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Letzte Vorbereitungen

Im Pflanzerhause herrschte große Freude. Den flüchtig hingeworfenen Zeilen, die fast mit den gleichen Ausdrücken berichteten, daß es Jan gut gehe und die Vorbereitungen gute Fortschritte machten, war endlich ein ausführlicher Brief gefolgt. Kurz vor der Reistafel hatte ihn der Kraftwagen von Medan mitgebracht. Er war an Frau Hollebeek gerichtet, und sie kannte den Inhalt schon beinahe auswendig, als sie den um den Familientisch Versammelten freudig bewegt vorlas:

 

»Meine liebe Mutter!

Verschiedene Karten haben Dir gesagt, daß ich mich trotz der herrschenden Hitze des besten Wohlseins erfreue und ziemlich sicher bin, Mitte kommender Woche losfahren zu können, wenn Arnolds Fuß nicht noch einen Strich durch diese Rechnung macht …«

 

»Glücklicherweise nicht,« tönte des Genannten Stimme dazwischen.

»Ich weiß,« fuhr die Vorleserin fort, »mit so kargen Berichten bist Du, liebe Mutter, nicht zufrieden; aber ein Tagebuch zu führen, kann ich mich nicht entschließen, denn bei meiner Abneigung gegen alles Schreibwerk käme doch nichts Vernünftiges dabei heraus. So will ich wenigstens heute versuchen, Dir in einem zusammenfassenden Rückblick mein bisheriges Tun und Treiben in diesem heißen Ort zu schildern.

Eine Wohnung in einem Bungalow vor der Stadt wurde mir von einem Chinesen angeboten, als ich den Dampfer verließ. Eine etwas sonderbare Art, eine leere Behausung zu vermieten! Auf eine diesbezügliche Bemerkung sagte er in dem drolligen, hier allgemein gebräuchlichen Sprachgemisch, daß er wiederholt ankommende Fremde für längere oder kürzere Zeit in seinem schönen Bungalow untergebracht habe. Schön ist nun die Behausung gerade nicht, aber sie liegt fern vom Straßenbetrieb, und die Bedienung ist gut. Weniger die Verpflegung! Doch auch sie hat ihr Gutes, indem sie mich den Übergang von der mütterlichen Küche zu den Büchsenmahlzeiten, die uns bald bevorstehen, nicht allzusehr empfinden läßt.

Gleich bei meinem ersten Ausgang machte ich eine Entdeckung, die mir nicht behagte. Zwei Häuser weiter trat, gerade als ich vorbeiging, ein Mann aus der Tür, auf dessen Anblick ich für den Rest meines Lebens gern verzichtet hätte. Muß mir ein neckischer Zufall ausgerechnet diesen Mister Haydock zum Nachbarn bescheren!

Nach unserem mehr als kühlen Auseinandergehen nahm ich als selbstverständlich an, daß wir uns gegenseitig als Luft behandeln würden, und blickte daher stramm geradeaus. Doch wie falsch hatte ich diesen Gentleman beurteilt! Vergaß er vor Verblüffung über das unverhoffte Wiedersehen, was zwischen uns vorgefallen war, oder ist er nicht von rachsüchtigem Gemüt – ich weiß es nicht. Jedenfalls legte er grinsend die Hand an seinen breitränderigen Korkhelm, was ich, allerdings mit eisiger Miene, erwiderte.

Die wichtigste, aber auch schwierigste Aufgabe war, einen tüchtigen Mann ausfindig zu machen, der versteht, sich unter den Arbeitern Achtung zu verschaffen und dabei auch vom Zinnwaschen mehr als eine bloße Ahnung hat. Denn da weder Arnold noch ich in dieser Beziehung Erfahrung besitzen, ist uns eine solche Kraft, wenn auch nicht unentbehrlich, so doch sehr erwünscht.

