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Sechsunddreißigstes Kapitel.
Fräulein Serles hübsche Gesellschafterin

Es war nicht schwierig gewesen, Sophie Amalie Serle zu ihrer ersten Reise ins Ausland zu bewegen, aber es war eine Herkulesarbeit, sie wieder nach Hause zu lotsen. Paris, Florenz, Rom, Neapel waren ihr nicht mehr bloße Begriffe, sie schwärmte für jede dieser Städte und war immer im Zweifel, in welcher sie am liebsten ihr Leben beschließen würde. Sie war überhaupt im Zustand chronischen Entzückens, und wie ihr alles gefiel, gefiel auch die alte Dame mit dem jungen Herzen allgemein und gewann zahlreiche Freunde; sie war ja so herzensfreudig, barmherzig mit der Zunge wie mit dem Beutel, gut gegen Kranke, Kinder und Tiere, durch und durch Edelfrau. Ein paar Monate des Jahres brachte sie pflichtschuldigst in Serlewood zu, aber noch ehe die Schwalben auszogen, suchte die Herrin wieder südlichere Himmelsstriche auf. Wenn der Pfarrer Einsprache erheben wollte gegen ihre langen Abwesenheiten, konnte Fräulein Serle kühn entgegnen: »Neunundsechzig lange Winter habe ich in Serlewood verlebt, jetzt darf ich mir wohl auch Ferien gönnen!«

»Ferien!« wiederholte er verblüfft; daß eine Siebzigerin Ferien brauchte, war ihm offenbar neu. »Aber Sie haben doch Ihre Pflichten, verehrtes Fräulein?«

»Die lasse ich durch Vertreter erfüllen! Solange nur meine Güter nicht vernachlässigt werden, Blumen, Obst und Wildbret an die Spitäler verschickt wird, ist es doch ganz gleichgültig, ob ich da bin. Wenn Sie wünschen, kann ich auch eine Wachsfigur in meinem Wagen spazieren fahren lassen. – Für die Leute würde es denselben Dienst thun, und Freunde habe ich, dank meiner Erziehung, keine daheim, wohl aber draußen.«

Der Pfarrer war um Gegengründe verlegen und mußte sich begnügen, innerlich empört zu sein.

Fräulein Serle hing von ganzem Herzen an ihrer Peggy, nur daß diese ihre Bitte, sie »Tante Sophie« zu nennen, durchaus nicht erfüllte, war ein Schmerz. Im Herbst zog das glückliche Paar aus, erst nach der Schweiz, dann an die Riviera, wo man sich im Hotel zu den »Vier Winden« in Mentone häuslich niederließ. Was würden der würdevolle Pulsifor und die kränkliche Darling dazu gesagt haben, wenn sie ihre einstige Gebieterin halbe Nächte hätten auf Bällen sitzen sehen, den ersten, die sie seit fünfzig Jahren sah und die ihr ungeheuer merkwürdig vorkamen, und sogar auf Eseln reiten? Nein, Sophie Serle auf Reisen war nicht mehr Sophie Amalie Serle von Serlewood Park, obwohl einzelne Kennzeichen jener Dame übrig geblieben waren, zum Beispiel das Mitgefühl für Tiere – ihr Eselstreiber durfte gar keinen Stock mitnehmen! Einmal entdeckte man auch eine leere Seifenschale in ihrer Arbeitstasche, und sie gestand demütig, daß sie einer armen Katze in einer abgeschlossenen Villa Milch gebracht habe! Wurde im Gasthof zu irgend einem wohlthätigen Zweck gesammelt, so bedeuteten die drei Buchstaben S. A. S. immer ein hübsches Sümmchen.

Nach den Ausflügen und den Aufregungen des Tages pflegte sich Fräulein Serle immer vor Tisch auf ein Stündchen in ihr Zimmer zurückzuziehen, um, wie sie sagte, »ihren alten Knochen Ruhe zu gönnen«. So lag sie auch eines Abends wieder in einem Lehnstuhl, wobei sie freilich für einen kleinen Jungen, der auf demselben Flur wohnte, ein scharlachrotes Leitseil strickte, und Peggy las aus der »Times« vor, was ihr gerade bemerkenswert vorkam. Erst Geburts-, Heirats- und Todesanzeigen, dann den Hofbericht und die Nachrichten vom Kriegsschauplatz, mit einemmal brach sie indes mitten im Satz ab.

Fräulein Serle strickte ruhig weiter, blickte dann aber auf und fand ihre junge Freundin auffallend blaß.

