Autorenseite

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Oden und Lieder.
Fünftes Buch.


An die heutigen Encratiten.

Was edle Seelen Wollust nennen,
Vermischt mit schnöden Lüsten nicht!
Der ächten Freude Werth zu kennen
Ist gleichfalls unsers Daseins Pflicht.
Ihr fallt oft tiefer, klimmt oft höher,
Als die beglückende Natur:
Ihr kennt vielleicht Epicuräer;
Doch kennt ihr auch den Epicur?

Sind nicht der wahren Freude Grenzen
Geschmack und Wahl und Artigkeit?
Entehrte Scipio mit Tänzen
Den Heldenruhm und seine Zeit?
Die Liebe, die auch Weise loben,
Macht ihre Liebe nicht zu frei:
Der Wein, den Plato selbst erhoben,
Verführt ihn nicht zur Völlerei.

Zu altdeutsch trinken, taumelnd küssen
Ist höchstens nur der Wenden Lust:
Wie Kluge zu genießen wissen,
Verbleibt dem Pöbel unbewußt,
Dem Pöbel, der in Gift verkehret,
Was unserm Leben Stärkung bringt,
Und der die Becher wirklich leeret,
Wovon der Dichter doch nur singt.

Von welchen Vätern, welchen Müttern
Erbt ihr die Einsicht großer Welt?
Die Liebe kennt ihr aus den Rittern,
Die uns Cervantes dargestellt;
Euch heißt der Wein der Unart Zunder,
Und fremder Völker Trinklied Tand:
O dafür bleib' euch der Burgunder,
Lainez und Babet unbekannt!

Der Unterschied in Witz und Tugend
Ist größer, als man denken kann.
Es zeigt die Sprache muntrer Jugend
Nicht stets der Jugend Fehler an.
Petrarchen, der in Versen herzet,
War Laura keine Lesbia;
Voiture, der so feurig scherzet,
Trank Wasser, wie ein Seneca.

Nie ist der Einfalt Urtheil schwächer,
Als wann's auf Schriftverfasser geht.
Da heißt Sallust kein Ehebrecher:
Er lehrt ja streng, als Epictet;
Doch Plinius ist zu verdammen:
Der hatte Welt und Laster lieb.
Wie sehr verdient er Straf' und Flammen,
Weil er ein freies Liedchen schrieb!

So liebreich und so gründlich denken
Die Tadler spielender Vernunft,
Und wünschen, um sie einzuschränken,
Der ernsten Zeiten Wiederkunft;
Der Jahre, da des Gastmahls Länge
Den steifen Sitzern Lust gebar,
Und wiederholtes Wortgepränge,
Was jetzt ein Lied von Carpsern war.

 

Der Mai.

Der Nachtigall reizende Lieder
Ertönen und locken schon wieder
Die fröhlichsten Stunden ins Jahr.
Nun singet die steigende Lerche,
Nun klappern die reisenden Störche,
Nun schwatzet der gaukelnde Staar.

Wie munter sind Schäfer und Heerde!
Wie lieblich beblümt sich die Erde!
Wie lebhaft ist jetzo die Welt!
Die Tauben verdoppeln die Küsse,
Der Entrich besuchet die Flüsse,
Der lustige Sperling sein Feld.

Wie gleichet doch Zephyr der Floren!
Sie haben sich weislich erkoren,
Sie wählen den Wechsel zur Pflicht.
Er flattert um Sprossen und Garben;
Sie liebet unzählige Farben;
Und Eifersucht trennet sie nicht.

Nun heben sich Binsen und Keime,
Nun kleiden die Blätter die Bäume,
Nun schwindet des Winters Gestalt;
Nun rauschen lebendige Quellen
Und tränken mit spielenden Wellen
Die Triften, den Anger, den Wald.

Wie buhlerisch, wie so gelinde
Erwärmen die westlichen Winde
Das Ufer, den Hügel, die Gruft!
Die jugendlich scherzende Liebe
Empfindet die Reizung der Triebe,
Empfindet die schmeichelnde Luft.

Nun stellt sich die Dorfschaft in Reihen,
Nun rufen euch eure Schalmeien,
Ihr stampfenden Tänzer! hervor.
Ihr springet auf grünender Wiese,
Der Bauerknecht hebet die Liese,
In hurtiger Wendung, empor.

Nicht fröhlicher, weidlicher, kühner
Schwang vormals der braune Sabiner
Mit männlicher Freiheit den Hut.
O reizet die Städte zum Neide,
Ihr Dörfer voll hüpfender Freude!
Was gleichet dem Landvolk an Muth?

 

Der Kuckuk.

Du Rufer zwischen Rohr und Sträuchen,
Schrei immer muthig durch den Wald!
So lange deine Stimm' erschallt,
Wird weder Gras noch Laub verbleichen.
Uns spricht der Scheinfreund, so wie du,
Allein bei guten Tagen zu.

Auch du verschweigst nicht deine Lieder,
Vielleicht aus edler Ruhmbegier,
Und Echo gibt die Töne dir
So schnell als andern Vögeln, wieder.
Du thust, was mancher Dichter thut:
Du schreist mit Lust und schreist dir gut.

Zwar singst du nicht wie Nachtigallen,
Doch meldest du, mit gleicher Müh',
Des Frühlings Rückkunft, so wie sie,
Und auch ein Kuckuk will gefallen.
So kann ein Brocks, so will Suffen
Des grünen Lenzen Ruhm erhöhn.

Du nennest immer deinen Namen;
Dein Ausruf handelt nur von dir.
In dieser Sorgfalt scheinst du mir
Beredten Männern nachzuahmen;
Gleichst du dem großen Balbus nicht,
Der immer von sich selber spricht?

 

Das Gesellschaftliche.

Ihr Freunde, zecht bei freudenvollen Chören!
Auf! stimmt ein freies Scherzlied an.
Trink' ich so viel, so trink' ich euch zu ehren,
Und daß ich heller singen kann.

