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Diana.


» Und wenn der gnädige Herr Vater sich auch noch so sehr erzürnen, ich beharre bei meinem Grundsatze, niemals zu heiraten, am allerwenigsten den Herrn Pfalzgrafen Max Theodor!«

Das Schwert des regierenden Grafen Ernst zu X. klirrte, so heftig stieß es der alte Herr auf das Parkett.

»Narretei! Sottise!« polterte er, »Prinzeß Tochter wird eine blamable Liaison im Kopf haben und weist um dieser Liebelei willen den hochfürstlichen Freier ab! Weiß sie auch, Diana, daß Wir durchaus kein Federlesens machen, sondern sie mit dem Herrn Pfalzgrafen kopulieren werden, einfach als affaire d'Etat

»Sagen Sie lieber, › affaire de chasse‹!« spottete Prinzeßchen und dehnte sich gelassen auf dem brokatseidenen Ruhebett, »weil Monseigneur Max Theodor die ergiebigsten Jagdgründe des ganzen Deutschen Reiches besitzt, soll ich seine Gemahlin werden, damit der gnädige Herr Vater und der künftige Prinz-Gemahl keine Grenze mehr bei den Parforcejagden zu estimieren brauchen! Göttin Diana soll die ewigen Reibereien und Zwistigkeiten mit dem Brautschleier zudecken, – v oilà les affaires d'Etat

Graf Ernst wandte sich etwas betroffen zur Seite, warf sich auf einen Sessel nieder und streichelte eifrig den Kopf des gewaltigen Hatzhundes, welcher nie von der Seite seines Herrn wich. –

»Sie hat sich dumme Flausen in den Kopf setzen lassen, Diana! Sie hat albernem Höflingsgeschwätz geglaubt! Jagd hin! Jagd her! Wem soll mein Land verbleiben, wenn der liebe Herrgott Hallali bläst? Hab' nächst dem künftigen Gemahl für Dich auch zugleich den Reichserben zu choisieren, und da ist's wohl der einfachste Handel, wenn zwischen uns und dem Pfalzgrafentum die Grenzlinie gelöscht wird!«

Prinzeß Diana blinzelte wie ein Kätzchen, welches in die Sonne sieht, und rollte gelassen die goldenen Locken um die Finger. »Einfach wäre der Handel allerdings, nur behagt es mir nicht sonderlich, daß ich bei demselben den Kaufschilling abgeben soll! Der Herr Vater hat noch drei weitere Grenznachbarn, warum richten Sie Ihr Augenmerk nicht auf die? Und warum soll unser Ländlein nicht Enclave werden, so es mir konvenieret, einem entfernten Freier die Hand zu reichen?«

Der alte Herr überhörte die Frage: »Will die Jungfer Naseweis mir zuvor sagen, was sie an dem erlauchten Pfalzgrafen auszusetzen hat? Ist er nicht der reckenhafteste, ritterlichste Herr, stark, kühn, heiteren Temperaments und ein Jägersmann … ein excellenter Reiter …«

»Was ich an Monseigneur Max Theodor zu tadeln habe?« Diana stützte das Köpfchen in die Hand und warf spöttisch die Lippen auf: »Daß er krumme Beine hat, cher papa! So krumm, wie ein Brückenbogen! wie ein Faßreifen! Hat die ridiküle Idee, solchen Makel verheimlichen zu wollen, deshalb spielt er sich auf den rauhen Reitersmann hinaus, der niemals anders geschaut wird, als in den weitstulpigen Radstiefeln, wie sie ehemals der Feldherr Wallenstein getragen!!«

Graf Ernst starrte sein Töchterlein sprachlos vor Ueberraschung an: »Ist mir erstaunlich und fatal, wie sie eine solche Wissenschaft erlangt hat, Diana!« stotterte er. »Wird wohl irgend ein malhonneter Schwätzer aus einer Mücke einen Elefanten gemacht haben! Jedweder Chevalier, der mehr im Sattel, denn im Sessel sitzet, hat runde Beine, bei diesem mehr, bei jenem weniger remarquable

»So werde ich nie einen Chevalier heiraten!« Das klang sehr kühl, sehr bestimmt und sehr ironisch.

»Hab' aber den Herrn Pfalzgrafen eingeladen, mein Gast zu sein!«

»Das stehet dem Herrn Vater allezeit frei!«

»Hab' ihm die Permission gegeben, um sie zu werben!«

»Nur die Permission zu werben? Dem steht nichts im Wege.«

Graf Ernst stampfte heftig das Parkett. »Sehe sie sich den Prinzen erst zu Pferd an, ehe sie urteilt!«

»Wann?« Die reizendste aller Fürstentöchter dehnte mit heimlichem Gähnen die schneeweißen Arme. »Der Herr Vater weiß, daß ich tagsüber schlafe, und in dunkler Nacht vermag ich – nicht zu observieren, wie ein Mann sein Roß tummelt! Möge es der Herr Vater abermals von mir hören: ›Daß Monseigneur Max Theodor hierher kommt, kann ich ihm nicht wehren. daß ich aber seine Gemahlin werden soll, das wehr' ich ihm, und ich nehme den Kampf auf gegen die Herren Federfuchser, welche solche mariage als Staatsaktion stempeln wollen.‹«

Der regierende Graf schüttelte unbehaglich den Kopf, halb im Ärger, halb in Besorgnis. »Sie ist ein starrköpfig Kind, Diana, die ich durch allzuviel Milde verzogen habe! Denke sie an die Komödianten, die letzthin im Schlosse spielten; war ein lehrreich Stück von einer Widerspenstigen, so gezähmet ward durch ihren starken Meister! Wollen's abwarten, ob nicht der Ihre schon vor der Thüre steht!«

Sprach's und schritt sporenklirrend davon.

Prinzeß Diana aber lehnte das Köpfchen so behaglich in die seidenen Kissen zurück, als habe sie nie im Leben ein Wort über den Pfalzgrafen Max Theodor vernommen. Ueber ihrem Ruhebett spielten lächelnd die goldenen Amoretten, purpurfarbene Seidenvorhänge dämpften das Tageslicht, und im Nebengemach schlug ein Hoffräulein die Harfe zu zärtlichen Liebesliedern. Da zog die Prinzessin ein kleines Pastellbildchen an güldner Kette aus den Busenfalten ihres kurztailligen Gewandes und drückte es leidenschaftlich an die Lippen. »Wer dich zu Roß geschaut hat, du königlicher Aar, der trägt nach keinem andern Reitersmann Verlangen, und wem die Sonne deiner liebenden Nähe strahlt, der flieht das Tagesgestirn, weil es ja dennoch neben dir erbleichen würde!« – – –

