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Die Zeit des Krieges

Was ist uns noch Christus?

Ein widerlegter Idealist! Widerlegt, weil die Welt durch 2000 Jahre das getan hat, was seinem innersten Willen widersprach. Menschen sollen sich gut sein, sich verstehen, sich verzeihen, sich vergeben – das war seine Lehre – und jetzt? Was kein Erdbeben, keine Sündflut, keine Feuersbrunst vollbringen kann – die seelischen Erdbeben, Haßfluten, Feuersalven vollbringen, was nie die Natur fertig gebracht: Hunderttausende in einem Tag, Millionen in einem Jahr sterben nicht aus brutalen Naturgesetzen, sondern im Namen eines unendlichen traurigen Nichtwirkens, Nichtfassens, Nichthaftens dieses Königs der Ideen: Jesus Christus! Er ist bankrott mit seinen Lehren. Das beweist nichts für den idealen Wert dieser Ideen, die in irgendeiner Weise eine Offenbarung sein müssen, weil nur das Allerherrlichste, das Allervornehmste, das Allerschönste, so einsam sein kann, wie Christus am Kreuz; aber es bedeutet den absoluten Schiffbruch der nach ihm gebornen Menschheit. Bankrott seine Lehre vom Reich der andern Welt, bankrott seine Lehre vom Mitleid und Liebe zu seinen Feinden, bankrott seine Lehre von Seligkeit der Kinderseele, und derer, die geistig arm sind! Bis zum heutigen Tage hat mit ihm direkt im Widerstreit der Raffinierte, der geistig Gerissene seine Glücksgeschäfte gemacht, und die wenigen echten Kinder Jesu haben wir Ärzte immer mehr gefunden in Arme-Leute-Wohnungen, als in Palästen. Diese Welt hat sichtbar die Schuftigkeit belohnt und die Gradheit in stillem, oft heiligem Schmerze darben lassen. Wer verführt die Menschheit seit Jahrtausenden auf die falschen Wege? Die Geldsucht, die Gewinnsucht, der Teufel! Aber was ist das? Ist in dieser Welt, der Schönheit, Liebe, Freude, Sonnenglanz und Frühlingswonne nicht abgesprochen werden kann, etwa der Teufel mächtiger? Dann hätte uns Christus eine falsche Offenbarung des wahren Verhältnisses zwischen Gut und Schlecht gebracht. Ist seine Deutung richtig, daß der Lohn erst im andren Reich erfolgt, warum sorgt der Hauptinteressent, Gott, nicht dafür, daß von Hunderttausenden mehr als 1 oder 2 den schmalen Weg gehen? Wer verführt sie, wer läßt es zu, daß sie verführt werden?

Wo ist Gott, Gott, Gott? in diesen Tagen der Raserei, der Todessaaten, des Hungerwehes und der Bedrohungsängste? Gott mutet den armen Gehirnen, die er selbst geschaffen, zugelassen oder vorbedacht hat, freilich viel zu zu begreifen, warum dieser grandiose Völkervernichtungswahn möglich wurde. Warum in aller Welt hat er zugelassen, daß die Idee des Geldes größer wurde, als die Idee der Liebe, für deren Sieg er doch seinen eingebornen Sohn hergab? Wußte er den Ausgang in unsere Tage, so mußte er auch die Nutzlosigkeit des Opfers wissen, und die Preisgabe seines Sohnes war nicht mehr, als ein zweifelhaftes Experiment.

Das Experiment ist gegen ihn, seinen Ersinner, ausgeschlagen, die Welt hat sich vom Idealismus ab zum egoistischen Kapitalismus gekehrt. Innenwert ist verdunkelt durch Außenwert, Kultur durch Zivilisation, Inhalt durch Form, Herzensreichtum durch den des Portemonnaies, Seelenprägung durch die Landesmünze! Das Gute ist nicht mehr konkurrenzfähig gegen das Schlechte. Deutscher Geist ist verfolgt, ein neuer Ahasver, der ewige Deutsche! Die Lüge, die Bosheit siegt in einem Konflikt, wie ihn die Erde nie gesehen! Wenn Deutschland untergeht: so richtet sich Gott selbst, und der Antichrist hat gesiegt. Dieser Wucher unserer Tage aber scheint Gott recht zu geben. Er gab den Menschen Buddhas, Mahomets, Moses, Christus' Wahrheiten, und sie haben Mammons Scheinsymbol des Wertes von Metall und Papier höher gestellt über alle Vernunft und müssen bluten, sich zu Tode bluten: Einer wie der Andere! Es gibt keinen Sieger in diesem Kampf: es wird nur Besiegte, Verurteilte, Vernichtete geben. Gott kehrt der Menschheit den Rücken, er läßt sie verkommen, wie eine erloschene Bakterienkultur. Man kann Gott verstehen, daß er dieses Konglomerat der Gier, diesen Bienenstock von Aussaugern für lebensunfähig hält. Lieber die paar Guten mit versinken lassen!

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