Der Rundtrunk muß der Stimmen Bund beleben,
So schmeckt der Wein uns doppelt schön;
Und ein Gesetz, nur eines will ich geben:
Laßt nicht das Glas zu lange stehn.

Ihr Freunde! zecht, wie unsre Väter zechten:
Sie waren alt und klug genung,
Und manchen Zank, bei dem wir Söhne rechten,
Ertränkten sie im Reihentrunk.

Sie thaten mehr: Saß nur an ihrer Seite
Ein Kind voll holder Freundlichkeit:
So gab dem Wein ein Schmätzchen das Geleite;
So ward ein Glas dem Kuß geweiht.

Wie trostlos war der Zeiten erste Jugend,
Als Thyrsis einer Phyllis sang;
Und zum Geseufz von Leidenschaft und Tugend
Mit ihr nur schwaches Wasser trank!

Die Nüchternheit, die Einfalt blöder Liebe,
Verlängerten der Schäfer Müh':
Wir trinken Wein, befeuren unsre Triebe
Und küssen muthiger, als sie.

Lockt uns kein Laub in ungewisse Schatten,
So baut man Dach und Zimmer an,
Die manchem Kuß mehr Sicherheit verstatten,
Als Forst und Busch ihm leisten kann.

Der süße Reiz der ewig jungen Freude
Wird stets durch Lieb' und Wein vermehrt.
Wenn ich den Scherz und den Tockayer meide,
So sagt: Bin ich der Jugend werth?

Wie eisern sind doch ohne dich die Zeiten,
O Jugend, holde Führerin!
Bereite hier den Sitz der Fröhlichkeiten
Und banne Frost und Eigensinn!

Gesellt euch! stillt mit angeerbtem Triebe
Den Durst nach Küssen und nach Wein.
Es eifert schon der Weingott mit der Liebe,
Den besten Rausch uns zu verleihn.

Doch soll man nicht den ersten Schäfern gleichen?
O freilich ja! Folgt ihrer Pflicht:
Des Abends Lust, der Nächte Freundschaftszeichen
Verrieth ein rechter Schäfer nicht.

 

Burgunder-Wein.

Damit ich singen lerne,
Soll mir der Saft der Reben
Jetzt Muth und Töne geben
Und neue Kunst verleihn.
Mich reizen deine Sterne,
Ihr Einfluß wirket Wunder,
O feuriger Burgunder,
O königlicher Wein!

 

Das Heidelberger Faß.

Ihr Freunde! laßt uns altklug werden
Und weiser, als die Weisen, sein;
Entsaget aller Lust auf Erden;
Entsagt den Schönen und dem Wein!
Ihr lacht und spitzt den Mund auf Küsse:
Ihr lacht und füllt das Deckelglas;
Euch meistern keine strengen Schlüsse;
Euch lehrt das Heidelberger Faß.

Was lehret das?

Chor:
Wir können vieler Ding' entbehren
Und dies und jenes nicht begehren;
Doch werden wenig Männer sein,
Die Weiber hassen und den Wein.

Wir Menschen sollen uns gesellen:
So lehrt uns täglich Syrbius.
Gesellt uns nicht, in tausend Fällen,
Des Freundes Wein, der Freundin Kuß?
Uns dienen Wein und Zärtlichkeiten,
Kein Wasserdurst, kein Weiberhaß.
Das zeigt das Beispiel aller Zeiten;
Das zeigt das Heidelberger Faß.

Was zeiget das?

Chor.
Wir können vieler Ding' entbehren
Und dies und jenes nicht begehren;
Doch werden wenig Männer sein,
Die Weiber hassen und den Wein.

Wie strahlt das Feuer schöner Augen!
Wie blinkt der helle Rebensaft!
Aus Lippen soll man Liebe saugen
Und aus dem Weine Heldenkraft.
Die Weisheit lehret: Trinkt und liebet!
Es liebt' und trank Pythagoras;
Und wenn auch der kein Zeugniß gibet,
So gibt's das Heidelberger Faß.

Wie lautet das?

Chor
Wir können vieler Ding' entbehren
Und dies und jenes nicht begehren;
Doch werden wenig Männer sein,
Die Weiber hassen und den Wein.

 

Die Schule.

Durch tiefe Seufzer blöder Lust
Erklärte Damis alle Triebe
Seiner Liebe;
Doch rührt er nicht der Schönen Brust.
Es könnt' ihm durch sein Gold ja glücken;
Doch spart' er dieses, und verlor:
O der Thor!
Man muß ihn in die Schule schicken.

Ach liebte meine Phyllis mich!
Seufzt Damon, seine Zärtlichkeiten
Anzudeuten.
Und Phyllis sagt: Erkläre dich!
Allein, bei ihren süßen Blicken,
Bringt Damon weiter nichts hervor;
O der Thor!
Man muß ihn in die Schule schicken.

Am Abend weid' ich bei dem Bach,
Mein Polydor! scherzt Adelheide:
Wo ich weide,
Da, rath' ich, schleiche mir nicht nach.
Sie nicht so sträflich zu berücken,
Verspricht und hält ihr Polydor:
O der Thor!
Man muß ihn in die Schule schicken.

Ein Schwindel, aber nur zum Spaß,
Befiel Dorinen, als ihr Lehrer
Und Verehrer,
Der steife Cleon bei ihr saß.
Unwissend selbst sie zu erquicken,
Rief er die Mutter schnell hervor:
O der Thor!
Man muß ihn in die Schule schicken.

Melander, den die Schreibsucht quält,
Glaubt, weil der Reim ihm treu verbleibet,
Daß er schreibet,
Und daß ihm keine Muse fehlt.
Auch er kann den Apoll entzücken;
Auch er singt mit in seinem Chor:
O der Thor!
Man muß ihn in die Schule schicken.

Ein Witzling liest den Arouet,
Und räth ihm, Worte, Reime, Zeilen
Mehr zu feilen,
Vor allen in dem Mahomet.
Wie übt er sich an Meisterstücken!
Wie steigt sein leichter Ruhm empor:
O der Thor!
Man muß ihn in die Schule schicken.