Auch diesmal hatte ich Glück, wie mir überhaupt ein günstiges Geschick alles, worauf es am meisten ankommt, beinahe ohne mein Zutun in den Schoß wirft.

Ah Ling, mein freundlicher Hauswirt, liebt ein Schwätzchen, und da ich dabei allerhand Wissenswertes über Land und Leute erfahre, zeige ich mich nicht abweisend. Wenn er mich auf meinem Liegestuhl im Garten sieht, hält er es anscheinend für seine Pflicht, sich nach meinem Befinden zu erkundigen und seine Dienste anzubieten. Schon beim ersten oder zweiten Male brachte ich oder er – ich weiß es nicht – das Gespräch auf den erwähnten Vorarbeiter. Sogleich wußte er Rat. Bei einem Landsmann hatte er von einem solchen gehört. Da griff ich natürlich mit beiden Händen zu, und schon am Nachmittag brachte er Wong Tsau an. Wir einigten uns, und so war dieser Punkt gelöst.

Hätte er übrigens außer Ah Lings Empfehlung nicht so gute Zeugnisse besessen, wäre ich vielleicht mißtrauisch gewesen, denn der Ausdruck seines braungelben Chinesengesichtes gefiel mir nicht. Jetzt habe ich mich daran gewöhnt. Was ich ihm auftrage, besorgt er gut, und ich zweifle nicht, daß er sich unter seinesgleichen durchsetzen wird. Sechs verwegen aussehende Burschen hat er schon für uns angeworben.

Gestern hat es eine kleine Meinungsverschiedenheit zwischen uns gegeben. Daß ich mir für die Reise einen Koch, einen Malaien, selbst verschafft habe, schien ihn zu ärgern. Wahrscheinlich erpreßt er aus seinen künftigen Untergebenen eine Vermittlungsgebühr, was, wie ich höre, unter Chinesen allgemein üblich sein soll, und der entgangene Dollar schmerzt ihn. Erklärlicherweise gibt er auch den eigenen Rassegenossen den Vorzug. Aber unser Koch hat ja nicht viel mit den anderen zu tun; da kann es kaum zu Schwierigkeiten kommen. Die Chinesen werden sich ohnedies ihren Tschau-Tschau, wie sie sagen, selbst bereiten.

Meine an Arnold gerichtete Karte hat gemeldet, daß auch eine geeignete Prau gefunden ist. Das geschah gleichfalls ohne eigentliche Bemühungen meinerseits. Wong – ich begnüge mich im Verkehr mit der ersten Hälfte seines Namens – führte mich zu Fahrzeugen, die meinen Anforderungen entsprechen sollten.

Bei dieser Gelegenheit erhielt ich den Beweis, daß er ein recht schlauer Geschäftsmann ist. Seinen Angaben entsprechend stellte er sich, als ob die Schiffsführer ihm alle unbekannt seien, doch fing ich einen Blick des Einverständnisses auf, den er mit einem von ihnen wechselte. Heimlich beobachtete ich ihn nun. Auf allen vier Prauen, die ich besichtigte, wiederholte sich dasselbe. Offenbar hat er sich von all den Brüdern für den Fall, daß gerade sein Fahrzeug gewählt würde, etwas versprechen lassen. Worin deren Vorteil liegt, ist mir nicht recht klar, denn, wie ich rein durch Zufall erfuhr, gehören all diese Prauen demselben Mann, einem reichen Chinesen, der sie gewöhnlich für seine eigenen geschäftlichen Zwecke benutzt.

Zwei bis drei Wochen auf einen so kleinen Raum beschränkt zu sein, zumal in Gesellschaft opiumduftender Chinesen, ist keine verlockende Aussicht. Selbstverständlich schlafen wir getrennt von ihnen, und zwar unter dem mit einem abnehmbaren Mattendach gegen Sonne und Regen geschützten Hinterschiff.

