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15

Nachdem Gräff eine Weile am Ufer gestanden und dem Mann Drohungen nachgerufen hatte, fühlte er plötzlich eine Schwäche in den Knien und zitterte wie ein Greis. Er setzte sich darum hin. Nach einer Weile wurde er ruhiger und wunderte sich über das Geschehene. Die Sache lag ja so, daß er denselben Mann fortgejagt und geschlagen, vor dem er sich sonst gefürchtet hatte. Der Mann hatte natürlich etwas im Schilde geführt. Er hatte ihn überlisten wollen. Was waren das für Sachen? Was hatte all das zu bedeuten? … Er saß eine Weile und versuchte nachzudenken, aber sein Kopf war so leer. Er suchte und suchte nach Versunkenem, aber die Gedanken entwichen und verschwanden. Das Ganze erschien ihm jetzt wie ein Traum, dessen man beim Erwachen nicht habhaft werden kann, mag er einen auch noch so heftig bewegt haben. Etwas, was man gefühlt hat, das aber jetzt auf den Grund gesickert ist und nie wieder an die Oberfläche kommt.

Den Rest des Tages ging er wie ein halbbetrunkener Mann umher. Es lag wie Nebel vor seinen Augen. Bald stieß er hier, bald dort an. Einmal blieb er stehen und lauerte, ob der fremde Mann nicht doch noch hier sei. Wenn er den Kopf in jene Richtung wenden würde, bekäme er ihn vielleicht zu sehen – und er wandte den Kopf sowohl in die eine, wie in die andere Richtung. Bald darauf wurde sein Blick mit Macht von einem dunklen Winkel angezogen, und er mußte dort hin und ihn durchstöbern. Erst nachdem er es getan hatte, bekam er vor dem Winkel Ruhe. Hin und wieder glitten Gedanken und Worte an ihm vorbei, die er vor langer Zeit gehört zu haben meinte, die er aber jetzt nicht festhalten konnte.

 

Oft sitzt er an dunklen Abenden und meint, daß etwas Lebendes in der Nähe sei. Vielleicht ist es unruhiges Wetter, und es knackt und kracht hier und dort, wenn er sich schlafen legt. Mitten in der Nacht aber wacht er auf und merkt, daß jemand in der Kammer umherschleicht. Er richtet sich auf und fragt mehrere Male: »Ist hier jemand?«

Aber alles bleibt still.

Dann zündet er einige Schwefelhölzer an und leuchtet unter den Tisch und unters Bett und hinter die Truhe, aber es ist nichts zu sehen.

Ein ander Mal fährt er aus dem Schlaf auf und glaubt, daß ein großes Tier hereingekommen sei; aber auch das ist die pure Einbildung.

Nun ist der Schlaf gewichen und er kommt so leicht nicht wieder. Stundenlang liegt er und lauscht dem Wind und dem Meere, die draußen auf eine seltsame Weise leben.

Der September brachte ein Herbstunwetter, mit Sturm und Gewitter, zwei Wochen hintereinander. Die Leute, die auf den einsamen Inseln wohnten, mußten zusammen hausen und sich gegenseitig, so gut sie es vermochten, helfen. Wohnte aber einer allein, so mußte er allein bleiben; kein Boot konnte sich in der schweren See durchkämpfen. Schließlich klärte es sich so weit auf, daß die Wolken sich teilten. Der Sturm flaute ab, die See ging noch hoch, aber die Macht der Wellen war gebrochen. An dem Tage bekamen Kristian Kalland und Iwer Iwersen Besuch vom Bootsbauer Gräff. Er bat sie zu ihm zu kommen und ihm zu helfen, denn er könne nicht allein fertig werden.

Sie glaubten, daß es tüchtig zu tun gäbe und kamen schon am nächsten Tage. Aber wie erstaunten sie, als sie ankamen und nur ein einziges Boot in Arbeit sahen.

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