Die Kammerfrau huschte über die Schwelle und kniete angstvoll neben der jungen Fürstin nieder: »O, Prinzessin! ist es Wahrheit, daß der Herr Pfalzgraf zum Schlosse einreiten wird?!«

»Gewiß, Ursel!«

»Und Durchlaucht zittern nicht?«

Leises, silberhelles Lachen: »Zittern? wenn wir etliche Nächte in eitel Lustbarkeit verleben? Die letzte Zeit war langweilig zum sterben, nun werden wir Monseigneur zu Ehren tanzen und pokulieren!«

»Ist's eine Freude mit dem Herrn Pfalzgrafen zu tanzen?«

»Wie närrisch Du frägst, Ursel! Was kümmert uns der Gast? Er wird sich müde ins Bett legen, wenn wir erwachen, und dieweil er sich im Sonnenschein einsam wärmt, liegen wir in guter Ruh'. Schließ die Fensterläden, Alte, draußen erwacht die Welt, darum fallen mir die Augen zu!«


Die Grafschaft X war eines der anmutigst und gesegnetest gelegenen Ländchen des deutschen Reiches, und der Chronist schrieb eitel Wahrheit, wenn er von dem Lustschloß des Grafen Ernst berichtet:

»Gar üppig und munter war es anzuschauen, lag auf einer mäßigen Höhe über dem Städtlein, wie eine Glucke, so ihre junge Brut unter die Flügelein bergen will. Im Schloßhof sprang ein Born künstlich empor, deß Wasser ergeußte sich in den Lustgarten, allwo es Bassins und Kaskaden bildete. Lustige Säle und Gemächer, ein Säulenhof und liebliche Altane verzierten das Gebäu, und abseits im Hirschgraben hielt der Herr Graf Ernestus mancherlei absonderlich Getier zu seiner Lustbarkeit, wie man wissen will sogar einen Leu, so aber nun mit Tode abgegangen. Selber Herr Graf Ernestus, durchlauchtige Gnaden, war ein fürnehmer Jägersmann, der seine Tage im Wald und auf der Pirsch verbrachte; er starb ohne männliche Leibeserben am Sonntage Trinitatis umb das Jahr 1780 und hinterließ die verwaisete Grafschaft seiner Tochter Diana, Prinzessin, durchlauchtige Gnaden, mit welcher sie durch Heirat an das Königliche Haus von ††† verfiel.«

Nicht allein der Chronist berichtete seiner Zeit über die Hofhaltung des Grafen Ernst, sondern auch Frau Fama setzte eine liebliche Flöte an die Lippen und blies es weit in die Lande hinaus, was für seltsame Dinge sie im Schloß erschaut. Als dem leidenschaftlichen Jäger mit der Grafenkrone sein einzig Töchterlein geboren ward, nannte er es in fröhlicher Waidmannslaune »Diana,« und die kleine Prinzeß wuchs heran zu der eigenartigsten, zauberhaftesten Schönheit.

Aber nicht die Göttin Diana mit Bogen und Speer hatte an ihrer Wiege gestanden, sondern Luna, die keusche Göttin des Mondes, deren Reich die stille Nacht, deren Königsmantel der gestirnte Himmel ist.

Absonderliche Marotte der reizenden Prinzessin! Sie schlief tagsüber in ihren kühlen, hohen Gemächern und begann erst zu leben, wenn die Lichter an den Kronleuchtern aufflammten, wenn die Sterne den Hofstaat der Frau Luna bildeten. Dann strömte das Blut heiß und lebensfroh durch die Adern Dianens! Glut und Flammen blitzte das dunkle Auge, wie flüssiges Gold wogte die niemals gepuderte Lockenpracht über Schultern und Rücken, und der Halbmond von Diamanten strahlte über ihrer Stirn, wie ein zauberisch Feuer, welches Herz und Seele des Schauenden verzehrt. Was fragte Prinzeßchen danach, wie man in Paris die Mode ausgeschrieben? Sie trug ihre eigene, seltsam schöne Kleidung: schneeweiße Seide, lang und faltenreich am Körper niederfließend, hoch unter der Brust mit goldenem Gürtel gehalten, den schleppenden Saum mit griechischer Kante und Sternen bestickt, just so, wie ihr der Magister die Bildnisse der Göttin Diana beschrieben.

Wunderlich und eigenartig klang die Kunde von der Prinzessin in die Lande hinaus; die fürstlichen Freier klopften an die Schloßthore, und das geheimnisvolle Reich der Diana berauschte ihnen die Sinne, wie dem Knaben im Hörselberg. Aber wehe! Aus den Flammen ihrer Augen wehte es dennoch wie kühle Schneeluft, und so wonnesam der rote Mund auch lächelte, er sprach dennoch kein holdselig Wort von süßer Liebe, sondern war des übermütigen Scherzes voll, wie ein Bächlein, welches silberhell klingend dahin eilt und dem Dürstenden dennoch durch steile Ufer wehrt, die Lippen zu der labenden Flut zu neigen.

Den Pfalzgrafen Max Theodor verdroß es, daß keiner der Freier energisch genug war, einer Weiberlaune das Ziel zu setzen und die Spröde zum verhaßten Ehebund zu zwingen. Sein rüdes, gewaltthätiges Wesen kannte keine Galanterie und keinen Respekt vor den Frauen; er war es gewohnt, mit der Reitpeitsche zu kommandieren, und ebenso wie er seine bäumenden Rosse mit rauher Hand bändigte und zwang, so sollte alles, was sich ihm entgegen stellte, sich rücksichtslos seinem Willen beugen.

»Die Mondscheinprinzessin will so apart thun?« lachte er hinter vollem Humpen, »und will sich zieren und sperren, wenn ein achtbarer Freier um ihre Hand wirbt? Tod und Teufel, sie soll mal sehen, wie ich meine milchweiße Araberstute fein zahm und gefüge mache, und soll dann noch ihr stolzes Hälschen heben und auftrumpfen: ›Ich mag den Pfalzgrafen nicht!‹ – Haha! Die Zuleika soll ihr ein Vorbild sein –! Wie die anitzt jedem Pfiff und Zungenschlag folgt, so soll über's Jahr die Frau Pfalzgräfin Diana nach ihres Eheherrn Pfeife tanzen!«

Mit diesem stolzen Vorsatz ritt er zum Schloß seines Grenznachbarn ein, und die Leute im Städtchen steckten die Köpfe zum Fenster heraus und blickten scheel und unmutig hinter dem Gaste drein.

Des Pfalzgrafen harte Hand war ihnen allzubekannt, als daß sie sich dieselbe sonderlich zur Führung gewünscht hätten, und sein Regiment war ihnen zu verhaßt, um sich dasselbe im eigenen Lande zu wünschen! Auch hatten sie mit Jubel und Begeisterung verlauten hören, daß ihr reizendes, zauberhaftes Prinzeßchen sich energisch gegen diesen Freier verwahre, und der Gedanke, daß Graf Ernst sein Töchterlein zu der unwillkommenen Ehe zwingen könne, war das aufregende Thema, welches gleich leidenschaftlich am Spinnrad wie am Biertisch besprochen wurde.