Ein Neuling, der verrufen darf,
Was Lehrer, die entscheiden können,
Wahrheit nennen,
Glaubt nichts, als was sein Wahn entwarf.
Sein Wahn wird einst die Welt beglücken;
Nun denkt sie edler, als zuvor:
O der Thor!
Man muß ihn in die Schule schicken.

Ein Arzt, der sich zum Doctor prahlt,
Verläßt Paris, um Deutschlands Kreisen
Sich zu weisen,
Wagt, martert, würgt, und wird bezahlt.
Nur er, den tausend Künste schmücken,
Stellt sichtbar den Galenus vor:
O der Thor!
Man muß ihn in die Schule schicken.

 

Lob unsrer Zeiten.

Ihr Tadler, schweigt! ich will der Welt
Den Vorzug unsrer Zeiten melden.
O wißt, wohin mein Blick nur fällt,
In jedem Stand' entdeck' ich Helden.
Ich will der Menschen Lob besingen
Und schenke meiner Lieder Schall
Dem tonbegier'gen Wiederhall;
Der Plaudrer mag ihn weiter bringen.

Du tausendzüngiges Gerücht,
Ermüde nie im Ruhm der Zeiten;
Verschweige ja von ihnen nicht
Die hunderttausend Trefflichkeiten!
Der Priester lebt nach seiner Lehre;
Der Papst ist noch der Knechte Knecht;
Der Feldherr suchet nichts als Recht;
Der Handelsherr nur Treu' und Ehre.

Nichts übertrifft die starke Zahl
Gewissenhafter Advocaten,
Die alle Jahre kaum einmal
Die Rechte der Partei verrathen.
Wer wollte nicht die Aerzte preisen?
Stets bleibt's der Kranken Eigenschaft,
Daß alle der Recepte Kraft,
Lebendig oder todt, beweisen.

Wie reich ist die gelehrte Welt
An Wissenschaft und großen Geistern!
Den Dank, den ihr Bemühn erhält,
Darf Momus, unberufen, meistern.
Er will sich an Scribenten reiben,
Nur weil er selbst kein Lob gewinnt,
Und sagt, daß sie zu sittsam sind,
Zu spät und viel zu wenig schreiben.

Was grünt euch für ein Lorbeerhain,
Monarchen, Herrscher, Sieger, Retter!
Ach! könntet ihr unsterblich sein,
Durchlaucht'ge Fürsten, ihr wär't Götter.
Wer kann doch eure Tugend fassen
Und eurer Gaben Wechselstreit?
Ihr habt nichts als die Dankbarkeit
Und die Geduld uns überlassen.

Der Staatsmann, der an Würden groß,
Doch ungleich größer an Verstande,
Sitzt jedem König in dem Schooß
Und findet sich in jedem Lande.
Regenten wissen zu regieren!
Die Kunst zu herrschen lernt sich bald;
Denn alles steckt in der Gewalt
Der Hände, die den Scepter führen.

Der Britte, der die Fremden schätzt,
Will einem jeden sich verbinden;
Der stille Franzmann übersetzt,
Wir muntern Deutschen, wir erfinden.
Lobt in Iberiens Provinzen
Scherz, Freiheit, Wahrheit, Demuth, Fleiß;
Lobt auch der Belgen steten Schweiß
Und edlen Umgang mit den Münzen.

Wie groß und vielfach ist der Ruhm,
Mit dem der Europäer pranget,
Der vor der Ehre Heiligthum,
Auf so viel Wegen, angelanget!
Ich will kein Lob den Türken schenken;
Doch lernen sie uns ähnlich sein:
Sie künsteln Frieden, trinken Wein
Und reden immer wie sie denken.

Ist unsre Zeit so vorzugsreich:
Was wird denn künftig nicht geschehen?
Ihr Enkel, lebt und brüstet euch;
Ihr sollt noch größre Wunder sehen.
Nur eines bitt' ich von euch allen:
Laßt euch (dafern ihr jemals hört,
Wie sehr ich unsre Zeit verehrt)
Dieß eurer Väter Lob gefallen.

 

Dauer der Seribenten.

Mein Cleon, Jahr' und Zeiten fliehen;
Wie bald sind wir des Moders Raub!
Wie bald sind wir und alles Staub,
Was wir mit regem Kiel der Dunkelheit entziehen!
Vergebens schreiben wir für Welt und Afterwelt,
Vergebens werden wir, in Bänden, aufgestellt;
Der Motten zahlreich' Heer zernagt mit frechem Zahn
Den bestvergüldten Schnitt, den schönsten Saffian.

Ja, Cleon! nähmen deine Schriften,
Um jede Messe zu erfreun,
Auch täglich zwanzig Pressen ein,
Sie würden dir dennoch kein stetes Denkmal stiften.
Dein stärkster Foliant, der Fluch für den, der schreibt,
War Lumpe, ward Papier, wird Kehrig, wird zerstäubt.
Ja, der Vergessenheit und der Verwesung Reich
Macht Carl dem Großen dich, wie seiner Sprachkunst, gleich.

Kein Rang, kein Ruhm kömmt uns zu statten,
Der Tod sieht keinen Vorzug an,
Und stellt den allergrößten Mann
Zum Pöbel der gemeinen Schatten.
Er fället ungescheut, der Eitelkeit zum Spott,
Den König Galliens, wie den von Yvetot.
Doch was sind Könige? Selbst Helden vom Parnaß
Sind ihm so fürchterlich, als uns ein Hundibras.

Verwahre deiner Weisheit Spuren,
Das Werk, das deinen Witz bewährt,
Mit Buckeln, die kein Wurm verzehrt,
Mit ewigem Metall in Spangen und Clausuren:
Auch dieses schützt dich nicht: vielleicht zerstückt es doch
Der Schneider leichtes Volk, ein unbeles'ner Koch:
Und was entblättern nicht der Haare Kräuselei,
Tabak- und Käsekram, Confect und Specerei?

