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IX.

Ein paar Tage später! Adele steht in dem Salon, um die Vorbereitungen für ihre große Gesellschaft zu treffen. Die Rosen sind angekommen; ein Teil rankt schon an den Wänden zwischen Bildern, Spiegeln, Statuetten und Nippes hindurch; es wird entzückend werden! Frau von Rodenheim ist sehr lebhaft und aufgeräumt, sogar der Tapezierer und seine Leute rühmen die schöne, freundliche Frau.

»Komm einmal herein, Dela!« – Thilo kommt eben nach Haus, sein Gesicht strahlt in Gutmütigkeit und Vergnügen. »Ich habe etwas für dich mitgebracht. Mach nur auf!«

Und auf dem roten Sammet funkeln Perlen und Brillanten, künstlerisch vollendet zu einem Halsband geeint.

Ein kleiner Schrei staunender Verwunderung entringt sich Adelens Lippen.

»Na, ist's so recht – hast du's so gewünscht?«

Seine Frau weiß kaum noch, daß sie etwas dergleichen gewünscht hat. Jetzt fällt es ihr wieder ein, und auch warum. »Gewiß, gewiß,« meint sie schnell, und ergeht sich in Begeisterung für die Steine, die Fassung, das Arrangement. »Ja, ja, gerade so hat sie sichs gedacht, nur nicht so schön« – behauptet Adele vorsichtig und klug, liebenswürdig wie immer.

Er ist glücklich.

»Papa, ist's wahr, der Roland ist fort?« Mit dieser Frage stürmt die kleine Nora herein. »Normann sagt, du hast ihn fortgegeben.«

Ein Schatten fliegt über des Offiziers Gesicht. – Thilo ist gutmütig, sogar aufopfernd, doch nicht übermäßig zartfühlend. So erfährt denn Adele jetzt, daß er sein Lieblingspferd verkauft hat, um die Perlen und Brillanten zu bezahlen.

»Papa leidet nicht, daß wir Schulden machen.« – Rodenheim meint, er müsse sich und den Vater entschuldigen. »Er hält uns auch so reichlich; es würde unrecht sein. Ich – na, 's ist schon vorbei. Wenns dir nur Spaß macht!«

»Wie gut du bist!« Adele reicht ihm die Hand.

»So gieb mir einen Kuß, Dela! Dela!« Mit einer warmen Bewegung zieht er die junge Frau an sich heran.

Vor deren Seele aber steht plötzlich durch Gott weiß welch geheimnisvolles Weben der Natur ein ganz anderes Gesicht und ein Schauer flirrt sie an unter der Berührung ihres Gatten.

Thilo ist das nicht entgangen. Darauf war er nicht gefaßt. Das hat er nicht verdient für seine ehrliche, zu allem bereite Treue. Er sagt kein Wort weiter; aber zum ersten mal tief innerlich bestürzt, verletzt, sinkt er auf einen Stuhl.

Adele wendet sich zu dem Kinde; sie möchte die Scene enden; sie hat ein Gefühl, als müsse sie irgendwo ihr Antlitz bergen, einen Halt suchen, Gott weiß für was. – Sie will die Kleine ans Herz schließen – die aber trägt die Züge, welche ihr in diesem Augenblick wie ein furchtbarer Vorwurf erscheinen. Sie stürzt hinaus. –

»Gnädige Frau befehlen?« fragt der Tapezierer, mit den letzten Dekorationen beschäftigt.

»Machen Sie, was Sie wollen.«

Verwundert schaut er ihr nach.

»Das ist unsere Gnädige,« meint der Soldat, der ihm zu helfen befohlen ist. Sein Ton klingt viel zu harmlos, um boshaft zu sein.

Die junge Frau hat in der That all ihre stolze Ruhe verloren; sie weiß nur noch, daß ein entsetzlich grauenhaftes Gefühl von ihrem Herzen Besitz genommen, daß sie einen fürchterlichen Preis für ihr glänzendes Leben bezahlt hat.

Immer noch stumm und regungslos sitzt Thilo da; nur daß er die Arme auf den Tisch gelegt hat, sein Auge leer sieht und jede Farbe von seinem blühenden Gesicht entschwunden ist.

