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Ulli wendet sich an ihren einzigen Freund.

Doktor Brendel hatte dem Sterbenden die Nacht geopfert; doch der Tag gehörte seinen Patienten. Ehe er aber seinen Wagen bestieg, um nach der Stadt zurückzukehren, wandte er sich herzlich dem armen Mädchen zu. »Begleiten Sie mich nach meinem Hause, mein kleines Fräulein; es ist hier recht traurig und öde. Meine Frau hat ein warmes Herz für Ihren Kummer, und meiner kleinen Schar gelingt es vielleicht, Sie ein bißchen zu erheitern. Hier werden Sie mir ganz melancholisch werden.«

Ulli warf einen bangen Blick auf die mit einem weißen Laken bedeckte Leiche und schüttelte den Kopf. »Ich danke Ihnen,« erwiderte sie leise, »aber ich kann nicht, ich darf Wolfshagen jetzt nicht verlassen.«

Doktor Brendel wollte nicht mehr in Ulli dringen. Er glaubte, daß sie ihren Vater sehr geliebt habe und sich nicht von ihm trennen wolle. Doch nahm er sich vor, später noch einmal darauf zurückzukommen. Andreas nahm er mit, weil dieser einige für das Begräbnis notwendige Bestellungen machen mußte.

Ulli setzte sich in die tiefe Fensternische des kleinen Wohnzimmers und starrte thränenlos hinaus in den trüben Dezembertag.

Sie wußte, daß alle Menschen sterben müssen, wie sie auch wußte, daß es mächtige Berge und tiefe Meere gab. Aber das Sterben hatte ihren Gedanken noch ferner gelegen als Berge und Meere, die sie niemals schaute. Der Tod war ihr so plötzlich nahe getreten; er hatte sein Siegel auf einen Mund gedrückt, der eben noch mit ihr gesprochen, und Augen, die sie freundlicher als sonst angeblickt hatten, waren für immer geschlossen. Jetzt empfand sie, wie schwach eine bloße Vorstellung gegen den tiefen Eindruck ist, den das wirklich Erlebte hervorbringt.

Dieser schnelle Uebergang vom Leben zur starren Unbeweglichkeit und der Anblick eines Toten hatte sie mit kindischem Grauen erfüllt. Sie sah sich einem furchtbaren Rätsel gegenüber, und ihren bangen Fragen antwortete kein tröstender Glaube. Gott hatte man sie nie verstehen und lieben gelehrt; jetzt erschien er ihr nicht als ein Gott der Liebe, sondern als eine geheimnisvolle Macht, die gewaltsam und erbarmungslos in die Geschicke der Menschen eingreift.

Indes lief Susanne umher, kramte in allen Schubladen und suchte schwarze Sachen für die Trauer heraus; dabei hörte sie nicht auf zu jammern, nicht sowohl über den Tod ihres Herrn, als über das viele Geld, das der Arzt und das Begräbnis kosten würden.

Es war für Ulli sehr peinlich, diese fortwährenden Klagen anzuhören; aber es war ihr doch noch unangenehmer, wenn die Alte hinausging und sie allein im Zimmer ließ; dann überfiel sie jene thörichte Angst, die Kinder haben, wenn ein Toter im Hause ruht. Bei jedem Geräusch schreckte sie zusammen, und obwohl sie sich schämte, es sich einzugestehen, glaubte sie doch, ihr Vater werde plötzlich, in sein weißes Laken gehüllt, hereintreten.

Das Begräbnis fand am Morgen des 24. Dezembers statt.

Den Tag vorher und die ganze Nacht hatte es ohne Aufhören geschneit und noch immer war die Luft mit wirbelnden Schneeflocken erfüllt. Schon bogen sich die Äste tief unter der schweren Last, Hecken wurden zu weißen Mauern und alle Gegenstände bekamen unter der Masse des auf ihnen lagernden Schnees ein unförmliches Ansehen.