So hat Eumolp dies Lied vollendet,
Von schreiberischer Eitelkeit,
Wie er vermeinte, ganz befreit,
Und höhnisch auf den Stolz, der Schriftverfasser blendet.
Doch sein Verleger kömmt, sein Tryphon, der ihn rührt,
Ihm Lust und Feder schärft, ihn schmeichlerisch verführt.
Er wagt ein neues Werk, er grübelt Tag und Nacht,
Und schreibet um den Ruhm, den er zuvor belacht.

 

Der Morgen.

Uns lockt die Morgenröthe
In Busch und Wald,
Wo schon der Hirten Flöte
Ins Land erschallt.
Die Lerche steigt und schwirret,
Von Lust erregt;
Die Taube lacht und girret,
Die Wachtel schlägt.

Die Hügel und die Weide
Stehn aufgehellt,
Und Fruchtbarkeit und Freude
Beblümt das Feld.
Der Schmelz der grünen Flächen
Glänzt voller Pracht,
Und von den klaren Bächen
Entweicht die Nacht.

Der Hügel weiße Bürde,
Der Schafe Zucht,
Drängt sich aus Stall und Hürde
Mit froher Flucht.
Seht, wie der Mann der Heerde
Den Morgen fühlt,
Und auf der frischen Erde
Den Buhler spielt!

Der Jäger macht schon rege
Und hetzt das Reh
Durch blutbetriefte Wege,
Durch Busch und Klee.
Sein Hifthorn gibt das Zeichen;
Man eilt herbei:
Gleich schallt aus allen Sträuchen
Das Jagdgeschrei.

Doch Phyllis Herz erbebet
Bei dieser Lust:
Nur Zärtlichkeit belebet
Die sanfte Brust.
Laß uns die Thäler suchen,
Geliebtes Kind,
Wo wir von Berg und Buchen
Umschlossen sind!

Erkenne dich im Bilde
Von jener Flur!
Sei stets, wie dies Gefilde,
Schön durch Natur;
Erwünschter als der Morgen,
Hold wie sein Strahl;
So frei von Stolz und Sorgen
Wie dieses Thal!

 

Die Nacht.

Willkommen, angenehme Nacht!
Verhüll' in deine Schatten
Die Freuden, die sich gatten,
Und blende, blende den Verdacht!
Wann treue Liebe küssen macht;
So wird der Kuß der Liebe,
So werden ihre Triebe
Beglückter durch die stille Nacht.

Der schöne Mund, den man verehrt,
Bestrafet, zürnt gelinder,
Wird zärtlich, küßt geschwinder,
Wann nichts die sichern Küsse stört.
Ja, ja! die Nacht ist vorzugswerth:
Sie dient, und ist verschwiegen,
Und liefert dem Vergnügen
Den süßen Mund, den man verehrt.

Der Tag hat, als ein falscher Freund,
Zu oft der Welt erzählet,
Was ihr die Nacht verhehlet,
Die Liebende nach Wunsch vereint.
Du bist der Sorg' und Unruh' feind
Und gönnest sie dem Tage,
Und widerlegst die Sage:
Du, holde Nacht, seist Niemands Freund.

Oft schränkt der strenge Tag uns ein;
Doch hält in schweren Stunden
Uns mancher Tag gebunden,
So weiß die Nacht uns zu befrein.
Das Glück, vertraut und froh zu sein,
Das Glück zufriedner Herzen,
Die in der Stille scherzen,
Räumt uns der Tag nur selten ein.

O Nacht, da nur der Scherz sich regt,
Da keine Neider lauschen,
Und nur die Küsse rauschen,
Wie sinnreich wirst du angelegt!
Wie wird der Liebesgott verpflegt,
Wann selbst die Huldgöttinnen
Auf sein Vergnügen sinnen,
Und nichts als Lust und Scherz sich regt.

 

An den Schlaf.

Gott der Träume! Freund der Nacht!
Stifter sanfter Freuden!
Der den Schäfer glücklich macht,
Wann ihn Fürsten neiden!
Holder Morpheus! säume nicht,
Wann die Ruhe mir gebricht,
Aug' und Herz zu weiden.

Wann ein Eh'mann, voll Verdacht,
Seine Gattin quälet,
Und aus Eifersucht bei Nacht
Ihre Seufzer zählet,
Mach' im Schlaf sein Unglück wahr;
Zeig' ihm träumend die Gefahr,
Die ihm wachend fehlet!

Nimm auch jetzt was dir gehört;
Nur erlaub' ein Flehen:
Warte bis mein Glas geleert!
Wohl! es ist geschehen!
Komm nunmehr! O komme bald!
Eil' und laß mich die Gestalt
Meiner Phyllis sehen!

 

Leichen-Carmen.

Herr Jost ist todt, der reiche Mann!
Wär' er nicht reich gewesen,
Wir würden, falls ich rathen kann,
Auf Ihn kein Carmen lesen.
Sein hocherleuchteter Papa
Pflag Ihn oft selbst zu wiegen;
Die tugendvolle Frau Mama
Erzog Ihn mit Vergnügen.

Er war ein rechter Springinsfeld
Im ersten bunten Kleide,
Und ward daher der jungen Welt
Und auch der Muhmen Freude.
Nur sieben Jahre war Er alt,
Da wußt' Er fast zu lesen;
Und hieraus sieht ein jeder bald,
Wie klug das Kind gewesen.

Man hielte Seiner Jugend zart
Wol zehn Informatores;
Die lehrten Ihn, nach mancher Art,
Die Sprachen und die Mores.
Es lernte Jost ohn' Unterlaß,
Daß Ihm der Kopf fast rauchte:
Kein Mutterkind studirte bas,
Was es zu wissen brauchte.

Da eilt' Er mit der jungen Magd
In manche Classen eben,
Und führte, mit ihr, unverzagt,
Ein exemplarisch Leben.
Er glich dem edlen Gartenklee,
Der zeitig aufwärts steiget,
Und nicht der trägen Aloe,
Die späte Blüten zeiget.