Graf Berg tritt ein; er will den Kameraden besuchen, er bringt ihm die Zusage für morgen von sich und seiner Frau.

»Ja, ja,« sagt Thilo – keine Miene ändert sich in den verstörten Zügen.

»Rodenheim,« fragt der Graf liebenswürdig herzlich, »Sie sind doch nicht krank?«

»Krank« – Thilo besinnt sich – »Pardon, Pardon!« Er bietet seinem Gast einen Stuhl.

»Etwas Dienstliches?«

Thilo macht eine wegwerfende Bewegung, starrt aber von neuem ins Leere. »Meine Frau,« stottert er, besinnt sich noch zur rechten Zeit »– meine Frau ist – so nervös.«

Der Graf pfeift kaum hörbar – dann mit dem Bewußtsein seiner ganzen Überlegenheit meint er liebenswürdig: »Sie sind zu gut, Rodenheim.«

Mit klirrenden Sporen geht der Rittmeister in dem Zimmer auf und nieder. Er hat seine ganze schneidige Laune wieder gefunden; jedes peinliche Denken überwunden. »Haben ein kleines Souper heut im ›Prinzen‹; Waldhaus hat arrangiert, ich nehme Sie mit, Herr Kamerad! Wir sind fidel, und wenn Sie nach Haus kommen, ist alles vergessen.«

Thilo ist im Grunde kein Freund dieser Soupers der Herren aus dem Reiterverein, aber die Häuslichkeit ist ihm für heute ernstlich verleidet; er kommt sich so überflüssig darin vor. Er fühlt instinktiv, daß er zunächst etwas vergessen muß, ehe er sich wieder wohl fühlen kann. Er weiß nur noch nicht, wie und wo er das fertig bringen soll. Er nimmt die Einladung als eine Fügung der Verhältnisse an. Zudem übt der Graf mit seiner souveränen Ironie einen unwillkürlich bestrickenden Einfluß auf seine Umgebung aus.

Die Herren hatten einen kleinen eleganten Salon im Gasthof für sich; es waren, natürlich ganz zufällig, ein paar Damen hinzugekommen; die Kunstreiterin Pauline Merten, mit welcher der Graf in seiner letzten Garnison Bekanntschaft geschlossen hatte, und zwei Damen von der Operette; Waldhaus kannte sie von Berlin; er war ihnen im »Prinzen« begegnet und die Herren erlaubten gern die Einschiebung der drei Gedecke. Man begann, den Damen zulieb, mit Champagner. Die Unterhaltung war freier, als sie in der exklusiven Gesellschaft hörbar wird. Das blendend blauweiße Licht der elektrischen Flammen, das wie Mondlicht jede gelbe Farbe bleichend, jede herbe Linie mildernd umfließt, um Formen und Farben schimmern zu machen in magischem Schein, wob mit schmeichelndem Reiz um die frischen Gestalten der Mädchen, lieh den geschminkten Wangen einen verführerischen Zauber. Graf Berg war munter; manch flammender Blick kreuzte sich zwischen ihm und der »tollen Pauline«, die sich nach ihren Kolleginnen darauf steifte, ein Ausbund von Ausgelassenheit und Übermut zu sein.

Rodenheim hatte natürlich als Junggeselle dergleichen Soupers mitgemacht, weil es zum guten Ton, oder wenigstens zum flotten Kerl gehörte; er hatte sich auch amüsiert, wie er sich überall amüsierte. Heute saß er da als steinerner Gast. Die Verzweiflung in seinem Innern ließ ihn gar nicht zum Bewußtsein kommen, sonst hätte er diese Umgebung so peinlich empfunden, daß er ausgerissen wäre! Er lachte nicht, er sprach nicht, er konnte auch nichts essen. Da es ihm aber war, als müsse er etwas verarbeiten, so versuchte er es mit dem Wein.

Nach den ersten Gläsern kam ein Gefühl von fast wohliger Stumpfheit über seinen Geist. Dann wurde er zwar nicht lustiger, aber er wäre es gern geworden. Doch die Witze und Neckereien und die der Mädchen lassen ihn erst recht kalt; er liebt seine Frau.