Prinzessin Diana, die Wunderholde, Eigenartige, war der Liebling des ganzen Ländchens, und mit Stolz blickten die Bürger auf ihre künftige Herrin, deren Ruf weit in alle Lande gedrungen und um deren Hand die edelsten Prinzen vergeblich warben.

Der Pfalzgraf Max Theodor ward nicht mit sonderlich viel Sympathie begrüßt, weder im Schloß noch in der Stadt; nur Graf Ernst's Auge leuchtete sehr wohlgefällig auf, als ihm der künftige Eidam gar erstaunliche Dinge von dem Wildstand in seinen Jagdgründen berichtete. Da wallte das Blut in seinen Adern, und es hielt ihn nicht länger in den engen Mauern.

Die Hörner schmetterten, und die Herren ritten zum Tann hinab. Pfalzgraf Max Theodor schaute zu den Fenstern des Schlosses empor, als er sich in den Sattel schwang.

»Wo stecket denn Göttin Diana, auf daß sie uns ein Waidmannsheil bietet?« fragte er spöttisch.

Der Graf runzelte die Stirn. »Sie schläft.«

»Haha, geruhsame Träume!« lachte der Freier mit rauher Stimme, aber er wandte doch noch den Kopf, um rückwärts zu spähen.

Da das Jagdgebiet heute ebenso unbegrenzt war, wie die Passion des Gastgebers, so kehrte die Gesellschaft erst sehr spät und sehr hungrig zum Schlosse zurück. Die Araberstute Zuleika hatte wunderliche Marotten bekommen, seit sie den ersten Hafer im Marstall der Prinzessin Diana gekostet; sie verweigerte dreimal den Gehorsam und brachte den Pfalzgrafen dadurch um die beste Jagdbeute.

Uebellaunig setzte er sich zu Tisch. »Ihr gebt den Platz an meiner Seite einem Höfling? Wo bleibt denn die durchlauchtige Wirtin?«!

Der Graf setzte den Humpen hastig an die Lippen. »Sie schläft!« stieß er hervor.

Ein kurzes. zorniges Gelächter. »Um so besser! Man ißt ungenierter, wenn keine zimperlichen Weiber neben einem fasten!« – Sprach's, und aß und trank für dreie. Das machte ihn müde. »Wann steht denn la princesse marmotte auf?« gähnte er.

»Sobald die Lichter brennen.«

»Verrückte Wirtschaft! Dürfte nicht meine Tochter sein!«

Der Graf zuckte die Achseln. »Wollt Ihr Schach spielen oder würfeln, Monseigneur?«

»Meinetwegen! will ein ›Schach der Königin‹ versuchen!«

Die Augen fielen ihm halb zu, nur mühsam hielt er sich aufrecht. Noch immer füllte der Mundschenk die Becher. Das Schachbrett verschwamm vor den Blicken des Freiers. – –

»Mit Verlaub, Euer Liebden, Ihr habt das Spiel verloren! Die Königin schlägt das Pferdlein!« klang plötzlich eine spottende Stimme hinter dem Sessel des Grafen: ein schneeweißes Händchen griff ihm über die Schulter und führte den schnellen Zug auf dem Schachbrett aus. Ueberrascht riß der Pfalzgraf die verglasten Augen auf und starrte die Sprecherin an, welche in blendender Schönheit, siegesstolz ihm gegenüber stand und mit feinem, ironischem Lächeln die schlummertrunkene Gestalt des Freiers musterte.

Er erhob sich unsicher und begrüßte sie mit derber Schmeichelei, und dieweil er sie anstarrte wie eine überirdische Erscheinung, tastete er abermals nach dem Humpen, der Schloßherrin Wohl zu trinken. Lichter erstrahlten, die Saalthüren öffneten sich, und eine festliche Menschenmenge wogte vor den erstaunten Blicken der Schachspieler.

»Was bedeutet das? – Hat sie eine Festivität arrangiert, Diana?«

Die Prinzessin lächelte graziös, der Uebermut blitzte aus ihren Augen. » Parfaitement, cher papa! Ich erlaube mir, den Herrn Pfalzgrafen mit Spiel und Tanz als unsern Gast zu feiern! Wollet mir die Hand zum Rundgang reichen, Monseigneur!«

Die Musik schmetterte, und der Pfalzgraf stützte sich schwer auf den Sessel. »Ihr sehet mich nicht kapabel, Prinzessin, hab' schwere Reiterstiefeln an den Füßen. Blitz und Knall, Eure fête überrascht mich!«

Diana lächelte abermals und verneigte sich voll Anmut. »So wechselt Ihr wohl Euer Habit, Monseigneur, und gestattet, daß mich derweil ein anderer Kavalier zum Tanze führt?!« – Und ohne die Antwort abzuwarten, winkte Prinzessin Diana dem jungen Grafen von Dietz und reichte ihm huldvoll die Hand.

Wie silbernes Mondlicht leuchtete ihr weißseidenes Gewand, als sie mit schelmischem Lächeln zum Saale schritt, rechts und links neigten sich Kavaliere und Damen, und mit umwölkter Stirn schob Graf Ernst den Arm in den seines Gastes und folgte mit ihm dem eigenwilligen Töchterchen.

Mit müden Augen starrte der Pfalzgraf in das bunte Gewirr. Musik und Tanz wirkten noch einschläfernder auf ihn. Prinzessin Diana blendete ihm den Blick Da stöhnte er endlich schwer auf und flüsterte Graf Ernst etliche Worte zu; nach wenig Minuten waren die beiden fürstlichen Herren aus dem Saal verschwunden.

Droben in seinem prunkenden Gastbett lag Max Theodor und schnarchte in tiefem Traum, und drunten, im flimmernden Kerzenglanz, tanzte Prinzessin Diana ihm zu Ehren mit übermütig blitzenden Augen!


Als der Pfalzgraf am andern Morgen erwachte, hatte er trotz der ärgerlichen Erinnerungen an den vergangenen Abend doch ein Gefühl unbekannten Entzückens, wenn er an die zauberhafte Lichtgestalt der Prinzessin dachte. Er ließ sich hastig ankleiden und betrat die blühenden Laubengänge, in deren ersten Pavillon Graf Ernst den Gast zum Frühmahl erwartete.

