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13. Bestrafter Undank

Ein Vater hatte viele Söhne und Enkel. Um sich Dankbarkeit erfreuen zu können, übergab er ihnen all seine Habe und erhielt dafür die Verunsicherung ihrer unwandelbar aufrichtigen Erkenntlichkeit.

Bald aber sah er sich vernachlässigt. Er mußte sich mit einem kleinen dunklen Zimmer im Erdgeschoß und ganz kärglicher Nahrung begnügen, während seine Söhne mit ihren Familien im ersten und zweiten Stock herrlich und in Freuden lebten. – Da erfaßte den Alten bittere Reue. Er klagte seine Not einem Nachbar, der ihm einen ausgezeichneten Rat erteilte: »Ich borge dir«, sprach er, »auf eine Woche diesen Sack voll Geld. Verschließe dich damit jeden Abend in deine Stube und zähle alsdann laut redend und klimpernd diese Silberstücke! Und du wirst bald ein Wunder erleben!«

Der Arme trug den Sack heim und zählte nun stundenlang jeden Abend das Geld, indem er die großen Silberstücke hell klingend auf den Tisch fallen ließ und immerzu deutlich wiederholte: »Eins, zwei, drei, vier, fünf« – bis hundert, zweihundert, dreihundert – – eintausend, zweitausend, dreitausend und so fort.

Die Söhne wurden bald aufmerksam und glaubten, der Vater hätte ihnen durchaus nicht alles gegeben. Sie räumten ihm nun gleich das beste Gemach im Hause ein und versorgten ihn reichlich mit Speise und Trank: Makkaroni mit Fleisch, Gemüse und Wein, und erwiesen ihm auch sonst die liebevollste Verehrung und Pflege.

Um sie nun in ihrer Vermutung zu bestärken, nahm er einen großen irdenen Topf, den er sorgfältig verschlossen an der Stubendecke befestigte. Sie meinten natürlich, er wäre voll Gold und Silber, während er nur schmutziges Wasser enthielt.

Beim Tode des Vaters konnten sie kaum die Öffnung des Gefäßes erwarten. Sie baten den Pfarrer, der den Vater einsegnen sollte, den Schatz zu verteilen. – Dieser stieg auf den Tisch und nahm einen Hammer, um den Topf zu zerschlagen, zuvor aber versäumte er nicht, sich selbst einen reichlichen Anteil zu sichern, und verlangte, alles was er in den Ärmeln und im Barett auffangen würde, behalten zu dürfen. – Aber wie erschraken sie, als sie alle dicht zusammengedrängt dastanden und aus dem zerschlagenen Geschirr statt des erhofften Goldsegens nur ein ergiebiges kaltes Sturzbad auf sie niederging. –


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