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[Vorwort]

Wie noch nie, schreitet jetzt ein Geist gemeinsamen Handelns durch die Welt, der die entferntesten Punkte der Erde und ihrer Völker mit einander verbindet, aus der ganzen Erde eine gemeinschaftliche Heimat, aus der Zerrissenheit der Nationen eine allgemeine Landsmannschaft allmälig gestaltet und einem Weltbürgerthum entgegenführt. Daß dies keine Täuschungen sind, beweisen uns die Eisenbahnen und die Dampfschifffahrtsverbindungen der halben Welt; das beweisen uns die elektrischen Telegraphen, die selbst durch Meere getrennte Völker bereits verbinden und in Zukunft, ihre Fäden nach allen Theilen der Welt ausstreckend, den ganzen Erdball verknüpfen werden. Kurz, Alles ist darauf angelegt, den Blick von der engen Scholle hinweg über die ganze Erde zu lenken.

Wo sich die Erde so zauberhaft verengt und den Blick des Menschen erweitert, scheint es uns Pflicht zu werden, nicht hinter dem gewaltigen Drängen der Menschheit, nicht hinter der allgemeinen Kunde des Tages zurückzubleiben. So drängt es uns hinaus zu einer Reise um die Welt, zu einer botanischen Wanderung!

Wenn man jedoch eine Reise gleich der unserigen in ein fernes Gebiet unternimmt, so sucht man vorher gern eine allgemeine Uebersicht über dasselbe zu gewinnen, um es mit größerem Nutzen und größerer Leichtigkeit zu durchwandern. Das muß auch uns bestimmen, vor dem Antritt unserer idealen botanischen Reise um die Welt bereits die Hauptpunkte festzustellen, um die sich die Erscheinungen dieser Wanderung drehen werden. Dadurch zerfällt unser Buch von selbst in zwei Theile: in eine Vorbereitung zur Reise und in die Reise selbst. Jener ist gewissermaßen der theoretische Theil, welcher die Erscheinungen der Pflanzenwelt wissenschaftlich erläutert, dieser wird ein mehr schildernder sein und durch jene Vorbereitung erst den ganzen Genuß bringen, welchen solche Naturstudien so umfassend zu gewähren vermögen.

Diese ganze Anlage des Buches erheischt eine eigentümliche Auffassung der Pflanzenwelt. Ich kann sie nur eine kosmische, eine welteinheitliche nennen. Sie vernachlässigt so ziemlich Alles, was sich auf die Pflanze allein bezieht; sie will nicht die Pflanze als Pflanze, als ein vom Weltganzen, vom Kosmos getrenntes Wesen, sondern als ein Glied des Weltganzen betrachten. Diese Anschauung fällt in ihrem Grundcharakter mit einer geographischen Behandlung der Pflanzenwelt zusammen, so weit sie die Gesetze der Pflanzenverbreitung und ihre Ursachen aufsucht. Sie geht aber über dieselbe hinaus, indem sie die Geschichte der Pflanzenwelt mit der Geschichte der Erde, der Thierwelt und der Menschheit verbindet und so gewissermaßen die Pflanzenwelt als einen Mikrokosmos, als eine Welt im Kleinen betrachtet, in welchem sich der Makrokosmos oder das Weltganze wiederspiegelt. Sie will überall den tiefen Zusammenhang zwischen Sternwelt, Erde, Pflanze, Thier und Menschheit schildern und damit zu einer Naturanschauung im Großen von dem engeren Gebiete des Pflanzenreichs aus hindrängen. Sie will eine kosmische Botanik sein. Ich hoffe damit zugleich eine wissenschaftliche Aufgabe zu lösen und einem Bedürfnisse abzuhelfen, das vielleicht schon von Vielen empfunden wurde; denn eine kosmische Botanik allein kann es nur sein, welche die menschliche Seite der Naturbetrachtung berührt, indem sie sich überall zu dem Allgemeinen erhebt, dessen Licht stets auf den Menschen hier in seinen Geist, dort in sein Herz zurückstrahlt.

Ich übergebe mein Buch meinen Zeitgenossen um so vertrauensvoller, als die Art und Weise dieser Anschauung, der ich seit fünf Jahren ununterbrochen folgte, schon an einem andern Orte, in der Zeitschrift » Natur«, einen großen Leserkreis beschäftigte und mit Wohlwollen ausgezeichnet wurde. Ein Blick auf das Inhaltsverzeichniß wird dem Leser zeigen, was er zu erwarten hat und wie die oben bezeichnete Aufgabe zu lösen versucht worden ist. Möge der Inhalt das bewirken, was ich mir zu befördern vorschrieb: eine geist- und seelenvolle Auffassung der Natur und gegenüber der geistigen Zerrissenheit und Versumpfung unserer Zeit eine gesunde, natürliche Weltanschauung!

Halle a. d. Saale, im September 1856.

Der Verfasser.

 


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