»Sind wir abermals allein? Speisen wir wieder ohne Euer Liebden Töchterlein?«

Der hohe Herr nickte gelassen. »Ihr wißt es ja, lieber Freund, daß Diana tagsüber schläft.«

Ein unterdrückter Kernfluch: »Warum duldet Ihr derartige Narrenspossen?«

»Weil man gegen die Natur eines Menschen nicht; ankämpfen kann.«

»Natur! haha! Frauenzimmer haben keine Natur, sondern nur Launen und Eigensinn! Ihr solltet einmal drohen und strafen, dann würde das absonderliche Prinzeßchen sich bald ebenso gebahren, wie andere vernünftige Christenmenschen auch!«

»Strafen? Ihr rauher Hagestolz redet wie ein Blinder von der Farbe! Die Diana ist mein einzig Kind, mein einzig liebes Wesen auf der Welt; sie hat ihren freien Willen. Nun aber sprecht dem Wein und Braten tüchtig zu, mein Prinz, ich denke, wir holen heut den Sechzehnender heim!«

Verdrießlich schaute Max Theodor nach den fest geschlossenen Fenstern des Schlosses, that dem Imbiß alle Ehre und schwang sich schweigsam auf sein Jagdroß.

Diesen Abend wollte er weniger trinken und den Platz zur Seite der Erkorenen behaupten.

Und die Sonne sank, – Mond und Sterne blitzten am Himmel.

Da traten zwei Pagen in das Gemach des Pfalzgrafen, welcher sich nach der Tafel zur Ruhe gelegt hatte, um am Abend desto munterer zu sein.

Die blondlockigen Bürschlein verneigten sich tief und legten ein köstlich seidenes Gewand vor dem Gaste nieder: »Die allergnädigste Prinzessin haben dem Herrn Pfalzgrafen, Durchlauchtige Gnaden zu Ehren ein Schäferspiel im Lustgarten des Schlosses befohlen und senden dem gnädigsten Herrn selbes Maskenkleid, ohne welches keinem Teilnehmer der Eintritt zu den Rosengängen gestattet ist. Wollen der Herr Pfalzgraf sich desselben bedienen und Kavalier der liebwertesten Prinzessin sein?« –

Keine Antwort abwartend, zogen sich die Boten hastig wieder zurück und Max Theodor starrte verblüfft auf den absonderlichen Staat nieder. Ein zierlich Hütlein mit einem Rosenkranz umwunden, ein rosenfarbener, seidener, ziemlich kurzer Rock, himmelblaue Kniestrümpfe und Rosettenschuhe, dazu der goldene Hirtenstab mit Strauß und Bändern.

»Verfluchte Geschichte!« schäumte der Freier, »Kniestrümpfe soll ich anziehen? ich?! und darin gar im Schäferspiel springen und Kapriolen machen? Der Satan soll es holen! Wäre meine Rolle ja in diesem Schloß sofort ausgespielt!« Er nahm ingrimmig den Rosenkranz und probierte ihn auf. Unbeschreiblich lächerlich schaute ihm sein Bild entgegen, just als habe man eine Bulldogge zum Mummenschanz geputzt.

Nein, unmöglich konnte er sich zu einer derart possenhaften Figur herausputzen, und ebensowenig konnte er der Prinzessin solch ein Zugeständnis machen!

Mit einem grimmen Fluche warf der kernige Reitersmann den Tand von sich, rief seinen Kammerdiener und sandte ihn zu der Schloßherrin: »Der Herr Pfalzgraf lasse gehorsamst für heute abend um Urlaub bitten, er sei von der Jagd ermüdet und gewohnt, wie jeder rechtliche und vernünftige Mensch, während der Nacht zu schlafen.«

Dann stand er mit kochendem Grimm im Herzen am Fenster, und schaute hinab, wie die Prinzessin zwischen Rosen und flimmernden Lichtlein ihr märchenhaftes Fest feierte, wie sie lachend und scherzend den Reigen mit den schlanken Edelherren führte, denen Rosenkranz und Kniestrumpf weit besser kleideten, wie ihr männlich Rittergewand.

So verging auch der nächste Tag, ohne daß Max Theodor Gelegenheit gefunden hätte, sich der erwählten Braut zu nähern, geschweige ihr zu imponieren oder ihren spröden Sinn zu ändern.

Sehr erstaunt vernahmen die beiden fürstlichen Herren, daß die Prinzessin am nächstfolgenden Abend »zu der Frau von Roschlitz« über Land gefahren sei; sie habe zur Belustigung für den Herrn Pfalzgrafen eine Musikunterhaltung bestellt, da aber Monseigneur gewohnt sei, die Nacht zu schlafen, so habe sie dieselbe auf das Schloß der Frau von Roschlitz befohlen, damit die Ruhe des erlauchten Herrn nicht derangiert werde.«

Was war da zu machen?

»Also geht das Ding nicht weiter!« polterte Graf Ernst, und der Pfalzgraf sprach: »Hat seltsame Belustigungen für mich, die gnädige Prinzessin! Tod und Teufel, ich bin ein Soldat, ein Jäger und Reitersmann! All die Festivitäten mit Spiel und Tanz sind mir in der Seele zuwider!«

»So soll heute abend im Hof ein altritterlich Spiel aufgeführt werden!«

»Laßt uns Füchse prellen, damit die Prinzessin meine Gewandheit und Kraft einmal bewundern kann!«

» Parbleu! hab einen ganzen Zwinger voll von diesem roten Ungeziefer!«

»So wollen wir anitzt der Durchlauchtigen die Invitation zu einer Lustbarkeit senden!«

»Nur nicht allzu frühzeitig die Stunde nennen, denn wie Ihr wißt, schläft Diana bis die Nacht anbricht, und ihr Trotzköpflein möchte leicht die Einladung refüsieren, falls dieselbe sie inkommodiert!«

Pfalzgraf Max Theodor murmelte etwas Unverständliches zwischen den Zähnen und schlug mit der Hand dröhnend auf die eichene Tafelplatte: »Können wir etwa die Langschwänze in der Dunkelheit prellen?«

»Unbesorgt, Euer Liebden! Es giebt genugsam Windlichter in meinem Schloß, um den ganzen Hof taghell zu illuminieren!«

»Das ist ein ander Ding!« Der fürstliche Freier rieb sich schmunzelnd die Hände: »Kann ein rechtes Gaudium werden, und soll mich der liebwerten Diana in gutem Ansehn präsentieren! Wolltet nur bald die Vorbereitungen treffen lassen, durchlauchtiger Herr; zum Jagen aber reite ich heute nicht, denn solch ein Plaisier schafft Durst und Euer Wein fällt mir wie Blei auf die Augenlider!«

»Wie Ihr wünscht, Herr Pfalzgraf; beurlaubt mich, daß ich meine Befehle geben kann.« – –

 

In den Zimmern der Prinzessin herrschte ein geheimnisvoll reges Treiben.

