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VII. Capitel.
Die Kreideperiode.

Auch die Bildung der Juraschichten reichte noch nicht hin, das Festland der Erde unter sich zu verbinden. Europa ragte damals nur in der Weise über das Jurameer hervor, wie heute England vom Ocean umschlungen wird. Eine innige Verbindung der Länder war noch nicht vorhanden. Die Bildung der Kreide vervollständigte diesen Zusammenhang.

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Foraminiferen der Kreide.
1. Planulina turgida;
2. Textuiaria acicuiata;
3. T. giobulosa;
4. Rotalia globulosa;
5. R. perforata.

Die älteste Ablagerung ist die Hildsbildung, so genannt, weil man sie als ältestes Glied der Kreideformation zuerst in der Mulde der Hilds bei Bredenbeck und Wennigsen in Norddeutschland erkannte. Sie heißt auch wohl die Neocombildung und wurde nicht allein in Europa, sondern auch in Südamerika und Asien abgelagert. Eine graubraune Thonmasse, lagert sie aus dem Wälderthon, dem letzten Gliede der vorigen Periode des Jura; bald mit Nieren von Kalkstein, Schwefelkies und Gypskrystallen, bald mit Eisenerzen, Schwefel, Quarzkörnern u. s. w. erfüllt. Weit umfangreicher und mächtiger waren die darauf erfolgten Ablagerungen des Quadersandsteingebirges. Man nennt diese Schichten wohl auch den Grünsand, weil sie, von grünen Eisenkieselkörnern gefärbt, nicht selten von dem weißen Quadersandstein abstechen. Diese Gebirgsschicht gliedert sich selbst wieder in drei besondere Abteilungen: den unteren Quadersand, den Pläner oder Plänersandstein, Plänermergel und Plänerkalk, endlich den oberen Quadersand. Das jüngste Glied der Kreideperiode ist die obere oder weiße Kreide.

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Jubaea spectabilis von Los Sorres in Chile; einzige Palme dieses Landes, aufgenommen von v. Kittlitz.

Waren die Hildsbildung und der Quadersand nur die Schlammschichten verwitterter Gebirge, so verdankt die eigentliche Kreide ihren Ursprung zum größten Theil der Thierwelt des Kreidemeeres. Wenn wir im Jurameer winzige Polypen mächtige Korallenriffe aus der Meerestiefe aufbauen sahen, so arbeiteten jetzt im Kreidemeere nicht minder winzige Meeresthiere an dem Baue der heutigen Erdrinde. Wir sind hiermit auf eines der größten Wunder der Natur gestoßen. Es klingt uns unglaublich, zu hören, daß die mächtigen Kreidefelsen von Rügen, England u. s. w. nur von Thieren herrühren sollen; und doch ist es so. Ja ihre Kleinheit ist, was noch mehr sagen will, so groß, daß man ihre Anzahl in einem Pfunde Kreide bereits auf 10 Millionen schätzte. Es sind kleine, dem unbewaffneten Auge fast unsichtbare Schalthiere, die man wegen ihrer großartigen Kalkbauten mit den Korallen verglich und Schneckenkorallen nannte. Der vielen Löcher wegen, welche die meisten Arten in ihren Schalen zeigen, erhielten sie auch den Namen der Foraminiferen oder Löchertrager, einen Namen, der ebenso wenig ihren allgemeinen Charakter ausdrückt, wie jener der Polythalamien oder Vielkammerthiere, den man ihnen ebenfalls beilegte. Dieser gründete sich auf die vielen Kammern, aus denen die meisten Muscheln bestehen. Wir kennen sie auch noch als Rhizopoden oder Wurzelfüßler, da man bei ihren noch lebenden Verwandten eine Menge zarter Füßchen entdeckte, welche sie aus den Oeffnungen der meist schneckenförmig gewundenen Muscheln herausstrecken und als Bewegungsglieder gebrauchen. Ihre Schalen bestehen aus reinem kohlensauren Kalke, aus Kreide. Wie jede Schnecke, besaßen sie eigene Werkzeuge, den Kalk des Kreidemeeres in sich abzulagern und daraus ihre Schalen zu bauen. Vielleicht kommt unserer Vorstellung der Krebs mit seiner Eigenschaft entgegen, in seinem Inneren den Kalk des Wassers aufzunehmen und als sogenannten Krebsstein abzulagern, um dereinst seine Hülle nach der Häutung daraus wieder zu ergänzen. Durch die erstaunliche, alle Begriffe übersteigende Leichtigkeit ihrer Fortpflanzung erfüllten die Schneckenkorallen die Fluthen des Kreidemeeres. Wenn sie starben, senkten sie sich auf den Meeresschooß nieder. Lagen auf Lagen häuften sich, oft mit gleichzeitig gestorbenen Seeigeln gemischt. Immer mächtiger wurden die Schichten und um so schwerer. Je schwerer aber, um so stärker mußte ihr Druck auf die zarten Schalen der zu unterst gelagerten Schneckenkorallen sein. Dadurch meist zu Pulver zerfallen, überdies in ihren organischen Substanzen zersetzt, mußten sie als lockere Kreide zurückbleiben. Das ist dieselbe Macht des Kleinen, die uns schon einmal (S. 30) in den mikroskopischen Diatomeen entgegentrat, nur ungleich gewaltiger und bedeutsamer.