Doch, weil Er viel zu sinnreich war,
Um nur gelehrt zu werden,
So riß Ihn bald der Eltern Paar
Aus allen Schulbeschwerden.
Sie sagten: Sohn! Seid unser Trost!
Vermehrt, was wir erworben!
Dann seid Ihr nicht der erste Jost,
Der reich und stolz verstorben.

Sogleich verging Ihm aller Dunst
Lateinscher alten Sprüche.
Er faßte durch die Rechenkunst
Die allerschwersten Brüche.
O Einmal Eins! dich sah Er ein,
So wie ein rechter Falke.
Durch Handlung wirst du glücklich sein,
Verkündigt Ihm Herr Halke.

Johannes Halke hatte Recht:
Wer prophezeit behender?
Die ihr mir etwa widersprecht,
Lest den Naturkalender!
Seht, seht auf unsern Ehrenmann,
Den wir so schön begraben;
Wer sonst kein Beispiel haben kann,
Wird es an diesem haben!

Der Wohlerblaßte ging auch, traun!
Auf nicht zu lange Reisen;
Theils um die Fremde zu beschaun,
Theils um Sich ihr zu weisen.
In Frankreich war Er ein Baron,
In Holland Heer van Josten,
Und zeigte Seines Vaters Sohn
In Süden, Westen, Osten.

Er kannte wirklich weit und breit
Geheime Staatsintrigues,
Und wußte ganz genau die Zeit
Des dreißigjähr'gen Krieges.
Herr Jost bewies, als Knabe schon,
Bei vier Zusammenkünften,
Der Sechste Carl sei nicht ein Sohn
Von Kaiser Carl dem Fünften.

Er kam zurück und ließ sich sehn,
Wo man Ihn sehen sollte.
Nun hieß Er jedem klug und schön,
Der Ihn so nennen wollte.
Doch rieth man Ihm mit gutem Fug,
Den ritterlichen Degen,
Den Er an Seiner Seite trug,
Nur Sonntags anzulegen.

Das Werk der Handlung wohlgemuth
Ward nun von Ihm begriffen.
Ihm träumte nur von Geld und Gut,
Von Frachten und von Schiffen.
Gelehrte sucht' Er weiter nicht,
Als etwa bei Prozessen;
Sonst macht' Er ihnen ein Gesicht,
Als wollt' Er alle fressen.

Der Reich-Entschlafne wollte drauf
Sich doppelt reich durch Ehen,
Ja Sich und Seinen Lebenslauf
In ächten Erben sehen.
Madame starb Ihm plötzlich ab,
Eh' Er die andre freite;
Die dritte, die Sein Geld Ihm gab,
Beerdiget Ihn heute.

Als Trauermann folgt Sein Herr Sohn
Mit ellenlangem Flore;
Und vor Ihm singt die Schule schon
In dem gewohnten Chore.
Der schwarzen Mäntel lange Zahl
Begleitet Ihn bei Paaren;
Er stirbt, doch nur ein einzig Mal,
Die Kosten zu ersparen.

 

Die Alster.

Befördrer vieler Lustbarkeiten,
Du angenehmer Alsterfluß!
Du mehrest Hamburgs Seltenheiten
Und ihren fröhlichen Genuß.
Dir schallen zur Ehre,
Du spielende Flut!
Die singenden Chöre,
Der jauchzende Muth.

Der Elbe Schifffahrt macht uns reicher;
Die Alster lehrt gesellig sein!
Durch jene füllen sich die Speicher;
Auf dieser schmeckt der fremde Wein.
In treibenden Nachen
Schifft Eintracht und Lust,
Und Freiheit und Lachen
Erleichtern die Brust.

Das Ufer ziert ein Gang von Linden,
In dem wir holde Schönen sehn,
Die dort, wann Tag und Hitze schwinden,
Entzückend auf- und niedergehn.
Kaum haben vorzeiten
Die Nymphen der Jagd,
Dianen zur Seiten,
So reizend gelacht.

O siehst du jemals ohn' Ergötzen,
Hammonia! des Walles Pracht,
Wann ihn die blauen Wellen netzen
Und jeder Frühling schöner macht?
Wann jenes Gestade,
Das Flora geschmückt,
So manche Najade
Gefällig erblickt?

Ertönt, ihr scherzenden Gesänge,
Aus unserm Lustschiff um den Strand!
Den steifen Ernst, das Wortgepränge
Verweist die Alster auf das Land.
Du leeres Gewäsche,
Dem Menschenwitz fehlt!
O fahr' in die Frösche;
Nur uns nicht gequält!

Hier lärmt, in Nächten voll Vergnügen,
Der Pauken Schlag, des Waldhorns Schall;
Hier wirkt, bei Wein und süßen Zügen,
Die rege Freiheit überall.
Nichts lebet gebunden,
Was Freundschaft hier paart.
O glückliche Stunden!
O liebliche Fahrt!

 

Harvstehude.

Ich bin ein Freund der Klosterländer,
Und gönn' und wünsch' insonderheit
Den rechten Kern der Segenspfänder
Der jüngferlichen Geistlichkeit.
Was Heilige für sich verwalten,
Das kann, das wird, das muß gedeihn,
Und frommer Schwestern Wohlverhalten
Sollt' immer reich an Pfründen sein.

Ihr edlen Johanniterinnen,
Euch strömen Gut und Ehre zu;
Ihr seid ein Muster keuscher Sinnen
In Harvstehudens sichrer Ruh'.
Wie selten höret ihr die Klagen
Der buhlerischen Schmeichelei!
Euch drücken keine Landesplagen,
Kein Alp und keine Ketzerei.

Nichts ist so schön als Harvstehude,
Und darum ist es Eurer werth,
Wo auch der allerkärgste Jude
Den Silberling mit Muth verzehrt.
Das schwör' ich bei der alten Linde,
In der so mancher Vogel heckt,
Die gegen wilde Wirbelwinde
Mit neunundneunzig Aesten deckt.