Die Tafel wird aufgehoben; man spielt: die Damen pointieren mit.

Thilo spielt nicht. Er hat das seinem Vater versprochen; nichts wird ihn vermögen, ein einmal gegebenes Wort zu brechen. Er kommt sich recht überflüssig vor; doch er ist eben zu schlaff, um sich zu entfernen, zumal er zu Haus eben so überflüssig ist. So hält er sich weiter an Burgunder und Champagner oder Champagner und Burgunder, und meint schließlich ganz zuversichtlich, daß doch alles wieder gut werden, und er noch einmal Herr in seinem Hause werden wird.

Zum ersten mal, seit er verheiratet war, kam Thilo mit schwerem Kopf und schweren Tritten nach Haus.

Adele merkte davon nichts; sie hatte geweint; nun ist sie eingeschlafen. Vielleicht, daß ihr ein Traum Erfüllung bringt, sie lächelt.

Wie schön sie ist, wie sie anmutig da liegt, das reizende Gesicht von dem dunklen Haar umflutet, auf den weißen Kissen; die eine Hand ruhend auf der vollen Brust, während die andere mit dem Arm leicht gestreckt die Spitzen der Decke hält.

Er möchte ihr die schöne Wange streicheln zum freundlichen Gruß.

Er hat Besinnung genug behalten, sie nicht zu berühren. Wenn Adele wach geworden, wenn sie ihn so gesehen hätte!

Leise stiehlt er sich zu seinem Lager. Thränen treten in seine Augen, er hält sich für einen jämmerlichen oder einen recht schlechten Kerl. Aber schon liegt der Kopf auf den Kissen – in dem dunklen Bewußtsein, daß er etwas vergessen, etwas überwinden muß, reckt er die Hand noch einmal aus – ist's nach seiner Frau – oder einem Glase Champagner? Die Hand fällt herab; Ärger, Verdruß und Wein drücken auf das Hirn: und nach wenig Sekunden erlaubt im Schlaf das ehrliche Gewissen kein Denken und Wollen mehr.

###

Das Frühjahrsexerzieren war vorüber. Graf Berg ging mit seiner Frau in die Schweiz. Liebenswürdig aufmerksam – der Graf war doch einmal ein liebenswürdig galanter Mann – setzte er die Gräfin fest an einen hübschen kleinen Ort des Vierwaldstättersees; sie war leidend und benötigte der Ruhe. Er hingegen bedurfte der Bewegung und lief die Höhen ab, soweit wie nur möglich.

Auch Kanstedt nahm Urlaub; er ging an die See. Die Vergnügungen der Saison hatten seine Zeit in Anspruch genommen und er hatte darum noch mehr gearbeitet als sonst. Adele blieb bei ihrem Manne in der Stadt. Sie war klug genug, zu wissen, daß nur die geselligen Bande Kanstedt in ihrer Nähe erhielten; daß es ihr nur in einem Verkehr, dem er nicht ausweichen konnte, möglich sein würde, den tiefverletzten Stolz dieses Mannes – etwas anders konnte dessen vollständig wiedergewonnene Haltung nicht sein – zu besiegen. Sie wußte auch, daß es vorsichtig sein hieß, vorsichtig wie jemand, der einen bösen Plan zu verbergen, oder ein trauriges Geheimnis zu hüten hat.

Die junge Frau hatte als Kind schon den Verhältnissen Rechnung tragen gelernt; sie fügte sich auch jetzt, trotz der abscheulichen Hitze, der sandigen Trockenheit der Luft, der öden Langeweile einer toten Saison, darein, ihrem Gatten Gesellschaft zu leisten: als die liebenswürdigste aller Frauen!

Jedermann war davon überzeugt. Nur der arme Thilo, welcher hinter den Kulissen lebte, lernte immer mehr einsehen, daß der thatsächliche Besitz einer Frau doch noch recht wenig bedeutet für ein eheliches Glück.

