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Vorwort.

Wenn Verfasserinnen geschichtlicher Novellen häufig, und wohl nicht ganz ohne Grund, zum Vorwurf gemacht wird, daß sie Wahrheit und Dichtung zu sehr mit einander verschmelzen und den Schleier ihrer Phantasie über wirkliche Begebenheiten und Personen auszubreiten geneigt sind, wodurch der in der Geschichte minder bewanderte Leser unrichtige Begriffe von Zeiten, Ereignissen und historischen Charakteren erhält, so wird der Geschichtskundige eingestehen müssen, daß die verdienstvolle Verfasserin der » Draytons und der Davenants« hierin eine rühmliche Ausnahme macht.

Wie dieselbe in der »Familie Schönberg-Cotta« unsern Martin Luther und sein Werk so einfach und treu, und dabei so tief eingehend in die damaligen Zeitverhältnisse in Kirche und Familie geschildert hat, so bietet sie uns in vorliegender Erzählung ein lebendiges und durchaus wahres Gemälde der Zustände in England vor den Bürgerkriegen und während derselben zur Zeit der Regierung Karls I. dar.

In Form einfacher Tagebücher beschreibt sie – ganz in Uebereinstimmung mit unsern neuern Historikern – die wachsende Unzufriedenheit des Volkes über Karls I. Eingriffe in die Rechte der Nation, die Unaufrichtigkeit des Königs, welche es zuletzt seinen besten Unterthanen unmöglich machte, seinen Worten zu trauen, den endlichen Ausbruch des Bürgerkriegs, Cromwells Charakter und zunehmende Macht, die Schlachten bei Marston Moor und Naseby, die Flucht des Königs, seine Gefangenschaft und Verurtheilung.

Nicht eine trockene wissenschaftliche Abhandlung ist es jedoch, was die vortreffliche englische Schriftstellerin uns in diesem Werke überliefert. Mit der Geschichte zweier Familien, wovon die eine zu der Partei des Königs, die andere zu der der Puritaner gehört, entrollt sie allmälig das ergreifende Bild jener traurigen Kämpfe und zeigt, wie die Ansichten der Edelsten aller Parteien im Grunde vielfach übereinstimmen, während oft ein himmelweiter Unterschied die Anhänger einer und derselben Partei von einander trennt.

Die Freundschaft, welche diese beiden, in der Politik sich feindlich gegenüberstehenden Familien verbindet, bildet das wohlthuende, versöhnende Element in dem sonst düstern Gemälde; und der fast engelgleiche, wenn auch nicht tadellose Charakter der Anhängerin der bischöflichen Kirche, gegenüber der edeln, einfachen, aufrichtigen, aber strengen Puritanerin gibt ein neues Zeugniß von der über alle Parteilichkeit erhabenen christlichen Gesinnung der Verfasserin, von deren schon bekannter Begabung auch dieses Werk nach verschiedenen Seiten hin eine neue liebliche Probe gibt.

Für die zahlreichen Freunde der Familie Schönberg-Cotta wird diese Erzählung sicher dadurch an Interesse gewinnen, daß sie darin einer Urenkelin Elsens begegnen, und daß die Schreiberin des einen Tagebuchs von mütterlicher Seite aus dem Geschlechte der Cotta-Reichenbach abstammt.

Sollten übrigens manche Leser nicht ganz damit zufrieden sein, daß das Buch die Schicksale der ihnen gewiß lieb gewordenen Personen nicht zu einem völligen Abschlusse bringt, so können wir dieselben mit dem Versprechen trösten, daß eine Fortsetzung des vorliegenden Werkes, welche unter dem Titel » Diesseits und Jenseits des Oceans« die Zeit der englischen Republik und der Restauration behandelt, demnächst in deutscher Übertragung erscheinen soll und ihnen die gewünschten Aufschlüsse über den weitern Lebenslauf ihrer Lieblinge geben wird.

Und so hoffen wir denn, daß auch dieses Buch, welches zwar mehr historischen als religiösen Inhalts, aber durchaus von ächt christlichem Geiste durchweht ist, eine eben so günstige Aufnahme finden werde, wie die übrigen Werke unserer verehrten Freundin in England, und daß besonders die edeln weiblichen Charaktere, welche dasselbe uns vorhält, recht viele Nachahmung erwecken werden.

Stuttgart, im Mai 1869.

Charlotte Philippi.


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