Ursel, die vertraute alte Kammerfrau, flüsterte hinter dem Thürvorhang eifrig mit einem Hoffräulein und dem jungen Herrn von Heldern, welcher der besonders wohlgelittene und ausgezeichnete Page Dianas war.

»Die Durchlauchtigste haben befohlen, daß ich alles Absonderliche, was sich in der Schloßhege ereignet, sofort berichten soll, und die Fuchshatz heute abends geschieht zu ganz besonderen Zwecken, meiner Seel!«

»Wecke sie nur getrost die Herrin, Ursel, und berichte sie den Vorfall!«

Die Kammerfrau seufzte: »Du lieber Herrgott! wenn unser Prinzeßchen nur nicht das Spiel verliert! Bisher ist alles so schön geglückt!«

»Ganz vortrefflich geglückt! Fürchte aber auch, es wird ein solches Intriguenspiel auf die Dauer nicht durchzuführen sein!«

»Und warum nicht, Freifräulein?« Der Page warf sich mit blitzenden Augen in die Brust, »stehen wir nicht alle, das gesamte Volk, zu unsrer gnädigen Prinzessin? Möchte traun den Freier sehen, der bei ihr reüssieren würde, so wir nicht alle Ja und Amen dazu sagen! Gehe sie nur flink, Ursel, und melde sie mich! Im Hof hängt man schon die Windlichter auf!«

Wenige Minuten später führte die Kammerfrau das Freifräulein von Usadel und den Pagen in das Gemach der Prinzessin. Leises, lustiges Flüstern; ein schneller Kriegsrat, und dann stürmte Heldern mit glühenden Wangen davon, die Befehle auszuführen.

Auf erhöhtem Sitz über der Zwingermauer saß die Prinzessin mit ihren Damen und schaute über den Rand ihres runden Spiegelfächers in den dämmrigen Raum hernieder.

Drunten standen die Kavaliere mit den Prelltüchern und steckten ironisch flüsternd die Köpfe zusammen, dieweil der Pfalzgraf den Boden stampfte und auf die jämmerliche Beleuchtung schimpfte.

»Ihr habt da ein paar hundert Windlichter aufgehängt, und dennoch sieht man kaum drei Schritte weit!« wetterte auch Graf Ernst den Haushofmeister und die Lakaien an, »warum brennen nicht die sämtlichen Lichter?«

»Halten zu Gnaden, durchlauchtiger Herr, der Wind löscht die Flammen aus, wenn wir sie kaum entzündet haben!«

»Der Wind? Es regt sich ja kein Lüftchen!«

Der Hofmarschall zuckte alteriert die Achseln: »Ja, es ist unbegreiflich! Dann mag es wohl an den Lichtern selbst liegen – –«

»Hallunkenzeug! Lasse er Lakaien umherlaufen, die stets neu entzünden, was erlischt!«

»Zu Befehl, Euer Durchlaucht!«

Hin und her schwirrten die Bedienten, aber es schien, als ob sie mehr Lichter auslöschten, als neu ansteckten. Wie jämmerliche, kleine Fünkchen brannten sie im Kreise, und da alle Mühe vergeblich war, den Platz besser zu erhellen, rief der Pfalzgraf zornbebend: »Laßt die elenden Glühwürmlein zum Teufel sein! Wir sehen genug zu unserm Spiel, drum wollen wir beginnen!«

Die Musik setzte ein, eine klägliche, langweilige Weise, und die Zwingerthüren öffneten sich, die armen Füchslein in wilder Hast hervorstürmen zu lassen.

Mit blinder Aufregung beteiligte sich der Pfalzgraf an dem nunmehr beginnenden Treiben, und je wilder drunten im Zwinger die Langschwänzlein mit Halliho und Hussa geprellt wurden, desto dunkler ward es, so dunkel, daß die Füchse entschlüpften, man wußte gar nicht wie!

Lampe um Lampe verlöschte, ein Freund Reinecke nach dem andern entwischte, und Graf Ernst rief wütend: »Wohin verkriecht sich das Hallunkenzeug?! Ist etwa ein Loch im Gatter?«

Die Jägerburschen eilten nach den beiden hohen Holzgitterthoren. »Welch ein Unverstand! Wer hat die Netze herniedergetreten? Da schaut, hier kann jeglicher Fuchs bequem passieren!«

Die Herren wetterten und ärgerten sich schlagrührend, und dieweil man hin und her schrie und tobte, hauchten droben die letzten Lämplein qualmend ihre Seele aus.

Die Lustbarkeit war zu Ende.

Der Pfalzgraf trat spornklirrend zu Prinzessin Diana heran. »Der Satan hat seine Hand im Spiel gehabt, drum ist der Scherz verunglückt! Habet Ihr trotz der miserablen Beleuchtung genugsam sehen können? Ich stand just vor Euch und spielte Euch zu Ehren mit dem Rotrock!«

Prinzeßchen sah unendlich gelangweilt aus. Sie unterdrückte ein Gähnen und sprach: »Ich habe weder Euch noch Euer Gebaren erblicken können, Monseigneur, denn es war zu dunkel im Zwinger. Außerdem sind dererlei grausame Ergötzlichkeiten nicht nach meinem Behagen.«

Er runzelte zornig die Brauen. »Wenn Ihr nicht den Tag verschlafen, sondern solch ein ritterlich oder weidmännisch Spiel am Tage observieren wolltet, würde es Euch schon gar wohlgefallen, liebwerte Durchlaucht! Seht, man rühmt mich als besten Reiter im deutschen Lande, lasset mich Euch eine Probe geben! Hebt Euch einmal beizeiten vom Lager und schauet es im Sonnenscheine an, wie meine Kavaliere und ich eine Quadrille und viele artige Kunststücklein reiten, dann werden Eure Augen gewiß recht gnädig auf mir ruhen.«

»Solch eine Verheißung ist sehr verlockend, durchlauchtigster Herr, aber ich bin trostlos, Eurer Invite nicht folgen zu können! Seht, meine Augen sind ganz absonderlicher Art, ich kann sie nicht aufhalten, wenn der Tag scheint und muß schlafen, ob ich will oder nicht!«

»Narretei!« rief er heftig. »Wollet Ihr mir Undinge vorreden, Prinzessin? Weiß ich nicht, daß Ihr früher gelebt hat, wie alle anderen Menschen auch? Weshalb führet Ihr plötzlich solch ein thöricht Possenspiel auf?«

Mit ironischem Lächeln sah sie in sein brutales, zorngerötetes Gesicht. » Car tel est notre bon plaisir, mon prince!« spottete sie, »habe bisher nicht nötig gehabt, die Meinung der Leute zu questionieren, wenn ich that, was mir beliebte.«