Er hatte gethan, was er seiner Frau an den Augen absehen konnte; er that es immer noch. Dennoch immer häufiger kamen die Stunden, wo sie es kaum für die Mühe wert hielt, ihm ihre Gleichgültigkeit zu verbergen, daß wider Willen eine launische Ungeduld ihr erzwungenes freundliches Wesen durchbrach.

Es reizte und erzürnte ihn zugleich. Er liebte Adele trotzdem; er konnte nicht lassen von ihr. Er ärgerte sich über seine Schwäche und schämte sich, wenn er doch wieder heftig wurde im Zorn oder in Zärtlichkeit.

Zu solchen Stunden flüchtete er gewöhnlich auf sein Zimmer.

Der Dienst war mäßig zur Zeit, die Kinder hatte man in eine Spielschule geschickt, wo sie der Einfachheit halber auch über Mittag blieben. Mama wollte es so. Sie litt – unter der Hitze – unerträglich!

In Wahrheit aber erinnerten die armen kleinen Wesen die Mama zu sehr an jemand, an den erinnert zu werden ihr in der That zuweilen unerträglich schien. Wenn dann Thilo so allein saß, dann überkam es ihn nicht selten, all seine quälenden Empfindungen mit einer Flasche Bordeaux hinunter zu spülen, bis sein Gesicht rot, sein Empfinden stumpfer, er selbst scheinbar wieder herzhaft geworden war.

Adele kümmerte sich nicht darum. Sie war froh, wenn sie von seiner Nähe los kam. Auch sie litt unsäglich. Der Widerstand des Geliebten kränkte die verwöhnte Frau; und die Leidenschaft, welche sich nicht ausleben ließ, wuchs umsomehr nach Sinnen.

Dennoch vergaß sie sich selbst einstweilen nicht darüber. Sie pflegte ihre Schönheit, sann über kleidsamen Toiletten, las, um auf dem Laufenden zu bleiben, arrangierte kleine Soupers und Partien im Freien, um möglichst gut mit denen, die gleich ihr verdammt waren, die Hundstage in der Stadt zu verbringen, über dieselben hinweg zu kommen. Selbstverständlich, daß hierbei ihr lieber oder guter Mann zu thun und dafür seine reizende, liebenswürdige Frau wieder bekam. Ein Aufenthalt auf dem elterlichen Gut im Herbst brachte dann endlich für Thilo eine wohlthuende Unterbrechung. Ob auch Großpapa und Großmama Rodenheim im stillen fanden, daß die Tochter, der sie um ihrer Anmut willen gern verziehen, daß sie nur sich selber ins Haus mitgebracht, etwas liebenswürdiger sein könnte, als sie war, so legte doch das Zusammenleben mit ihnen dem verletzenden Wesen der jungen Frau gegen ihren Gatten eine gewisse Schranke auf. Auch die Kinder waren da, und schließlich, wenn auch hier einmal alles – wie sich der ehrliche Thilo eingestand – nicht stimmen wollte, dann trat die Jagd in ihre Rechte und half über zeitweilige Verstimmungen hinweg.

In leidlicher Eintracht, erfrischt am Geist und Körper, kam man im Spätjahr wieder zur Stadt. Nach und nach stellte sich hier alles ein: die Herren in strammer Haltung, sonnenverbrannt vom Manöver oder dem Urlaub; die Damen, von den Bädern gestärkt für die Wintersaison, die glänzend werden sollte. Der Kommandeur hatte gewechselt, der neue hatte zwei Töchter zu verheiraten und liebte ein flottes Korps. Auch in weitern Kreisen ließ es sich bewegt an; jedermann war angeregt und spähte nach Neuem und Neuigkeiten aus.

Eine der interessantesten Neuigkeiten, somit ein unerschöpfliches Thema für die Unterhaltung bildete eine Mrs. Bower. Das Auftreten dieser eben hierher verzogenen noch jungen Witwe war seltsam genug, um selbst in einer so großen Stadt Aufsehen, anständig genug, um keine Gegnerschaft zu erregen, endlich sattsam rätselhaft, um der Phantasie weitestes Spiel zu gestatten.

