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VII.

Gleich den ersten Nachmittag nach unserer Rückkehr von Schloß Davenant besuchte uns der in unserm Hause stets willkommene Dr. Antonius. Seinen beharrlichen Anstrengungen war es gelungen, Einlaß in die einsamen Zellen Herrn Prynne's, Herrn Bastwicks und Herrn Burtons in Caernavon, Launceston und Lancaster Castles zu erlangen, und nachher in die Gefängnisse von Guernsey, Jersey und auf den Scilly Inseln, wohin dieselben später gebracht worden waren, so wie in den Kerker des so grausam verstümmelten alten Herrn Alexander Leighton.

Oft verließ Dr. Antonius zur Sommerszeit seine Patienten auf einige Monate, um diejenigen zu besuchen, die um des Gewissens willen in Banden lagen, ihnen die dem einsamen Gefangenen so kostbare Nachricht zu bringen, daß man ihrer im Gedränge des Lebens draußen nicht vergessen habe; auch versah er sie mit Nahrung und Arzneien und manchen kleinen Bequemlichkeiten, so viel die strengen Regeln ihrer Haft es gestatteten, und brachte ihren Verwandten und Freunden Botschaft von ihnen. Im vergangenen Jahre war Dr. Antonius selbst (wie wir von Andern hörten,) wegen dieser Besuche der Barmherzigkeit von der Sternkammer zu einer Geldbuße von 250 Pfund Sterling verurtheilt worden, obgleich kein Gesetz dieselben verbot.

Dieses Mal brachte er uns betrübende Neuigkeiten von vielen Seiten; und seine Unterredung mit Vater war sehr ernst.

Ueberall Unglück und Schande für unser Land. Die französischen Hugenotten fluchten unserm Hofe, der sie zur Empörung gereizt hatte und dann Schiffe zu ihrer Unterwerfung nach La Rochelle sandte, obgleich, Gott sei Dank! kaum einer unserer tapfern Seeleute die Waffen gegen seine protestantischen Brüder tragen wollte – und Offiziere und Untergebene zusammen desertirten, als sie entdeckten, gegen wen sie verkaufter Weise zu fechten hatten. Unsere Fischereien waren an der Ostküste an die Holländer verschachert; einer unserer Ostindienfahrer wurde durch die Holländer weggenommen; nordafrikanische Corsaren landeten an der Küste von Plymouth, die unsere Landsleute, Männer, Frauen und Kinder aus ihren Dörfern wegschleppten, um sie drüben als Sklaven zu verkaufen. Dem König von Spanien, dem Hauptpfeiler des Papstthums und der Verfolgung, dem schon seit den Zeiten der Armada geschworenen Feinde unseres Glaubens und unseres Stammes, war gestattet, in Irland seine Heere zu rekrutiren; die Regierung mit Wentworth (diesem Verräther an der Freiheit) und dem Erzbischof Laud an der Spitze, zeigte sich schwach wie gebrühtes Werg, wo es galt nach außen unsere Feinde zu strafen, dagegen im Lande stets bereit, jeden Vertheidiger unserer alten Rechte mit Skorpionen zu züchtigen. Dazu kam das erst neuerdings gefällte Urtheil der Richter wegen des Tonnengeldes gegen den wackern und frommen Herrn Hampden, wodurch unser Vermögen der Willkür des Hofes Preis gegeben ward, der darin nur ein Mittel sah, unsere Freiheiten zu zerstören; ferner die Erklärung des Richters Berkeley in offener Gerichtsversammlung, daß Lex (Gesetz) nicht Rex (König), wohl aber Rex Lex sei; der Verkauf von einunddreißig Monopolen, wodurch fast jeder Gegenstand des täglichen Gebrauchs theuer und schlecht geworden. Nicht zu gedenken an den Alles wegraffenden, beständigen Druck von Lord Straffords Lieblingswort »Durch und durch«, welcher durch die von dem Könige ertheilten kleinen Monopole für jede Hausfrau des Königreichs zu einem Aergerniß wurde. Und weiter: die schweren Ketten des stolzen Wentworthischen Despotismus durch Erzbischof Lauds kleinliche Tyranneien zu Nadeln gespitzt und gedreht, um zarte Gewissen zu peinigen, und zu Drahtbändern gesponnen, um jedes Glied zu fesseln; Verordnungen über Farben und Schnitt der Gewänder, eines Hofschneiders würdig, (wie Tante Dorothea sagte) durch fortgesetzte kleine Grausamkeiten erzwungen, wie eine boshafte Hexe sie nicht qualvoller hätte erfinden können.« Auch Geschichten schwarzer Thaten aus Wentworths Privatleben in Irland, würdig den schlimmsten unter den römischen Kaisern an die Seite gestellt zu werden; Berichte, wie königliche Wälder, zum Verderben einer Menge von Edelleuten und Bauern von sechs Meilen auf sechszig erweitert worden; schmachvolle Nachrichten von Wortbrüchigkeit gegen holländische und französische Emigranten, die seit Elisabeths Regierung in England freundliche Aufnahme gefunden hatten, und deren Rechte von Jakob und König Karl selbst verbürgt waren, denen aber nun Erzbischof Laud verbieten wollte, Gott auf dieselbe Weise anzubeten, für welche ihre Väter Verbannung und Verlust ihrer Güter erduldet hatten, und die sich jetzt genöthigt sahen, in Holland eine neue Heimath zu suchen, so daß sie durch ihre zweite Vertreibung den Ruin der Stadt Ipswich, wo sie gewohnt hatten, herbeiführten, indem sie den Tuchhandel, die Erwerbsquelle unserer östlichen Grafschaften, zu unsern Concurrenten, den Holländern, verpflanzten.