Jetzt weiß ich übrigens auch, warum die verhältnismäßig kurze Strecke so viel Zeit erfordert. Segel sind auf dem Fluß nicht zu verwenden. Alle Schiffe werden durch die Bootsleute vermittels schräg in das seichte Flußbett gesteckter langer Stangen vorwärtsgedrückt, wie man es an Kanälen sieht.

Arnold wird sich wundern, wieviel ich schon zusammengekauft habe. Feldbetten, Moskitonetze, Kochgeschirr, Gewehre und Munition, Instrumente, Lebensmittel in Büchsen, Reis, getrockneter Fisch und hundert andere Dinge haben einen bei meiner Ankunft leeren Wohnraum in ein reichhaltiges Warenlager verwandelt. Wie soll das alles in der Prau Platz finden? Für uns Menschen bleibt jedenfalls nicht zuviel Raum übrig.

Hier habe ich gestern den Brief abgebrochen. Den Schluß wollte ich mir für heute aufheben, denn da der Dampfer erst am Nachmittag abfährt, blieb ja genügend Zeit dazu.

So kann ich noch eine Neuigkeit beifügen. Als ich heute früh von dem gewohnten kleinen Morgenspaziergang längs des Wassers zurückkehrte, begegnete mir Mister Haydock. Diesmal überraschte er mich mit einer Anrede.

›Da der Zufall Sie Ihren Wohnsitz in der Nähe meines Hauses wählen ließ, konnte es mir nicht verborgen bleiben, daß Sie demnächst aufzubrechen beabsichtigen,‹ begann er, nachdem es ihm gelungen war, mich festzuhalten. ›Möglicherweise werden wir uns in der gleichen Gegend betätigen. Da möchte ich nicht verfehlen, Ihnen noch zu guter Letzt einen Vorschlag zu machen. Aus mir nicht bekannten Gründen haben Sie abgelehnt, mit mir gemeinsam zu arbeiten, obwohl dies auch für Sie von Vorteil gewesen wäre.‹

›Dieser Gesprächstoff ist doch hoffentlich endgültig erledigt,‹ unterbrach ich ungeduldig und machte Miene, meinen Weg fortzusetzen.

›Ganz gewiß,‹ rief er eifrig, ›kein Wort mehr davon! Nur wollte ich sagen: trotz allem, was zwischen uns vorgefallen ist, brauchen wir uns nicht zu bekämpfen. Es ist dort wirklich Platz genug für mehr als einen. Ich bin von Natur ein friedfertiger Mensch. Vergessen wir unfreundliche Worte, und seien wir einander nicht wehr böse! Das wollte ich noch sagen.‹

Dabei streckte er mir seine lange, knochige Hand entgegen. Was konnte ich anderes tun? Er machte ein so treuherziges Gesicht, daß ich an seine gute Absicht glaubte. Schließlich ist es ja auch für uns angenehmer, daß die Sache auf diese Weise beigelegt ist.

Später sah ich ihn mit meinem Hauswirt ein eifriges Gespräch führen. Ich hatte in die Stadt fahren wollen, merkte aber unterwegs, daß ich etwas vergessen hatte, und kam dadurch unerwartet zurück. Die beiden standen im Hintergrund des Gartens. Unbemerkt beobachtete ich sie. Mienenspiel und Gebärden ließen darauf schließen, daß sie einander nicht fremd waren. ›Offenbar ist es eine nur wenige Tage alte Bekanntschaft, die jedenfalls meinem Freund Haydock Gelegenheit verschaffen soll, den Chinesen über mich auszuforschen,‹ dachte ich, denn als ich neulich Ah Ling nach dem Engländer fragte, antwortete er das oft wiederkehrende ›No savvy‹ (kenne ich nicht). Ohne meine Beobachtung zu verraten, erwähnte ich vorhin unseren Nachbarn. Da verzog der Chinese seine Stirn in ernste Falten, dachte ein Weilchen angestrengt nach, schüttelte dann den Kopf und wiederholte mit dem ehrlichsten Gesicht sein › No savvy‹. Der alte Bursche hat sich offenbar bestechen lassen. Da sieht man, wie mißtrauisch man im Verkehr mit solchen Leuten sein muß! Es war, um den eigenen Augen nicht mehr zu trauen, so gut hat er geschauspielert. Ich sagte nichts, aber beim Abschied wird er erfahren, daß ich ihn durchschaut habe.