Der schmucklose Sarg wurde auf einen rohen Schlitten geladen, und die einzigen, die ihm das Geleit gaben, waren Andreas und der Schulmeister. Sie hatten kaum den Hof verlassen, so waren auch schon die Spuren ihrer Tritte von den sich darüber legenden Schneeflocken verwischt, und ebenso spurlos war auch das Leben des Mannes dahingegangen, den sie begruben.

Vor der Kirchenthür erwartete sie der Pastor Kielmann; er schritt dem kleinen Zuge voraus, dem sich noch ein paar Neugierige zugesellt hatten.

An der offenen Familiengruft sprach der Geistliche einige versöhnende teilnahmsvolle Worte über das vereinsamte Leben und die unerfüllten Hoffnungen des Verblichenen; er schloß mit einem Gebete, währenddessen sich alle Häupter entblößten; dann wurde der Sarg hinab gesenkt und über dem Letzten dieses alten Geschlechtes schloß sich die Gruft.

Sobald die stille Feier beendet war, nötigte der Pastor den frierenden und zitternden Andreas in seinen Schlitten; er wünschte vor seiner Heimkehr das verwaiste Mädchen zu besuchen und ihm sein Haus zum Aufenthalte anzubieten.

Als der Pastor das Wohnzimmer des Schlosses betrat, ergriff er liebevoll die Hand des bleichen Kindes. »Gottes Wege sind unerforschlich, mein armes Mädchen; aber wir müssen uns demütig seinem weisen Willen unterwerfen,« sprach er. Dann fuhr er fort, warm und überzeugend von dem Wiedersehen nach dem Tode, von Gottes Güte und Barmherzigkeit zu reden, und versuchte Ulli damit zu trösten, daß einem frommen Gemüte aus großem Schmerze auch großes Heil erblühe.

Ulli verstand die Worte; aber ihr tieferer Sinn blieb ihr verborgen.

Der Pastor wunderte sich nicht darüber, da er wußte, daß sie wie eine Wilde, wie eine kleine Heidin ausgewachsen war; doch um so lebhafter wünschte er, sie auch nicht länger ohne die Segnungen der Religion und den Frieden, den diese allein gewähren können, hinleben zu lassen. Herzlich forderte er Ulli auf, ihn zu begleiten und in seinem Hause zu bleiben, bis sich ihr Schicksal entschieden haben würde.

Ulli hatte stets eine große Scheu vor dem Verkehr mit fremden Menschen empfunden; in den letzten Tagen war sie noch scheuer geworden. Ihr Stolz lehnte sich auch gegen das Mitleid der Menschen auf und sie fürchtete ihre Neugierde; schroff, fast heftig sträubte sie sich gegen das gütige Anerbieten, und weil der Pastor merkte, daß er nichts ausrichten würde, stand er von seiner Bitte ab.

Susanne hatte nur auf diese Gelegenheit gewartet, ihre außerordentliche Pflege mit viel Worten und großer Rührung anzupreisen, und als sie gar auf das eigne Schicksal kam, wurden ihre Klagen noch eindringlicher. »Ach Herr Pastor, was soll jetzt aus uns alten Leuten werden? Andre Dienstboten, die viele Jahre in einem großen Hause dienen, legen für die alten Tage einen Sparpfennig zurück; wir aber stehen bar und bloß; denn über zehn Jahre ist es her, daß der Herr Baron uns keinen Lohn mehr ausgezahlt hat. Für das Kind wird die Baroneß Cäcilie schon sorgen – dazu zwingt sie der Familienstolz; aber um die alten Dienstleute ihres Bruders schert die sich keinen Pfifferling. Von fremder Leute Mitleid, elend wie Bettler werden wir leben müssen, wenn wir nicht Hungers sterben wollen.«

»Da ich mir vorgenommen habe, an die Baroneß Cäcilie im Interesse ihrer Nichte zu schreiben, werde ich nicht unterlassen, ihr das Schicksal der treuen und langjährigen Diener ihres Bruders ans Herz zu legen,« beruhigte sie der Pastor.

Der alten Susanne Klagen empörten Ulli; es erschien ihr ein großes Unrecht, einen Verstorbenen, der sich nicht verteidigen konnte, anzuschuldigen; aber das schlimmste war, daß die alte Dienerin die Wahrheit gesagt hatte.

