Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

VI. Capitel.
Die klimatischen Verhältnisse der Pflanzen.

In der That, die Pflanze wurzelt nicht allein im Boden, sondern auch im Himmel. Alle Verschiedenheit des Bodens würde eine vergebliche sein, wenn nicht gleichzeitig eine Verschiedenheit der klimatischen Verhältnisse dazuträte. Beiden vereint verdankt die Erde die staunenswerthe Mannigfaltigkeit ihrer Pflanzendecke und somit auch ihrer Thierwelt. Ohne die Verschiedenheit klimatischer Bedingungen würden beide Reiche der Natur, wenn sie dann überhaupt möglich wären, die geisttödtendste Einförmigkeit an sich tragen. Dies leitet uns von selbst ans die Ursachen der klimatischen Wechselverhältnisse, ohne deren Kenntniß uns die Erde mit ihrem reichen Leben völlig unverständlich bleiben müßte. Welche Ursachen können es sein?

Man weiß, daß der ganze reiche Wechsel der Zonenverhältnisse und Jahreszeiten unserer Erde von der schiefen Lage der Erdachse gegen die Sonne herrührt. Um dies ganz zu begreifen, betrachten wir zuerst die Folgen, welche eine gerade Lage der Erdachse mit sich geführt haben würde. Wenn die Erde sich so um die Sonne bewegte, daß der Erdgleicher fortwährend mit der Erdbahn zusammenfiele, so würde die Sonne jeden Punkt der Erde fortdauernd gleichartig bescheinen, ihm folglich Jahr aus Jahr ein dasselbe Licht, dieselbe Wärme zusenden. Ein ewiger Frühling würde die Folge dieser Stellung beider Weltkörper zu einander sein. Aber welcher Frühling! Tage und Nächte würden überall gleich lang sein, die Länder an den Polen einen ewigen Tag haben; denn da die Sonne stets eine Erdhälfte erleuchtet, müßte ihr Erleuchtungskreis genau bis zu beiden Polen reichen. Die Sonne würde fortwährend senkrecht über dem Erdgleicher stehen und den Ländern zwischen den beiden Wendekreisen eine solche Fülle von Wärme zusenden, daß Psyche bald ihre Flügel daran versengen, weder eine Pflanze, noch ein Thier daselbst mehr leben würde. Und am Pol? Er würde zwar immer erleuchtet sein; aber es fragte sich, ob die ihm fortwährend so schief zugesendeten Sonnenstrahlen auch nur ein einziges Moos zu erzeugen vermöchten? Ein großer Theil der Gegenden, welche wir jetzt die gemäßigte Zone nennen, würde, wie Humboldt bemerkt, in das fast immer gleiche, aber nichts weniger als erfreuliche Frühlingsklima versetzt sein, welches bei einer beständigen Temperatur von 4½-9° Réaumur die Bergebenen der Andeskette unter dem Gleicher auf einer Höhe von 10,000-12,000 Fuß besitzen. Die mittlere Jahreswärme würde, wie Mädler bemerkt, an allen Punkten der Erdoberfläche auch die eines jeden einzelnen Tages sein. Mit Einem Worte, dieser ewige Frühling würde so entsetzlich ewig dauern, daß auf der ganzen Erde ein vollständiger Stillstand alles Lebens und Seins eintreten müßte. Wo kein Wechsel der Temperatur, da ist keine Ausgleichung, keine Bewegung, kein Leben denkbar. Wie die unbewegte Luft todte Kraft ist und nur durch Luftschichten von anderer Temperatur sich auszugleichen strebt, also bewegt wird und die Winde zeugt, ebenso ist alles Leben nur durch Verschiedenheit, durch Gegensätze denkbar.

