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Die Form des Caladium. Skizze aus dem Walde von Palenque in Yucatan.

VI. Capitel.
Die Aroideenform.

Wenn neben dieser Lilienform, besonders in der heißen Zone, die breite, meist spießförmige Blattgestalt der Arongewächse oder Aroideen oft parasitisch auf Bäumen auftritt, und uns Typen, wie die seltsame Calla mit ihrer Blumentute, Aron mit seinem wunderbaren Blüthenkolben in scheidiger Tute, Pothos mit seinen herzförmigen oder gefingerten dickadrigen Blättern entgegenlugen, dann haben wir sicher den Eindruck der Fülle empfangen, die uns bei unserer natürlichen Armuth auch in der Natur so wohlthut. In der That gehören die Aroideen zu den üppigsten Formen des Pflanzenteppichs. Sie gleichen den Orchideen, wenn sie parasitisch die Bäume bewohnen. Dann legen sich einige, z. B. Pothosarten, epheuartig mit ihren Blättern an die Stämme an, als ob sie dieselben im vollen Sinne des Wortes bekleiden wollten. Andere leben ebenso, aber halten ihre Blätter abstehend nach dem Beschauer hin gerichtet. Diese sind nicht selten überaus seltsam gestaltet. Die sonderbare Monstera deliciosa aus Mexiko oder das Philodendron fenestratum ist vielleicht das schönste Beispiel solcher Bildung. Sein letzter Name ist der bezeichnendste; man könnte ihn »fensterblättriger Baumlieb« übersetzen. In der That ist das colossale, tiefgrüne und glänzende, lederartige, tiefbuchtig eingeschnittene Blatt an seiner Fläche so durchlöchert, daß man zuerst versucht wird, an eine Absichtlichkeit oder einen Zufall zu denken, der dies veranlaßte. Dennoch ist die ganze Erscheinung normal und liefert einen herrlichen Beweis für die unerschöpfliche Gestaltungsgabe der Natur. Andere Aroideen flüchten sich auf den Boden. So wächst hier zu Lande der bekannte gefleckte Aron ( Aron maculatum) in schattigen Wäldern mit pfeilförmigen Blättern. Die Callaarten, von denen bei uns nur die sumpfliebende ( Calla palustris) gefunden wird, folgen ihm in allen Zonen. Am bekanntesten ist die als Zierblume beliebte Calla aethiopica Aegyptens mit großer weißer Blüthentute. Die riesigste Form nehmen die Caladiumarten an, von welchen im umstehenden Bilde eine mittelamerikanische erscheint.

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Die Parasiten des brasilianischen Urwaldes, mit Aroideen. Nach Martius.

In dieser Form und in der Colocasia macrorrhiza, jener Pflanze der Sandwichinseln, welche nebst der Tacca den Taro liefert, erreichen die Aroideen auch ihre baumartige Vollendung. Vielleicht ist das Caladium arboreum, welches Humboldt und Bonpland am Kloster Caripe in Venezuela mit 15–20 Fuß hohem Stamme fanden, das schönste Erzeugniß der Aroideenwelt. Aber nicht allein ihr Wuchs und ihr parasitisches Leben zeichnen sie aus, sondern auch der seltsame Blüthenbau. Wie schon berührt, bricht der Blüthenstiel aus einer häutigen Scheide (Tute) in kolbenartiger Gestalt hervor, wie unser einheimischer Calmus ( Acorus Calamus) bezeugt. An diesem Kolben sitzen die zarten winzigen Blumen zu Hunderten, später auch die beerenartigen Früchte. Oft erreicht dieser Blumenkolben, z. B. bei der oben genannten Monstera deliciosa, eine Höhe von ½ Fuß und darüber. Dadurch wird die Aroideenform eine der seltsamsten Verzierungsformen für Boden und Baumwerk. Wo sie, wie auf den Südseeinseln, als Nahrung cultivirt wird, bildet sie die üppigsten Krautfluren, welche mit den riesigsten Formen des Huflattigs wetteifern und auch hier den Eindruck der Fülle gewähren, der so sehr der Ausdruck der Aroideenform ist.


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