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14

Das war nicht die Violet Bradwardine, die ich gekannt hatte! Das Mädchen war zur Frau herangereift, und die Frau focht einen heldenmütigen Kampf, mehr um meinet- als um ihretwillen. Durch Bekanntwerden meines Namens würde sich ihre Lage – was den Tod im Domino-Klub anbetraf – nicht verschlimmert haben. Daß wir einst Freunde gewesen waren, mehr brauchte sie ihrem Vater nicht mitzuteilen. Nein, sie schwieg, weil mir Gefahr drohte, weil schwerlich ein Gericht sich hätte überzeugen lassen, daß jemand anders als ich in jener Nacht einen Anschlag auf Weathered verübte.

»Schön«, hörte ich den Grafen sagen, »wenn du bei diesem Entschluß verharrst, hast du aufgehört, meine Tochter zu sein. Du wirst deine Koffer packen und mit dem Nachmittagszuge nach London fahren. Ich werde Miß Pollexfen telegraphieren, damit sie dich am Bahnhof in Empfang nimmt, und du darfst so lange in meinem Stadthause bleiben, bis sie in irgendeiner achtbaren Familie ein Unterkommen für dich gefunden hat. Solange du bei dieser Familie wohnst, zahle ich für dich. Im übrigen haben sich unsere Wege getrennt. Nun geh.«

Am ganzen Körper bebend, schickte sich Violet an, dem Befehl zu gehorchen. Ihr Elend war so herzzerreißend, daß mich kein Gedanke befiel, welches Glück aus ihrer erzwungenen Emanzipation vielleicht für mich erwachsen könne.

Doch plötzlich wandte sich der Graf an Sir Frank:

»Haben die Herren Lady Violet noch etwas zu fragen, bevor sie geht?«

Mein Chef, niedergeschlagen, wie ich ihn noch nie gesehen hatte, verneinte. Ich aber ergriff rasch die sich mir bietende Gelegenheit.

»Gegenwärtig nicht. Jedoch würden Sie, Mylord, vielleicht die Güte haben, uns Lady Violets Adresse wissen zu lassen, falls späterhin noch eine Frage nötig sein sollte.«

Es waren die ersten Worte, die ich sprach, solange sich der Graf im Zimmer befand, und sie schienen ihm zu mißfallen.

»Lady Violet ist volljährig«, sagte er kurz. »Erst vor wenigen Minuten bin ich daran erinnert worden. Wenden Sie sich an sie selbst.«

Violet drehte sich langsam um und sah mich an. Und all mein Sehnen und all mein Flehen um Vergebung legte ich in den Blick, den ich zurückgab.

»Ich werde Ihnen meine Adresse mitteilen, sobald ich sie kenne. Aber es wird dadurch nichts geändert. Ich ...« Sie schwieg, tränenerstickt. Dann fiel die Tür hinter ihr ins Schloß.

Und jetzt riß Tarleton das Wort an sich, und ich glaube, der Graf von Ledbury staunte nicht weniger als ich.

»Mylord«, begann er ernst, »es wird mir immer klarer, daß Sie keine Ahnung haben, in welcher Gefahr sich Ihre Tochter befindet.«

»Gefahr?«

»So sagte ich: Gefahr. Der Mann, dessen Tod uns zu der Reise bewog, war ein gewissenloser Schuft. Unter dem Vorwande, daß es ihre Nerven beruhigen würde, überredete er die Frauen, ihm Briefe zu schreiben, die ihre geheimsten Gedanken enthüllten. Es ist sehr wahrscheinlich, daß er durch die Hand einer dieser zur Verzweiflung getriebenen Frauen starb.«

»Beschränken Sie sich bitte auf meine Tochter«, fiel ihm der Graf ins Wort. »Sie vermuten doch nicht etwa, sie habe von dem Mordplan gewußt?«

»Ich habe nichts dergleichen angedeutet. Alles zeigt sogar auf das Gegenteil hin, wie ich mit Freude bemerke. Aber Ihre Tochter hat in ihrer Unschuld dem Mann auch Briefe geschrieben, über Dinge, die Sie bestimmt nicht der Öffentlichkeit preisgegeben sehen möchten. Wir wissen nicht, wo sich diese Briefe befinden. Bis sie entdeckt und vernichtet sind, ist Lady Violet auf Gnade und Ungnade dem gegenwärtigen Besitzer ausgeliefert.«

»Oh, dies elende Mädchen! ...« Sogar jetzt fiel dem selbstsüchtigen Vater nichts besseres ein als sein Kind zu tadeln.