Sollte die Erde wirklich bewohnbar werden, so mußte ihre Achse von ihrer Sonnenbahn abgewendet und fortdauernd, stets parallel mit sich selbst, in schiefer Richtung ihre Bahn (Ekliptik) um die Sonne vollenden. Man hat diese schiefe Lage der Erdachse gegen die Sonne die Schiefe der Ekliptik genannt. Der hierdurch gebildete Winkel zwischen Erdachse und Erdbahn beträgt 66½° –, der zwischen Erdbahn und Erdgleicher 23½°. Doch hat es sich gezeigt, daß dieser Winkel je nach der Stellung aller Planeten zu einander und durch ihre Einwirkung auf die Erdbahn ein veränderlicher ist. Indeß hat dieses Schwanken keinen andern Einfluß auf das Klima der Jahreszeiten, als daß durch die Verminderung des Winkels die Sommertage um einige Minuten kürzer, die Wärmegrade der Sonne um ein Unbedeutendes vermindert werden. Es liegt nun auf der Hand, daß durch die schiefe Stellung der Erdachse zur Ekliptik, d. h. der Erdbahn, die Sonne nicht stets eine Erdhälfte von einem Pol zum andern beleuchten, sondern eine ungleiche Beleuchtung herbeiführen wird. Bald muß sie, da die Erde in ihrem kreisförmigen Laufe um die Sonne ihre Stellung zu derselben, d. h. ihre Länderflächen fortwährend verändert, den Nordpol ganz beleuchten, während der Südpol in Nacht befangen bleibt, und umgekehrt. Durch diese ungleiche Beleuchtung und Erwärmung sind jetzt mit Einem Male die Bedingungen gegeben, welche das Leben der Erde schlechterdings erfordert, ein Wechsel von Beleuchtung und Erwärmung. Das sind die Jahreszeiten, die ungeheure Wirkung einer winzigen Ursache, die reiche Quelle alles organischen Lebens, der Schwer- und Mittelpunkt auch des Völkerlebens. In keiner andern Erscheinung prägt sich die Größe der Natur so sehr aus, wie in dieser. Auf einem Winkel der Erdachse beruht die ganze reiche Verschiedenheit der Pflanzendecke und des an sie gebundenen Thierreichs, die reiche Poesie von Frühling, Sommer, Herbst und Winter, alles Nahen der Blüthenpracht und alles Verschwinden, der Willkommen der Vögel und ihr Abschied, ja die ganze reiche Gliederung unserer staatlichen Einrichtungen, der wohlthätige reiche Wechsel unserer Gefühle, alles Völkerleben.

Wir sahen bereits, welch unheilvolles Gefolge ein ewiger Frühling auf allen Punkten der Erde mit sich geführt haben würde. Nicht minder unheilvoll würde es aber auch sein, wenn überall Frühling, Sommer, Herbst und Winter dieselben wären. Die eben gedachte Wohlthat reicher Verschiedenheit würde bald auf eine sehr geringe Stufe herabgedrückt sein. Glücklicherweise ist auch dem nicht so. Selbstverständlich müssen die Jahreszeiten der beiden nördlichen und südlichen Erdhälften einander entgegengesetzt sein, da die Sonne stets nur eine Halbkugel erleuchtet und beide ihr Bei der schiefen Richtung der Erdachse nicht zu gleicher Zeit zugekehrt sein können. In der That, um die Zeit unseres längsten Tages (Sommersonnenwende, Sommersolstitium, am 21. Juni) hat die südliche Erdhälfte Winter, um die Zeit unserer längsten Nacht (Wintersonnenwende, Wintersolstitium, am 21. December) dagegen Sommer. Nur zweimal jährlich erreicht die Erde einen Standpunkt zwischen diesen beiden äußersten Enden der Erde, wo die Sonne senkrecht auf den Aequator scheint. Das ist die Zeit der Aequinoctien oder der Tag- und Nachtgleichen, am 21. März und 25. September. Nur in diesem einen Falle sind alle Tage der Erde gleich lang, überall ist Frühling (am 21. März) oder Herbst (am 25. September). Diese vier Hauptrichtungen in der Stellung des Erdgleichers zur Sonne bilden die vier Jahreszeiten.