»Peggy, was ist Ihnen denn?«

»Ich – ich fürchte, ich muß Ihnen eine betrübende Nachricht mitteilen, liebe Fräulein Serle ...«

»Gewiß von Geoffroy!« rief die alte Dame, ihr Strickzeug beiseite werfend. »Ganz gewiß handelt sich's um ihn.«

»Ja. – er ist verwundet worden ...«

»Zeigen Sie mir's ... wo steht's? Wo ist denn nur meine Brille?«

»Hier! Gefallen Gemeiner Maxwell ... (es folgte noch etwa ein Dutzend Namen). Gefährlich verwundet: Hauptmann G. E. Kinloch. Schwerverwundet: Leutnant Vincent Yorke.«.

»So, da haben wir's!« rief das alte Fräulein beinahe zornig. »Ich hab's ja immer gewußt, daß es solch ein Ende mit ihm nehmen wird ... ganz gewiß stirbt er ...«

Große Thränen rollten langsam über die welken Wangen.

»O nein! Sie dürfen die Hoffnung nicht aufgeben! Er ist ja jung und lebenskräftig, eine eiserne Natur!«

»So? Woher wissen Sie denn das so genau?«

»Ich habe es gehört und kenne ihn auch persönlich – ja, ich hatte oft im Sinn, es Ihnen zu sagen, ich kenne ihn sogar sehr gut. Er und – Goring waren Regimentskameraden, ja er war sogar Trauzeuge bei meiner Hochzeit. Darum wollte ich ihn nie im Leben wiedersehen, ich möchte mich ja flüchten vor allen, die mich als Frau kannten, als Gorings Frau, die ich im Grunde gar nicht war!«

»Und wenn Gott sich unsrer erbarmt und Geoffroy heimkehrt, was dann? Sie werden mich doch nicht verlassen, weil ich seine Tante bin, und wenn Sie bei mir sind, werden Sie ihm begegnen müssen?«

»Ja, das wird wohl geschehen müssen – irgend einmal im Leben.«

»Ist er Ihnen denn je zu nahe getreten?«

»O nein! Er war im Gegenteil die Güte selbst gegen mich und hat sich als Freund bewährt.«

»Ach, hätten Sie doch ihn geheiratet, statt dieses ruchlosen Goring – freilich, wenn Sie seine Frau wären, hätten Sie jetzt so großen Jammer zu tragen wie ich ...«

Der alten Dame brach die Stimme und sie fing zu weinen an.

»Meine liebe Fräulein Serle,« sagte Peggy, bei ihr niederknieend und sie mit beiden Armen umschlingend, »härmen Sie sich nicht so ab! Er ist ja noch nicht tot, und vielleicht wird er gar nicht sterben. – Soll ich nicht unter Ihrem Namen ans Kriegsministerium um Nachricht telegraphieren?«

»Und nach Indien auch, Liebste,« sagte Fräulein Serle, ihre Augen trocknend. »Warum mußte er denn auch wieder hinüber gehen? Er hatte doch wahrlich schon sein Teil Kriegsdienst und Fieber hinter sich und war kaum zwei Jahre daheim. Wie kam er nur darauf, sich eigens versetzen zu lassen, um nach Indien zu kommen? Ein Mensch von Familie, und dazu mein Erbe! Kathleen Hesketh meint, es stecke eine Liebesgeschichte dahinter.«

Peggy stand auf; sie war sehr blaß geworden. Der schweigende Abschied am Fluß ward ihr wieder lebendig. War es in der That eine Liebesgeschichte?

»Ich wollte nur, ich hätte das Mädchen zur Stelle,« rief das alte Fräulein in einer ihrer Zornesaufwallungen, »der würde ich den Standpunkt klar machen! Mädchen, die ehrliche Männer zum Narren halten, verdienten die Peitsche.«

Die mit der Peitsche Bedrohte wandte sich schweigend ab und starrte zum Fenster hinaus; sie mußte sich nicht mit Fräulein Serle, aber mit ihrem eigenen Herzen auseinandersetzen.

Was war denn das? Die Nachricht von seiner Verwundung hatte sie ja erschüttert, wie sie von nichts mehr erschüttert zu werden geglaubt hatte. – Hatte sie denn Kinloch unbewußt geliebt? Heiße Scham wallte in ihr auf bei dieser Vorstellung, und doch wollte sich der ungebärdige Eindringling in ihrem Herzen nicht verdrängen lassen. Aber nein, nein – Liebe war das ja nicht, sondern Freundschaft! Nur Freundschaft hatte ihr die Farbe seiner Augen so tief eingeprägt, nur Freundschaft sprach daraus, daß sie sich bei jeder ihrer Handlungen fragte, was Hauptmann Kinloch wohl dazu sagen würde.

