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Achtes Kapitel.
Das Forester Fest

Hauptmann Goring legte am Montag morgen nicht einmal anstandshalber Angelgelüste an den Tag; er bemerkte beiläufig, daß er wichtige Briefe zu schreiben habe und zu Haus bleiben werde, Kinloch gegenüber aber machte er kein Hehl daraus, daß ihn die Blumenausstellung in Ober-Barton locke.

»Da mußt du gehörig auf dem Trocknen sitzen – oder willst du die verlassene Braut mit dem Leberthran kennen lernen?«

»Das weniger! Weshalb kommst du übrigens nicht auch mit?«

»Weil ich unter Umständen die Fische den Blumen vorziehe! Sie sind harmloser – übrigens will ich dir gesagt haben, daß ich nicht länger den Elefanten für dich spiele.«

»Ach – du mißbilligst?« sagte Goring höhnisch.

»Wenn du's hören willst – ja.«

»Nun, ich hoffe, du wirst wenigstens wohlwollende Neutralität bewahren?«

Sein Angelgerät schulternd, ging Kinloch wortlos seines Wegs, war aber zu seiner eigenen Ueberraschung am selben Nachmittag auch in Ober-Barton.

Die Hitze war nämlich drückend gewesen und die Fische vorsichtig, so daß Whiting und der General plötzlich auf den Einfall gekommen waren, sich das ländliche Vergnügen anzusehen, das ihre beiden Diener, nicht ganz uneigennützigerweise, in den glühendsten Farben geschildert hatten. Sie boten Kinloch einen Platz im Wagen an und er setzte sich hinein, ohne auch nur drüber nachzudenken, weshalb er es thue. Auf schmalen gewundenen Sträßchen erreichten sie Ober-Barton, das ungefähr geradeso aussah, wie Nieder-Barton, nur älter, denn hier war seit den Zeiten der guten Königin Anna überhaupt nichts mehr gebaut worden.

Das Fest fand im herrschaftlichen Park statt, den der abwesende Besitzer zur Verfügung stellte, und als der Wagen die Zufahrt entlang rollte, bot sich den Insassen ein heiteres, sonniges Bild. Zelte in allen Gestalten rechts und links, zwei Karusselle, deren Orgeln ohrzerreißend kreischten, fröhliche Menschen im Sonntagsstaat, die »Forester« mit ihren grünen Schärpen, die Freiwilligen in Uniform. Die »Kapelle« von Ober-Barton kämpfte mit den Orgeln um die musikalische Herrschaft, der Fuchs versah, vom Gefühl seiner Wichtigkeit durchdrungen, das Amt der Aufsichtsbehörde, von allen Seiten ertönte helles Mädchenlachen, alles war Leben und Bewegung.

Die drei Herren stiegen aus und wanderten umher. Als sie vor einem Karussell stehen blieben, entdeckte Kinloch auf einem der wirbelnden Holzrosse Peggy, im weißen Kleid und Federnhut mit einem Büschel Rosen an der Brust, strahlend und leuchtend. Auf dem nächsten Pferd hinter ihr saß Goring, der sich von Zeit zu Zeit zu ihr vorbeugte, vergnügt wie ein Schuljunge!

»Wie das Rad des Lebens,« bemerkte Whiting und setzte rasch hinzu: »Was für ein entzückendes Mädchen, die dort vor ihrem Freund Goring!«

»Ja, recht hübsch.«

»Recht hübsch? Sie kaltblütiger Frosch! Woher kommt sie nur, dieses hinreißende Geschöpf?«

»Aus Nieder-Barton – vom Hofgut.«

»Ach so! Jetzt geht mir über manches ein Licht auf! Die junge Dame nennt sich wohl gelegentlich ›Sumpffieber‹ oder ›wichtige Briefe‹? Nun, lassen wir mildernde Umstände gelten! Er scheint ja bis über die Ohren verliebt zu sein!«

»Leider ein chronischer Zustand bei Goring.«

»So so! Hier in Arkadien ist man an derlei nicht gewöhnt. Das Mädchen könnte ihn leicht ernsthaft nehmen.«

»Ich hoffe zu Gott, daß ihr das nicht widerfahren werde!«

»Nun – einmal muß schließlich jeder dran glauben, und« – Peggy wirbelte eben wieder vorüber und riß den gesetzten Herrn zu neuer Bewunderung hin, »eine Frau, wie die, würde ihn berühmt machen.«