Woher jedoch der längste und der kürzeste Tag? Weil die Bahn der Erde um die Sonne, wie das erste Kepler'sche Gesetz lehrt, kein Kreis, sondern eine Ellipse mit einem größeren und einem kleineren Bogen ist und die Erde in einem ihrer beiden Brennpunkte steht. Passirt die Erde den Punkt des größten Bogens, dann steht sie am entferntesten und längsten für uns am Himmel, ihre Strahlen nähern sich der senkrechten Richtung am meisten und erwärmen folglich die Erde mit kräftigsten. Es ist Sommer. So am 21. Juni. Erreicht jedoch die Erde den Punkt des kürzesten Bogens, dann ist die Sonne ihrem Brennpunkte zwar näher, sie ist ihm um 694,000 Meilen näher als im Sommer gebracht, allein ihre Strahlen bescheinen uns in schiefer Richtung und sie selbst geht rascher für uns unter, weil sie einen kürzeren Bogen zu durchlaufen hat. Sie erwärmt die Erde folglich weniger, obgleich sie uns zu dieser Zeit größer zu sein scheint. Es ist Winter. So am 21. December. Frühling und Herbst sind die mittleren Punkte zwischen diesen beiden Gegensätzen und besitzen darum auch nur eine diesem Verhältniß entsprechende mittlere Temperatur. Am 21. März beginnt der Frühling, am 25. September der Herbst.

So die astronomischen Jahreszeiten. Die wirklichen verzögern und verändern sich indeß durch verschiedene Ursachen: der Frühling durch die Kälte des Winters, der Winter durch die Wärme des Sommers. Darum fällt die größte Wärme nicht auf den längsten Tag, sondern in den Juli, die größte Kälte nicht auf den kürzesten Tag, sondern in den Januar. Selbstverständlich üben die uns fortwährend zugesendeten warmen oder kalten Luftschichten einen nicht minder bedeutenden Einfluß auf die Jahreszeiten und ihre Regelmäßigkeit aus. Ebenso wirkt die Lage eines Ortes außerordentlich auf sein Klima ein. Da sich auf dem Festlande größere Schneemassen anhäufen und die Luft abkühlen, so verzögert sich im Festlandsklima der Frühling, wie daselbst überhaupt der Winter schroffer sein muß. Umgekehrt auf Inseln. Hier verhindert das Meer entweder die Anhäufung von Schneemassen oder mildert durch seine Verdunstung, bei welcher Wärme entbunden wird, die Härte des Winters. Das Festland, der Continent, wird mithin im Allgemeinen einen härteren Winter haben. Dagegen besitzt er wieder eine größere Sommerwärme aus gleichen Gründen; denn seine Oberfläche wird sich leichter erwärmen, als das tiefe Meer. Umgekehrt wird deshalb auch das Inselklima einen kühleren Sommer haben. In jedem Falle aber ist es ein durchschnittlich milderes, weil es keine schroffen Gegensätze hat. Darum nähert sich eine tropische Pflanzenwelt weit mehr der Schneegrenze nach dem wasserumgürteten Südpol hin, während nach dem Nordpol zu nur nordische Gewächstypen angetroffen werden. Im Allgemeinen tragen die Verdunstungen des Meeres und deren Einwirkungen auf die Luftströmungen, sowie die Strömungen des Meeres selbst nicht wenig zur Veränderung der Klimate und Jahreszeiten bei. Ich führe nur ein charakteristisches Beispiel, den Golfstrom, an, welcher aus dem Meerbusen von Mexiko an den nördlichen Gestaden Nordamerikas vorbei in reißender Geschwindigkeit, 4 Meilen in der Stunde durchlaufend, den atlantischen Ocean durcheilt, die Küste Irlands und Schottlands berührt, von da ab nach den Scheerenufern Norwegens fließt, das Nordkap erreicht, den Hafen von Tromsöe auch im Winter offen erhält und ins Eismeer geht. Diese wunderbare Meeresströmung verbindet sich mit dem großen Aequatorialstrome, welcher von dem Caraibischen Meere quer durch den atlantischen Ocean nach den Küsten Nordasrikas hinüber fließt, um sich an den Küsten Nordspaniens und Irlands mit dem Golfstrom zu vereinigen und demselben eine noch größere Wärme zuzuführen, als jener bereits besitzt. Diese beiden Strömungen umfließen nun das ganze Inselreich Großbritanniens und mildern dessen Klima derart, daß hier an einigen Punkten Camelien, Lorbeer, Myrten und andere südlichere Pflanzen im Freien ausdauern. Wäre dagegen dieser Golfstrom nicht an den englischen Küsten vorhanden, so würde das ganze Inselreich bei seiner nördlichen Lage, ein rein nordisches sein, welches wahrscheinlich dem von Island nicht allzufern stehen könnte. Gegenwärtig aber verdankt ihm besonders Irland jenes feuchtneblige Klima, welches ihm seine herrlichen Wiesen und durch diese den Namen der »grünen Insel« verschafft hat. Aehnlich selbst an den Scheerenufern Norwegens. Unter 63½° n. Br. zieht man an der Westseite noch Aepfel und Pflaumen bei Tutteröe in der Nähe von Dronthjem, Kirschen bei Ertvagöe unter 63° n. Br., Birnen noch bei 62° n. Br. Ebenso gelangen, wie Maury bemerkt, durch die Ostwinde die warmen Dünste dieser Strömung an die atlantischen Gestade der Vereinigten Staaten und bringen dort selbst im Winter bis zu den Bänken Neufundlands eine fast sommerliche Temperatur hervor, die natürlich höchst bemerkenswert auf die Vegetation wirken muß.