»Sie haben wohl ein Exemplar von Foxens »Buch der Märtyrer?« fragte Dr. Antonius meinen Vater, nachdem er über diesen beklagenswerten Zustand gesprochen hatte.

»In welchem tüchtigen protestantischen Hause in England sollte dieses Buch auch wohl fehlen?« rief Tante Dorothea; »am wenigsten in einem solchen, dessen Vorfahren selbst darunter zählen.«

»Nun, so nehmen Sie es wohl in Acht,« erwiderte Dr. Antonius; »denn der Primas hat verboten, noch ein Exemplar davon zu drucken, und die Sternkammer wird durch ihre Strafen diesem Befehl Gehorsam zu verschaffen wissen.«

»Dies sind dunkle Zeiten,« fuhr er fort; »dunkel und stumm. Ich stand diesen Frühling bei der Kirche des Tower an Sir John Eliots Grab, eines der edelsten, loyalsten, treusten Edelleute, welche unsere Nation aufzuweisen hat. Er wurde im Gefängniß langsam zu Tode gemartert, weil er auf seinem Sitz im Parlament es gewagt hatte, die alten Rechte Englands mit Ruhe zu vertheidigen, sein Leichnam wurde nicht einmal seiner Familie ausgeliefert, um denselben bei seinen Verwandten in ihrer Pfarrkirche in Cornwallis ehrenvoll bestatten zu können, sondern er wurde wie der eines Verbrechers in ein entehrtes Grab im Bereiche des Kerkers, wo er starb, geworfen. Und ich dachte, welch düsterer Schatten noch auf seinem Todbette über ihn gefallen wäre, hätte er geahnt, wie die Tyrannei in diesen sechs Jahren immer straffer gezogen wurde, und wie die Stimme der Nation nicht einmal in ihrem gesetzmäßigen Parlament vernehmbar war.«

»Die Stimme der Nation ist vernehmlich genug für diejenigen, welche Ohren haben um zu hören,« bemerkte Vater.