»Wer machte sie elend? ...« Auf Tarletons Gesicht lag die düstere Strenge eines Richters, der das Verdammungsurteil spricht. »Wer trieb sie dazu, sich einem Fremden und einem Scharlatan anzuvertrauen? Wer überantwortete sie einer bezahlten Gesellschafterin, zu der sie sich nicht hingezogen fühlte? Wer lehrte sie, überall anderswo nach Wärme und Sympathie zu suchen, nur nicht bei dem nächsten Anverwandten und im eigenen Vaterhause?«

War das Tarleton? Mein gütiger Menschenfreund? ... Lord Ledbury faßte mit der Hand nach seiner Kehle. Wenn ein junger Mann wie ich oder ein Berufsprediger ihm diese vernichtenden Worte entgegengeschleudert hätte, würde er fraglos eine Verteidigung versucht haben. Aber von einem Altersgenossen ausgesprochen, von einem Mann mit Autorität, dem Vertreter des Gesetzes und der öffentlichen Meinung, bedeuteten sie eine Anklage, gegen die es kein Aufbegehren gab.

Eine reichliche Minute saß der Graf stumm da. In seinem Gesicht arbeitete es. Erinnerungen der Vergangenheit mußten in ihm erwacht sein. Vielleicht fragte er sich, welche Rechenschaft er Violets Mutter über ihr einziges Kind geben könne.

»Sie sind sehr offen gewesen, Sir Frank«, sagte er endlich mit einer Stimme, die Hoffart und Zorn eingebüßt hatte. »Ich erkenne an, daß Sie als Freund gesprochen haben – wenn nicht mein, so doch meiner Tochter Freund. Möglich, daß ich einen Fehlgriff in bezug auf die ihr angediehene Behandlung beging, obwohl ich das Beste beabsichtigte. Jedenfalls aber ist es unglücklich abgelaufen. Jetzt heißt es vor allem, ihren guten Namen zu schützen. Diese Briefe ... was raten Sie mir an?«

Der Gelehrte schaute sinnend zum Fenster hinaus.

»Als ich hierher kam, wußte ich von der Existenz dieser Briefe noch nichts. Es ist ein Problem, das Nachdenken erfordert, Mylord. Beschönigen oder die Augen vor der Größe der Gefahr schließen, wäre eine falsche Taktik. Daher will ich Ihnen nicht verheimlichen, daß sich die Briefe möglicherweise in der Hand von Dr. Weathereds Stieftochter befinden, einer sehr rabiaten jungen Person, die mir und Dr. Cassilis gegenüber Lady Violet sogar der Schuld an Weathereds Tode zieh.«

»Um Gottes willen ... das ist ja grauenhaft!« stieß der Graf hervor. »Sie, Sir Frank, und Sie, Dr. Cassilis, glauben doch etwas so Häßliches von meiner Tochter nicht?«

»Nein.« Es war mein Chef, der diese Versicherung abgab. »Unsere Gegenwart hier beweist es Ihnen am besten, Mylord. Die erwähnte Stieftochter klagte uns nebenbei an, daß wir den Fall vertuschen und den Verbrecher schützen wollten, und wir kamen hierher, um den endgültigen Beweis von Lady Violets Fernsein von London zu erlangen. Sie können auch versichert sein, daß wir beide über das Zugeständnis Ihrer Tochter – ich meine die Verleihung des Kostüms – Schweigen bewahren werden.«

»Glauben Sie, sie habe es dem wirklichen Mörder geliehen?« stöhnte der Vater.