Endlich wirkt die Bodenerhebung gleich mächtig auf Klima, Jahreszeiten und Pflanzenwelt ein. Zwei Ursachen liegen hier zu Grunde, der verminderte Luftdruck und die Bildung des ewigen Eises. Der verminderte Luftdruck bewirkt eine größere und raschere Verdunstung des Wassers aus den Pflanzentheilen und macht sie dadurch für Licht und Wärme in directer Besonnung empfänglicher. Hierdurch ist es den kleinen Alpenkräutern gegeben, ihre Entwickelung in einem so kurzen Sommer zu durchlaufen und eine ungeahnte Blumenpracht zu entfalten. Die Bildung des ewigen Eises ruft ein nordisches Klima hervor, setzt, wie an den Polen, der Pflanzendecke ihre Grenze, verzögert die Blüthezeit und Fruchtreife der Gewächse und läßt dem Winter den Sommer unvermittelt folgen, wodurch den Alpen Frühling und Herbst abgehen. Wir werden an einer andern Stelle, bei Betrachtung der Pflanzenregion, die ganze hierdurch hervorgebrachte Mannigfaltigkeit des Gewächslebens kennen lernen.

Die verschiedene Beleuchtung und Erwärmung der Erde durch die Sonne erzeugt nicht allein die Jahreszeiten, sondern auch die klimatischen Zonen, im Allgemeinen eine polare, eine kalte, eine gemäßigte und eine heiße. Die heiße Zone zwischen den beiden Wendekreisen besitzt eigentlich nur zwei Jahreszeiten, wie der hohe Süden, der hohe Norden und die Alpen der gemäßigten Zone; sie hat einen heißen Sommer und statt des Schneefalls die Regenzeit. Beide treten ebenso plötzlich ein wie Tag und Nacht, welche keine Dämmerung zulassen und unter dem Aequator gleich lang, aber nach den Wendekreisen, dem äußersten Saume hin, wo die Sonnenstrahlen noch ziemlich senkrecht fallen, fast gleich lang sind. Die Alpen dieser Zone kennen dagegen fast nur eine Jahreszeit, einen ewigen Frühling, in welchem täglich eine mildere Glut der Sonne mit Schneestürmen wechselt. In einigen Theilen dieser Zone treten zwei Regenzeiten auf, die man als große und kleine unterscheidet, in einigen herrscht nur eine, die trockene Jahreszeit. So dort z. B. in Bogota, hier an der Küste von Peru. Dies hängt von den Winden ab, je nachdem sie durch ihr fortwährendes Dasein die Wolken beständig vertreiben oder durch ihren Wechsel verdichten. Dadurch wird noch eine andere Einwirkung auf das Pflanzenleben hervorgebracht: ein bewölkter Himmel wird ganz anders als ein ewig heiterer wirken. Fühlen wir es doch schon an unserem eigenen verschiedenen Wohlbehagen, sehen wir es doch schon an unsern Ernten! In der That übt der bewölkte Himmel einen ähnlichen Einfluß aus, wie der Schatten, und sofort zeigt sich die Wirkung im Pflanzenreiche. So zeigen selbst noch in unsern Treibhäusern die Gewächse Westindiens eine auffallende Reizbarkeit gegen directe Sonnenstrahlen. Dies erklärt sich leicht durch das Klima Westindiens, wo täglich leichte Federwolken vor der Sonne vorüberziehen und den Gewächsen des antillischen Inselmeeres einen Schutz gegen die Sonnenglut bringen. Darum steht sich der Gärtner genöthigt, seinen Treibhauspflanzen durch Bedeckung einen ähnlichen Schutz gegen die Mittagssonne zu verleihen. Der Grund für diese Erscheinung liegt darin, daß die Ernährung der Gewächse, also die Zersetzung der Kohlensäure und ihre Verwandlung in Kohlenstoffs nur bei bestimmten Temperaturen vor sich geht und folglich ebenso der erhöhter Wärme (die ja durch directe Besonnung nicht ausbleiben kann) wie bei verminderten Temperaturen regelwidrig werden muß. Dies ist zugleich die Hauptursache für alle Pflanzenverbreitung. Je nachdem die Wärmegrade sind, deren eine Pflanze zu ihrer Ernährung bedarf, danach sind auch ihre geographischen Punkte beschaffen. Natürlich gilt dies ebenso von den verschiedenen Pflanzen des Winters, Frühlings, Sommers und Herbstes, sie erscheinen nach einander, weil sie durch verschiedene Temperaturen aus ihrem Schlafe geweckt werden.

