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7. Der Kesselflicker

Vor vielen Jahren liebte der Sohn eines Königs von Frankreich eine Prinzessin von Italien. Allein die hochmütige Prinzessin antwortete auf seine Bewerbung: »Ich mag keinen Franzosen, der Teller leckt!«

Da begab sich der Königssohn als Kesselflicker verkleidet zum Palast des Königs von Italien. Er hatte ganz alte, zerrissene Sachen angezogen, dazu Gesicht und Hände mit Ruß geschwärzt und den Scheitel in eine Schweinsblase gehüllt, die ihn als Kahlkopf erscheinen ließ. So stand er auf der Straße und rief: »Wer gibt mir Arbeit? Ich flicke Kessel. Ich putze Kupfer. Ich putze Messing und besorge den Garten, ohne Lohn, nur fürs Essen!« –

Die Königstochter sprach zu ihrem Vater: »Der Mann ist bescheiden. Er ist nicht häßlich und wohl auch geschickt. Nehmen wir ihn!« Da nahm der gute Vater, der seiner Tochter keinen Wunsch zu verweigern wagte, den Kesselflicker zu sich ins Haus. Und die Prinzessin unterhielt sich nun beständig mit ihm.

Der König, der bald merkte, daß sie den einfältigen Glatzkopf liebte und heiraten wollte, suchte sie davon abzubringen. »Ein solcher Schwiegersohn«, meinte er, »paßt nicht in die königliche Familie.« In seiner Schwäche aber gab er schließlich doch nach und sprach: »Wenn du ihn durchaus heiraten willst, so nimm ihn! Doch bekommst du nur so viel mit, wie eine Kesselflickersfrau braucht, und mußt mit ihm aus dem Hause.«

Und so kam es, daß die Tochter des Königs den Kupferschmiedegesellen heiratete und mit ihm aus der Stadt zog, wo ihr nun freilich ein gar kümmerliches Leben voll harter, ungewohnter Arbeit und bitterer Entbehrung bevorstand. Es war für beide ein beständiges Ringen um das tägliche Brot. Sie litten oft Hunger und Durst.

Bald darauf hatte Italien einen Krieg gegen Deutschland oder Österreich zu führen. Da wurde die Königstochter sehr traurig und jammerte: »Mein armer Vater ist in großer Gefahr. Er selbst ist zu alt, eine Rüstung zu tragen, und gering nur ist die Zahl seiner Mannen und Ritter. Ach, hätte er bloß einen tapferen Sohn oder Erben, an ihre Spitze zu treten und das Vaterland zu retten!«

»Was kümmert's mich?« entgegnete gleichgültig der Mann. »Ich bin kein Krieger und kann ihm nicht beistehen. Warum hast du nicht so einen Prinzen oder Herzog genommen, der dich, wie du mir immer vorhältst, zur Gattin begehrte? Warum hast du dem Prinzen von Frankreich den armseligen Kesselflicker vorgezogen? Nun hilft kein Jammern und Klagen. Wir müssen uns rühren, unser Leben zu fristen. Ich will sehen, wo ich neue Arbeit bekomme. Hüte inzwischen das Haus, und warte geduldig, bis ich wiederkehre!« –

Und neue Arbeit, große und schwere, fand er in der Tat, doch statt des Schmiedehammers schwang er gewaltig sein Schwert, das er heimlich samt voller Rüstung verborgen gehalten. Plötzlich erschien er unerkannt auf dem Schlachtfeld, wo er heldenmütig am Kampfe teilnahm und das erste heiße Treffen glänzend bestand.

Als er dann am Abend in seiner alten Verkleidung heimkam, empfing ihn sein Weib sehr vergnügt und erzählte ihm glückstrahlend den ganzen Verlauf des Gefechtes. Namentlich rühmte sie das tapfere Eingreifen eines fremden Ritters, der die Feinde zurückschlug.

»Was kümmert's mich?« erwiderte er. »Ich bin ja kein Ritter.« – »Ja, leider«, entgegnete sie verächtlich, und wieder begann sie zu jammern: »Mein armer Vater! Wer weiß, wie die Schlacht morgen verläuft?« – »Was geht mich's an?« rief der Kupferschmied sich abwendend. »Ich muß wieder schauen, wo ich Arbeit auftreibe.«

Schon früh am nächsten Morgen verschwand er und kehrte am Abend abermals als unbekannter Sieger nach Hause zurück, um die gleichen Lobeserhebungen und Wehklagen wie am ersten Tage über sich ergehen zu lassen.

Im dritten Treffen, das dem König zum Endsieg verhalf, wurde der Held schwer am Arme verwundet. Er trug bei der Heimkehr eine Binde, die er unter dem Mantel verbarg, so daß seine überglückliche Frau nichts davon merkte, während sie ihm wieder den Hergang der schrecklichen Schlacht beschrieb, die ohne den »fremden Ritter« wohl schwerlich gewonnen worden wäre. Ihr Vater bedaure nur, den rasch verschwundenen Sieger nicht nach Gebühr belohnen zu können. – Mühsam schwankte der Verwundete ins Bett und versank alsbald in einen so festen Schlaf, daß er auch früh zur gewohnten Zeit nicht erwachte. Wie sie ihn dann wecken wollte und erschrocken den Armverband gewahr wurde, meldete sie es ihrem Vater, der sogleich herbeieilte und verwundert bemerkte, daß die Wunde sich genau an derselben Stelle befand wie am Arm des Ritters. Nun sahen sie auch aus der zerplatzten Schweinsblase goldblonde Locken hervorquellen, die ein edles Antlitz umrahmten. Da erkannten sie erstaunt im Kesselflicker den siegreichen Helden und zugleich den einst schnöde verschmähten Prinzen von Frankreich, der nun bei sorgfältiger Pflege bald vollkommen genas und mit seiner von törichtem Hochmut geheilten Gemahlin ins Königschloß einzog. –

» Il conciabrocche«, wie der Kesselflicker it. heißt, trägt unverkennbare Züge des guten Königs Drosselbart und Gonzenbachs M. »Die gedemütigte Königstochter«; zeigt aber beim heimlichen Vollbringen der fast übermenschlichen Heldentaten große Ähnlichkeit mit Fioravanti und Meskino Guerrino. Vgl. auch Grimm, Anm. S. 87, den Hinweis auf eine ähnliche Lesart im Pentamerone und Bolte I, Nr. 52, S. 443 ff.


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