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Meiner Mutter

Du warst so jung noch, ach, so jung und gut
Und mußtest sterben ... Lange, bange Nächte
Saß ich bei dir an deinem Krankenbett,
Die schlanken, hagren Hände in den meinen,
Und horchte lautlos deinen Atemzügen.
»Ich bin so müde« und »Ich hab' dich lieb« ...
Wie diese Worte mir das Herz durchdrangen,
Und wie dein Lächeln mir das Herz zerriß,
Dies Dulderlächeln, drin sich Todesangst
Mit heißer Liebe, Mutterliebe mischte. –
Und im Dezember, spät am Abend, war's,
Das Dunkel sah von draußen durch die Fenster,
Und durch das Zimmer floß gedämpftes Licht.
Du keuchtest schwer – war das der Tod, der Tod?
Griff er nach dir mit dürren Knochenhänden,
Nach deinem Herzen, das so voll einst schlug?
Ich horchte reglos. Zögernd ging der Zeiger
Der zehnten Stunde zu ... da brach dein Atem,
Die große Ruhe kam, es war vollbracht ...
Ich aber ging hinaus in Nacht und Nebel.

*

Drei Tage später. Seltsam stark und süß
Nach Totenkerzen, tannenen Girlanden
Duftet's im Zimmer. Von dem schwarzen Sarg
In mattem Silber leuchten Fransen her –
Schlaf wohl, schlaf wohl! Ich will dir Lieder singen.
Du warst das letzte, was ich hier besaß,
Bei dir war alles, denn bei dir war Friede
Und Glück und Heimat ... Einsam bin ich nun
Und fremd auf Erden. Ach, so jung, so jung
Und muß schon wandern! Doch nur hoch die Stirn!
Das Leben geht – es rollt das Rad der Zeit,
Sieh und fest und treu der Zukunft nur entgegen!
Sturm, laß dein Drohn! Dies Haupt, es ist gefeit,
Es ruht darauf ein heiliger Muttersegen.

Carl Busse.


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