Hier gehet in gewölbten Lüften
Die Sonne recht gefällig auf,
Und lachet den beblümten Triften,
Und sieht mit Lust der Alster Lauf.
Oft taucht sich hier ein schöner Schwimmer
In ihrer Strahlen Wiederschein,
Und oftmals heißt ihr erster Schimmer
Sogar die Thiere fröhlich sein.

Wir steigen bei den schlanken Weiden
Aus Arch' und Nachen an den Strand,
Und dann begleitet unsre Freuden
Lenz oder Sommer auf das Land.
Flugs kömmt der aufmerksame Toppe
So freundlich und so tiefgeneigt,
Als an dem Boberfluß ein Stoppe
Den Sättler guten Freunden zeigt.

Er selber siehet mit Ergötzen,
Daß diese Gegend uns gefällt,
Und gibt uns von den besten Schätzen,
Die seines Kellers Kluft enthält.
Er spricht fast, wie Achill gesprochen:
Herr Phoenix, Ajax und Ulyß …
Die Herren setzen sich … wir kochen,
Und reiner Wein erfolgt gewiß.

Wo findet man so gute Wirthe,
Als an den Helden jener Zeit?
Wann sich ein Wandersmann verirrte,
So stand für ihn ihr Haus bereit.
Hier folgt man täglich dem Exempel
Und tränkt und speiset jeden Gast,
Und uns macht diesen Comustempel
Auch ein Cornaro nicht verhaßt.

Man übet hier auf freier Wiese
Bald das Gesicht, bald den Geschmack;
Oft schallt hier bis zur Zirbeldrüse
Ein auserles'ner Dudelsack:
Und weil auch für gelehrte Männer
Der Thorweg schuldigst offen steht,
So kommen hier die Funkenkenner
Und sehn die Elektricität.

Vielleicht wird jetzt mein Lied gerathen;
Ein neuer Anblick gibt ihm Kraft:
Der Hügel der Licentiaten,
Die Landung einer Hauptmannschaft.
Doch wie? Ein Schwätzer kömmt gegangen,
Der Lust und Einfall unterbricht.
O hätt' ich nur nicht angefangen!
Genug! Ich dichte weiter nicht.

 

Der Wein.

Du brausender und frischer Most,
Du gährend Mark der milden Reben,
Des Herbstes Ehre, Götterkost!
Mein Lied will deinen Ruhm erheben.
O feuerreicher Traubensaft!
Gib meinen Worten deine Kraft,
Laß sie, wie du, ans Herze dringen,
Und, weil dein Einfluß und dein Geist
Dem Witze Muth und Glück verheißt,
Auch mich von deinen Wundern singen.

Du bist, o Wein! dem Einfall hold
Und weckst den Scherz belebter Flöten.
Wie reich sind durch dein trinkbar Gold
Die Zungen singender Poeten!
Mich däucht, ich sehe den Homer
Zu jeder Schlacht, für jedes Heer
Sich zechend seine Helden wählen.
Dir muß ein Flaccus günstig sein;
Ihm schickt Falern und Alba Wein.
Wie könnt' es ihm an Liedern fehlen?

Nichts übertraf an Streitbarkeit
Der Dardaner, der Griechen Schaaren,
Die, nur im Weindurst unentzweit,
Verehrer des Lyäus waren.
Auch unsrer Väter Beispiel lehrt,
Wie sehr er Muth und Sieg vermehrt.
Ihn trinken Franken und Teutonen,
Der Sachsen und der Schwaben Schwarm.
Der Wein, der Wein stärkt ihren Arm,
Und dieser stürzet Legionen.

Tuistons Enkel, deren Ruhm
Die ewigen Geschichte melden,
Auf! sehet euer Eigenthum,
Auf! auf! Gebeine deutscher Helden.
Verlaßt die Hügel eurer Gruft,
Erhebt euch; suchet Sonn' und Luft!
Euch wollen Rhein und Mosel winken.
Sie heißen euch nach alter Zeit,
Treu', Anschlag, Wahrheit, Tapferkeit
In ihrer Trauben Blute trinken.

Den Götterdienst, den Kriegesrath
Muß oftgeprüfter Wein beleben.
Fürst, Barde, Feldherr und Soldat,
Wer liebte nicht die edlen Reben?
Ja, alles ist der Wein bei euch:
Ihr opfert und ihr trinkt zugleich.
Dort liegt der Wurfspieß und die Keule.
Ihr tanzt um Wodans Blutaltar,
Wälzt euch, wo Hertha heilig war,
Und taumelt um die Irmensäule.

Fürst Hermann ficht und Varus weicht
Und sucht vergebens offne Felder;
Der Seinen Angst und Flucht durchstreicht
Die schwarzen blutbetrieften Wälder.
Cherusker, euch hieß Recht und Wein
Den Deutschen gleich und muthig sein,
Und so muß Romuls Adler beben.
Ihr kämpft und rächt das Vaterland,
Ihr schlagt und pflanzt mit tapfrer Hand
Bald Siegeszeichen, bald auch Reben.

O höret! Welch ein Freudenfest
Aus jenem traubenvollen Hügel?
Man jauchzt und singt, und alles läßt
Der Freiheit und der Lust den Zügel.
Es ist die Lese. Jeder lärmt
Und lacht und schreit und spielt und schwärmt
Und läßt sich nichts zu scherzhaft dünken.
Die Fässer werden voll geschafft,
Die Kelter preßt den süßen Saft
Und seufzt, wann manche Wasser trinken.

Dort kömmt nach selbstgestimmtem Ton
Der Winzer Urban mit Brigitten.
Kaum tanzt er vor, so fällt er schon,
Der Wein und er sind ausgeglitten.
Ha! ruft er und steht wieder auf:
Hier tanzt sich's mit zu schnellem Lauf.
Ich glaube fast, ich bin gefallen.
Er dehnt sich, lacht und zeigt den Gaum
Und springt und stampft und kann noch kaum
Sein Hoch! mit schwerer Zunge lallen.