Nachdem sie der Pastor verlassen hatte, ging Ulli allein nach dem Kirchhofe und flocht aus Tannenreisern und Epheu einen schmucklosen Kranz; als sie ihn an der Mauer befestigt hatte und sich so einsam und verlassen auf dem Kirchhofe sah, da machte sich die verhaltene Qual frei, und laut schluchzend sank sie nieder.

Nicht wie andre Kinder ihre Väter lieben, hatte sie ihren Vater lieben können, und auch er hatte ihr keine Beweise seiner väterlichen Zuneigung gegeben. Trotzdem waren sie sich in den letzten Wochen, in denen ihr erlaubt worden war, seine einsamen Stunden durch Vorlesen zu kürzen, näher getreten; er war ihr dankbar und sie fühlte sich befriedigt, weil sie sich nützlich machen und ihm etwas Liebes erweisen durfte. Für wen sollte sie jetzt etwas thun? Außer dem alten Andreas war auf der weiten Welt niemand, der wahren Anteil an ihrem Schicksale genommen hätte. Sie besaß weder Mutter, Geschwister, Verwandte noch Freunde; niemand fragte sie: »Bist du traurig?« Keiner war, der mit ihr lachte oder sie belehrte. Und doch empfand sie eine grenzenlose Sehnsucht jemand zu lieben und wieder geliebt zu werden. Es war, als sei es ihr an dieser einsamen Stätte erst recht zum Bewußtsein gekommen, wie verlassen sie war. Die teilnehmenden Worte des Pastors gaben ihr keinen Trost, denn sie hatte sie nur halb verstanden, und sie suchte nicht bei Gott eine Zuflucht, weil niemand sie gelehrt hatte, zu ihm sich zu wenden.

Nachdem sie sich ausgeweint hatte, stand sie fröstelnd auf; die beginnende Dunkelheit mahnte sie an die Heimkehr.

Bei dem trüben Scheine ihrer kleinen Oellampe putzte sich die alte Susanne eine Haube mit schwarzem Bande auf; Andreas aber saß auf seinem gewöhnlichen Platze am Ofen und rauchte. Ulli nahm ein Fußbänkchen, setzte sich dicht neben den alten Mann und lehnte ihren Arm auf seine Kniee.

»Du kennst ja die Tante, zu der ich vielleicht jetzt kommen werde, Andreas. Kannst du mir nicht etwas von ihr erzählen?«

Der Alte aber sagte: »Da ist mir noch jemand eingefallen, der an dich Ansprüche erheben kann. Mich wundert's nur, daß wir nicht früher an ihn gedacht haben; aber freilich, jetzt war auch keine Zeit zum Überlegen. Sag' 'mal, Herzchen, hast du denn deinen Onkel, den Freiherrn von Gültling, ganz vergessen?«

»Was du dir einbildest, Andreas; ich habe immer an den Onkel gedacht! Ich lerne hier nicht so viele Menschen kennen, daß ich jemand vergessen könnte. Ich fürchte aber, daß er mich vergessen hat; es müssen gegen fünf Jahre seit seinem Besuche vergangen sein und er ließ nie wieder etwas von sich hören. Ich habe schon gedacht, er möchte mich nicht leiden und wolle von mir nichts mehr wissen, weil ich mich so unartig gegen ihn benommen habe.«

»Papperlapapp, Herzchen! Der Freiherr von Gültling hat noch mehrere Male geschrieben, wie ich geWiß weiß; aber der Herr Baron warf die Briefe ins Feuer, ohne zu antworten. Ich will nichts gegen unsern seligen Herrn sagen; er that, was er für recht hielt. Dem Freiherrn war's aber auch nicht zu verdenken, daß er das Schreiben endlich aufgegeben hat.«

»Glaubst du, daß mein Vater dazu eine Ursache hatte?«

»Gott soll mich behüten, daß ich etwas gegen den seligen Herrn sage; aber ich glaube, sein eigner Stolz war schuld daran.«

»Meinst du, der Onkel würde sich meiner erinnern, wenn ich an ihn schriebe, Andreas?«