»Glaube kaum, daß er nach Ruhm dieser Art geizt!«

»Ich bin ein alter Junggeselle und werde es bleiben, aber an seiner Stelle würde mich's nicht verdrießen, der Gatte einer der hübschesten Frauen von ganz England genannt zu werden.«

»Sie finden sie wirklich so hübsch?«

»Ja, das thue ich. Bitte, stellen Sie mich nachher vor und sagen Sie mir, wie dieser schlaue Kerl das Mädchen aufgegabelt hat.«

›»Aufgegabelt' habe ich sie. – Ich ging am ersten Abend zum Fluß hinunter, als gerade ein Kind hineinfiel, und wir trafen uns beim Rettungswerk.«

»Was, beide im Wasser?«

»Nein, das Naßwerden habe ich allein übernommen. Am Tag darauf ...«

»Kinloch!« rief Goring, der von seinem endlich stillstehenden »Pferd« gestiegen war. »Wache oder träum' ich – du hier?«

»Ich bin jedenfalls wach und – guten Abend, Fräulein Summerhayes! Wir haben Ihre Reitkunst bewundert. – Darf ich Ihnen Herrn Whiting vorstellen, einen Sportsfreund?«

Whiting verbeugte sich, überzeugte die junge Dame, daß sie nach dieser Leistung erfrischungsbedürftig sei, und entführte sie triumphierend den jugendlichen Verehrern.

»Zum Kuckuck mit den alten Füchsen!« rief Goring. »Warum mußtest du ihn auch vorstellen? Der soll bei seinen Fischen bleiben!«

»Er ist ganz begeistert von Fräulein Summerhayes, schwört, daß sie zu den schönsten Mädchen in ganz England gehöre.«

»Hat er das wirklich gesagt?« fragte Goring eifrig.

»Natürlich – ist dir das so interessant?«

»Gewiß, denn der Alte versteht sich darauf, verkehrt in den besten Kreisen und kennt sich aus.«

Whiting freute sich indes der Gunst des Augenblicks, bewirtete seine Dame aufs eifrigste und ging dann stolz mit ihr auf und ab, der Zielpunkt manches neidischen Blicks.

Von den adeligen Grundbesitzern der Umgegend war niemand anwesend, denn es war ja Mai und die vornehme Welt noch in London. Die Gesellschaft bestand also aus kleinen Leuten, die sich baß verwunderten, Peggy Summerhayes erst mit einem, dann mit einem andern Herrn gehen und, als sie sich schließlich auf eine Bank setzte, von drei Herren umschwärmt zu sehen. Die jungen Männer fanden das ganz begreiflich, den Mädchen kam es ein wenig seltsam vor, den Müttern aber entschieden unstatthaft. – Wo war nur Frau Travenor? Was hatte das zu bedeuten? Hatte denn Travenor nicht immer gesagt, daß er das Mädchen seinem Stand gemäß erziehen und verheiraten wolle?

Frau Travenor trat indessen bald aus einem der Zelte und unterzog sich ihrer schwesterlichen Pflicht. Sie trug ein leichtes Seidenkleid mit fein ausgebesserten echten alten Spitzen, aber der Ausdruck von Unzufriedenheit wich auch heute nicht von dem klugen Gesicht, obwohl kühne Hoffnungen ihre Brust schwellten. Mit der gewohnten niedergeschlagenen Miene, die übrigens heute den umsitzenden Müttern zur Beruhigung diente, ging sie noch eine Weile mit Peggy und ihrem Gefolge, das noch durch einen jungen Arzt und dessen Bruder vermehrt worden war, auf und ab und ließ sich dann in den Wagen heben, den Peggy selbst lenkte. Das Gefährt des »Weißen Hunds« folgte ihm bald mit Goring auf dem vierten Sitz. Der junge Mann war auffallend schweigsam und trug eine Rose im Knopfloch, die er in der Gaststube in ein Wasserglas stellte und mit auf sein Zimmer nahm. Auf dem obern Flur blieb er stehen und sah sich mit Siegermiene nach Kinloch um.

»Ich habe einen denkwürdigen, romantischen Tag erlebt,« bemerkte er, selbstgefällig lächelnd.

»Das merkt man,« versetzte Kinloch trocken, »und es ist recht gut, daß dein Urlaub morgen früh um zehn Uhr abgelaufen ist.«


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