Wäre es nur erst so weit! Wäre Arnold nicht an den Dampfer gebunden, könnten wir schon einige Tage eher abreisen. Ich bin jetzt unbeschreiblich ungeduldig.«

Nach guten Wünschen für des Vaters Arm und Grüßen für alle schloß der Brief mit einigen zärtlichen Worten, die nur für die Empfängerin bestimmt waren und daher von dieser für sich behalten wurden.

Es war so, wie Jan geschrieben hatte: er wurde höchst ungeduldig. Je weniger es noch zu tun gab, desto mehr plagte ihn die Langeweile. Im Handelsteil der im Hotel aufliegenden Zeitungen studierte er Zinnpreise und andere Nachrichten vom Metallmarkt, als ob er bereits Minenbesitzer wäre und keine größere Sorge hätte, als die zutage geförderten Schätze möglichst vorteilhaft zu Geld zu machen. Mit den Europäern am Ort in näheren Verkehr zu treten, war ihm anfangs, wo es so viel zu überlegen gab, zu zeitraubend erschienen, und jetzt, kurz vor der Abreise, hielt er es nicht mehr der Mühe wert.

Da ihm selbst nichts Besseres einfiel, wandte er sich an den stets hilfsbereiten Ah Ling.

»Gibt es denn kein chinesisches Theater?« fragte er ihn am Montag morgen. »Ich werde jetzt viel mit Chinesen zu tun haben; da möchte ich gern etwas vom Volksleben im Chinesenviertel kennen lernen.«

Da Ah Ling sich stets gefällig zeigte, hatte Jan auch bei dieser Angelegenheit Auskunft und guten Rat erwartet. Aber es überraschte ihn doch, mit welcher offenbar ungeheuchelten Freude der Mann diesen Gedanken aufgriff. Ja, er bot sich sogar selbst zum Führer an.

»Vortrefflich! Dann können Sie mich vielleicht auch an Orte führen, die Europäer im allgemeinen nicht zu betreten pflegen.«

Nun ließ Ah Ling sich etwas bitten. Aber sein Zögern verstärkte nur den Wissensdurst des jungen Ingenieurs.

Endlich versprach Ah Ling, sich bei dem Besitzer eines Hauses, wo heimlich gespielt und Opium geraucht wurde, zu erkundigen, ob er einem Europäer im Vertrauen auf dessen Verschwiegenheit erlauben wolle, von einem Nebenraum aus das Treiben der Gäste zu beobachten.

»Mittwoch vormittag kommt mein Freund, und am Nachmittag soll die Prau beladen werden; es müßte also heute oder morgen sein.«

Der Chinese verbeugte sich höflich und versprach, sein Bestes zu tun. Wirklich schien er keine Zeit zu verlieren; fünf Minuten später hörte Jan ihn das Haus verlassen.

Statt einen Rikscha zu nehmen, ging er diesmal zu Fuß. Wiederholt blieb er stehen, um zu sehen, ob ihm niemand folge oder nachblicke.

Sein Weg war nicht lang. Beim zweiten Haus wandte er sich noch einmal um und verschwand dann blitzschnell in dessen Eingang.

Haydock lag, schon am frühen Morgen die Whiskyflasche neben sich, rauchend im Liegestuhl auf der Veranda. Die Zeitung war ihm entglitten. In die Luft starrend, sann er nach. Was Li Fu ihm zumutete, erzeugte Schreckensbilder, die nichts zu bannen vermochte. Die Untätigkeit war nicht mehr zu ertragen. Morgen endlich sollte es losgehen. Alles weitere würde sich dann finden.