»Hast du denn vergessen, daß er dir damals gesagt hat, wenn du in Not seiest, dann möchtest du an ihn denken? Und das war kein Mann, der aussah, als würde er sein Wort nicht halten. Da wir uns nun doch einmal trennen müssen ...«

Hier fiel ihm aber Ulli ins Wort. »Wer sagt denn, daß wir uns trennen müssen, Andreas? Ich will mich nicht von dir trennen. Wenn mein Onkel für mich sorgen will, dann muß er auch für dich und Susanne sorgen.«

»Nur nicht zu viel auf einmal. Wenn du erst bei dem Herrn bist und siehst einen Posten, den ich alter Mann noch zur Not versorgen könnte, dann sollst du an mich und an Susanne denken. Nur nicht gleich mit der Thür ins Haus fallen.«

»Ach, Andreas, wir wissen aber nicht, wo der Onkel wohnt!«

»Darüber mache dir nur keine Sorge. Dein Onkel ist ein großer Herr, ein sehr großer Herr, du kannst noch einmal reich und glücklich werden, Ulli!«

»Dann wirst auch du reich und glücklich sein, Andreas. Du sollst dann nicht mehr aus dem zerbrochenen Pfeifenkopfe rauchen, ich kaufe dir einen wunderschönen Kopf mit einem bunten gemalten Bilde. Aber, weißt du, Andreas, daß ich mich vor dem Schreiben fürchte; ich bin schrecklich unwissend; geWiß werde ich orthographische Fehler machen und von einem so unwissenden Mädchen wird mein Onkel nichts wissen wollen.«

»Der Herr Onkel hat ja gesehen, wie du erzogen worden bist, und daß hier keine gelehrte Dame aus dir werden konnte.«

Der Brief an den Freiherrn von Gültling wurde also beschlossen und am Feiertagsmorgen betrat Ulli das Zimmer ihres verstorbenen Vaters, um Briefbogen und Couvert zu suchen. Sie empfand große Scheu vor Gegenständen, die zu berühren ihr wenige Tage zuvor nicht erlaubt war; unwillkürlich bewegte sie sich feierlich in den verödeten Räumen und vermied jedes Geräusch.

Die Schreibmaterialien des Barons waren nicht in bester Ordnung; aber endlich fand Ulli doch einen vergilbten Briefbogen und schlich sich hinaus, als habe sie einen Diebstahl begangen.

»Lieber Onkel!« schrieb Ulli nach vielem Überlegen. »Ich weiß nicht, ob Du noch an mich denkst und ob Du Dich noch erinnerst, daß Du mir gesagt hast, ich solle mich an Dich wenden, wenn ich in Not wäre. Ich bin jetzt in großer Not, denn mein Papa ist plötzlich gestorben. Freilich sagt Andreas, er sei schon lange krank gewesen; aber weil ich sehr unerfahren und unachtsam bin, habe ich nichts davon gemerkt. Ich wußte nur, daß Papa an den Augen litt; er erlaubte mir, ihm vorzulesen. Ich war froh, daß ich mich nützlich machen konnte.

»Freilich bin ich noch nicht ganz verlassen, denn Andreas und Susanne sind bei mir; sie fühlen sich aber auch sehr unglücklich, weil sie auf Schloß Wolfshagen alt geworden sind und nicht wissen, was mit ihnen geschehen soll. Ich wäre ganz schlecht, wenn ich sie in ihrem Unglück verließe. Kannst Du verstehen, lieber Onkel, was ich damit sagen will?

»Der Herr Pastor ist so gut, an meine Tante, die Baroneß Cäcilie, zu schreiben. Vielleicht wird sie glauben, sie müsse sich meiner annehmen, aber gern thut sie es geWiß nicht; sie hat meinen Vater nicht sehr geliebt und sie wird mich deshalb auch nicht leiden mögen.

»Lieber Onkel, ich bin nicht mehr so unartig wie damals bei Deinem Besuche, denn ich bin groß geworden; leider habe ich aber gar nichts gelernt; Du kannst dir geWiß nicht vorstellen, daß ein großes Mädchen so unwissend sein könnte, wie ich es bin.