»Der Punkt ist noch unklar. Wie gesagt, das Verbrechen kann durch eine Frau oder einen Mann, die sinnlos vor Verzweiflung waren, begangen worden sein. Ich wünsche von Herzen, daß der oder die Betreffende sich die Briefschaften aneignete.«

»Warum?«

»Weil sie in diesem Falle raschestens vernichtet sein würden. Solch ein Opfer hätte keinen Grund, seinen Mitopfern Schaden zuzufügen. Wir dürfen ihm ein Gefühl für Anstand und Ehre zubilligen, wohingegen die Stieftochter eine starke Abneigung gegen Lady Violet offenbarte. Wenn Miß Neobard – so heißt sie – die Briefe in ihrem Besitz hat, wird es eines Druckmittels bedürfen, um sie zur Herausgabe zu bewegen.«

»Mein Gott, mein Gott!« Verzweifelt rang der Graf die Hände. »Meine Mittel sind beschränkt, doch jede Summe, die in ...«

»Halt! Dies ist das einzige Mittel, das nicht angewandt werden darf, Mylord. Das mache ich zur Bedingung«, erwiderte Tarleton fest. »Bitte, schützen Sie Ihre Tochter vor jedem Erpressungsversuch. Trachten Sie, ihr Vertrauen zu gewinnen. Ich rate Ihnen dringend, sie nach London zu begleiten. Diese Miß Pollexfen hat sich als denkbar ungeeignet erwiesen; nehmen Sie sie nicht wieder in Ihr Haus. Halten Sie nach einer frohsinnigen, sympathischen Dame von Welt Ausschau, und engagieren Sie sie nicht eher, bis Lady Violet sich mit ihr angefreundet hat. Und zeigen Sie deutlich der Außenwelt, daß Lady Violet unter Ihrem persönlichen Schutz steht. Ein Erpresser, den ein einsames Mädchen eine leichte Beute dünkt, wird es sich reiflich überlegen, ob er eine junge Dame bedrohen soll, die durch einen Vater von Ihrem Range beschirmt wird. Führen Sie sie in Theater und Bilder-Galerien. Glauben Sie mir – als Arzt –, sie braucht jetzt Zerstreuung. Ich wage mich nicht für ihre Gesundheit zu verbürgen, wenn man ihr nicht Ablenkung verschafft. Mit Ihrer Erlaubnis, Mylord, werde ich mich selbst eine Zeitlang um ihr Wohlbefinden kümmern.«

Unbeschreiblich, wie der Graf von Ledbury sich verändert hatte. Er dankte Sir Frank in tiefer Bewegung, beteuerte, daß er alle Anweisungen beherzigen würde, drängte uns beide, zum Lunch zu bleiben, aber mein Chef entschied, daß unsere Zeit kostbar sei.

»Je schneller wir auf die Spur der fehlenden Briefe stoßen, desto besser«, erklärte er. »Und desto größere Aussicht haben wir, sie zurückzubekommen.«

Sehr herzlich schüttelte er beim Aufbruch dem Grafen die Hand, und die Versicherungen der Dankbarkeit und des guten Willens, die dieser unausgesetzt wiederholte, schienen auch ein wenig mir zu gelten.

Als wir wieder im Wagen saßen und nach Hereford zurückfuhren, sagte mein Chef:

»Wissen Sie wohl, Cassilis, daß ich mit der Möglichkeit rechnete, Lady Violet habe ihr altes Maskenkostüm mit Vorbedacht einer Freundin geliehen und selbst in einem neuen das Fest besucht? Ich dachte, sie sei die Leopardin gewesen. Nun, diese Idee werfe ich jetzt mit Freuden zum untauglichen Gerumpel. Lady Violet ist ein liebes, reizendes Mädchen, und ich gestehe, daß sie mein Herz gewonnen hat.«

Ich betrachtete ihn ein bißchen unbehaglich von der Seite. Trotz seiner Jahre war Tarleton ein fesselnder Mann. Mit Frauen jeden Alters stand er sich gut. Die jungen schienen ihn wie einen Onkel zu behandeln und wurden im Handumdrehen mit ihm vertraut. Und wer weiß, ob er sie immer ganz streng als Nichten betrachtete! So froh ich auch war, daß mein Chef Violet aus der Reihe der Verdächtigen gestrichen hatte, war ich durchaus nicht froh über die Wärme, mit der er sprach.