Dies war sein Gemütszustand, als Ah Ling bei ihm eintrat. Mißbilligend runzelte er die Stirn.

»Welche Unvorsichtigkeit! Warum wird unsere Verabredung nicht eingehalten? Oder ist so dringend, was zu melden ist?«

»Kann sein, kann auch nicht sein; das müssen andere beurteilen. Er möchte heimliche nächtliche Zusammenkünfte im Chinesenviertel kennen lernen. Ich werde ihn führen, und es könnte sein, daß jemand ihm in den ›Fünf Glückseligkeiten‹ einen besonderen Empfang bereiten möchte. Sie wissen es nun. Ich habe meine Pflicht getan.«

Sehr achtungsvoll war der Ton nicht, in dem Ah Ling dies sagte.

»Es ist gut; wir werden sehen.«

Nachdem der Chinese sich auf ein entlassendes Kopfnicken hin entfernt hatte, verfiel der Engländer wieder in angestrengtes Sinnen. Plötzlich schnellte er auf und ging ein paarmal im Zimmer auf und ab, wobei er abgerissene Worte halblaut vor sich hin sprach. Dann vervollständigte er seine der Hitze angepaßte, mehr als leichte Kleidung durch tragen und weiße Jacke und griff nach Stock und Korkhelm, um sich in die Stadt zu dem Kaufherrn fahren zu lassen.

Li Fu nahm die Meldung mit gleichgültiger Miene auf.

»Was soll ich damit anfangen?« fragte er schlecht gelaunt, als der Agent schwieg.

Haydock stieg das Blut in den Kopf.

»Sie können damit anfangen, was Sie wollen,« erwiderte er achselzuckend, »viel oder nichts. Warum freuen Sie sich nicht darüber, daß Ihnen der Vogel von selber in die Falle fliegt? Ein Wort von Ihnen läßt sie zuklappen, und alle Schwierigkeiten sind aus der Welt geschafft.«

Der Mund des Chinesen verzog sich zu einem höhnischen Grinsen.

»Das haben Sie sich fein ausgedacht! Sie fahren morgen weg und überlassen mir und meinen Leuten, uns mit der Polizei auseinanderzusetzen. Ein Plan, der Ihrer Schlauheit Ehre macht! Nur hat er den Fehler, daß er mir nicht gefällt.«

»Wer sollte wohl auf den Gedanken kommen, daß Sie …«

»Die Polizei Ihres Landes ist unangenehm scharfsichtig,« unterbrach der Chinese ungeduldig. »Wie Ah Ling gemeldet hat, kommt übermorgen der andere Ingenieur. Wenn der seinen Freund nicht vorfindet und die Diener keine Auskunft geben können, schlägt er Lärm und …«

Heftig den Kopf schüttelnd, fiel Haydock ein: »Nein, so wird es nicht kommen. Der andere findet unseren Mann nicht mehr vor, wird aber trotzdem die Prau beladen lassen und allein die Reise antreten.«

»Wie wollen Sie das erklären?«

»Ah Ling muß das besorgen! Ich habe mir eine Geschichte ausgedacht, die ihren Zweck erfüllen wird. Zum Beispiel: der Holländer habe erfahren, daß ich einen Tag vor ihm Pinang verlassen wollte, ferner im letzten Augenblick noch, daß eine andere Prau gleichzeitig den Mudafluß hinausfahren werde, und zwar weiter, als beide Zinnsucher planten. Um festzustellen, wo ich lande, sei er fast ohne Vorbereitungen mit der fremden Prau gefahren. Der Freund solle nachkommen; an der Landungstelle werde er erwartet werden.«

»Und wie denken Sie sich das weitere?«

Der Engländer lächelte verschmitzt.

