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XIV.

Die sechs Monate des Jahres 1641, von Anfang Mai bis November, glänzen mir entgegen über die stürmischen Jahre hinüber, wie eine von Thau und Sonnenschein strahlende Aue am Rande eines düstern, brausenden Meeres. Jenseits dieser Monde, erstreckt sich, noch weiter entfernt, das Eden der Kindheit, mit seinen Legenden und Geheimnissen, und seinen kaum erst geschlossenen Paradiesesthoren. Auf die Grenze fällt der breite dunkle Schatten von Rogers Versuchung und bitterer Reue. Diesseits braust dazwischen das weite Meer des Bürgerkriegs. Aber durch dies alles hindurch lächelt jenes sonnige Plätzchen mir zu, so friedlich als ob keine stürmischen Wogen dagegen schlügen, so deutlich als ob kein langer Zeitraum mich davon trennte.

Habe ich die Kindheit Eden genannt? Dann ist die Jugend »der Garten, den Gott der Herr pflanzte in Eden gegen Morgen« am Anfang auch des trübsten, stürmischsten Lebens, wo der Strom, der das Land umgibt, über goldenen Sand dahin fließt, »und das Gold des Landes ist köstlich.« Nicht die Kindheit, sondern »die erste Jugend,« »die Jugend der Jugend« ist das goldene Zeitalter des Lebens. Die Kindheit ist das Zwielicht. Jugend ist der herrlich anbrechende Tag. Kindheit ist der Traum und das Emporrütteln aus demselben, Jugend ist das bewußte freudige Erwachen. Wenn die Kindheit aus jedem Sommerfaden Zauberkleider spinnt, in jedem Blatt einen Zauberschatz sieht, so hat sie auf ihrem unsichern Gange durch eine unbekannte Welt auch ihre aus den Zwielichtsschatten gewobenen Schreckgebilde, ihre aus Aprilschauern entsprungenen, überwältigenden Kummer-Ströme. Und weder ihren Freuden noch ihrem Kummer, weder ihren Schrecken noch ihren Schätzen vermag sie Worte zu geben.

Kindheit ist das trübe Kolchis, wo das goldene Fließ verborgen liegt; Jugend ist Jason, der es erobert. Kindheit ist die süße, schattenreiche Insel der Hesperiden, die im tropischen Sonnenscheine schlummert, wo die goldene Frucht langsam unter dem dunkeln, glänzenden Laube reift. Jugend ist der Held, der in den Garten eindringt, ihn mit seinem Gesange belebt und die Frucht gewinnt, die er in die freie weite Welt hinaus trägt. Wenn die Kindheit das goldene Zeitalter darstellt, so ist die Jugend das heroische Zeitalter; wo das Herz im ersten Bewußtsein der Kraft und in der ersten Bewegung halb bewußter Hoffnungen höher schlägt; wo die Erde als ein weites Feld ruhmvoller Abenteuer vor uns liegt und der Himmel sich über uns ausspannt als ein Raum zu ungebundenem Fluge, ehe wir noch erkennen gelernt haben, wie gemischt die Heere der Erde sind, wie langsam die Eroberungen der Wahrheit, wie selten wir eine Schlacht schlagen können, ohne eines von denen zu verwunden, welche wir unterstützen möchten, oder einen Sieg erringen, in dem man nicht manches eben so köstliche Gut als das, was im Triumph vor uns hergetragen wird, entehrt und verdorben hinter uns durch den Staub zieht.

Nicht als ob die lebendigsten, goldenen Hoffnungen der Jugend nur eitel Täuschung wären! Gott behüte, daß ich nur einen Augenblick mit diesem Gedanken Seine Handschrift in den Herzen lästere! Nein, sondern der Allwissende, der den herrlichen Ausgang kennt, den Alles nehmen soll, stellt uns nur in der Jugend auf die Berggipfel, um die reine Himmelsluft zu athmen; und von diesen Hoffnungshöhen im sonnigen Nebel erscheint uns die dazwischenliegende Entfernung verkürzt, wie die Ewigkeit sie in Seinen Augen verkürzt, so daß vergessend, was dahinten liegt, und hinausreichend über das, was dazwischen ist, jedes muthige, vertrauensvolle Herz hinabsteigen kann auf das Schlachtfeld, stark in der Verheißung des Ausgangs, des Triumphes der Wahrheit, der sicher erfolgen soll, und des Reiches der Gerechtigkeit, das gewiß noch zuletzt anbrechen muß.

So wenigstens war unsere Jugend, Lätitia Davenants, Rogers und die meine. Und beim Zurückblicken scheint mir diese sonnenhelle Jugendzeit ganz in jene sechs Monate vor dem Ausbruche des Bürgerkrieges zusammengefaßt.

Denn während dieses Sommers kamen wir sehr häufig zusammen und es war ruhig im Lande. Wenigstens schien es uns so in Netherby.

