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III. Der Deputierte von Arras

In der Zeit, da König Ludwig XV. sein Parlament vergewaltigt hatte (»In meinem Parlament sitzen lauter Revolutionäre!«), schrieb Mercy d'Argenteau lakonisch an Kaunitz: »Frankreich ist ohne Rechtspflege, Regierung und Geld.« Dieser erbauliche Satz konnte weit über Ludwigs Tod hinaus Anwendung finden, nur hätte man ihm noch anfügen müssen: Frankreich ist ohne Verwaltung.

Denn ohne wirkliche Verwaltung war dies Land, mußte es sein, da ungeheurer Grundbesitz sich in den Händen des hohen Adels und der großen Geistlichkeit aufgehäuft hatte und die Steuerkraft seiner Besitzer durch maßlose Privilegien und durch ein erbärmliches Steuersystem nicht dem Staat, sondern nur ihnen selber zugute kam. Diese Bevorrechteten, Hofadel und hohe Geistlichkeit, waren im eigentlichsten Sinne die Herren des Landes. Sie hatten nicht nur Ehren-, sondern auch Hoheitsrechte, eigene Gerichtsbarkeit, Beamte, Zölle, Fronen, Monopole, ganz zu schweigen von der Steuerbefreiung oder wenigstens einer wesentlichen Herabminderung aller steuerlichen Abgaben. Die ganze erdrückende Steuerlast lag auf dem Bürger-, vor allem aber auf dem Bauernstande (die Bevorrechteten zahlten 15 % aller Steuern, die übrigen 85 % mußten vom dritten Stand und von der Landbevölkerung geleistet werden!), der, selbst wenn er eigenen Grund und Boden besaß, immerfort der Fronsklave der Großen blieb. Die großen Herren hatten ihre Generalpächter, die rücksichtslos die Abgaben eintrieben, genau so wie es die Finanzpächter mit den Steuern hielten, und indes der Landmann rettungslos den Ausbeutern verfallen blieb, drängte sich in den Städten ein anderes Ausbeutertum zur Stadtkrippe, ergaunerte Ämter aller Art, mit denen es sich geschickt der Verpflichtung gegen den Staat entzog.

Der Bauer aber war und blieb der Bedrückteste. Er wurde gezwungen, seine Arbeit im Stich zu lassen, um Wege zu bauen, die in erster Linie den großen Herren zunutze kamen, die zur Jagdzeit mit Pferden und Hunden durch seine reifenden oder wogenden Felder setzten, ohne daß er bei irgendeiner Instanz hätte Klage führen dürfen. »Düster, leichenfarbig, sonnenverbrannt hängen sie an diesem Boden, den sie mit unbesieglicher Hartnäckigkeit bearbeiten und umbrechen. Ihre Stimme klingt unartikuliert, doch wenn sie sich aus ihrer gebückten Haltung aufrichten, so erblicken wir ein menschliches Antlitz, denn wahrhaftig – dies sind Menschen! Sinkt die Nacht, so kriechen sie in ihre Höhlen, in denen sie von schwarzem Brot, Wurzeln und Wasser leben. Sie nehmen den anderen Menschen die Mühe ab zu säen, zu ackern und zu ernten. Zum Lohn erhalten sie dies schwarze Brot, dessen Korn sie gesät haben.« (Labruyère.) Und weiter:

»Sie leben im fürchterlichsten Elend, ohne Betten, ohne Möbel. Die Mehrzahl von ihnen ermangelt während der Hälfte des Jahres des Gersten- und Haferbrots, das ihre einzige Nahrung bildet, und das sie sich und ihren Kindern vom Munde absparen müssen, um die Steuern zu bezahlen.« (Massillon.) Und zum dritten:

»Es sind armselige Sklaven, ins Joch gespannte Zugtiere, die dahin gehen, wohin man sie peitscht.« (D'Argenson.)