Wie schwenkt sich Cunz, der Ackerknecht,
Mit seiner braunen Adelheide!
Gelt, Schätzle, gelt! so tanzt sich's recht,
Und das heißt mehr als Kirmeßfreude.
Er wischt und stellt sich, und sein Fuß
Scharrt bäurisch zu dem kurzen Gruß.
Er eilt, sie männlich anzugreifen.
Er trinkt auf jeden Tanz ein Glas
Und scheinet Stoppeln, Haid' und Gras
Mit ihr fast fliegend durchzustreifen.

Ein Grübler trinkt, beseufzt sein Leid
Und sammelt Flüche, Furcht und Dünste,
Und seine Galle prophezeit
Pest, Wolkenbruch und Feuersbrünste.
Wie, murrt er, trügerischer Wein!
Sollst du der Sorgen Tröster sein
Und kannst nicht meiner Schwermuth wehren?
Du fließest; aber mir zur Last.
Ihr Tropfen seid mir nun verhaßt;
Ihr alle werdet mir zu Zähren.

Spavento füllt sein Glas mit Wein.
»Ihr Herren,« spricht er, »laßt uns leben!
Geh', Schenke, bringe mehr herein,
Doch mußt du alten Festwein geben.
Der alte Wein befeurte mich,
Als mir bei Hochstädt alles wich,
Wo ich des Bassa Roßschweif kürzte,
Der, als er blutig mir entlief,
Den Nepomuc zu Hilfe rief
Und dann sich in die Wolga stürzte.«

»Kund und zu wissen sei hiemit,
Daß ich auch Mohren übermannte,
Und zu Morea, bei Madrit,
Den Pontus im Euxin verbrannte.
Nun denk' ich an die Heldenzeit;
Ich lobe mir nur Tapferkeit.
Dies Schwert weicht keinen Hannibalen.
Beim Element! es hält sich frisch.«
Gleich wetzt er es auf Bank und Tisch,
Und Kannen, Licht und Teller fallen.

Ein Alter spricht: Was soll dies sein?
Du Bluthund! zeige dein Vermögen.
Mein Kleid ist hin; es fleckt der Wein.
O wäre meine Frau zugegen!
Allein ich selbst, ich stehe dir.
Du Türkenwürger! komme mir,
Machst du mein feines Tuch zunichte?
Noch fließt der Wein: noch werd' ich naß.
Gevatter, hilf und wirf das Glas
Dem Eisenfresser ins Gesichte.

Nur immer drauf! Nur unverzagt!
»Ihr Furien!« Wie? Darfst du schelten?
Das Bankbein her! Zerbläut ihn! Schlagt!
Sein Maul soll jedes Wort entgelten.
Er flucht und keicht und schreit und schnaubt.
»Zum Henker! ist es hier erlaubt,
Mit guten Freunden so zu scherzen?«
Allein man rächt des Bassa Tod.
Spavento fällt und schwört und droht,
Den falschen Streich nicht zu verschmerzen.

So geht's. Erweckt der Wein den Muth
In ungestalten wilden Seelen;
So weiß sich in entflammter Wuth
Der Thracier nicht zu verhehlen.
Die Tobsucht reicht Gefäße her,
Da wird die Flasche zum Gewehr,
Da wechselt man, statt Kugeln, Krüge.
Da stößt das erste Glas alsdann
Geselligkeit und Freundschaft an.
Und Eris mischt die letzten Züge.

Doch tadelt nicht das edle Naß,
Verdammet nicht des Weinstocks Gaben,
Als müßten Zank und Groll und Haß
Durch sie nur größre Nahrung haben.
Euch widerleget jenes Paar,
Das ganze Jahre zwistig war
Und sinnreich in Begünstigungen.
Sie stellen alle Klagen ein
Und appelliren an den Wein
Von Urthel und von Läuterungen.

Wie mancher, dem der Wein gefällt,
Als wär' er Gift und Rügewasser,
Entlarvt, wenn nichts sein Herz verstellt,
Den Schalksfreund, Filz und Menschenhasser!
Wer Tücke heckt, muß nüchtern sein.
Mit Recht flieht Euclio den Wein.
Er trinkt und lacht mit halbem Munde
Und folgt der Zunft der Kargen nach,
Fälscht seinen Wein durch jenen Bach
Und rühmt sich nur der Wasserkunde.

O warum sucht die fernste Bank
Ein Aeltester der Zionsbrüder?
Ihm wird sein Most zum Liebestrank,
Der Heilige girrt Buhlerlieder
Sein brünstig Aug' erheitert sich,
Er liebet mehr als brüderlich
Die Schwester, die ihn hier begleitet,
Und die er, als ein folgsam Kind,
Das seine Führung lieb gewinnt,
Zum Leiden und zur Stille leitet.

Der Wein, der aller Herz erfreut,
Gibt den Magistern, die dort zechen,
Statt Eintracht und Gefälligkeit,
Allein die Lust zu widersprechen
Wie glücklich sehen sie beim Wein
Die Fugen der Soriten ein!
Der Wein muß nie der Wahrheit schaden.
Der Rausch beleuchtet jetzt durch sie
Die vorbestimmte Harmonie,
Die beste Welt und die Monaden.

Weit klüger war Anacreon,
Der seinen Most besang und lachte,
Der Weinberg war sein Helicon,
Wo er, wie Gleim und Ebert, dachte.
Die Morgenrosen um sein Haubt,
Die Blicke, die sein Herz geraubt,
Wie wurden die von ihm erhoben!
Oft nahm der Reben Lob ihn ein.
Nicht schöner konnten dich, o Wein!
Die Götter, die dich tranken, loben.

Auch du beseligst ihren Stand.
Zeus hält sich keinen Wasserschenken.
Es muß ihm Ganymedens Hand
Zum Nectar die Pocale schwänken;
Die leert er bei dem Götterschmauß
Auf jeder Göttin Wohlsein aus
Man hört die Tischmusik der Sphären.
Oft reichte Mars ein volles Glas,
Wenn ihr Vulcan nur abwärts saß,
Der himmlisch-lächelnden Cytheren.