Der König hatte eingewilligt, daß alle drei Jahre das Parlament sitzen sollte; er hatte zugestanden, daß dieses Parlament nie, wie die vorigen, durch königliche Willkür, sondern nur mit Bewilligung beider Häuser sollte aufgelöst werden können; ja er hatte bereit geschienen, Alles zu gewähren. Strafford, die feste Stütze seines Despotismus, war gefallen; der Erzbischof Laud, der Anstifter aller jener kleinlichen erbitternden tyrannischen Maßregeln, welche die Nation fast zur Wuth gereizt hatten, lag hülflos im Tower; die ungerechten Richter, welche die schlimmen Gesetze über das Schiffsgeld verordnet hatten, waren entehrt über das Meer entflohen. Was durfte man daher nicht, wenn auch nicht eben von dem guten Willen des Königs, doch wenigstens von seiner Nachgiebigkeit hoffen? Man hatte in der That versucht, Pym und Hampden in den königlichen Rath zu bringen; und wenn dies auch nicht ganz gelungen war, so war wenigstens der Volksfreund St. John zum Staatsanwalt ernannt worden.

Während eines großen Theils dieses Sommers residirte der König, nachdem er alle Vorschläge des Parlaments genehmigt hatte, in Schottland. Freilich waren die Berichte von dorther nicht besonders befriedigend. Es gingen Gerüchte herum von Verschwörungen im Heere, die von allerhöchsten Personen begünstigt würden; Gerüchte von einem schwarzen Anschlag, den man Vorfall nannte, und der Verrath gegen Argyle und Andere brütete. Man erzählte, daß Seine Majestät zur Entrüstung von ganz Edinburg mit fünfhundert Bewaffneten in das schottische Parlament eingedrungen sei; und daß das englische Parlament, auf die Nachricht von dem »Vorfall« eine Wache gegen ähnliche Beleidigungen verlangt habe, um dasselbe zu beschützen, im Falle »boshafte Personen« etwas Aehnliches versuchen sollten.

Allein bei uns in Netherby war meistens die Hoffnung vorherrschend über die Furcht. Eines war sicher. Ein auf jede Bewegung aufmerksames Parlament wachte zu St. Stephan über der Nation, durch das feierliche Gelübde verbunden, lieber Alles zu thun oder zu leiden, als unsere alten Rechte und Freiheiten aufzugeben; und bis von dorther das Warnungszeichen kam, durfte die Nation im Frieden ihr Tagewerk vollbringen, – freilich nicht im Schlafe, und nicht ohne die Waffen stets zur Hand zu haben; aber für den Augenblick doch nicht berufen zu kämpfen, sondern zu arbeiten und zu warten.

Es war gerade genug Unruhe in der Luft und Sturm am Himmel um jede Bewegung zu beschleunigen ohne sie zu hemmen; um die Muße nicht langweilig, die Augenblicke des Zusammenseins köstlicher zu machen und die Freundschaften schneller zur Reife zu bringen.

Noch waren wir eine Nation, wir erkannten ein Gesetz, einen Thron, einen Nationalrath an. Noch waren wir eine Landeskirche, versammelten uns allwöchentlich in einem Gotteshause; knieten, wenigstens an Ostern, obgleich nicht ganz ohne Skrupel um einen Abendmahlstisch, beichteten gemeinsam, daß wir »Alle in der Irre gegangen wie Schafe«; dankten mit einander für unsere »Erschaffung und Erlösung,« knieten andächtig und sprachen einmüthig das »Unser Vater, der Du bist im Himmel«; bekannten stehend gemeinsam den einen allgemeinen christlichen Glauben; beteten mit einander (in den unter König Jacobs Regierung bestimmten Worten) für unsern Landesherrn, den König Karl, und dann (wie unter ihm zuerst verordnet wurde), für den unter ihm versammelten höchsten Gerichtshof des Parlaments.

In der That waren Worte und Stellungen und Gewänder nicht nach Jedermanns Sinn, sondern für die Einen Zeichen ärgerlicher Niederlage, und für die Andern kleinlichen Triumphes; allein im Allgemeinen, besonders seitdem das »Buch ländlicher Belustigungen« abgeschafft und der Erzbischof Laud zur Ruhe gezwungen war (und Herr Nicholls seine neuesten Gebräuche aufgegeben hatte), machte sich ein starker Strom der Wahrheit und Andacht in dem alten Gottesdienste fühlbar, der alle aufrichtigen, frommen Herzen mit fortriß.