So sah das Los des Kleinagrariers in dem reichen Agrarlande Frankreich aus! Doch mit ihm mußte die übrige Bevölkerung (ausgenommen die Bevorrechteten!) unter der Auspressung und Verhöhnung seiner Arbeitskraft leiden und unter einem wahnsinnigen Zollsystem, das den Umlauf der Bodenfrucht unterband, es möglich machte, daß ein Sack Getreide hundertmal verzollt werden mußte, und dem Kornwucher der Generalpächter und der großen Herren (ein berühmter Kornwucherer war der Herzog von Orleans!) Türe und Tor öffnete. Und weil Frankreich eben durchaus Agrarland war, hing es nicht nur von all diesen Erbärmlichkeiten sondern auch noch von Gunst oder Ungunst des Himmels ab, und je nachdem in den einzelnen Provinzen die Ernte ausfiel, gab es immer wieder strichweise Hungersnot oder wenigstens ungeheuere Teuerung, die zu lokalen Aufständen führte. Beklagenswertes Land, dessen Boden so reich und dessen Bevölkerung so arm ist!

Die Rechtspflege – das Wort ist eine Persiflage, wenn man es auf die Rechtsbegriffe jenes Frankreich anwendet. Die Richterstellen waren ja käuflich, konnten durch eine weitere Kaufsumme sogar in erbliche umgewandelt werden, und so saß auch dort, wo Tüchtigkeit und Unbestechlichkeit Vorbedingungen sein müssen, der Bevorrechtete, der Geld genug besaß, um sich, seine Söhne, seine Enkel als Sachwalter der Themis zu präsentieren. Doch noch über all seiner und seiner Söhne möglichen Bestechlichkeit und Ungerechtigkeit stand ja der König, der die berüchtigten Lettres de cachet nach Belieben und in blanco an Mätressen und Günstlinge vergeben durfte, kraft deren ein Mißliebiger in der Bastille auf Jahre, Jahrzehnte oder auf Nimmerwiedersehen verschwand. Gefällige, längliche Pergamentstreifen mit blaßgrauem Vordruck, glichen sie eher Balleinladungen denn Haftbefehlen, und auch ihr Stil zeigte erlesene Artigkeit: »Ich schicke Ihnen diesen Brief, um Ihnen zu sagen, daß Sie in Meinem Schloß Bastille … aufnehmen und daselbst behalten sollen, bis Gegenbefehl von Mir ergeht. Worauf Ich zu Gott flehe, daß er Sie in seinen heiligen Schutz nehmen möge.«

Unter Ludwig XV. waren die Lettres de cachet in Schwärmen verausgabt, aber unter seinem kreuzbraven Enkel und Nachfolger allmählich so ziemlich außer Kurs gesetzt worden, obgleich sie immer noch zu Recht bestanden.

Weil die Willkür der Rechtsprechung bekannt war, die sich vor den Bevorrechteten ehrfurchtsvoll verneigte, hatte kein Mensch Respekt vor einem richterlichen Urteil, ja man war fast immer überzeugt, daß das Recht auf der Seite des Verurteilten stand, und darum galt es als rühmliche Geschicklichkeit, das Gericht an der Nase herumzuführen und sich durch Listen aller Art der Strafe zu entziehen, selbst wenn sie wohlverdient war. Als Beaumarchais, der später gefeierte Verfasser von »Figaros Hochzeit«, in einem Prozeß zu einer entehrenden Strafe verurteilt worden, war jedermann von der Ungerechtigkeit des Richterspruchs so überzeugt, daß Beaumarchais in seiner Wohnung Listen auflegen lassen konnte, in die sich ganz Paris glückwünschend einschrieb, und Herr von Sartines den Gefeierten mit den frivolen Worten zur Bescheidenheit mahnen durfte: »Auch ein Entehrter muß bescheiden sein!«

Das Trostloseste aber war und blieb die finanzielle Lage Frankreichs, an der alle Finanzminister vergeblich herumdokterten, gleichviel, ob sie wie Turgot auf vernünftige Reformen bedacht waren, ob sie gleich Calonne unfähige Köpfe darstellten, oder gleich Necker das uneingeschränkte Vertrauen des Volkes besaßen. Vergebens war alle Mühe, solange diese Art der Verwaltung, Boden- und Steuerverteilung bestand, solange das Volk nicht im sozialen Sinn ein einheitliches Ganzes darstellte, sondern in »Stände« geteilt blieb, in Adel, Geistlichkeit und den dritten, d. h. Bürgerstand, der in der Volksvertretung nur im schwarzen Rock erscheinen durfte.

