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Das kleine Testament (Bruchstück)

 

I

Im Jahre fünfundzwanzig meines Lebens, als ich noch
sehr rüstig auf den Beinen war
und durch die Landschaft fuhr, nicht wie ein üblicher Scholar,
der heute betteln geht und morgen schon im Loch
bei Brot und Wasser brummt ... o nein!
Villon war auch in diesem Falle zwar kein Tugendheld.
Doch hat er sich noch nie mit einer Pulle Wein
zum Abendbrot begnügt; er nahm auch Reisegeld.

 

II

In diesen fetten Erdenjahren also, kam
mir eines Tages das Gefühl, daß ich
wohl doch den dicken Trennungsstrich
einbrennen muß in mein Bisher, und ohne Gram
von manchem Abschied nehmen, was sehr nett
und friedlich war. Es hat auch keinen Sinn,
wenn man in jedem Winkel gleich sein Bett
aufschlägt und sich den Sauerkohl rasiert vom Kinn.

 

III

Kurzum: am warmen Herd zur Winterszeit,
warf ich mich in die Heldenbrust
und sagte, Franz, nun sei gescheit
und tu, was du nach Gottes Ratschluß tuen mußt.
Streif ab den güldenen Fingerring
und sag der Kleinen, wo der Schuh dich drückt.
Und weint am Ende gar das dumme Ding
und meint: du seist verrückt,

 

IV

... so hau ihr eins, und wenns nicht langt, auch zwei.
Sie hat dich nie mit Zuckerbrot verwöhnt.
Und lagst du mal des Nachts, du Luder, bei
der andern Frau, dann hat sie dir die Ohren voll geklönt.
Ich habe diese Freundschaft gründlich satt.
Am besten bleibt man unbeweibt
und lebt dahin, wie an dem Weidenbaum ein Blatt,
das abfällt und im Wasser weitertreibt.

 

V

Ich habe wirklich allen Grund,
die alte Liebe endlich abzubaun.
Nur ihretwegen hat mich ein verfluchter Hund
mit seinem Säbel grün und blau gehaun.
Ich habe mich gewehrt und biß ihm flott
die Nase ab. Doch sie,
die hinterlistige Marie,
lag hinterm Busch und lachte sich kapott.

 

VI

Ich habe jetzt für alle Zeit genug von ihr
und fordere Gerechtigkeit.
Ich bin noch lange nicht ihr Trampeltier,
auch wenn sie nächtelang nach meiner Liebe schreit.
Die weiße Larve lügt, wenn sie mich küßt,
und wenn ich glaube, daß sie mich mit ihrer Liebe meint,
schmeckt ihr Gebiß schon längst ein anderes Gelüst
und sagt: das ist doch gar nicht so gefährlich, wie es scheint!

 

VII

Verdammt! Sie hat mich dem Gericht
verraten um ein Silberstück.
Die Narbe quer durch mein Gesicht,
auch die verdank ich ihr, und kann vom Glück
noch sagen, daß ich nicht das Augenlicht dabei verlor.
Wer weiß, ob morgen nicht mein Frühstückswein
mit Gift veredelt ist, damit ich Tor
herniederfahr zu Wurm und Stein.

 

VIII

Was bleibt mir anderes noch zu tun,
als abzureisen Knall und Fall.
Vielleicht erblüht mir bald ein neues Huhn
in einem Bauernstall,
vielleicht auch reise ich mit einem Ruderboot
nach Samarkand,
und nähre mich von Affenbrot
und werde Elefant.

 

IX

Ich habe zu den wilden Tieren immer schon
mich hingesehnt. Ich habe, als der Herr mich schuf,
aus einem grauen Haufen Ton,
vielleicht den Sammelruf
der Dromedare nicht gehört.
Als Löwe hätte ich wahrscheinlich längst
mein Glück gemacht im Mohrenland
und fräße nur das Herz von einem Steppenhengst
und hätte immer neue Freuden an der Hand.

 

X

Zum Beispiel einen grünen Wiesenstrich
mit Kletterbäumen leichter als der Wind.
Und mit der weißen Wolke flöge ich
so hoch wie die Gestirne sind.
Auch in den Flüssen lebt es sich nicht schlecht,
mit nacktem Leib so braun wie Wachs,
da möcht man sein ein schlanker Hecht,
ein Haifisch oder besser noch ein Lachs.

 

XI

Die Menschenart hat sicher ein Jahrtausend noch
Besitzrecht an der Welt.
Dann klafft ein großes Hungerloch
und nichts bekommt man mehr für Geld.
Auch die Dukaten, die der Staat
auf meinen Kopf hat ausgesetzt:
es lohnt nicht, daß man für das bißchen Draht
auf meine Spur die scharfen Hunde hetzt.

 

XII

Es ist nur schade für die Zeit, die ihr versäumt.
Denn mit dem Sack, auf den ihrs abgesehen habt,
hat längst der Hunger aufgeräumt.
Ich war noch nie so ausgelaugt und abgeschabt.
Ich lobe die Kartoffeln, denn sie sind
in diesem Jahr so gut geraten, wie noch nie.
Ich freu mich, wenn sie braten, wie ein Kind,
und spüre kaum die Stiche in dem steifen Knie.

 

XIII

Auf alle Fälle hat Villon sein Testament gemacht,
es ist, wie schon gesagt, nicht viel, was von ihm übrig bleibt,
jedoch genug, daß sich die Welt ins Fäustchen lacht
und eine Schmähschrift schreibt.
Das schönste Stück jedoch, mein Herz in Gold,
hab ich für meine Mutter reserviert.
Man lege es ihr steuerfrei und unverzollt
so um den Hals, daß sie's in Ewigkeit nicht mehr verliert.

 

XIV

Auch wenn mein Leib schon längst zerfressen ist
mit einer Schar von Würmern drin,
am Ende denkt man doch: wo du nicht bist,
Herr Jesus Christ, lebt man nur wie ein Vieh dahin.
... in diesem Sinn, ihr Freunde, Gute Nacht!
Wie leicht hat man sein bißchen Leib
für eine kleine Stunde Zeitvertreib
mit Wein und Weibern durchgebracht.


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