»Dem guten Inspektor Charles werden wir berichten, daß uns durch einwandfreie Zeugen Lady Violets Anwesenheit in Tyberton bestätigt wurde, und daß ihre Zofe uns das Zenobiakostüm aus dem Kleiderschrank holte. Dann gibt auch Charles allem Argwohn gegen sie den Laufpaß, Cassilis.«

»Und die Briefe?« forschte ich ängstlich.

»Ja, ja, die Briefe!« wiederholte er seufzend. »Ich wagte Lord Ledbury nur einen Teil meiner Besorgnisse zu enthüllen. Mich sollte es nicht wundern, wenn Weathered als Aufbewahrungsort den Domino-Klub gewählt hätte.«

Ich konnte einen Ausruf des Schreckens nicht unterdrücken.

»Ja, Cassilis, das wäre das Schlimmste von allem. Weil sie dann inzwischen den Weg in Madame Bonnells Hände genommen hätten.«

Vor meinem Geiste tauchte das lächelnde, glatte Gesicht der Französin auf, mit den schlauen, schwarzen Augen und den dünnen Lippen. Wahrlich, das wäre das Schlimmste von allem!

»Wenn jene Frau sie hat«, fuhr Tarleton grübelnd fort, »mag eine geraume Zeit verstreichen, bevor wir von ihnen hören. Madame wird warten, bis die Untersuchung vorüber und der Fall abgeschlossen ist, soweit die Polizei in Frage kommt. Dann erhalten die Opfer eines Tages einen diskreten Brief – vermutlich von einem Agenten – mit der Mitteilung, daß gewisse Briefe, offenbar von ihrer Hand herrührend, gefunden seien; ob man die Rückgabe wünsche? Kein Wort von Geld in diesem ersten Schreiben! Nein, nichts als eine Aufforderung, sich bei dem Mittelsmann einzufinden und die Briefe in Augenschein zu nehmen. Dieses Weib versteht sein Geschäft, Cassilis!«

Der Arzt bewegte die Schultern, als schüttele er eine unbequeme Last ab.

»Wir wollen diese Affäre vorübergehend mal beiseite schieben«, begann er dann von neuem, »und uns der Mordaffäre zuwenden. Wenn meine Diagnose stimmt, starb Weathered infolge eines Giftes, das Captain Armstrong in seinem Buche über Sumatra beschrieb. Den Namen, den die Eingeborenen dem Gifte geben, habe ich vergessen. Ich selbst nannte es Upasine.«

»Upasine!« plapperte ich in meiner Überraschung nach.

»Jawohl. Sie haben vermutlich von dem berühmten Upas-Baume gehört. Nach den Erzählungen der alten Forschungsreisenden war es ein Baum, der einen tödlichen Dunst aushauchte, so daß der Reisende, der sich unter seinem Blätterdach zur Ruhe legte, nie wieder aufwachte. Rund um den Stamm verstreut fand man Knochen von Tieren, von denen man annahm, sie seien auf die nämliche Weise gestorben, das heißt durch Schlaf innerhalb der tödlichen Zone.«

»Aber daran glaubt wohl heutzutage niemand mehr!« warf ich ein. »Das gehört doch in das Reich der Fabel.«

»Mein junger Freund, es gibt nur wenige Fabeln, in denen nicht ein Körnchen Wahrheit enthalten ist. Die legendenhaften Herrlichkeiten von Timbuktu wurden eine Zeitlang als Erfindungen phantasievoller Reiseschriftsteller betrachtet; aber hinterher erwies sich, daß am südlichen Saum der Sahara eine Stadt namens Timbuktu lag, daß es ein großer Handelsplatz war, zu dem die Karawanen von den Mittelmeerküsten zogen, und daß dies Timbuktu sogar einst eine Universität besaß, als es nämlich eine Zufluchtsstätte der Mauren wurde, die Intoleranz aus Spanien vertrieb. Die Berichte von dem Upas-Baum und seinem verderbenbringenden Schatten verlachte man auf die gleiche seichte Art, ohne daß man ihrem Ursprung nachspürte. Armstrong war zufälligerweise ein intelligenter Mensch. Er gestand mir ganz offen, daß er mit der Absicht nach Sumatra gegangen sei, die Wahrheit über den Upas-Baum ausfindig zu machen.«

Meine Ungläubigkeit schwand bei diesem langen, ernsten Vortrag.