Angesichts dieser auf die Länge unhaltbaren Zustände konnte von Ludwig XVI. trotz aller Kreuzbravheit immer noch gelten, was d'Argenson von Ludwig XV. geschrieben hatte: »Ludwig XV. hat weder wie ein absoluter Herrscher noch wie ein guter Präsident einer Republik regiert, und wenn man sich weder zu dem einen noch zu dem anderen entschließen kann, ist es um die königliche Autorität geschehen. Die Völker sind nun einmal in das parlamentarische System vernarrt und erhoffen von ihm die Heilung der Übel, die ihnen das andere System gebracht hat. Dies alles verrät, daß es unter der Asche glimmt …«

Ja, es glomm, aber wie sollte sich eine Sonne um das kümmern, was unter der Asche glimmt?! Die Sonne Versailles nahm von dem unterirdischen Glimmen nur insofern Notiz, als der König ob der wachsenden Not aufrichtig betrübt war und sich von seinen wechselnden Finanzkontrolleuren und -ministern immer wieder das Heil versprach, das durchaus nicht kommen wollte, obschon der eine von ihnen, Erzbischof Loménie de Brienne, in schönem Gottvertrauen gesagt hatte: »Es gibt so viele wunderbare Zufälle. Ich brauche nur einen, und wir sind gerettet.« Die Rettung wollte durchaus nicht kommen, und Frau Marie Antoinette tat in ihrer unbedachten Art das ihrige, um die immer schwüler werdende Stimmung zu erhitzen. Sie war damals mit jener Blindheit geschlagen, die alle Könige befällt, deren Stunde abgelaufen ist. Sie hat vermutlich nie das törichte Wort gesprochen, das man ihr in den Mund gelegt hat: »Wenn die armen Leute kein Brot haben, so können sie ja Kuchen essen!«, aber sie hat in jener schweren Zeit gelebt, als wäre sie das albernste Wiener Komteßchen gewesen, und niemand hätte damals ahnen können, wieviel Heldenmut und innere Größe in ihr steckten. Nur an Vergnügen dachte sie und nichts als Vergnügen, und Versailles-Trianon strahlt im Glanz seiner unaufhörlichen Feste, seiner Verschwendung, seiner Galanterie, seiner von Liebe und Perversität durchzogenen Atmosphäre. Glänzt wieder wie eine Insel der Seligen über Europa hin, und die Sehnsucht aller Vornehmen und Reichen diesseits wie jenseits des Meeres ist, einmal in Versailles empfangen, einmal an den Spieltisch der Königin zugelassen zu werden. Am Spieltisch rollt das Gold, als hätte Frankreich nicht ein unermeßliches Defizit sondern die reichsten Minen der Welt, und die Königin schenkt mit freigebiger Hand an ihre Freundinnen (ein böses Lächeln gleitet über alle Gesichter, wenn von diesen »Freundinnen« die Rede ist!) und deren Familien Gold, Ämter, reichen Bodenbesitz … Der König in seiner Schwäche gibt in allem nach. Er hat nicht die Kraft, die Torheit und den Eigensinn dieser Frau zu zügeln, ihr den Abgrund zu zeigen, auf den sie im Tanzschritt zueilt. Und dabei hat diese Frau nun die erste Jugend hinter sich und ist endlich, nach siebenjähriger, unfruchtbarer Ehe, Mutter einer Prinzessin und – juble Volk! – eines Dauphins geworden. Doch die Leichtfertigkeit der Königin und die Minierarbeit der Häuser Provence-Orléans hatten in diesen sieben Jahren Ansehen und Ruf Marie Antoinettens so gründlich untergraben, daß jedes Pariser Gesicht sich ironisch verzieht, sobald die Rede von dem kleinen chirurgischen Eingriff ist, den der König endlich, auf Zureden seines österreichischen Schwagers Josef (des späteren Kaisers Josef II.), hat vornehmen lassen. Té! solche Märchen sollen sie anderen vorreden, aber nicht gewitzten Parisern! Der erfolgreiche Chirurg wird wohl der Graf Artois gewesen sein, der ja von der Königin unzertrennlich ist! Hat sie doch sogar in seiner Begleitung die Maskenbälle in Paris besucht, was noch nie eine französische Königin getan hat, und infolge einer Wette hat der Graf für sie binnen sechs Wochen das Schlößchen Bagatelle erbauen lassen! Ja, ein flinker Mann, der Herr Graf Artois! Gewiß hätte er auch den Dauphin gerne binnen sechs Wochen hergezaubert, aber die Natur läßt sich nicht drängen wie ein Baumeister! Und auch der Herzog von Orléans denkt ungefähr wie die Pariser, nur natürlich in eleganterem Stil, und er schwört laut, daß er diesen Dauphin nie, gar nie als seinen rechtmäßigen König anerkennen wolle. Die Königin kümmert sich um all dies ebensowenig wie um die Not im Lande, die durch einen ungewöhnlich kalten Winter noch gesteigert wird. In Anbetracht der furchtbaren Kälte möchte die Stadt Paris Festlichkeiten, die sie für die Geburt des Dauphins geplant hat, verschieben, aber die Königin fragt spitz, ob »die gute Stadt« vielleicht warten wolle, bis der Herr Dauphin auf diesen Festen tanzen könne … Wenn eine Königin solch spitze Frage tut, gibt es natürlich für eine »gute Stadt« nur eine Antwort: »Majestät haben zu befehlen!« Und aus erschöpftem Stadtsäckel müssen etliche Millionen zusammengekratzt, zu gleicher Zeit aber auch Armenquartiere evakuiert und mit Militär belegt werden, weil man befürchten muß, daß während der Festlichkeiten Unruhen ausbrechen … Was Wunder, daß die Unpopularität der Königin wächst und wächst, so daß man schon im Jahre 1781 nicht wagte, ihr von der Vigée-Lebrun gemaltes Porträt im Salon auszustellen! Wenige Jahre später kam dann die ebenso verwickelte wie berüchtigte Halsbandaffäre, an der die Königin tatsächlich völlig unschuldig war, die aber von Feinden und Schwindlern so geschickt inszeniert worden war, daß Marie Antoinette sich nie mehr von dem Verdacht reinigen konnte, die Juweliere Böhmer und Bassenges um ein Diamantenhalsband geprellt und seine Steine heimlich verkauft zu haben. Und als im Jahre 1788 im Salon nun doch ein Bild von ihr ausgestellt war, da hing schon am Tag nach der Eröffnung am Rahmen der Zettel eines Spaßvogels: »Madame Defizit«.