Aber nicht die Wärme allein spielt im Klima diese bedeutsame Rolle, auch das Licht gesellt sich ihr zu, denn die neuere Wissenschaft unterscheidet im Sonnenlichte dreierlei Strahlen: wärmende, leuchtende und chemisch zersetzende (aktinische). Diese drei wesentlichen Eigenschaften des Sonnenlichtes machen uns erst die Wirkung der Sonne auf die Pflanzenwelt deutlich. Sie bedarf der wärmenden Strahlen bei allen ihren Lebensvorgängen, da Wärme und Wasser die verflüchtigenden Naturmächte sind, durch deren Thätigkeit die chemische Verwandtschaft, der Stoffwechsel erst erregt wird, und wir haben eben gesehen, daß dies bei ganz bestimmten Temperaturen vor sich geht. Die Pflanze bedarf der aktinischen Strahlen, weil dieselben das Keimen begünstigen. Sie bedarf der leuchtenden; denn diese zerlegen die Kohlensäure in den Pflanzen in Sauerstoff und Kohlenstoff und begünstigen somit das Wachsthum, indem die Pflanze sich des Kohlenstoffes zur Vermehrung ihrer Zellenschichten, des Sauerstoffes zur Oxydirung, also zur leichteren Zerlegbarkeit und Verspeisung ihrer übrigen Stoffe bemächtigt. Sie bedarf der aktinischen und leuchtenden Strahlen in Gemeinschaft; denn beide vereinigt rufen die Farbenpracht der Pflanzenwelt hervor, hindern aber das Blühen und Fruchten. Dieses begünstigen dagegen wieder diejenigen wärmenden Strahlen, welche den rothen leuchtenden im Farbenbilde zur Seite liegen. Diese verschiedenen Wirkungen des Sonnenlichtes, deren genauere Erforschung wir dem Engländer Hunt verdanken, stehen in genauem Zusammenhange mit dem Jahres- und Pflanzenwechsel. Können wir den Frühling die Jahreszeit des Keimens nennen, so werden die aktinischen Strahlen ganz besonders an ihrer Stelle sein, da sie das Keimen befördern. Sie müßten dann bei weiterem Vorrücken der Jahreszeit ihre Stelle jenen den rothen leuchtenden Strahlen im Farbenbilde zunächst liegenden wärmenden Strahlen überlassen, welche das Blühen und Fruchten begünstigen. In der That fand das Hunt bestätigt. – Im Frühjahre herrschen die aktinischen Strahlen vor; später vermehren sich die leuchtenden und wärmenden, welche im Sommer den aktinischen das Gleichgewicht halten. Gegen den Herbst hin vermindern sich die leuchtenden und aktinischen Strahlen; dagegen sind die wärmenden vermehrt. Suchen wir nach der Ursache dieser Lichtverschiedenheit, so kann sie nur in den verschiedenen Abständen der Sonne von der Erde liegen; denn richtet sich die verschiedene Wirkung des Sonnenlichtes nach den Jahreszeiten, und sind diese selbst nichts als die Producte verschiedener, Abstände der Sonne von der Erde, so müssen auch die verschiedenen Eigenschaften der Sonnenstrahlen in verschiedenen Jahreszeiten daher rühren. So ruft ein veränderlicher Bogen der Erde auf ihrem Laufe um die Sonne die erstaunlichsten Wunder hervor. Wo große, fremdartige, noch ungeahnte Kräfte zu wirken scheinen, ist die Ursache so winzig, so einfach!