»Ihr werdet aber meine Quadrille anschauen!«

»So Ihr sie am Tage reitet, schwerlich.«

»Wäre schlimm, wenn Ihr Recht behalten solltet!«

»Haha! Ihr wollt mich zwingen?«

»So sicher, wie ich mein Lebenlang allen Trotz und Widerstand brach! Wisset wohl, warum ich hier bin. Ist zwar absonderliche Zeit und Manier, Euch anitzt von meiner Werbung zu sprechen, da aber die Spatzen auf dem Dach von selbem Histörlein bereits pfeifen, so braucht's keiner Umschweife mehr. Zum Weibe begehr ich Euch und freie um die Prinzessin Diana, so wie sie sein sollte, demütig, artig, höflich und wohlverständig, so aber wie die Prinzessin anitzt ist, kann ich sie nicht zu meiner Hausfrau machen, und darum soll sie den Mann und Herrn in mir erkennen lernen, dem das Weib gehorcht, wann er befiehlt. Bin kein Laffe, der sich von Weiberlaune kujonieren läßt! Merket es wohl, Prinzeßlein, ich will Euch lehren, das Sonnenlicht und meine Quadrille zu schauen, so wahr ich mein ritterlich Wort verpfände!«

»Wohlan, Herr Pfalzgraf, ich greife den Handschuh auf, welchen Ihr mir hinwerft. Seht, ob Ihr Euer Wort lösen könnt, doch wisset zuvor, daß immer der am besten lacht, welcher zuletzt lacht.« – Sprach's, neigte kaum merklich das Nasenspitzchen und schritt, gefolgt von ihren sehr bestürzten Damen, in ihre Gemächer zurück.

Graf Ernst hatte die wunderliche Werbung seines künftigen Eidams mit angehört. Seine Mißstimmung gegen Diana war groß, denn er hatte es gar wohl durchschaut, daß die verlöschenden Lampen und niedergetretenen Netze eine Intrigue waren, welche das eigenwillige Töchterlein geschickt in Szene gesetzt hatte. Sie hatte aber dadurch nicht allein dem Pfalzgrafen, sondern auch ihm das Vergnügen zerstört, und darum ärgerte er sich und lieh den aufreizenden Worten seines künftigen Eidams ein willigeres Ohr, als er sonst bei ruhigem Blut gethan haben würde.

Beim Wein saßen sie zusammen und besprachen, wie der Starrsinn der Prinzessin wohl zu beugen sei.

»Mein Wort muß ich einlösen!« rief Max Theodor gereizt, »gleichviel auf welche Weise. Dadurch setze ich mich bei der durchlauchtigen Dame in Respekt und beginne damit allsogleich meine Edukation, welche sie zu einem raisonablen Frauenzimmer machen soll!«

»Besser gesagt, wie gethan!«

»Lasset mich nur machen, und gebt mir Vollmacht, schalten und walten zu dürfen, wie es mir konvenieret!«

»Die sollt Ihr haben, Euer Liebden, doch bitte ich Euch, zu bedenken, daß die Waffe, mit welcher Ihr kämpfet, ein zweischneidig Schwert ist!«


Frau Ursel trat atemlos zu ihrer Gebieterin. »O, gnädige Prinzessin, es ereignen sich im Geheimen gar erschreckliche Dinge im Schloß, weswegen der treue Heldern sehr pressieret ist, Euer durchlauchtigen Gnaden eine Meldung zu machen!«

»Führe ihn allsogleich zu mir!«

Wenige Augenblicke später neigte der Page sein, von langen, goldblonden Locken umwalltes Haupt vor seiner Gebieterin; sein Auge blitzte, die Wange brannte wie Purpur. Aufgeregt flüsterte er der Prinzessin und Fräulein von Usadel eine Mitteilung zu. Alles Blut wich aus den Wangen der Fürstin.

»Max Theodor ist ein wüster Gesell! Solch eine Malice und Ungehörigkeit ist ihm zuzutrauen! Wie sollen wir solch eine Gewaltthätigkeit abwenden, liebe Freunde?«

»Wollet Ihr mich in Gnaden anhören, liebwerte Herrin?« bat Heldern und neigte demütig das Knie vor der angebeteten Dame.

»Sprich, mein Freund, und so Du guten Rat weißt, lasse ihn verlauten!«

Da gab's abermals ein leises Flüstern, und plötzlich lachte die Prinzessin silberhell auf, legte die weiße Hand auf den Kopf des Sprechers und rief jubelnd: »Das ist magnifique! Das ist köstlich! So Deine List glückt, Heldern, will ich Dich fürstlich lohnen!«

Welch ein übermütiges, kicherndes Durcheinander in den Gemächern der Prinzessin! Man lachte, tuschelte, jauchzte, lief geschäftig hin und her – und dann ward es plötzlich totenstill. Prinzessin Diana lag auf ihrem Ruhebett und schlief, und die alte Ursel saß neben ihr in einem Sessel und schlummerte noch tiefer und fester, wie ihre junge Herrin.

Drunten im Schloßhof aber ward in lautloser Hast ein Quadrillenreiten vorbereitet.

Kopf an Kopf drängte sich das Schloßgesinde, die Damen und Herren des Hofes und die Bürger des Städtchens in dem geräumigen Schloßhof zusammen. Die Herren hatten bereits die Pferde bestiegen, nur der Pfalzgraf stand noch in seinen mächtigen Stulpstiefeln an der Schloßthür und zwirbelte mit verbissenem Lächeln den Schnurrbart. »Wo schläft die Prinzessin?« flüsterte er.

»Es trifft sich alles sehr günstig, gnädiger Herr!« gab sein Hofmeister leise zurück, »die durchlauchtige Herrin hat sich, des heißen Wetters wegen, hier in dem nächsten Saal des Erdgeschosses betten lassen; wir werden wenig, oder gar keine Mühe haben, den Befehl Eurer Gnaden zu erfüllen, wenn der Herr Pfalzgraf nur voran schreiten wollen!«

»Folgt mir.«

Max Theodor und vier kraftvolle Lakaien traten in das Schloß. »Durch den ersten Saal zur Rechten!« flüsterte der Hofmeister. ,

Vortrefflich, keine Thür ist abgeschlossen. Lautlos treten die Männer ein. »Nun leise, hier schläft sie!«

Max Theodor schiebt den Thürvorhang beiseite. O, welch eine Chance, auch die Kammerfrau ist eingeschlafen! Lautlos nähert sich die kleine Schar auf schwellendem Teppich. Hier, unter schaukelnden Blattzweigen, Ranken und Pfauenfächern steht Dianens Lager. Weiß seidene Decken umhüllen die schlanke Gestalt, über Arme und Brust ist ein köstlicher sternengestickter Shawl gebreitet, und – wahrscheinlich um den Fliegen zu wehren, – liegt ein dichter weißer Schleier um Haupt und Antlitz geschlungen, nur ein paar goldene Locken leuchten über der Stirn. Ein triumphierendes Lächeln verzieht das gerötete Gesicht des Pfalzgrafen. Ein Wink seiner Hand, und die vier Lakaien heben lautlos das Ruhebett und tragen es behutsam aus dem Zimmer.