Auch hegten in dieser Periode einige Puritaner die Hoffnung, auf friedliche Weise noch manche leichte Verbesserung zu bewerkstelligen, so daß selbst Tante Dorothea weniger polemisch war als gewöhnlich und sich damit begnügte, gelegenheitlich zu warnen, daß man nicht um der Rosse willen nach Egypten hinab gehen, oder zu Leuten, wie Achan, in's Lager gehen solle, oder die Hoffnung aussprach, daß der Feind, dessen Worte sanfter als Butter seien, nicht Krieg im Herzen trage. Allein sie erklärte nicht deutlich, ob sie unter diesen Achans und dieser egyptischen Reiterei Herrn Nicholls und Placidia, Lady Lucia, Lätitia und den König, oder eine kleine Schaar von Separatisten, oder Braunisten verstand, welchen wir zuweilen begegneten, wenn sie aus ihren gottesdienstlichen Versammlungen in einer Hütte am äußersten Ende des Dorfes kamen, gegen welche sie meinen Vater für viel zu nachlässig in seinen richterlichen Pflichten hielt. Diese offenbar harmlosen Leute waren wiedertäuferischer Ansichten verdächtig. Tante Gretchen verband sie sogar in ihren Gedanken mit gewissen, höchst gefährlichen Personen desselben Namens in Münster. Es war in der That die größte Toleranz von ihrer Seite, unserm Robert und Tib hin und wieder den Besuch dieser Versammlungen zu gestatten; allein die Rücksicht auf Tibs besonnenes Alter, auf Bobs besonnenen Charakter und Tante Dorotheens oft unbesonnenen Eifer bestimmte sie, es zu thun, zumal da ihr Gewissen durch Vaters feierliches Versprechen beruhigt wurde, daß er diese Sektirer der Gerechtigkeit überliefern werde, sobald sie die geringste Neigung zur Vielweiberei oder zum Mord an den Tag legten. Sie bestanden meistens aus kleinen Bauern und unabhängigen Handwerkern – dem Schneider, dem Zimmermann des Dorfes und vor Allen dem Hufschmied Hiob Forster. Tib und Bob waren, glaube ich, von unserm Gesinde die einzigen, die sich dazu hielten. Es waren nur wenige, arme, ruhige Leute, die bei ihren Zusammenkünften nichts thaten, als beten und in der Bibel lesen, wobei Einer vorlas und erklärte; da Einige von ihnen Skrupel hatten, es möchte fleischliche Befriedigung sein, geistliche Lieder zu singen. Gelegentlich wurden sie durch den Besuch eines Predigers ihrer Sekte aus Suffolk gestärkt, wo dieselbe zahlreiche Anhänger hatte.

Sie waren sehr gütig gegen einander und thaten Niemandem etwas zu Leide. Jedes unter ihnen wäre für den geringsten Skrupel über das, was sie glaubten oder nicht glaubten, mit Freuden in Tod oder Armuth und Verbannung gegangen; weil sie fest überzeugt waren, daß jeder Faden an der Stickerei ihres Zeltes eben so sicher von Gott angeordnet sei, als die von Gottes Finger geschriebenen Tafeln des Gesetzes. Allein noch war kein Anzeichen vorhanden, wessen ihr Enthusiasmus fähig sein würde, wenn er, statt unter ruhigem Dulden zu glimmen, zur Thätigkeit entflammt würde; nichts deutete an, welche kräftige Lebenskeime in dieser kleinen Gesellschaft lagen, wovon jedes Glied seinen Ruf direkt von Gott erhalten zu haben glaubte. Und doch trat aus ihnen und ihres Gleichen auf Oliver Cromwells Berührung jene Schaar von Eisenseiten ins Leben, die furchtbar wie Simson, keusch wie Sir Galahad, unbeugsam wie Elias bei den Drohungen der Königin Jesebel, schonungslos wie Elias gegen die falschen Propheten auf dem Berge Carmel, eine Gewalt nach der andern im Staate stürzten und England zu der bedeutendsten Macht in der Welt erhoben, und die – wenn die einzige menschliche Hand, welche sie zu regieren verstand, unsterblich gewesen wäre – England und die Welt bis auf den heutigen Tag beherrschen würden.

So viele verborgene Lebenskeime lagen unentwickelt rings um uns her. In unsern Urwäldern Neu-Englands wachsen, wenn die Fichten gefällt sind, junge Eichen an ihrer Stelle auf. Was wäre aus den Eicheln geworden, wenn man die Fichten stehen gelassen hätte? Wären sie umgekommen, oder Jahrhunderte lang verborgen liegen geblieben, bis ihre Stunde geschlagen hätte?

Aber da komme ich wieder auf das Verhängniß, Rogers altes Räthsel, zurück, womit er mich einst so sehr verwirrte, als wir auf dem Apfelbaume in Netherby saßen. Wie dem auch sein möge, so viel ist gewiß, daß in dem Weltregiment nur die Minister des Königs wechseln. Der König selbst stirbt niemals.