»Ich glaube, es ist meine Pflicht, Dir das alles zu gestehen, damit Du nicht zu sehr erschrickst, wenn Du mich wiedersiehst. Du könntest auch noch über etwas andres erschrecken; ich bin nämlich sehr häßlich geworden; Susanne sagt, sie hätte es nicht für möglich gehalten, daß ich so häßlich werden könnte.

»Ach, lieber Onkel, sei nur nicht böse, aber ich weiß wirklich nicht, wie man sich unterschreibt, wenn man besonders höflich sein will. Ich setze deshalb nur meinen Namen hin.

Ulrike de Watteville.

»Nachschrift: Der Schnee fällt noch immer, alle Wege sind tief verschneit, Andreas will mir nicht erlauben, den Brief nach der Stadt zu tragen, und er selbst kann es nicht; so muß er liegen bleiben, bis das Wetter besser geworden ist.«

 

Indes war Pastor Kielmann nicht säumig gewesen, und noch am 24. Dezember ging sein Brief an Frau von Holder, geborene Baroneß de Watteville, nach Dresden ab und die Antwort lief umgehend ein. »Sehr geehrter Herr!« lautete sie. »Empfangen Sie meinen verbindlichsten Dank, daß Sie die traurige Pflicht übernommen haben, mich von dem Ableben meines teuren Bruders, des Barons Gerhard de Watteville, des letzten Nachkommen eines erlauchten Geschlechts, zu benachrichtigen.

»In Wahrheit bedurfte es nicht Ihres Hinweises auf die hinterlassene Tochter des Barons. Eine de Watteville weiß – selbst wenn es ihr die größten Opfer kostet – was sie ihrer Familie schuldet. Baroneß Ulrike hat ein Recht zu beanspruchen, daß ich ihr mein Haus öffne und ihr die Erziehung zukommen lasse, die ihrem Stande gebührt.

»Ich ersuche Sie, der Baroneß mitzuteilen, daß sich Madame Bontemps, die alte Bonne meiner Töchter, zugleich mit diesem Briefe auf die Reise begiebt, um die junge Dame nach Dresden zu begleiten.

»Was die Domestiken anbelangt, deren Sie erwähnen, so übersteigt es die Grenzen meines Vermögens, ihnen eine gesicherte Existenz zu bereiten; aber ich bin sehr gern erbötig, zu ihrem Unterhalte einen Beitrag zu steuern. Genehmigen Sie, geehrter Herr, die Versicherung meiner vorzüglichen Hochachtung.

Dresden, den 26. Dez. 1857.
Cäcilie v. Holder,
geb. Baroneß de Watteville.«

 

Der Pastor schüttelte den Kopf und auch die Frau Pastorin machte ein bedenkliches Gesicht.

»Ich fürchte, daß das arme Kind bei dieser Tante nicht in die richtigen Hände kommt,« sagte der Pastor. – »Es ist mir nicht einmal gelungen, für die alten Dienstboten etwas auszurichten.«

»Einiges Vermögen wird der Baron wohl hinterlassen haben, wovon hätten die Leute denn bis jetzt leben wollen?« meinte die Pastorin.

»Darüber hat mich Andreas belehrt. Der Baron hatte es bloß der Geschicklichkeit seines Advokaten zu danken, daß ihm von seinen Gläubigern erlaubt wurde, bis zu seinem Tode auf dem Schlosse zu wohnen; auch hatte ihm dieser brave Mann ein kleines Kapital gerettet, das allmählich aufgezehrt worden ist. Wenn das Begräbnis bezahlt ist, wird nicht mehr viel übrig bleiben. Not haben sie übrigens nicht gelitten, da auch der Pächter gehalten gewesen, ihnen eine Kleinigkeit an Milch, Mehl und Kartoffeln zu liefern.«

»Nun so müssen wir sehen, was sich für die armen alten Leute thun läßt, damit sie nicht ins Armenhaus kommen,« meinte die Pastorin und entwarf schon in Gedanken einen Plan.


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