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Necker.
Kupferstich von Boillet.
Wien, Porträtsammlung der Nationalbibliothek

Das Defizit war ungeheuer, nicht nur das finanzielle, sondern auch das moralische und innerpolitische. Hier konnte kein Pairsparlament mehr helfen, auch dann nicht, wenn es, wie das einst vergewaltigte, voll von Revolutionären gewesen wäre! Hier mußte ungleich tiefer eingegriffen werden, wenn das Glimmen, von dem d'Argenson sprach, nicht als Brand aufschlagen sollte!

Dem Volke mußte sein Recht werden – der König war dazu bereit, allerdings mit der stillschweigenden Einschränkung: »Das Recht, wie ich es verstehe!« In seiner Kreuzbravheit und Schwäche versteht er alles immer so, wie seine Umgebung will, obgleich es im Augenblick den Anschein hat, als raffte er sich zu selbständigem Handeln auf. Denn unter dem Druck eiserner Notwendigkeit ruft er den entlassenen Herrn Necker (den »Commis« nannte ihn die Königin spöttisch, weil er seine Finanzlehrzeit in einem großen Bankhaus begonnen hatte) zur Ordnung der Finanz- und anderer Nöte zurück, und Necker nimmt die neuerliche Berufung unter der Bedingung an, daß die Reichsstände einberufen werden; denn, so ist seine Meinung, das ganze Volk soll über sein eigenes Schicksal zu Rate sitzen und entscheiden …

