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Von Tausenden eine

Mein Sohn gefallen! – Noch fass' ich's kaum,
Ich starr' auf das Blatt, als wär' ich im Traum.

Mein lieber Junge, mein froher Gesell,
Seine blauen Augen lachten so hell.

Er sah mich an, so voll Stolz und Glück:
»Sei tapfer, Mutter, ich komm' ja zurück!

Wie lange kann's währen? Vielleicht ein Jahr,
Dann kehren wir heim, eine siegreiche Schar.

Dann hab' ich den goldnen Lorbeer gepflückt,
Die Brust mit dem Kreuze von Eisen geschmückt.

Dann darf kein Feind mehr die Heimat bedrohn,
Das Vaterland, Mutter, braucht deinen Sohn!

Von Tausenden eine – gib dich zur Ruh,
Viel tausend Mütter leiden wie du.

Millionen Söhne trieb es hinaus,
Hunderte bluten und löschten aus.« – –

Mein lieber Junge, mein froher Gesell,
Deine blauen Augen lachten so hell!

Nun sind sie geschlossen, die Lippen erstarrt,
Du selbst bist in fremder Erde verscharrt.

Das Kreuz von Eisen, wie du's gewußt
Und brennend gewünscht, auf durchschossener Brust,

Wie sprachst du? – »Sei tapfer und weine nicht mehr,
Von Tausenden eine – ein Tropfen im Meer.«

Gertrud Triepel.


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