Was seh ich? Was entdeckt sich mir?
Dort seh ich einen Tempel glänzen,
Und wie den Eingang und die Thür
Der Epheu und die Reb' umkränzen.
Die güldnen Flügel thun sich auf;
Ich sehe der Bacchanten Lauf;
Ich sehe sie mit ihren Stangen.
Sie tanzen, und ihr Lustgeschrei
Zeigt, was der Reben Wirkung sei,
Die jetzt um ihre Scheiteln hangen.

Der Trommeln Schlag, der Cymbeln Klang
Durchtönt den Jubel der Mänaden.
Es steigt ihr muthiger Gesang,
Der Chöre Nachruf einzuladen.
Sie rasen, aber nur zur Lust;
Sie rasen mit entblößter Brust.
Die Locken flattern ungebunden,
Wie Ariadnens glänzend Haar
Ein Spiel der regen Winde war,
Als Bacchus sie am Meer gefunden.

O daß kein ungeweiyter Schwarm
Die Priesterinnen unterbreche!
Sie schütteln mit erhabnem Arm
Das Erz der runden Klapperbleche.
Nun macht ihr liedervoller Mund
Des Rebenvaters Größe kund
Und was Osir Egypten lehrte;
Wie dort, durch seine Milde nur,
Die weinbedürftige Natur
Durch dessen Bau ihr Ansehn mehrte.

Wie er mit fürchterlicher Macht
Des Ganges Völker überwunden,
Zuerst des stolzen Siegers Pracht,
Den reizenden Triumph, erfunden,
Und wie ihn, um des Indus Strand,
Sein kriegerischer Elephant
Durch manch' erfochtnes Reich getragen,
Auch wie er, in dem Götterstreit,
Mit wahrer Löwen-Tapferkeit
Den stärksten Riesen selbst erschlagen.

Der Opferbrand wird angeschürt;
Die Priester stellen sich in Reihen.
Es wird ein Bock herbeigeführt,
Den sie mit Mehl und Salz bestreuen;
Man rauft aus seiner Stirne Haar
Und wirft es auf den Rauchaltar,
Läßt Wein auf seine Hörner fließen
Und zuckt den Stahl und naht der Glut,
Und eilt, das längstverwirkte Blut
Des Rebenfeindes zu vergießen.

Er zappelt, stirbt und wird zerstückt;
Man untersucht die Eingeweide
Herz, Lung' und Leber sind beglückt,
Und jedes Zeichen weissagt Freude.
Die Schlange, die der Korb bedeckt,
In dem ein groß' Geheimniß steckt,
Kriecht nun hervor und will sich zeigen.
Es kracht der Heiligthümer Sitz!
Der Tempel bebt; es strahlt der Blitz;
Es donnert links, und alle schweigen.

Der krummgehörnte Gott erscheint;
Centauren ziehen seinen Wagen;
Ein Satyr, der sich froh beweint,
Wird ihm von Panen nachgetragen.
Das Fichtenlaub, der Eppichstrauch
Umschatten seinen Kopf und Bauch:
Sein Pardel brüllt, doch nicht zu schrecken;
Er wittert noch der Löwin Haut,
Die man um Bacchus Schultern schaut,
Und die kann ihm nur Lust erwecken

Ein tausendfacher Jubelschall
Der Bacchen, Satyren und Faunen
Ermüdet nun den Wiederhall
Und setzet alles in Erstaunen.
So bricht aus tiefer Höhlen Schooß
Das Heer der Winde brüllend los,
Braust um den Hain, kracht in den Eichen,
Zischt durch die Wipfel, schlägt, zertheilt
Die Esche, die im Fallen heult,
Und rauscht und wirbelt in den Sträuchen.

Ich werde neuer Lust gewahr:
Nun seh' ich alles sich umkränzen.
Es gaukelt dort der Larven Schaar
In phrygischen Sicinnistänzen.
Lenaeus steigt vom Wagen ab,
Er wanket mit dem Thyrsenstab,
Und strauchelt überzwerch und lachet.
Sein Trinkhorn schäumt vom Rebensaft.
Er trinkt mit Aeglen Bruderschaft
Und fragt, was ihr Silenus machet.

Es kömmt der reitende Silen;
Sein Esel hätt' ihn bald verloren.
Er schilt und schlägt ihn, heißt ihn gehn,
Und zerrt ihm die gesenkten Ohren
Er wirft sich taumelnd hin und her;
Ihm wird der trunkne Kopf zu schwer;
Er sinkt und torkelt auf die Erde,
Und kriecht und wälzt sich um sein Thier:
Ihr trägen Faunen! helfet mir,
Und setzt mich wiederum zu Pferde.

Er fordert stammelnd Chier Wein,
Mit schweren Lippen, starren Wangen.
Er lacht ihn an: nichts ist so rein;
Er will den, der ihn bringt, umfangen.
Ha! schreit er, Vater Bacchus, steh!
Ich trink', o Evan, Evoe!
Nun schließt er sich an seinen Schimmel.
Er säuft den Wein in einem Zug
O dieser schmeckt! Für's erste g'nug!
Und wirft den leeren Kelch gen Himmel.

Will alles sich dem Aug' entziehn?
Verschwindet alles in die Lüfte?
Der Gott und sein Gefolge fliehn
In Schatten, Wolken, Dampf und Düfte.
Ja! Bacchus eilt zur Oberwelt;
Der Rauchaltar, der Tempel fällt,
Und ihn verlieren meine Blicke.
Sah ich auch wirklich? Ja! Doch nein!
Ein Traum nahm Aug' und Sinnen ein
Und läßt mir nur sein Bild zurücke.

O wie begeistertest du mich,
Wein, der Entzückung Quell und Zunder!
Du wiesest nur jetzt sichtbarlich
Der Alten fabelhafte Wunder.
Du gibst auch nicht der Stille Raum,
Und ich enthalte mich noch kaum,
Daß ich dein Lob von neuem zeige.
Du brausender und frischer Most,
Des Herbstes Ehre, Götterkost!
Mein Lied … allein ich trink' und schweige.

Ende


 << zurück