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Scaphites aequalis.

So erheben sich Rügens stolze Buchenwälder in Wahrheit auf dem Grabe von Myriaden verschwundener Wesen. In der Vorwelt nicht anders. Schon einmal hatten sich wunderbare Pflanzengestalten auf demselben Boden erhoben, ihrem Charakter nach von denen der Juraperiode weit verschieden. Das unterste Glied der Kreide konnte, da es eine reine Meeresbildung war, natürlich nur Meerespflanzen hervorbringen. Die Pflanzenreste dieser Schichten bestätigen es; denn sie haben uns nur die Abdrücke von Tangen und jenen Najaden erhalten, zu deren Verwandtschaft unser bekanntes Seegras ( Zostera) gehört. Nur durch die Verschiedenheit ihrer Arten ausgezeichnet, zeigte demnach diese neue Epoche der Schöpfung noch keine höhere Stufe des Pflanzenlebens an, da wir solche Meeresgewächse bereits in jeder der vorangegangenen Schöpfungszeiten antrafen. Um so auffallender gestaltete sich jedoch die darauf folgende Epoche des Quadersandsteins oder des mittleren Kreidegebirges; um so Mehr, als sich diese Schichten über das Kreidemeer emporhoben und sofort eine Landflor zeugten. So weit sie indeß noch unter dem Ocean verborgen lagen, brachten sie wiederum nur Tange hervor. Dagegen umsäumten ganz andere Gestalten ihre Ufer. Abermals traten die, so zu sagen, von der Natur stets begünstigten und liebgewonnenen Farren, aber in neuen Arten auf. Sahen wir sie in der Juraperiode ihre zartgeschlitzten und gefiederten Wedel zitternd auf baumartigen Schäften in Gesellschaft der nicht unähnlichen Zapfenpalmen emportreiben, so gesellten sich ihnen an den Ufern der Meerbusen von Schlesien und Böhmen endlich auch die Erstlinge der Palmenwelt zu. Schwerlich aber waren es sofort jene majestätischen, schlanken und zierlichen Gestalten, die wir gegenwärtig häufig zu bewundern haben. Man fühlt sich versucht, die ersten Palmen weit plumper zu denken und sie den Zapfenpalmen für ähnlicher zu halten. Die einzige Palme Chiles, die merkwürdige Jubaea spectabilis Humboldt's, von welcher wir eine Originalskizze (s. Abbild. S. 158) beifügen, die Herr von Kittlitz den Wäldern von Los Sorres entnahm, dürfte den besten Anhalt für diese Vorstellung geben. So umsäumten jetzt Farren, Zapfenpalmen, Palmen und zahlreiche Nadelhölzer die Ufer des Kreidemeeres. Aber auch in dieser Zusammensetzung würden wir die Urwälder der Kreidezeit noch nicht so ganz fremd der Juraperiode gefunden haben. Waren diese Gestalten doch sämmtlich nur Pflanzen jener niederen Entwickelungsstufe, die wir theils als Kryptogamen oder Akrogenen, theils als Gymnospermen oder Nacktsamer bezeichnet hatten. Da endlich brach sich in der Zeit der Quadersandsteinbildung ein neuer Gedanke der Natur seine Bahn. Jetzt endlich erschienen die Erstlinge der Laubbäume; ein Gedanke, der erst in den folgenden Perioden und der Jetztzeit seine höchste Verklärung finden sollte, nachdem die höchste Mannigfaltigkeit der Erdoberfläche die Bedingungen zur größten Mannigfaltigkeit der Gewächstypen geschaffen hatte. Die neue Zeit war somit durch Gestalten eingeleitet, welche uns in ihren Ueberresten an unsere heutigen Weiden, Ahorne, Wallnußbäume u. s. w. erinnern. Wenn diese jedoch in strauch- oder baumartiger Gestalt auftreten, so erschien in krautartiger Form die Gattung Credneria. Wo heute die mächtigen Schichten des Quadersandsteins bei Blankenburg am Harze, bei Teschen in Böhmen und Niederschöna in Sachsen ihre schroffen Wände vielfach zerrissen über die Ebene heben, da umsäumten zur Zeit des Kreldemeeres die Crednerien ihre Ufer als die ersten krautartigen, netzrippigen und dikotylischen Geschlechtspflanzen. Mächtige Stauden ihren Ueberresten nach, erhielten sie sich meist nur in schönen Blattabdrücken mitten im Quadersande, gewöhnlich in zusammengerollter Gestalt. Sie ähneln den heutigen Gestalten des Rhabarbers oder der großblättrigen Ampferarten ( Rumex). Farren und Schachtelhalme waren in den Hintergrund gedrängt und gewannen so wenig, wie die Nadelhölzer, ihre frühere Herrschaft wieder. Dieser charakteristischen Flor des Quadersandsteins gegenüber war die des jüngsten Gliedes der Kreideperiode, der oberen Kreide, eine unendlich arme. Uns überrascht das natürlich nicht mehr, da wir schon vorher fanden, daß die eigentliche Kreide eine reine Meeresbildung war, die sich erst nach der Bildung des Quadersandsteins im Meeresschooße ablagerte. Was wir in dieser neuen Epoche an Pflanzen erwarten können, hat sie auch treulich geleistet: sie hat eine Menge neuer Tange (Fucoideen) hervorgebracht, welche, merkwürdig genug, keine Gemeinschaft mit denen der unteren Kreide besitzen. Ihre Ueberreste finden sich noch in nicht unbeträchtlicher Menge in dem sogenannten Fucoideen-Sandstein, den man wohl auch Macigno und Flysch nannte. Diese neue Gebirgsart tritt im südlichen Europa, von Wien bis zu den Pyrenäen, in der Krim u. s. w. so mächtig und charakteristisch auf, daß der französische Naturforscher Brongniart die Zeit ihrer Bildung sogar als die Epoche des Fucoideen-Sandsteins bezeichnete.