Totenstille herrscht im Schloßhof, starr vor Staunen sind aller Augen auf das weißverhängte Lager gerichtet, welches im Portal erscheint. Im Geschwindschritt tragen es die Lakaien inmitten des Hofes.

»Die Prinzessin! Es ist die Prinzessin!« geht es wie ein Ruf der Empörung durch die Zuschauermenge.

Max Theodor ist auf sein Roß gesprungen und reitet dicht an das Ruhebett heran.

»Prinzessin Diana!« ruft er mit rüder Stimme, »ich löse mein Wort ein, und freue mich, daß Ihr im hellen Sonnenschein zugegen seid, meine Quadrille anzuschauen! Hollah! Die Lustbarkeit beginnt!«

Ein leiser, heller Aufschrei. Die verschleierte Gestalt macht eine jähe Bewegung, aber sie drückt das Antlitz tief in den Shawl und zieht den Schleier fester um sich her.

»Los geritten!« kommandiert der Pfalzgraf mit schallendem Gelächter.

Und die Quadrille beginnt. Der wunderliche Freier leistet die verwegensten Bravourstücklein, aber sein Antlitz färbt sich glühend rot vor Zorn, denn die Prinzessin Diana sieht sie nicht; regungslos liegt sie mit verhülltem Angesicht.

»Prinzessin, schauet auf!« donnert er.

Tiefer noch verbirgt sie ihr Köpfchen unter dem Schleier.

Da schäumt sein trotziges, gewaltthätiges Blut. Er spornt wild sein Roß, ein gellendes Geschrei im Publikum und im hohen Bogen saust Zuleika über das Lager hinweg.

Das wirkt. Die verschleierte Gestalt schnellt empor und hebt entsetzt die Arme.

»Nun? Habt Ihr endlich aufgeschaut?« triumphiert spottend der Reiter. »Mit Verlaub, Prinzessin, wollte Euch ja nur zeigen, wie wacker mein Rößlein springen kann!«

Atemlose Stille. Da sinkt der Schleier, mit schnellem Sprung wirft die Gestalt die Decken von sich und steht auf den Füßen – Heldern, der Page der Prinzessin.

Wie versteinert starrt das Publikum diese Ueberraschung an, und Max Theodor reißt die Augen auf, als sähe er ein Gespenst.

Heldern aber verneigt sich höflich und zieht aus dem Gürtel einen Brief. »Prinzessin Diana, meine allergnädigste Herrin, läßt den Herrn Pfalzgrafen durch selbes Skriptum ihr Bedauern vermelden, dem Wunsche des durchlauchtigen Herrn nicht nachkommen zu können, da dieselbe keine Ausnahme in ihren Lebensgewohnheiten zu machen pflegt und sich keinem fremden Willen, auch dem Euern, weder heut noch sonsten zu fügen gedenkt!«

Ein lautes, donnerndes Gelächter erschüttert rings die Luft, Pfalzgraf Max Theodor aber knäult in zitternder Wut den Brief zusammen, schleudert ihn von sich und spornt sein Roß an. Ohne rechts und links zu blicken, saust er wie das böse Wetter über den Hof und die Brücke seinem Heimatschloß entgegen.


Obwohl der junge Heldern den Anschlag des Pfalzgrafen zunichte gemacht und denselben in eine Blamage für ihn selber umgewandelt hatte, war Prinzessin Diana dennoch empört über die wenig zarte Weise, in welcher der fürstliche Petrucchio seine Widerspenstige zähmen gewollt. Sie schwor ihm erbitterte Rache, um so mehr, als Graf Ernst gleich ihr das Vorgehen Max Theodors wenig nach seinem Geschmack fand. Einen derartigen Streich hatte er denn doch nicht von ihm erwartet, und wenn er auch aus Klugheit und um etwaige Händel mit seinem stärkeren Grenznachbar zu vermeiden, kein Wort darüber verlauten ließ, und sich nach wie vor den Werbungen des Pfalzgrafen günstig stellte, so fühlte er sich im Herzen dennoch schwer gekränkt und beobachtete es voll heimlicher Genugthuung, daß seine Tochter mehr denn je entschlossen war, den Kampf gegen den verhaßten Freier fortzuführen.

Dieser hatte zornbebend manch lauten Schwur gethan, sich die spröde Landeserbin dennoch zur Gemahlin zu erzwingen, und so änderte er jählings sein Wesen und hoffte im Netz zu fangen, was nicht an der Angel beißen wollte.

Er sandte Boten mit kostbaren Geschenken und Briefen an die Prinzessin, in welchem er sich selber reuevoll und tief zerknirscht seines unziemlichen Benehmens anklagte, Diana die klügste und holdseligste Prinzessin nannte und sich von ihrem Geist und Witz besiegt erklärte. ›Er habe anitzt vermerket, daß ihr Wille fester und respektabeler sei, denn der seine, und stehe nicht mehr an, sich demselben zu beugen. Ihr Sklave wolle er sein und ihr in Gehorsam und Treuen ritterlich dienen, so es die durchlauchtige Herrin gestatten wolle, daß er feierlich um sie werbe!‹

Mit triumphierendem Lachen las er die Antwort Dianas. Sie schrieb milde und versöhnlich, ja sie betonte, daß sie viel Kurzweil durch seinen kecken Streich gehabt und sich freue, daß ihn die Liebesleidenschaft also verblendet habe, einen derartigen Anschlag auszuführen. Zum Schluß wehrt sie sich allerdings noch ein wenig gegen sein Kommen: »Wartet ab, bis man hier zu Lande vergessen hat, wie wacker Euer Rößlein springen kann!«

Aber der Pfalzgraf warb nur um so schmeichelhafter und stürmischer, und schließlich erhielt er den Bescheid:

»Wollet immerhin thun, was Ihr nicht lassen könnt, – das eine aber erfüllet nach meinem Willen! So Ihr um mich werben wollt, so sei es an meinem Namenstage in drei Wochen! Da soll ein großes, höfisches Fest im Schloßhof gefeiert werden, wo ich unter dem Baldachin vor allem Volk sitze. Um Euretwillen, und damit alles vordem Geschehene ausgeglichen werde, sollt Ihr mich im hellen Sonnenlicht zu Eurem Empfang bereit finden.«

Max Theodor frohlockte; nun hatte er gesiegt, nun war er glänzend rehabilitiert, wenn die Prinzessin ihm vor all jenen Leuten, welche damals seinen schmählichen Abzug geschaut, die Hand zum Bunde reichte.