Indessen waren diese Sektirer das einzige auswendige Schisma in der Einheit unserer Nation und Kirche, so weit dieselbe sich in Netherby dargestellt fand. Korahs, Dathans und Abirams nannte sie Tante Dorothea, oder (in ihrer höchsten Entrüstung) »Anabaptisten«, und hätte gern (theoretisch) ein warnendes Exempel an ihnen statuirt; harmlose Enthusiasten hieß sie mein Vater und ließ sie ruhig gewähren; Tante Gretchen betrachtete dieselben als wohlmeinende Leute mit gefährlicher Richtung und kochte ihnen Molken und Fleischbrühe, wenn sie krank waren. In Lady Lucia's Augen waren sie irregeleitete Schismatiker, in Sir Walters eingebildete Narren, und in Harry Davenants gemeine Fanatiker. Von unserm ganzen Kreise war Roger, glaube ich, der Einzige, welchem daran lag, ausfindig zu machen, was sie meinten und wollten; denn nach seinem großen Kummer hatte er stets den aufrichtigsten Wunsch, Niemand falsch zu beurtheilen, oder vielmehr überhaupt nicht von oben herab zu richten. Roger sagte, sie glaubten, Gott gefunden zu haben und so gewiß in Seiner Gegenwart zu leben, wie vordem Moses und Elias, oder sonst Einer von denen, welchen Er in alten Zeiten erschien. Im Vergleich damit betrachteten sie, wie Roger sagte, alles Uebrige als unendlich geringfügig; sie verlangten vor Allem Gottes Willen zu thun, sobald sie ihn erkannt hatten, wodurch die einfachste, häusliche Pflicht ihnen für sie eine Weihe erlangte, als ein Theil des »Dienstes im Heiligthum«, daß Berge von Schwierigkeiten sie so wenig störten, wie ein Stäubchen an der Wage, und jedes Hinderniß vor ihnen zerstob, wie Spreu im Winde. Dies waren Ueberzeugungen, welche einen unüberwindlichen Muth im Ertragen aller Beschwerden verliehen, und eine furchtbare Thatkraft geben konnten, wie der Erfolg bewies.

Ohne Zweifel hatte Rogers Freundschaft für Hiob Forster nicht wenig zu dieser bessern Beurtheilung beigetragen. Hiob freilich fuhr während der sechs Monate, die für uns in Netherby so ruhig und hoffnungsreich waren, fort, Stürme zu prophezeien. »Das Wetter wird auf den Bergen und am Meere gebraut,« pflegte er zu sagen, und man könne nicht erwarten, daß Leute, die auf der Ebene, fern von Bergen und Meeren, erzogen seien, die von der Hälfte der Welt nichts wüßten, die Zeichen des Himmels verstehen sollten. Er glaube sicher, daß der Herr noch viel Arbeit auf seinem Ambos habe, ehe Pflugscharen aus den Schwertern und Gartenmesser aus Speeren gehämmert werden dürften. Ja, es sei viel wahrscheinlicher, daß man die Pflugscharen zu Schwertern und die Gartenmesser zu Speeren machen müsse.

Und dabei hämmerte er um so kräftiger auf die ländlichen Werkzeuge los, wegen der kriegerischen Waffen, die sie ihm darstellten.

Ueberdies hatte sein Weib Rahel, als sie in einer stürmischen Nacht aus ihrem Fenster über das Moor hinausschaute, wunderbare Dinge am Himmel gesehen; Wolken mit schwarzen Federbüschen, die wie Heere geordnet und geführt, weit nach Osten hinrollten, bis die aufgehende Sonne sie mit blutigem Roth überzog, während hoch oben, hinter diesen, ein weiß beschwingter Arm, wie der eines Erzengels vorüber schwebte, unberührt von der rothen Gluth der Schlacht, als ob er bereit wäre, zu warnen oder zu schlagen.

»Etwas Schreckliches muß irgendwo vorgehen, oder kommen,« hatte sie gesagt.

Und Hiob, dem Rahels Worte stets heilig waren, – wie ja unsere von Norden stammende Race in alten Zeiten ihre Prophetinnen verehrte, – und erfüllt von heiligen Erinnerungen an die gottbegeisterten Gesänge einer Deborah und Hannah, überzeugt daß die Personen der Bibel nicht Ausnahmen, sondern Vorbilder seien, und von seiner innigen Liebe zu ihr verblendet, glaubte fest an Rahels Gesichte, ohne zu ahnen, daß dieselben großen Theils nur der Widerschein seiner eigenen Ueberzeugung waren. So ahnte Hiob nichts Gutes und wir dagegen hofften das Beste, während die Sommermonate verstrichen.