Mrs. Bower war mittelgroß, die etwas stark geschwungenen, doch weich modellierten Linien ihrer sehr schlanken Taille und üppigen Büste, die vollen Arme und Hände mit den feinen Gelenken und spitzen Fingern erinnerten an die Gestalten indischer Göttinnen. Ihr Gesicht war schmal, eirund, die Wangen waren weich, der großen Augen mandelförmiger Schnitt schien noch länger durch die meist halb geschlossenen Lider, ihr Blick feuchter, schwimmender durch das wunderbar bläuliche Weiß des Apfels um die dunkle Iris. Die Nase war etwas scharf, der Mund voll, doch waren die dunkelroten Lippen schön geschwungen, das Haar dick und pechschwarz, die Hautfarbe ein leises, mattes Gelb, welches das entschieden südliche Gepräge ihrer Schönheit noch erhöhte. Darum behaupteten denn auch die einen, sie sei eine reiche Jüdin, die sich in den Kolonien anglisiert habe; die anderen wollten wissen, sie sei eine Spanierin, die ihren ungeheuren Reichtum, ihren Namen und ihre Frauenwürde einem Offizier der englisch-indischen Armee verdanke.

Letzterer Ansicht schloß sich Graf Berg an. Er hatte Mrs. Bower in Tirol kennen gelernt und versicherte, daß die Dame durchaus comme il faut sei. Mrs. Bower mietete eine Loge im ersten Rang, wo sie jeden Abend in großer, kostbarer Toilette erschien; das war sie von London und Paris her so gewöhnt. Zuweilen kamen ein kleines Mädchen, welches der Mutter sprechend ähnlich sah, und eine alte Dame in einfachem Kleide mit; diese vermutlich des ersteren Gouvernante. Natürlich wohnte Mrs. Bower in einem sehr schönen Hause, von dessen Einrichtung Fabeldinge erzählt wurden; hielt Wagen und Pferde. Der Diener, der sie überall hin geleitete, war ein Mulatte. Daß Mr. Bower schön sei, ihre Brillanten und Spitzen echt: darin stimmte man überein; sie mußte kolossal reich sein!

Auch dem stimmte der Graf zu.

Ebenso fand er es vernünftig, daß die Fremde keinerlei Verkehr anzuknüpfen versuchte, was nur für ihre Klugheit und Noblesse sprach. Denn bei der ängstlich mißtrauischen Vorsicht der Gesellschaft wäre sie sicher mit solchen Versuchen nur abgefallen. Sogar seine Aufforderung, die Gräfin zu besuchen, hatte Mrs. Bower abgelehnt. Alles oder nichts war die Entschuldigung dafür. Und das hatte ihm imponiert!

Graf Berg hatte ihr natürlich einen Besuch gemacht; es wäre zu unartig gewesen, hätte er es nicht gethan. Sie waren sich in Tirol etwas näher getreten, wie das so bei Bergpartieen, dem Wohnen in einer Pension, dem täglichen Begegnen im Park zu geschehen pflegt. Er sagte der schönen Frau auch wohl guten Abend im Theater, reichte ihr einen Stuhl im Konzertsaal, weiter sah man nichts. Der Mulatte sprach kein Deutsch, die Gouvernante kam mit niemand zusammen, die Dienerschaft der exotischen Witwe, wie sie genannt wurde, erkannte den eleganten Herrn in Zivil, der zuweilen gegen Abend zum Diner erschien, bei Tage in dem Husarenoffizier nicht wieder, wenn ihnen dieser einmal auf der Straße begegnete. Der Graf aber fand das Haus, wo die tropischen Gewächse auf den Treppen blühten, die Felle von Löwen und Tigern die Wände, den Boden und die Möbel bedeckten, Papageien und kleine Affen in den Zweigen der Palmen kletterten, ebenso apart wie seine Eignerin. Er hätte ja ein Barbar sein müssen, um unempfindlich gegen die freundlichen Einladungen zu bleiben und einen so reizenden Verkehr. Er fand die junge Frau außerordentlich interessant, vielleicht nicht am wenigsten darum, weil ihm so viel selbständiger, unübersteiglicher Wille noch nie in einem Boudoir gegenüber getreten war.


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