Trotzdem das Gong schon zu Tisch rief, eilte Peggy in die Stadt und gab zwei Telegramme auf. Fräulein Serle ging indessen – man denke darum nicht geringer von ihr – am Arm einer andern Dame in den Speisesaal und aß mit ziemlich ungestörtem Appetit, obwohl ihr Peggys leerer Stuhl ab und zu einen liefen Seufzer entlockte.

»Es nützt ja dem armen Geoffroy nichts, wenn ich schlaf- und friedlos bin und nicht esse,« entschuldigte sie Peggy gegenüber in den nächsten Tagen mehrmals ihre ungetrübte Genußfähigkeit. »Wenn's ihm auch nur im geringsten wohl thäte, würde ich mich mit Freuden kasteien, aber ich habe nur noch eine kurze Spanne Zeit vor mir und mußte zu viele Jahre im Schatten stehen. Darum bin ich so dankbar, noch Gottes schöne sonnige Welt genießen zu dürfen.«

Damit unternahm sie mit einer andern alten Dame eine Spazierfahrt nach Sospello. Fräulein Hayes dagegen, die doch nicht im entferntesten mit Hauptmann Kinloch verwandt war, lag stundenlang in der Kirche auf ihren Knieen, sie verlor Appetit und Schlaf und Frieden, und wurde so. blaß und mager, daß mehrere Damen Fräulein Serle darauf aufmerksam machten, Mentone scheine ihrer hübschen Gesellschafterin nicht gut zu bekommen.

Es war Anfang März. In der großen Vorhalle des Hotels zu den »Vier Winden« saßen die Gäste in Schaukelstühlen umher oder standen vor dem großen Kamin, alle des Tischgongs gewärtig. Zwei junge Damen kamen eben die mit rotem Teppich belegte Haupttreppe herunter; die eine, groß, schlank, dunkeläugig, hörte lächelnd an, was ihr die andre eifrig erzählte, als unten die breite Schwingthüre aufging und ein hochgewachsener, sonngebräunter Reisender eintrat. Er nahm die Mütze ab. und sah sich, während der Portier seine Handtasche in Empfang nahm, gleichsam suchend um, dabei selbst der Zielpunkt aller Blicke. Er war auch eine auffallende Erscheinung in dem langen pelzgefütterten Reisemantel und der ausgesprochen soldatischen Haltung. Plötzlich blickte er aufwärts, als ein Augenpaar grüßend seinem Blick begegnete und die schlanke, dunkeläugige junge Dame leichtfüßig die Treppe herunterlief, geradeswegs auf ihn zu. Es war, wie es von Rechts wegen sein mußte: sie war die erste, die ihn in Europa willkommen hieß!

Mit leuchtenden Augen und aus gestreckten Händen ging sie auf den großen Fremdling zu.

»Was für ein hübsches Bild!« dachten die Zuschauer, und die gefräßige Neugier unbeschäftigter Menschen täuschte sich hier ausnahmsweise nicht; das Bild hatte etwas zu bedeuten.

»O Herr Kinloch, wie ich mich freue!« sagte Peggy einfach. »Ihre Tante hat Sie erst morgen erwartet.«

»Ja, ich komme einen Tag zu früh.«

»Zu früh gewiß nicht – sie zählte ja die Stunden bis zu Ihrer Ankunft!« (Die das gethan hatte, hieß Peggy.) »Kommen Sie nur gleich mit mir; ich will sie aber ein wenig vorbereiten.«

Im ersten Augenblick hatte Kinloch wirklich Mühe, in der hübschen alten Dame mit den weißen Löckchen seine Tante zu erkennen, aber der Jubelschrei, womit sie sich an seinen Hals hing, der war unverkennbar tantenhaft.