»Ja wahrlich,« sagte Dr. Antonius; »wenn Sie, wie ich, das Land durchreist hätten, müßten Sie dies sagen. Wann aber werden die Könige einsehen lernen, daß das Stöhnen menschlicher Lippen und die Seufzer, die hinter zusammengebissenen Zähnen unterdrückt werden, gefährlicher sind, als ein ganzer Schwall leidenschaftlicher Reden?«

»Und,« setzte mein Vater hinzu, »daß es ein Stillschweigen gibt, das noch bedeutsamer und gefährlicher ist als sogar jene.«

»Aber es gibt zwei Hoffnungspunkte,« sagte Dr. Antonius. »Der eine ist die puritanische Kolonie in Neu-England, wo unsere Brüder den vergeblichen Kampf mit menschlicher Verblendung und Tyrannei gegen den siegreichen Kampf mit der Natur in den Urwäldern und unbetretenen Wildnissen vertauscht haben. Viertausend wackere englische Männer und Frauen mit sieben und siebzig Geistlichen haben sich in den letzten zwanzig Jahren dorthin geflüchtet. Nicht nur arme Leute; denn sie haben viele tausend Pfund englisches Geld, oder Geldes Werth mit hinüber genommen, indem sie Vaterland und Heimath verließen für die theure Freiheit, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen. Und diese Ansiedelungen fangen nun nach schweren Kämpfen und Entbehrungen an zu gedeihen.

»Ihre Absichten und Hoffnungen sind deutlich daraus zu erkennen, daß bereits vor zwei Jahren, als sie in der Wildniß noch schwer mit Sorgen der Nahrung zu kämpfen und Wege und Brücken zu bauen hatten, die Ansiedelung von Massachusetts 400 Pfund Sterling zur Gründung einer Gelehrtenschule votirte. Eine solche Handlung sieht mehr der Vorsorge der Väter einer Nation ähnlich, als einer Handvoll Verbannter, welche um ihre Existenz gegen die Indianer, die Wildniß und einen feindseligen Hof in der Heimath zu kämpfen haben.

»Der andere Hoffnungspunkt ist die Greyfriars-Kirche (Graubrüderkirche) in Edinburg, wo am ersten März dieses Jahres nach langen Gebeten und Predigten die ganze Versammlung – Edelleute, Bürger, Geistliche aus allen Enden des Königreichs – aufstand und mit gen Himmel erhobenen Händen feierlich den Covenant (Nationalbund) beschwor.« Hier zog Dr. Antonius ein Manuskript aus der Brusttasche seines Rockes und las:

»Wir schwören,« riefen sie, »dem römischen Antichrist ab, sammt allen seinen tyrannischen Gesetzen über gleichgültige Dinge, welche gegen unsere christliche Freiheit streiten; seinen Irrlehren gegen das geschriebene Wort Gottes, gegen die Vollkommenheit der Gebote und das Werk Christi und Seines heiligen Evangeliums; wir verschwören sein grausames Urtheil über Kinder, welche ungetauft sterben; seine gotteslästerliche Priesterschaft; seine Heiligsprechung sündiger Menschen; seine Mißbräuche, gewissen Geschöpfen Kirchen, Altäre, Tage und Gelübde zu weihen; wir verschwören sein Fegfeuer, seine Gebete für die Verstorbenen, sein Beten und Reden in fremder Sprache; seine verzweifelte und unsichere Buße, seinen allgemeinen und zweifelhaften Glauben, sein Weihwasser, seine Glockentaufe, seine Geisterbeschwörungen, seine Bekreuzungen, sein Lossprechen vom ewigen Tode, sein Salben, Beschwören und seine Verehrung der Geschöpfe Gottes! Wir Adelige, Barone, Edelleute, Bürger, Geistliche und Gemeine (Volk) erklären hiemit, in Anbetracht der Gefahr, welche durch die in unseren letzten Beschwerden, Bitten und Protesten enthaltenen und namentlich erwähnten Neuerungen und Uebel der wahren reformirten Religion, der Ehre des Königs und dem öffentlichen Frieden des Reiches droht, und betheuern vor Gott und Seinen Engeln und der Welt, daß wir einstimmig entschlossen sind, unser ganzes Leben lang besagter wahrer Religion treu zu bleiben und sie zu vertheidigen, alle im Gottesdienste bereits eingeführten Neuerungen, sowie jedes Gutheißen der Verderbniß des öffentlichen Kirchenregiments zu vermeiden, bis in freien Versammlungen und in Parlamenten darüber entschieden worden, und mit allen gesetzlichen Mitteln daran zu arbeiten, die Reinheit und Freiheit des Evangeliums wieder herzustellen. Wir fürchten uns weder der Rebellion oder heimlicher Bündnisse angeklagt zu werden, noch vor allen Verleumdungen, welche die List und Bosheit unserer Feinde gegen uns ersinnen kann, überzeugt, daß unser Thun wohl berechtigt ist und aus dem aufrichtigen Wunsche entspringt, zu unser Aller Wohl und zum Besten unserer Nachkommen den wahren Gottesdienst, die Majestät unseres Königs und den Frieden des Reiches aufrecht zu erhalten. Und da wir keinen Segen von Gott für unser Verfahren erwarten können, wenn wir mit unserer Unterschrift nicht auch einen solchen Wandel verbinden, wie er Christen geziemt, die ihren Bund mit Gott erneuert haben, so geloben wir daher, uns zu bestreben, Andern in aller Gottseligkeit, Nüchternheit und Gerechtigkeit und in jeder Pflicht gegen Gott und die Menschen ein gutes Beispiel zu geben. Und wir rufen den lebendigen Gott, den Herzenskündiger, zum Zeugen an, so gewiß wir einst an jenem großen Tage Rechenschaft ablegen müssen, und bei Strafe von Gottes ewigem Zorn und Ungnade; und bitten in tiefer Demuth den Herrn, uns dazu durch Seinen Heiligen Geist zu stärken!«

»Und dies,« setzte Dr. Antonius hinzu, »ist nicht blos in der Graubrüderkirche beschworen worden, sondern ganze Massen haben es in den Kirchhöfen von Edinburg und Glasgow mit ihrem Blute auf Pergament unterzeichnet; ja in einer Kirche nach der andern, in Städten und Dörfern und an den Abhängen der Hügel, von John v. Groats Hause an bis an die Grenze wurde es unter Thränen und Jauchzen und inbrünstigen Gebeten beschworen.«

»Und dies bedeutet?« fragte Vater.

»Es bedeutet, daß die schottische Nation lieber sterben will, als sich den Ceremonien und Kirchengesetzen des Erzbischofs Laud zu unterwerfen; daß sie aber die Absicht hat, weder zu sterben noch sich zu unterwerfen, sondern daß aus jeder Gemeinde, die den Nationalbund beschworen hat, wenn es nöthig ist, Freiwillige zu einer Bundesarmee stoßen werden, welche bereit sind, dem Eide, den sie in der Kirche geleistet, auf dem Schlachtfelde treu zu bleiben.«

»Und eine tüchtige Armee könnten sie bald gebildet haben,« sagte Vater, »mit den Offizieren, die unter dem großen Gustav Adolph gedient haben.«

»Es bedeutet, daß sie bereit sind, in Schottland für Religion und Freiheit ein Feuer anzuzünden, das nicht an der Grenze stille halten, sondern in jeder englischen Grafschaft Brennstoff genug vorfinden wird.«

»Der Hof hätte um seines eigenen Friedens willen besser gethan, den Feldstuhl von Jenny Geddes zu beachten!« sagte Vater.

»Zu seinem eigenen Wohl freilich,« bemerkte Tante Dorothea; »aber schwerlich zu dem unsrigen.«


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