»Armstrong reiste mit der Überzeugung ab, daß einige Forscher Knochen und tote Tiere unter dem Baum gefunden und daraufhin die Lehre der Eingeborenen, der Baum strahle einen tödlichen Zauber aus, vertreten hätten; daß wiederum von anderen Reisenden ausprobiert worden sei, man könne ungefährdet unter dem Baume schlafen. Diese letzteren schalten das ganze ein Hirngespinst, ohne sich mit näheren Erkundigungen zu befassen. Armstrong forschte weiter nach, und vielleicht erraten Sie, was er entdeckte?«

»Daß die Blätter giftig find? Und daß die Schläfer starben, weil sie vorher von ihnen gekostet hatten.«

»Nein. Captain Armstrong entdeckte einen winzigen Pilz, der in dem Erdreich rund um das Wurzelnetz des Upas-Baumes wächst und scheinbar nirgend woanders. Die Tiere, die an diesem Pilze nagen, werden vom Schlaf überfallen und sterben, ohne noch einmal munter zu werden. Der Pilz birgt ein narkotisches Gift, das anfänglich wie Opium wirkt, aber noch einen besonderen Einfluß auf die Haut ausübt, die es wie Pergament austrocknet. Sie, Cassilis, waren der erste, der meine Aufmerksamkeit auf das pergamentähnliche Aussehen von Weathereds Gesicht lenkte. Erinnern Sie sich?«

O ja, ich erinnerte mich. Und gleichzeitig schlug mein Herz freier. Welche Gefahr mir auch von den Paragraphen des Gesetzes noch drohen mochte, vor meinem eigenen Gewissen stand ich entlastet da: das Betäubungsmittel, das ich Violets Peiniger verabfolgt hatte, enthielt kein anderes Gift als Opium. Gleichzeitig brauchte ich mich nicht mehr mit der Sorge zu quälen, ob mir vielleicht in bezug auf die Stärke der Dosis ein Irrtum unterlaufen sei. Weathered war an dem Gift gestorben, das der Erforscher Sumatras entdeckt hatte, und das bedeutete, daß er durch eine andere Hand als die meinige gestorben war.

»Jetzt verstehen Sie wohl, weshalb ich Sie damals ermahnte, keine weiteren Bemerkungen zu machen«, setzte mein Chef seine Ausführungen fort. »Wer sich dieses Gifts bediente, lebt in dem Wahn, die einzige Person zu sein, die von seinem Vorhandensein wußte. Armstrongs Buch fand keinen großen Leserkreis, teils, weil es mit dem Stil haperte, teils, weil es ohne Illustrationen herauskam, was bei einem Reisewerk heutzutage ein Fehler ist. Ich glaube nicht, daß eine einzige Zeitschrift oder Besprechung diese Entdeckung würdigte.«

»Und wie erfuhren Sie von dem Gift, Sir Frank?«

»Auf lächerlich einfache Weise. Captain Armstrong selbst brachte mir ein bißchen von dem gefährlichen Stoff zur Analyse. Er hatte eine Handvoll von den »Giftschwämmen«, wie er sich ausdrückte, gesammelt, aber während der Heimfahrt waren sie vertrocknet. Was er mir aushändigte, war nur noch Staub. Ich entdeckte in ihm ein der Wissenschaft bisher unbekanntes Agens, dem ich den Namen Upasine verlieh. Da es mir aber sehr gefährlich schien, wenn ein ganz unbekanntes Gift sich in der Hand eines Laien befand, bat ich Armstrong, mir alles, was er heimgebracht hätte, zu verkaufen. Er willigte ein.«

»Aber – Ihre Flasche war doch unberührt.«

»Richtig. Irgendwie hinterging er mich. Entweder hatte er schon, bevor er zu mir kam, jemandem von dem Gift abgegeben und mochte es nicht eingestehen, oder er behielt selbst etwas als Rarität. Wenn es sich nicht in seinem Besitz befindet, erwarte ich es im Bereich des Leopardenfells und der Klauen zu entdecken.«


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