Peggy hielt sich bescheiden fern; sie gehörte ja nicht zur Familie. Wie sollte sie sich störend zwischen die beiden drängen? Sie ließ Fräulein Serie reichlich Zeit, ihr Entzücken auszuleben und ihren Neffen gründlich auszufragen. Als sie schließlich herausgebracht hatte, daß er sich die Verwundung zugezogen hatte, als er den Leutnant Yorke heraushieb, und fürs Viktoriakreuz vorgeschlagen war, kannte ihr Stolz keine Grenzen und alle alten Damen im Hotel wurden in seine Geschichte eingeweiht und mit ihm bekannt gemacht. Er ging alsbald unter dem Namen »der Held«, und irgend ein Schlaukopf gesellte ihm Fräulein Hayes als die Heldin zu, obwohl niemand behaupten konnte, daß sie verdächtig viel beisammen gesteckt hätten, ja es vergingen sogar mehrere Tage, bis sie sich zufällig einmal allein trafen. Eines Nachmittags betrat Kinloch die langgestreckte, mit hübschen geflochtenen Stühlen und Tischchen versehene Veranda an der Westseite des Hauses, und fand sie vollkommen leer bis auf Peggy.

»Ich habe Sie überall gesucht,« sagte er. »Meine Tante ist mit Lady Minivers ausgefahren und hat hinterlassen, daß sie mich Ihrer Obhut anvertraue!«

»Warum haben Sie die Spazierfahrt nicht mitgemacht?«

»Weil ich lieber zu Hause blieb. Womit vertreiben Sie sich denn die Zeit, Frau Gor ...?«

»Bitte, nicht Goring!« unterbrach sie ihn mit heißem Erröten.

»Wie Sie wünschen,« sagte er, sich ihr gegenüber an den kleinen Tisch setzend. »Ich weiß ja ...«

»Fräulein Serle schrieb Ihnen wohl darüber?«

»Ja, aber ich hatte die Sache vorher schon durch Kathleen erfahren. Sie dürfen ihr nicht böse sein deshalb. Sie sah wohl, daß ich mich um Sie sorgte, und man durfte damals auch annehmen, daß ich ein Geheimnis nicht mehr lang mit mir herumtragen werde!«

»Sie müssen furchtbar krank gewesen sein! Und es ist noch gar nicht lange her ...«

Nein, es war nicht lange her; die Erinnerung an die damalige Todesnähe versetzte den Genesenen in träumerische Stimmung.

»Haben Sie Nachforschungen angestellt?« fragte er nach längerem Schweigen ganz unvermittelt.

»Nach jener andern?« erwiderte Peggy, bis an die Haarwurzeln errötend. »Nein.«

»Versteh' ich Sie recht? Sie haben seine Aussage auf Treu und Glauben hingenommen ohne jeglichen Beweis?«

»Ja, das habe ich gethan.«

»Sie haben sich keine Briefe, keinen Trauschein vorlegen lassen? Weder Ihren Schwager noch einen Anwalt befragt?«

»Nichts dergleichen.«

»Und darf ich nach dem Grund dieses höchst eigentümlichen Verhaltens fragen?«

»Der Grund,« erwiderte sie, wohl die Farbe wechselnd, aber ihm fest in die Augen blickend, »war wesentlich Furcht, die Geschichte könnte sich nicht bestätigen.«

»Ein sehr seltsamer Grund!«

»Einer, dessen ich mich schämen sollte, denken Sie.«

»Wenn ich das dächte, würde ich's sagen,« gab er sehr ruhig zurück.

»Sagen Sie immer, was Sie denken?«

»Im allgemeinen ja. Um aber auf Ihre Angelegenheiten zurückzukommen, so muß die Sache untersucht werden, schon deshalb, weil Sie ja jetzt gar nicht wissen, wer und was Sie sind. Wenn Sie mir gestatten, so werde ich einen jungen Verwandten, der bei der Polizei angestellt ist, damit beauftragen; er wird alles genau ermitteln.«

»Wenn Sie es für recht und nötig halten ...«

»Natürlich halte ich's dafür! Sie wissen ja nicht, ob Sie frei sind oder nicht, ob Sie wieder heiraten könnten oder nicht.«

»Ich werde nie wieder heiraten! Ich bin vollkommen glücklich in meiner jetzigen Lage.«

»Sehr erfreulich. So glücklich wie an dem Abend in Nieder-Barton, als Sie mir sagten, daß Sie zu glücklich seien?«

»O bitte, bitte, sprechen wir nicht von jener Zeit!« rief sie in heftiger Abwehr. »Es war wie ein Zauberspuk!«

»Ja, die Fata Morgana des Herzens: viele haben ihr ebenso vergeblich nachgejagt wie Sie.«

»Jetzt aber ist mein ganzes Streben, sie zu vergessen.«

»Ich hatte geglaubt, Frauen könnten nicht vergessen und – nicht vergeben,« warf Kinloch hin.