Der bestimmte Tag nahte, und ein Bote ritt in des Pfalzgrafen Schloß ein, welcher vermeldete, daß ein königlicher Herr Einkehr beim Grafen Ernst gehalten, und das Fest dementsprechend feierlich hergerichtet werden müsse. So sei die höfische Modekleidung eine Hauptbedingung.

Max Theodor biß sich ärgerlich auf die Lippe. »Ich trage sehr ungern, fast niemals die verteufelte Kniehose!« grollte er, »und an diesem Tage möchte ich sie am allerwenigsten anlegen! Möcht' am liebsten daheim bleiben, wenn's mir nicht um die Verlobung wäre! Tod und Hölle! warum hat der hohe Gast nicht eine andere Zeit zu seiner Visite gewählt!«

Der Hausmeister lächelte vertraulich. »Der gnädige Herr Pfalzgraf können getrost die Kniehose anlegen! Meine erlauchte Herrin ist genau unterrichtet, wie und warum dieselbe Euerer Durchlaucht unlieb ist, aber sie hält das Gerede für Narretei, da sie weiß, daß ein so trefflicher Reitersmann wie Euer Liebden, seine Füße im Bügel anders gewöhnt hat, wie andere Menschen.«

Max Theodor horchte hoch auf, ein mißtrauischer Blick fixierte den Sprecher. »Die Prinzessin wüßte wahrlich …?« fragte er gedehnt.

»Alles, durchlauchtigster Herr, doch ist sie eine geistvolle und aufgeklärte Dame, welche beim Manne nicht auf das Aeußere, sondern auf den inneren Wert blicket.«

»Vortrefflich. Außerdem … was nützt ein Verheimlichen? So mich die Gnädige freien will, mag sie mich auch nehmen, wie ich bin.«

Und er sagte sein Kommen in zuckersüßem Schreiben zu, denn seine Habgier, das Nachbarländlein zu gewinnen, und seine Herrschsucht, die spröde Feindin zu demütigen und zu überlisten, waren größer noch wie seine Eitelkeit.

In den Gemächern der Prinzessin Diana aber herrschte ein reges, geheimnisvolles, unendlich übermütiges Treiben, bei welchem der Page Heldern und das Schoßhündchen der Gebieterin die Hauptrollen spielten.

Die Prinzessin aber herzte und küßte mehr denn je das Pastellbildchen auf ihrer Brust und flüsterte glückselig: »Endlich nahst du mir, mein königlicher Aar, und Du kommst mir, wie der Ritter Sankt Georg, in höchster Not, meinem armen, bedrängten Herzen ein Beschützer zu werden!«

Pauken und Trompeten schmetterten. Blütengewinde und flatternde Fahnen schmückten Schloß und Hof, und unter dem himmelblauen seidenen Baldachin, erhöht auf der Schloßterrasse, saß Prinzessin Diana zwischen ihrem Vater und dem nordischen Königssohn, welcher schön und stattlich, wie ein verkörperter Märchenprinz, an ihrer Seite stand. Sein Auge ruhte voll Entzücken auf der reizenden Schloßherrin, und er neigte sich und flüsterte ihr Worte in das Ohr, welche sie noch heißer erglühen ließen, wie die Purpurrosen an ihrer Brust.

In glänzenden Scharen erschienen die Gäste, sich vor der Prinzessin glückwünschend zu verneigen, und von den Tribünen herab jubelten die Bürger des Städtchens, dieweil sich die Dienstbaren auf Dach und Söller gedrängt hatten, oder von den hohen Bäumen der Umgegend das glänzende Schauspiel überblickten.

Wieder verkündete Horngeschmetter das Nahen eines erlauchten Gastes, und vor dem Portal hielt die Reisekalesche des Pfalzgrafen.

»Ist's der?« flüsterte der Königliche Prinz an Dianens Seite mit zornblitzendem Auge.

»Er ist es, Sire, und so Ihr mir die Permission gebet, räche ich mich anitzt für die mir angethane Schmach.«

Er nickte hastig Beifall und blickte finster dem ungebührlichen Freier entgegen, vor welchem sich eine Gasse in der Menge bildete, ihm freie Bahn zu geben.

Allein, von allen Augen mißgünstig angeschaut, schritt der Pfalzgraf, stolz aufgeplustert und gespreizt über den freien Platz, der Terrasse entgegen.

Ein heimliches Raunen des Spottes ging durch die Versammlung: »Seht seine Beine! Sie sind krumm und rund wie ein Faßreif, anitzt kann man es sonderlich erblicken!«

Langsam näherte sich Max Theodor dem Thronsessel der Prinzessin. Da richtete sich Diana plötzlich auf, klatschte mit ihrem Fächer in die Hand und rief mit stolzer Stimme: »Aufgemerkt, Herr Pfalzgraf, ich löse mein Wort ein, wie ehemals Ihr das Eure einzulösen gedachtet, und begrüße Euch im hellen Sonnenschein! Halloh! Die Lustbarkeit beginne!«

Da schoß zwischen den Füßen des Pagen von Heldern der kleine Seidenspitz hervor. »Hopp, hopp!« kommandierte der junge Edelmann, kaum hörbar anhetzend, und das Hündchen sprang schnell und glatt dem entsetzten Freier durch die Beine, hin und her, immer schneller, immer fröhlicher kläffend, wie man sonst einen Hund durch einen Reifen springen sieht.

Ein tobendes, donnerndes Gelächter erschütterte die Luft, während Max Theodor schäumend vor Wut den Degen zog, auf das boshafte Hündlein einzuschlagen. Prinzessin Diana aber hob die Hand, daß sich der Lärm einen Augenblick legte, und rief spottend: »Mit Verlaub, Herr Pfalzgraf, wollte Euch ja nur zeigen, wie wacker mein Hündlein springen kann!«

Da ward dem Gefoppten klar, warum er in Kniehosen zu diesem Fest befohlen war. Die Prinzessin hatte ihn mit den eigenen Waffen geschlagen, sie war gerächt.

Ohne ein Wort der Entgegnung stieß er den Degen in die Scheide zurück, wandte sich und schritt zu seiner Kalesche.

 

Am Tage, da die Prinzessin Hochzeit gemacht, so berichtet der Chronist, ist der Pfalzgraf ingrimmen Herzens davon gefahren, den viel gepriesenen Wein im Land Italia zu schmecken, doch hat man schon um den Tag der heiligen drei Könige die übele Kunde gebracht, daß er in der Stadt Ravenna eines jähen Todes verstorben ist, was alle Leute im Lande entsetzet hat.

Prinzessin Diana ist für lange Jahre von der Heimat getrennt worden, hernachen aber als Wittib heimgekehrt, wo sie ein stilles, Gott wohlgefälliges Leben in tiefer Frömmigkeit geführet.

 

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Adolf Riese, Saalfeld i. Th.

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