Die Reichsstände – welch ein gespenstisches Wort aus vergangenen Jahrhunderten will da hervorkriechen und Lebensfähigkeit beanspruchen? Die Reichsstände – wer, der da lebt, hat je von ihnen gehört oder sie gar erlebt?! Keiner von allen, und wäre er noch so alt! Nicht Vater, nicht Großvater, nicht Urgroßvater können sich ihrer entsinnen, denn zum letztenmal traten sie im Jahre 1614 zusammen! Sechzehnhundertvierzehn zum letztenmal, und nun, im Sommer 1788, erläßt der König den Aufruf, daß sie sich im Mai des kommenden Jahres zu versammeln haben!

Ungeheuere Aufregung durchzittert jetzt das ganze Land. Erregter als Paris ist die Provinz, die brave Provinz, die solange ein Hort der Altvätersitte und des Altvätergehorsams gewesen ist! Doch das ist sie noch immer, und es wäre töricht zu glauben, daß hier rote Umsturzgedanken keimen! Nein, die Provinz, die ja das eigentliche Agrarland bedeutet, hängt an dem Königtum nach wie vor, aber sie, der die hohen und geistlichen Ausbeuter fester im Nacken sitzen als der Hauptstadt, sie will sich nicht länger durch Fronen und Steuern und Gerechtsamen auspressen und dem dritten Stand die Rolle eines Lakaien zufallen lassen. Schon das ganze letzte Jahr über ist es in den verschiedenen Provinzen immer wieder zu Ausschreitungen gegen die adelige und geistliche Zwingherrschaft gekommen, zu Aufständen, die militärisch niedergeschlagen werden mußten. Nun aber will sich die Provinz aufrecken! Nun wird sie ihre Vertreter in die Reichsstände schicken! Welch ein Erwägen, Bedenken, Bejahen, Verneinen, Gieren, Hasten! Die Würdigsten nur will jede Provinzstadt, jedes Dorf schicken! Nur Männer, die wissen, wie dem Volk ums Herz ist, und die seine Rechte gegen Tod und Teufel vertreten werden!

Auch die Provinz Artois hat die Qual der Wahl. Oder nein, ihre Wahlqual ist gar nicht groß. Das Artois wählt vier biedere Landleute, die vermutlich weder lesen noch schreiben können, seine Hauptstadt Arras aber wählt einen Intellektuellen: den Rechtsanwalt Robespierre. Der kann lesen und schreiben, und hat genug gelesen und wird genug schreiben, um nicht nur die Reichsstände sondern eine ganze Welt auf den Kopf zu stellen!

Er nahm seine Ernennung zum Vertreter der Heimatstadt gewiß mit derselben verschlossenen Miene entgegen, die man an ihm gewöhnt war, aber wie mag dieser ehrgeizige und phantastische Mensch in seinem Innern gejubelt haben, daß ihm, dem Rousseaujünger, das Amt zuteil wurde, Anwalt für die Rechte des Volkes zu sein! Nun würde er hingehen und für den neuen Evangelisten zeugen und mit Hand anlegen an dem Bau der anderen, vollkommenen Welt, von der er auf seinen einsamen Spaziergängen geträumt hatte. Nun würden Bedrückung und Ungerechtigkeit aus der Welt verschwinden. Nun sollte es nicht mehr arm und reich, nicht mehr vornehm und gering geben, sondern nur noch Menschen-Bruderliebe! Ein neues Zeitalter wird für Frankreich anbrechen. Gleich einem milden Hirten schreitet es an der Spitze der Kultur allen anderen Völkern voran. Eine andere Kultur als die verwerfliche der Privilegierten wird in Versailles, wo die Reichsstände tagen sollen, aufleuchten! Ein Reich der Güte, der Freiheit, der Menschlichkeit steht vor der Türe. Niemand darf daran zweifeln, denn – Rechtsanwalt Robespierre ist in die Reichsstände gewählt! …


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