Selten verging ein Tag, an welchem die Davenants und wir uns nicht gesehen hätten, vorzüglich Roger, Lätitia und ich; denn Roger hatte ein Examen bestanden, aber sich zu sehr mit Arbeiten angestrengt und mußte sich eine Weile ausruhen, und die jungen Davenants waren die meiste Zeit in London. So waren wir denn beständig beisammen, in der Kirche, im Schlosse oder im Herrenhause; wir ritten, jagten, heuten, suchten Nüsse und fuhren im Boote in der Bucht mit einander; durchstöberten an regnerischen Tagen Sir Walters Bibliothek und brachten wundervolle, alte gemalte Manuskripte zum Vorschein, oder wir sangen heitere Lieder zu der Orgel meines Vaters; oder wir versuchten uns an italienischen Gedichten, wobei gewöhnlich Roger Lätitien metrische oder andere Übersetzungen machte. Ueberhaupt herrschte Lätitia bei Allem nach tausend unbestreitbaren königlichen Rechten: als Schülerin, als Königin, als die Jüngste; als die Verwegenste; als die Schüchternste; um ihrer Hülfsbedürftigkeit, ihres Schutzsuchens willen; weil sie gegen uns zwei in der Minorität war, um ihrer wahren Beständigkeit und ihres scheinbaren kleinen Wankelmuthes willen; wegen ihrer blendenden, immer wechselnden Schönheit und all ihrer namenlosen, süßen, tyrannischen, bezaubernden, eigensinnigen Launen; wegen ihres großmüthigen Selbstvergessens und ihrer Wonne Andern Freude zu machen, und endlich und hauptsächlich wegen der zarten Gewalt, welche durch alle diese Reize sich in Rogers Herz stahl und dasselbe, unwiderstehlich und unbestritten, damals und auf immer in Besitz nahm.

Wir sprachen wenig über Politik. Lätitia kannte davon nichts als die Treue gegen den König, und gerade in jener Zeit war ihre Anhänglichkeit auf eine schwere Probe gestellt, weil es ihr unedel schien, daß er Strafford in der Noth verlassen hatte.

Es gab kein verbotenes Thema unter uns. Nur einen Punkt freilich vermieden wir durch stillschweigende Übereinkunft: Alles was sich auf Sir Launcelot Trevor bezog. Lätitia, deren Zartgefühl schon von Weitem witterte, was mir im Geringsten schmerzlich sein konnte, berührte nie einen Gegenstand, der Roger solchen Kummer verursacht hatte, und mich sprach sie nie von einer gewissen schwesterlichen Ungerechtigkeit gegen den Feind meines Bruders frei. Allein dies war ein höchst unbedeutendes und unnöthiges Gemach, das in dem Wonnepalast, in dem wir drei uns ergingen, verschlossen bleiben mußte. Auch kann ich mich nicht einer Regung des Neides erinnern, daß ich in Rogers Herz nicht mehr den ersten, sondern nur den zweiten Platz einnahm. Ja wenn ich Lätitia auch nicht selbst so innig geliebt hätte, so war doch in Rogers Liebe nichts, was auch nur ein Körnchen elender Eifersucht in mein Herz hätte werfen können. Obgleich er sie am meisten liebte, so war er mir doch mehr als je. Der Widerschein seiner zarten Verehrung für sie verklärte in seinen Augen das ganze Geschlecht um ihretwillen. Er wurde Allen mehr, eben weil er ihr am meisten war. Niedrige Berechnung von Mehr oder Minder, von Besser oder am Besten konnten bei so verschiedenartiger Liebe nicht in Vergleich kommen. Alle wahre Liebe, weit entfernt zu verengen und zu schwächen, erweitert und stärkt im Gegentheil das Herz; sie salbt das Auge statt es zu blenden; sie öffnet Herz und Welt und verwandelt das All in einen Zauberpalast und in eine Schatzkammer der Freuden, indem sie einfach den Schlüssel gibt, ihre Gemächer zu erschließen und die Kraft, ihre Schätze zu sehen.

Der eigentlich innerste Kern unserer Freude während dieser stillen, friedlichen Tage war, daß Roger, Lätitia und ich beisammen waren. Wir schufen uns selbst unser neues Atlantis. Wir hätten es uns selbst in der schmutzigsten Straße Londons geschaffen. Nur hätte dort die uns innewohnende Freude die uns umgebende Welt in ein Paradies verwandeln müssen. In Netherby aber, wenn wir, den frischen Wind im Gesichte, durch die Felder ritten, oder durch die vom Gesang der Vögel widerhallenden Wälder streiften, oder über den See dahinglitten, und während Roger ruderte, mit den Händen in dem kühlen Wasser plätscherten, oder auf den duftenden Gartenterrassen des Schlosses und Herrenhauses plauderten, brauchte unsere Freude nichts erst zu verwandeln, sondern nur sich zu übertragen.

Außerhalb dieser uns ganz eigenen innern Welt lag eine helle, freundliche Welt rings um uns her. Erstlich unser Vater, die liebevolle Lady Lucia und Tante Gretchen – welche freilich kaum außerhalb standen, ausgenommen, insofern sie nicht ganz verstanden, was in uns vorging, und uns als glückliche Kinder ansahen, die noch in ihrem Kindheitsparadiese lebten; dann Tante Dorothea, Hiob Forster und Rahel, die uns liebevoll, obgleich ängstlich, behüteten, als ob wir unbewußt dem Kampfe mit unsern Drachen und Leviathans entgegen gingen, und weiter hinaus das Dorf, zu dessen Kindern wir gehörten; das Land, welches unsere Mutter war, die Welt, deren Erben wir waren. Denn in jenen Tagen gab es für uns keine quälenden Philister, kein unterdrückendes, vernichtendes Babylon; keine Egypter hinter uns und kein rothes Meer vor uns. Die Welt sollte erobert werden, aber nicht als ein zu Boden geworfener Feind, sondern als ein freiwilliger Vasall der Wahrheit und des Rechts. Die Könige am Meer und in den Inseln sollten Geschenke bringen; die Könige aus Reich Arabien und Seba sollten Gaben zuführen. Die Wüste und Einöde, dachten wir, werde lustig über uns sein, und das Gefilde fröhlich stehen und blühen wie die Lilien.