Licht, Wärme, Feuchtigkeit und Luftdruck sind mithin die Hauptregenten im Klima und folglich in der Pflanzenwelt. Wärme und Feuchtigkeit lösen die Stoffe und leiten den Umbildungsprozeß ein, das Licht vollendet ihn. Der Luftdruck erhöht oder vermindert die Verdunstung in den Pflanzen, dort, wenn er, wie auf den Alpen, geringer, hier, wenn er, wie in den Ebenen, größer ist. Er wirkt im letzten Falle wie eine feuchte, im ersten wie eine trockene Luft. Darum ähneln sich auch die Gewächse der Alpen und der trocknen Länder darin, daß sie in beiden Gebieten eine trocknere, lederartige Beschaffenheit in Stengel und Laub annehmen, daß ihnen das Saftige im Allgemeinen fehlt. Dagegen tritt bei ihnen wieder das Gewürzige oder das Süße hervor. Bekannt ist das Aromatische der Alpenkräuter und der Myrtenpflanzen, welche in dem trockensten Theile Neuhollands die besonderen Wahrzeichen der Pflanzendecke sind. Bekannt ist auch das Ausschwitzen vielerlei süßer Stoffe in der trocknen heißen Zone. Die Manna Südeuropas zeigt sich nur in trocknen heißen Sommern, die Manna Aegyptens, Nubiens, Arabiens und Neuhollands bestätigt dasselbe in weiten Länderstrecken. Selbst hier zu Lande tritt diese Zuckerbildung auf, und zwar als Mannit auf Lindenblättern zur Zeit der Hundstage, auf dem spanischen Flieder ( Syringa) u. s. w. Besonders leicht werden die Kornähren von dieser Zuckerbildung ergriffen. Man kennt sie unter dem Namen des Honigthaus, weil dieser Zucker hier in Gestalt von Thautropfen erscheint. Es folgt für uns der wichtige Schluß daraus, daß gleiche oder ähnliche klimatische Bedingungen überall auf der Erde gleiche oder ähnliche Wirkungen hervorrufen, daß die Naturgesetze überall gelten und daß nur eine geringe Kleinigkeit der Bedingungen dazu gehört, sofort andere Wirkungen einzuleiten. Gesellt sich zum verminderten Luftdrucke eine große Trockenheit der Atmosphäre, so werden die ungemein aromatischen Gewächse, welche überdies kleine Blätter und kleine Blumen tragen, klebrig, stark verästelt und sehr haarig. So zeigt es sich wenigstens nach R. A. Philippi's Beobachtungen in der Wüste Atacama in Chile, welche auf einer Hochebene von einigen Tausend Fuß gelegen ist. Das erinnert uns vollständig an die Gesetze der Krystallbildung (Cap. V,), die von den unbedeutendsten Verhältnissen regiert wurde.

