhnlichen Menschen empfinden das nicht und erheben sich mit Dünkel gegen Mühe und Schmerz, die sie sonst wie treue Gefährten suchen würden.

Das Schönste ist, recht, recht lange zusammen zu leben und dann so zu scheiden, daß der eine nicht länger nachbleibt, als um noch nachzuholen, was der Dahingegangene nicht selbst mehr tun konnte, und sich dann selber zur Folge anschickt.

Das Volk, des man bedarf, ohne das man in letzter Instanz eigentlich nie das Große ausführt, in dessen Sinn sollte man auch das geschehene Große recht im Andenken erhalten und es daran für die Zukunft erziehen.

Wir haben nach außen hin gar noch nicht den Aplomb, den wir der Größe des Staats nach, der Größe der Begebenheiten, die wir herbeigeführt oder entschieden, und dem Gewicht, was unsere Armeen sich so glorreich erworben haben, haben sollten. Das kann mich immer tief verdrießen; nicht aus Eitelkeit, Gott weiß es. Aber es gibt ein Gefühl der Würde, was man nie beiseite setzen muß. Indem der Staat es tut, kränkt er auch tief die Individuen, die alle ihre Kräfte für ihn aufwenden, und lähmt dadurch die moralische Kraft des Besseren.

Das Deutschlernen hilft nichts oder unendlich wenig. Man muß mit dem Deutschen geboren sein, und nur wenn man das ist, besitzt man auch die Fähigkeit, wieder alles Fremde wie Eigenes zu fassen, wenn man es auch nur erlernt. Man mag sagen, was man will, so ist die deutsche Sprache der einzige Schlüssel der Menschheit.

Die Zeit ist da, wie der Mensch, daß sie verrinne. Ein Vorurteil, wenn man von dem Wert der Zeit und ihrer Benutzung spricht und über ihr Vergehen klagt. Sie kann es ja nicht, ohne daß, wie er es auch anfangen möge, wider seinen eigenen Willen sogar, er darin reife, und sein Zweck auf Erden ist erfüllt, wenn er reif ins Grab sinkt. Das Beste in einem Menschen geht nie aus ihm heraus, als wenn es ein anderer in lebendiger Vertraulichkeit der Gedanken und Gefühle unmittelbar von ihm entnimmt, und dann kehrt es allemal wieder höher und reicher in ihn zurück.« –

Anna von Sydows Briefwerk in sieben Bänden, diese würdigste Verwaltung des kostbarsten Erbes der Ehegatten von Humboldt, öffnete für unsere Auswahl seine sieben Pforten: aus der Brautzeit (1787–91); von der Vermählung bis zu Humboldts Scheiden aus Rom (bis 1808); Weltbürgertum und preußischer Staatsdienst (bis 1810: Berlin, Königsberg, Berlin, Wien); Federn und Schwerter in den Freiheitskriegen (1812–1815: im Hauptquartier des Kaisers Franz; auf dem Kongreß zu Prag bis zur Beendigung des Waffenstillstandes und Wien; im österreichischen Hauptquartier; auf dem Kongreß in Chatillon; mit dem Hauptquartier auf dem Kriegsschauplatz, bis Paris; Paris, London, die Schweiz; auf dem Wiener Kongreß, bis Berlin); diplomatische Friedensarbeit (bis 1817: Paris, Frankfurt a. M., London); im Kampf mit Hardenberg (bis 1819: England; Kongreß in Aachen; Frankfurt a. M.; im Ministerium in Berlin bis zum Ausscheiden); reife Seelen (1820–35: letzte Wege; Einsamkeit). Wir teilen des Witwers bewegtes Staunen, da ihm die älteste Tochter nach dem Heimgang dieses getreuesten Wanderkameraden seine Lebensgeschichte in den weit über eintausend gegenseitigen Briefen, nach Jahrgängen geschichtet, auf den Schreibtisch lagert – diese Blätter, die nach der Franzosenplünderung in Tegel in trostlosem Zustand (nur zum Teil) sich zusammenfanden. Wir verstehen, daß der sich an diesem Quell Erlabende keine Zeile der unwiederholbaren Ehechronik vernichten mochte, nachdem hier der Geist so ewigschön sich den Körper gebaut als den Träger lebendiger Ideen; und wir würdigen seine letztwillige Bestimmung: der Briefschatz soll nur an seine Töchter fallen und auch von diesen und so fort nur an weibliche Abkömmlinge vererbt werden. »Was eine Frau aus der Fülle des Gemüts nur für einen bestimmt, kann man nur einem weiblichen Wesen und nur aus der Reihe der Ihrigen anvertrauen« (an Karoline von Wolzogen auf Norderney 1831). Auch das kunstlos sich als Mosaiksteinsammlung vor uns ausschüttende Lebensbild der Gabriele von Bülow geb. von Humboldt, von der gleichen Erbin unseres Humboldt, gab etliche edle Steine her. Doch die erheblichste Mühe erwuchs dem Herausgeber aus der Auffindung und Beibringung all der andern Briefe und Briefgruppen, von denen der gesamte Inhalt oder das Mark in unsern Band aufgenommen wurde. Ich habe mehr als zweitausend Humboldtbriefe – von ihm und an ihn – bisher gelesen; nur 186 Musterbriefe und Kernstellen aus solchen habe ich aufnehmen können. Die Mühe und die Lust des Auslesens mischte sich mit den Schmerzen der Beschränkung, in der ich den Meister zeigen sollte. Ich habe solche Qual der Wahl reichlich durchlitten, sie zog sich bis in die Wochen der Fahnenkorrektur hinein. Den herrlich anschaulichen Brief an Goethe aus Spanien von 1801 mußte ich ausschalten, er umfaßt 75 Druckseiten; dagegen rettete ich den bedeutenden Wallensteinbrief an Schiller von 1800, der wie mancher Gedankenaustausch mit Welcker, mit A. W. von Schlegel und Jacobi auf dem Wege zu kleinen Abhandlungen wandern. Die Briefe an Charlotte Diede-Hildebrand glaubte ich am getrostesten stiefväterlich behandeln zu dürfen, dieweil dieser Band oder Doppelband seit Jahrzehnten in so vieler Hand ist. Ich darf im übrigen auf die Büchertafel am Schluß verweisen.

Als Sammler und Herausgeber dieser Briefe übernehme ich die Verantwortung auch für ihre Form. Ich habe aus raumtechnischen Gründen diese Privaturkunden stark verkürzt; ich mußte auch sonst gelegentlich stilistisch eingreifen, um die Stücke leicht lesbar zu verknüpfen. Die zeitgenössische »Interpunktion« Humboldts ist durchweg auf den Stand von heute gebracht worden, wie seine »Orthographie«. Seine zahlreichen Fremdwörter ließ ich unangetastet, wo sie mir charakteristisch erschienen; doch habe ich viele schwerfällige und abgestorbene Flickwörter stillschweigend eingedeutscht, die Fußnote nur in Ausnahmefällen dafür bemühend. Ich glaube damit dem Leser den Genuß an diesem deutschen Hausschatz zu erhöhen.

Theodor Kappstein.


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