Lady Lucia nahm ihren vorigen Platz in meinem Herzen wieder ein. Ihr süßes mütterliches Wesen schien unsere ganze kleine, glückliche Welt gleich einer Taube mit ihren Flügeln zu beschirmen.

Mehr als einmal kam auch Harry Davenant nach dem Schlosse und verweilte zu Lady Lucia's vollständigem Glück einige Tage und nahm an allen unsern Unternehmungen den lebhaftesten Antheil. Nur fühlte man ihm stets einen traurigen Grundton, eine Niedergeschlagenheit in Bezug auf das Vaterland und die Welt, eine Bitterkeit über die Zeiten, einen leichten Cynismus über Männer und Frauen an. Dies war vielleicht bei einem edeln Geist wie der seinige unvermeidlich, der sich, wie mir schien, verirrt hatte und in den rückwärts führenden Strom gerathen war, während im Gegentheil das Zeitalter sich in einem edeln Fortschritt begriffen zeigte; es stand aber in starkem Gegensatz zu dem festen, hoffnungsvollen Muth, den keine Gefahr erschüttern, keine Niederlage schwächen konnte, welcher die edelsten Geister auf der Seite der Patrioten kennzeichnete. Der edle Sir Bevil Grenvil hegte bittere Gedanken über seine Zeitgenossen, der großmüthige Lord Falkland sehnte sich nach Frieden und hieß den Tod willkommen. Eliot, Pym, Hampden, Cromwell, Milton suchten Frieden, glaubten an den endlichen Sieg der Wahrheit, hielten England wohl der Mühe werth, dafür zu kämpfen, dafür zu leben, und wenn es nöthig wäre, zu sterben; sie trotzten dem Tode wie Helden, und begegneten ihm als Christen; aber sie ersehnten ihn nicht wie lebensmüde, hoffnungslose Menschen. Wenn es Gott gefiel, so wollten sie lieber noch länger leben, um der großen Hoffnungen willen, wovon sie begeistert waren, weil sie glaubten, daß nicht der Zufall oder der Teufel Herz und Geist der Nationen lenke, sondern Gott.

Allein Männer wie Harry Davenant hatten einen unaussprechlichen Zauber an sich. Es liegt etwas unwiderstehlich Rührendes in einem Heroismus, der, wie jener Hectors von Troya, nicht von der Hoffnung, sondern der Pflicht genährt wird, der sich einer Sache zum Opfer weiht, wovon er glaubt, daß weder Muth noch Opfer ihr den Sieg verschaffen können, und der ihr kein Jota seiner Liebe entzieht, selbst wenn alle Hoffnung dahin ist.

Und mir war er stets ein so zarter Freund. Wir stimmten in so vielen Dingen überein; in unserer Liebe zu seiner Mutter, in seiner Verehrung für Frömmigkeit, Gerechtigkeit und Weisheit meines Vaters; in seiner edeln Anerkennung von dem Werthe Rogers; in einer gewissen beschützenden Zärtlichkeit für Lätitia, welche in der That ein so zartes, abhängiges, eigenwilliges Geschöpf war und so leicht sich in Verlegenheiten stürzte, die sie dann so tief fühlte, daß kein weibliches Herz sich eines mütterlichen Gefühls gegen sie erwehren konnte.

Und doch schien gleich von Anfang an eine halb-anerkannte Schranke zwischen uns zu sein, die später uns deutlicher bewußt wurde, welche unserm Umgang eine seltsame Mischung von Freimüthigkeit und Zurückhaltung, von Vertraulichkeit und Trennung verlieh, worin vielleicht gerade ein Theil seines Reizes bestand.

Und durch diese unsere Welt zogen von Zeit zu Zeit während jener Monate erhabene Erscheinungen von Edelmuth und Weisheit aus andern Sphären, vorzüglich während der letzten sechs Wochen, wo das Parlament vertagt war und manches ehrwürdige Haupt in unserm Gastzimmer zu Netherby ein Obdach für die Nacht fand.