»Müssen Sie erst danach fragen? Ein Wink an Wong Tsau und ein nicht engherzig bemessenes Geldgeschenk dürfte genug sein. Im Fluß gibt es Krokodile, im Wald reißende Tiere und böse Menschen.«

»Ich verstehe! Auf solche Weise lassen Sie die Finger von einem Spiel, das gefährlich werden könnte. Aber wenn ich auf unserer alten Verabredung bestehe und mich um Ah Lings Meldung nicht weiter kümmere?«

»Für diesen Fall erkläre ich Ihnen hiermit« – Haydocks Stimme verriet feste Entschlossenheit – »daß ich nicht ausführen kann, was Sie mir zumuten.«

Der Chinese lachte höhnisch.

»Sie haben also Angst?«

»Nennen Sie es, wie Sie wollen! Ich habe Ihnen genug in die Hände gearbeitet. Ein Zufall kommt Ihnen zu Hilfe. Sie haben es jetzt in der Hand, alles wunschgemäß zu ordnen. Ein Befehl von Ihnen genügt. Ich weiß mehr, als Sie vermuten! Ihre alte Piratenbande …«

Er brach erschrocken ab. Der sonst so behäbige Li Fu war von seinem Sitz in die Höhe gefahren und durchbohrte den Sprecher mit einem Blick, der diesem das Wort im Munde erstarren ließ.

Als ob ihm dann plötzlich zum Bewußtsein käme, daß er zu weit gegangen sei, schüttelte er unwillig den Kopf und setzte sich wieder; doch seine Stimme bebte noch vor Erregung, als er nun halblaut sagte: »Es ist nicht gut, sich in meine Geheimnisse zu drängen; das dürfen Sie nie vergessen. Was Sie soeben anzudeuten schienen, bezeugt, daß Sie versucht haben, mir nachzuspüren. Wer das tut, ist mein Gegner!«

Der Engländer hätte sich für seine Unvorsichtigkeit selbst ohrfeigen mögen. Welche wahnsinnige Eingebung konnte ihn bestimmen, seine besten Trümpfe so leichtsinnig aus der Hand zu geben! Er brauchte nur in die haßfunkelnden Augen ihm gegenüber zu blicken, um zu wissen, daß er sich ganz zwecklos einen gefährlichen Feind geschaffen hatte.

»Ihre Geheimnisse kenne ich nicht, außer denen, die wir gemeinsam besitzen, und die sind aus Gründen, die ich nicht erst zu nennen brauche, sehr sicher bei mir aufgehoben,« sagte er schließlich ablenkend.

»Wenn das nicht so wäre, hätten Sie nie einen Vorteil davon,« versetzte der Chinese in einem Ton, aus dem die beabsichtigte Drohung deutlich hervorklang. »Die Gerichte pflegen einen Verräter mit Milde zu behandeln; schon oft aber ist ein solcher trotzdem eines grausamen Todes gestorben. Ich warne Sie. Mein Einfluß ist nicht zu verachten.«

»Warum sagen Sie das mir?« rief der Engländer mit unsicherem Lachen, und eine gekränkte Miene aufsetzend, fuhr er fort: »Wenn Sie kein Vertrauen zu mir haben …«

»Ich glaube, wir können jetzt wieder auf die Angelegenheit zurückkommen, die Sie hergeführt hat,« unterbrach Li Fu, ohne das Gesagte zu beachten. »Sie sind also fest entschlossen, die Hände in den Schoß zu legen, auf die Gefahr hin, daß die Ingenieure uns den Rahm abschöpfen?«

»Ja, Sir! Diesmal kann ich nicht tun, was Sie verlangen.«

Der Chinese runzelte die Stirn und zuckte die Achseln.

»Ich werde überlegen,« sagte er zögernd.

Haydock machte einen schwachen Versuch, seine Absichten zu erforschen, hatte aber kein Glück. Mit dem Auftrag, am nächsten Morgen alles zur Abfahrt rüsten zu lassen, wurde er entlassen.


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