Ehe wir jedoch vom Klima scheiden, sei es uns erlaubt, noch einen andern Punkt, das Schattenwerfen der Pflanzen, zu berühren. Es kann in der That erst nach solchen physikalischen Vorbetrachtungen verstanden werden. Bekanntlich unterscheidet man längst die Bewohner der Erde in verschiedenschattig?. In der heißen Zone wirft der Mensch zur Zeit der Tag- und Nachtgleichen, wo die Sonne zweimal im Jahre Mittags senkrecht über jedem Orte weggeht, keinen Schatten, sie heißen kennt Ascii, Schattenlose. Da ihnen indeß die Sonne an den übrigen Tagen des Jahres Mittags im Norden oder Süden steht, müssen sie natürlich den Schalten nach der entgegengesetzten Seite, im ersten Falle nach Süden, im zweiten nach Norden werfen. Daher nennt man sie zugleich auch Amphiscii, Zweischattige. In der kalten Zone dagegen wechselt die Sonne auf ganz andere Weise. Sie geht am 21. März für den Nordpol auf, für den Südpol unter und steht dann im Gleicher, um von da an bis zu den Polarkreisen die Erde mehre Monate lang zu bescheinen. Am Pol gibt es darum jährlich nur einen Tag und eine gleichlange Nacht. Nach den Polarkreisen hin kürzt sich dieser Tag immer mehr, sodaß er unter 67° 18' nur einen Monat währt und am nördlichen Polarkreise selbst die Sonne jährlich einmal (am 21. Juni) nicht unter- und einmal (21. December) nicht aufgeht. Dieselben Verhältnisse kehren in umgekehrter Weise am Südpol wieder. Hier beginnt die lange Nacht am 21. März, der lange Tag, wo die Sonne als Mitternachtssonne fortwährend ganz oder ziemlich am Horizonte kreist, am 21. December, doch stets durch eine lange Dämmerung gemildert. Natürlich umkreist die Sonne in dieser Zone den Horizont ununterbrochen; deshalb muß der Mensch binnen 24 Stunden seinen Schalten allmälig nach allen Seiten hin werfen. Man nennt sie darum Periscii, Ringsumschattige. Das schöne Mittel zwischen beiden entgegengesetzten Zonen bildet die gemäßigte Zone der beiden Erdhälften. In der nördlichen steht die Sonne zu Mittag immer im Süden, in der südlichen stets im Norden. Darum müssen die,Menschen hier wie die Tropenbewohner außer der Zeit der Tag- und Nachtgleichen ihren Schatten entweder im ersten Falle nach Norden, im zweiten nach Süden werfen. Sie find mithin Einschattige, Heteroscii. Was von den Menschen gilt, bezieht sich natürlich auch auf die Gewächse.

Ueberblicken wir die Klimate im Großen und erinnern wir uns, daß Zonen und Jahreszeiten aus derselben Ursache, der schiefen Neigung der Erdachse zur Sonne, hervorgingen, so machen wir in der gemäßigten Zone mit dem Vorrücken der Jahreszeiten gleichsam eine Reise durch alle Zonen, eine Reise um die Welt. Der Winter führt uns in die kalte Zone, der Sommer in die heiße, und die Aufeinanderfolge der Gewächse entspricht genau diesen Verhältnissen. Je näher dem Winter, um so nordischer sind die Gewächsformen, welche der Erde entkeimen; je näher dem Sommer, um so südlicher werden sie. Da jedoch diese Verwandtschaft nur eine entsprechende, so können die Gewächse natürlich nie dieselben, sondern höchstens entsprechende sein; die herrlichen Wasserlilien der gemäßigten Zone z. B. sind die Vertreter der überaus prächtigen Wasserlilien (Nymphäaceen) der heißen Zone und erscheinen darum auch nur in einer Jahreszeit, welche der heißen Zone entspricht, im heißen Sommer. Ebenso kehrt ein ähnliches Verhältniß wieder, wenn man von der Ebene zum Gebirge hinaufsteigt. Je höher, um so nordischer müssen die Gewächsformen werden, da wir uns einen: nordischen Klima nähern; umgekehrt müssen die Ebenen südlichere Formen zeugen. Es besteht mithin ein inniger Zusammenhang zwischen den Jahreszeiten, den Zonen oder den Verbreitungspunkten der Pflanzen in wagerechter Richtung und den Regionen oder den Verbreitungspuukten der Gewächse in senkrechter Richtung. Wir werden ihn an einem andern Orte kennen lernen.


 << zurück weiter >>