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Am Grabe der Mutter

Mutter, morgen muß ich nun wieder hinaus.
Noch einmal will ich an deinen Hügel treten
Und stille ein Vaterunser beten,
Als letzten Gruß in dein dunkles Haus.

Rote Rosen hab' ich dir mitgebracht,
Die leuchten weit durch das Friedhofsschweigen,
Wenn sie erst welk ihre Köpfchen neigen,
Bin ich längst wieder in heißer Schlacht.

Denn draußen stehen wir Mann an Mann,
Zwei Jahr bald dauert das furchtbare Streiten,
Wir kämpfen den schwersten Kampf aller Zeiten,
Doch vergebens stürmen sie gegen uns an.

Mutter, was bringt uns der Krieg für Herzeleid!
Die Liebsten und Besten, die wir haben,
Sie mußten wir alle draußen begraben,
Die blieben in diesem großen Streit.

Und hier im Lande ist schwere Not.
Die Frau muß im Werke die Feuer schüren,
Die Frauen müssen die Pflüge führen,
Nie warb man so hart um sein tägliches Brot.

Doch du ruhst so still in der Sommerpracht,
So friedlich unter den Efeuflechten.
In manchen eisigen Winternächten
Hab' ich an dein fernes Grab gedacht.

Ach, Mutter, wer weiß, vielleicht schon bald
Wird mein Herzblut die dunkle Erde färben,
Werd' ich den frühen Soldatentod sterben
Und irgendwo schlafen im russischen Wald.

Deinen Segen, Mutter! Ich muß gehn, 's ist Zeit,
Morgen will ich wieder gen Rußland fahren
Und stehen bei unseren tapferen Scharen,
Zu kämpfen, zu siegen, zu sterben bereit.

Aus dem Feld.
Johannes Grimm.


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