»Manche können's. Ihnen hätte ich eines nie vergeben können, ich weiß aber jetzt, daß man Sie fälschlich angeklagt hat.«

»Und welcher Missethat wurde ich bezichtigt?«

»Goring sagte, daß er sich nie entschlossen haben würde, mich zu heiraten, wenn Sie und Hanna nicht gewesen wären. Sie hätten ihn dazu gedrängt.«

Sie sah ihn an mit funkelnden Augen und glühenden Wangen; er aber hielt schweigend ihrem Blick stand.

»Nun, ich warte auf Ihre Widerlegung,« sagte sie befehlend.

»Leider kann ich keinen Widerspruch erheben!«

»Aber wie ... wie konnten Sie es wagen ...«

»Wagen?« wiederholte er lächelnd. »Nun, ich hab's gewagt! Ich hätte mein Leben gewagt für Ihr Glück!«

»Bitte, erklären Sie mir, wie Sie das meinen.«

»Ja, es ist an der Zeit, daß wir uns aussprechen,« versetzte er, sich zu ihr hinüber beugend. »Ihre Schwester bat mich um eine Unterredung, sie war in fürchterlichem Jammer, sagte mir, daß Goring nur sein Spiel mit Ihnen treibe, und daß Sie – daran sterben würden. Ich selbst war tief erschrocken über die Veränderung, die mit Ihnen vorgegangen war, sah wohl, daß Ihr ganzes Herz an ihm hing. Ich hatte Einfluß auf ihn und machte ihn, wie ich glaubte, zu Ihren Gunsten geltend, mit andern Worten, ich befahl ihm, Sie zu heiraten, oder das Verhältnis abzubrechen.«

»Und warum haben Sie das gethan?«

»Die Frage könnten Sie sich eigentlich selbst beantworten! Weshalb begeht ein vernünftiger Mensch wahnsinnige Handlungen? Ich hatte Sie geliebt von jener ersten Begegnung am Fluß an, geliebt mit einer Liebe, die mit jeder Stunde mächtiger wurde. Aber blind war ich darum nicht; ich sah und fühlte, daß Sie nur für Goring Augen und Gedanken hatten, ich wußte, daß Sie nie mir gehören würden, und wollte Ihr Glück begründen, auch wenn ich damit den letzten Funken eigener Hoffnung ersticken müßte.«

Bleich und stumm sah ihn Peggy an.

»Meine Vermittelung hat Ihnen nicht zum Segen gereicht. Ich hatte mich betrogen in der Erwartung, daß Ihr Einfluß einen besseren Menschen aus ihm machen, daß Sie, durch ihn glücklich werden könnten. Ich habe mir späterhin oft gesagt, es wäre besser gewesen, ich hätte den Kampf mit Goring aufgenommen, ich hätte wenigstens den Versuch machen sollen, Sie ihm zu entreißen!«

»Alles wäre besser gewesen als das, was Sie gethan!« sagte Peggy leidenschaftlich.

»So denken Sie jetzt, ich aber dachte damals, alles besser, als daß Ihnen das Herz bricht. Sagen Sie mir eines: hätte ich in jenen Tagen irgend welche Aussicht gehabt, Sie zu gewinnen?«

Peggy schwieg eine Weile, dann schüttelte sie langsam den Kopf.

»Und habe ich,« fragte er, die Stimme bis zum Flüstern dämpfend, » jetzt einige Aussicht?«

»Nein,« gab sie ebenso leise zurück.

Kinloch lehnte sich im Stuhl zurück; er war sehr blaß, seine Züge waren sehr scharf geworden. Der Schlag war offenbar mehr, als ein kürzlich dem Tode Entronnener ohne Schaden ertragen konnte. Peggy sah ihn erst herb, dann erschrocken an, jetzt schob sie ihren Stuhl zurück und stand auf.

»Hauptmann Kinloch; ich bitte, halten Sie mich nicht für ein herzloses, undankbares Geschöpf. Nicht weil ich Sie nicht ...«

»O bitte, bitte,« fiel er ihr ungestüm ins Wort. »Erlassen Sie mir das landläufige Pflaster auf die Wunde!«

»Aber ich muß Ihnen doch sagen,« flüsterte sie, sich zu ihm neigend, »daß ich Sie achte, ja verehre ...«

Er schnitt ihr mit einer wegwerfenden Gebärde das Wort ab, legte die Arme auf den Tisch und vergrub das Gesicht in seine Hände.

»Ich fürchte mich vor der Liebe!« flüsterte sie dicht an seinem Ohr, und als er aufblickte, war sie verschwunden.


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