Herr Hampden war in Schottland als Parlamentskommissär um den König zu bewachen; Herr Pym in seiner Wohnung in Graus-Wirthshaus-Gasse, um für die Nation Wache zu halten. Aber Herr Cromwell ging heim in den Schooß seiner Familie nach Ely und brachte auf seiner Rückreise nach London einige Stunden bei uns zu. Wie mein Vater sagte, war er damals zweiundvierzig Jahre alt, und sein Haar war nicht ohne einen grauen Schein. Er hatte eine kräftige, beinahe sechs Fuß hohe Gestalt. Im Grunde seiner ernsten Augen schien Vieles verborgen zu liegen. Nur zuweilen zeigte eine zurückgehaltene Aufwallung, daß nicht Eis, sondern Feuer hinter seinem Ernste verdeckt lag. Sein gesunder Humor zeugte von einer freien Seele, die ihren Vorsatz fest genug erfaßt, um ihm Spielraum lassen zu können. Auffallend war der Scharfsinn, womit er an unähnlichen Dingen Aehnlichkeiten, an gleichartigen Verschiedenheiten, an Sachen des Anstandes Unsinn entdeckte und überhaupt unter allem äußern Schein die wahre Meinung von Menschen und Dingen erkannte. Allein bei dem Allem fanden sich an ihm Fähigkeiten und Spuren eines schweren Herzenskummers; als ob er in die Tiefen verschiedener Seiten geblickt und sie unergründlich gefunden hätte. Aber vor Allem besaß er Augen, welche sahen, nicht blos Fenster, durch welche man ihm in die Seele schaute. Tante Gretchen sagte, sein Blick erinnere sie oft an ein Bild von Dr. Luther, das sie in ihrer Kindheit gesehen hatte. Auch liebte er die Musik, eine neue Aehnlichkeit mit Dr. Luther. Gegen uns Kinder war er stets freundlich, und diesmal sprach er mit Zärtlichkeit von seinen zwei »kleinen Dirnen« zu Hause, – Brigitte (später Frau Ireton), welche ein wenig älter war als ich, und Elisabeth (Frau Claypole), damals elf Jahre alt, seine Lieblingstochter; und von den zwei fröhlichen Kleinen, Maria und Franziska von ungefähr fünf und drei Jahren. Mir däuchte, sein Auge ruhte mit schmerzlicher Sehnsucht auf Roger, und als er fort war, sagte uns mein Vater, daß er erst vor zwei Jahren im Mai seinen ältesten Sohn Robert im neunzehnten Jahre, also gerade in Rogers Alter, verloren habe. Dieser Sohn wurde, fern von der Heimath, in der Kirche von Felsted in Essex begraben; und so hoffnungsvoll war dieser Jüngling gewesen, daß der Pfarrer des Kirchspiels, in dem er starb, einen Bericht über ihn in das Kirchenregister eintrug, der wie eine liebende Inschrift zu lesen sein soll unter der langen trockenen Liste von Namen und Zahlen. Auch von seiner betagten Mutter, die in seinem Hause zu Ely wohnte, sprach Herr Cromwell mit großer Verehrung.

Herr Cromwell war voll Vertrauen für die Zukunft der Kirche und des Landes, obgleich er, wie Hiob Forster, zu glauben schien, es werde noch viel zu thun und durchzumachen geben, ehe das Ziel erreicht sei. Auf seinem Wege durch das Dorf hatte er sich mit Hiob Forster in ein Gespräch eingelassen, während sein Pferd beschlagen wurde, und sprach nachher davon, daß Männer, wie Hiob Forster, die rechten Leute wären für ein Parlamentsheer, wenn man je ein solches bedürfen sollte.

Hiob seinerseits war, wie er uns nachher erzählte, tief gerührt von seiner Unterredung mit Herrn Cromwell. »Das sei ein Mann,« sagte Hiob, »der in den Tiefen gewesen sei und das heilige Feuer daraus mitgebracht habe, das zwei oder drei seiner Worte mehr Werth gebe als hundert Worten von gewöhnlichen Menschen.«

 

Dann lebt noch ein Oktoberabend aus dem Ende jener glücklichen Zeit in meiner Erinnerung, gleich dem goldenen Sonnenuntergang, der über den bunten Herbstwäldern weilte.

Roger, Lätitia und ich standen in dem allmälig verschwindenden Tageslicht auf der Terrasse von Netherby, welche auf den Obstgarten hinausgeht, – Lätitia flocht einige Wasserlilien, welche Roger eben im Teiche gepflückt hatte. Durch das offene Bogenfenster des getäfelten Besuchzimmers drangen die Töne der Orgel meines Vaters in reichen und wechselnden Accorden, wie die Farben des Sonnenuntergangs auf Wald und Flur und See.

Herr Johann Milton war es, von dessen Händen die verflochtenen Harmonien strömten –

»Lang gedehnt in lieblicher Verkettung
Floß schmelzend seine Stimm' durch Labyrinthe
Die Ketten lösend, welche binden
Der Harmonie verborgne Seele.«

Während wir, hingerissen von der Macht der Musik, lauschten, welche

»Todtes Erz, dem Leben eingehaucht ist,
Rührt das Herz, und läßt den Geist vernehmen
Ruhigen Gesang des reinen Einklangs,
Ewig tönend vor dem Saphirthrone
Lob und Preis dem Herrn des Weltalls« –

entglitten die Lilien Lätitia's Händen und sie saß da gleich der Bildsäule einer horchenden Nymphe, Tante Gretchen ließ das Strickzeug auf ihren Schooß sinken, Thränen traten ihr in die Augen und meiner Mutter gedenkend, flüsterte sie »Magdalene«! Roger und ich standen an den Fenstersims gelehnt, und wir Alle waren so der Gegenwart entrückt, daß Lady Lucia vom andern Ende der Terrasse nahe genug herangekommen war, um meinen Arm zu berühren, ehe ich nur einen Tritt vernommen hatte.