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Hamites attenuatus.

Sind die Kreideschichten auf dem Grunde des Meeres gebildet, so werden wir von vornherein das Leben der Thierwelt als ein Meerleben erwarten. In der That: Weichthiere der mannigfachsten Art, oft an die Ammoniten und Belemniten der Juraperiode erinnernd, Scaphiten und Hamiten; zahlreiche Foraminiferen, die wir schon vorher betrachteten, langschwänzige Krebse; Fische von neuer Gestalt und in erstaunlicher Anzahl vorhanden, schon an unsere noch lebenden erinnernd; Schildkröten, mit Panzern versehen; krokodilartige Eidechsen, welche die Küsten bewohnten, ihre Nahrung aber im Meere suchten, mächtige Iguanodonten, welche die ideale Landschaft der Kreideperiode im Vordergründe darstellt – das waren die Thiergestalten der Kreidezeit. Wie die Pflanzenwelt, mit der Juraperiode verglichen, obwohl mit neuen Typen gesegnet, doch arm und dürftig erscheint, also auch die Thierwelt. Auf das Meerleben aber besonders angewiesen, erreichte dieselbe hier eine größere

Vollkommenheit, als die der Jurazeit, und die neu auftretenden Knochen- und Knorpelfische beweisen es. Weit über dies Alles hinaus sollte erst die Schöpfung der tertiären Zeit gehen.


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