Neben ihr stand ein höfisch aussehender junger Geistlicher, mit dunkelm, wallendem Haar unter seiner Sammtmütze, und dunkeln tiefsinnigen Augen, worin jedoch solch heiterer Glanz verborgen lag, wie der Thau in den Veilchen. Sie stellte ihn als » Dr. Taylor, einen Kaplan Seiner Majestät«, vor. Er war noch nicht achtundzwanzig Jahre alt und schon in Trauer um seine kürzlich verstorbene Gattin.

Bald gesellte sich auch Herr Milton mit meinem Vater zu uns. Er war einige Jahre älter als Dr. Taylor, aber in seiner Erscheinung weit jugendlicher als dieser, mit seinen braunen, antipuritanischen Schmachtlocken, seiner gedrungenen Gestalt, seinem bis zur Strenge entschlossenen Gesicht, das dabei doch so zart war, wie das einer schönen Frau.

Und nun entspann sich zwischen diesen beiden, während wir zuhörten, eine stundenlange Unterredung wie ein himmlischer Wechselchor.

Die Namen alter egyptischer, assyrischer, griechischer und lateinischer Helden und Philosophen flossen von ihren Lippen wie die alltäglichsten Worte, bis sie sich endlich zu einem Lobgesang auf die Freiheit, das Gewissen und den Gedanken erhoben. Dabei gründete Dr. Taylor, wie mir vorkam, seine Gründe mehr auf die menschliche Blödsichtigkeit, Herr Milton die seinen auf die innewohnende siegreiche Macht der Wahrheit; Dr. Taylor redete einer milden Toleranz gegen den Irrthum das Wort, Herr Milton verlangte eine ruhmvolle Freiheit für die Wahrheit. Oft erinnerte ich mich in spätern Jahren dieses Gesprächs, als wir die »Freiheit der Prophezeiung« von dem einen und die »Freiheit der Presse« von dem andern lasen.

Während sie sprachen, erbleichte der herrliche Glanz am Himmel und an den goldenen herbstlichen Wäldern; und als sie schwiegen und wir von der Terrasse in das düstere getäfelte Zimmer traten, war mir zu Muthe, als ob wir aus einem mit herrlichen Düften und Melodien erfüllten Elysium in einen Bauerhof gekommen wären; so gewöhnlich und unbedeutend wie das Blöcken und Gackern der Thiere erschien mir nachher alle gewöhnliche Unterhaltung.

Als wir am folgenden Tage, nachdem Herr Milton uns verlassen hatte, von dieser Unterredung sprachen, sagte Tante Gretchen, es sei wie eine wunderschöne Musik gewesen, nur habe sie, da die Herren meistens in einer Art Latein verhandelt hätten, natürlich wenig davon verstanden. Tante Dorothea tröstete sich über die gefährliche Zügellosigkeit ihrer Schlüsse mit dem Gedanken, daß der Pfad, auf welchem sie führen wollten, für gewöhnliche Sterbliche viel zu schön und phantastisch sei. Und mein Vater sagte nachher, Dr. Taylors Gelehrsamkeit und Phantasie hätten ihm den Eindruck gemacht, als hingen sie um seine Vernunft, wie das mit Edelsteinen besetzte Staatsgeschirr eines königlichen Paradepferdes; man müsse sich wundern, wie sein Witz sich unter solcher Last von Zierathen so behende bewegen konnte, während Herrn Miltons Kenntnisse und Einbildungskraft nur die Schwingen des starken Pegasus seiner Weisheit seien und ihm zu seinem Fluge dienten. Wenn Dr. Taylor die Wissenschaft der Alten anführte, schien dieselbe wie ein Schatz, womit er seine Einfälle schmücken, seine luftigen Pfeile beflügeln konnte. Für Herrn Milton dagegen war dieselbe eine ganz gewohnte Rüstkammer, die ihm eben so gut zu Gebote stand als den weisen Männern selbst, die er erwähnte, um für die Kriegführung Waffen daraus zu nehmen und sie zum Besten künftiger Generationen noch zu vermehren.

Allein so glänzend und glühend ihre Rede auch war, so behauptete doch Roger, daß Herrn Cromwells kurze rauhe Worte mehr von jener rothen Gluth enthielten, worin die Waffen geschmolzen werden, um die großen Schlachten des Lebens zu schlagen. Denn wir sprachen oft von jenem Abende, Roger, Lätitia und ich, während der wenigen kurzen Tage, die von unserer goldenen Friedenszeit noch übrig waren.


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