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6. Die Belagerung von Alteberstein.

. Es war ums Jahr nach Christi Geburt 938, als die Grafen von Eberstein beim Kaiser Otto verleumdet wurden, als ob sie es mit seinen und des Reiches Feinden gehalten hätten und noch hielten. Der Kaiser glaubte und beschloss, die ungetreuen Vasallen nachdrücklich zu strafen. Eben hatte er Strassburg eingenommen und rückte nun mit grosser Heeresmacht vor die Burg Eberstein, um sie zu belagern. Allein die Grafen hatten noch rechtzeitig von des Kaisers Vorhaben Kunde erhalten und sich wacker gerüstet und vorgesehen, dergestalt, dass die kaiserlichen Kriegshaufen, wie enge sie die Burg auch eingeschlossen, wie manchen Sturm sie auch versuchten, den Belagerten nichts anhaben konnten. Selbst des Kaisers mehrfache Anwesenheit änderte nichts an der Sache. So hatte die Belagerung bereits dritthalb Jahre gedauert, da begann der Kaiser gar unwirsch darüber zu werden, dass ein einziger Vasall seiner ganzen Heeresmacht sollte Trotz bieten können, und er beschloss, es einmal mit List zu versuchen.

Er liess die kaiserlichen Heerhaufen von der Burg abziehen und bekannt machen, dass er in der Stadt Speier ein grosses Kampfspiel und ritterliches Fest abzuhalten gedenke, wozu unter freiem Geleite alle turnierfähigen Ritter und Edeln eingeladen seien. Es geschah dies in der sichern Erwartung, dass die Grafen von Eberstein, die als begeisterte Freunde solcher Festspiele bekannt waren, dabei nicht fehlen würden. Also geschah es auch. Zu allen Thoren der festlich geschmückten Stadt Speier zogen zur bestimmten Zeit in langen Reihen Fürsten und Grafen, Ritter und Edelleute mit zahlreichem Gefolge herein, und unter ihnen auch drei Grafen von Eberstein. In den Kampfspielen, die zuerst stattfanden, ward mancher wackere Kämpfer in den Sand gestreckt, und die Namen der glücklichen Sieger von der bunten Menge mit lautem Jubelruf begrüsst. Den ersten Preis aber erkämpfte sich der jüngste der drei Grafen von Eberstein, und er empfing ihn aus der Hand der holdseligen Kaiserstochter, mit der er auch deshalb bei dem den Tag beschliessenden Tanzfeste den ersten Reihen zu tanzen die Ehre hatte. Wie reich an Schönheit und Reizesanmuth der rosige, blühende Frauenkreis, der das Kaiserfest verherrlichte, auch sein mochte, wie viele junge Edle sich auch dazu eingefunden hatten, die sich auszeichneten durch männliche Schönheit und Kraft – das stattlichste Tänzerpaar, das bekannten alle einmüthig, blieb der jüngste Graf von Eberstein und die schöne Kaiserstochter. Mochte diese dem jungen Grafen zu tief in die schönen blauen Augen geschaut haben, oder mochte sie es für unrecht halten, dass ihm auf eine fast unritterliche Art seine Burg gebrochen werden solle, genug, sie wusste um des Vaters Anschlag und konnte es nicht über sich gewinnen, denselben ihrem tapfern, schmucken Tänzer zu verschweigen. Sie hielt mit einem, etwas entfernt von den übrigen Paaren, im Tanzen inne, und sprach mit leiser Stimme zu ihm: »Herr Graf, seid auf Eurer Hut. Eurer Burg droht Gefahr. So Ihr säumig seid, könntet Ihr sie leicht in den Händen von Leuten wiederfinden, die Euch nicht hold sind.« Trotz seines unerschrockenen Sinnes war der junge Graf ein zu bedächtiger Kriegsmann, als dass er eine Mahnung aus solchem Munde hätte unbeachtet lassen können. Er besprach sich mit seinen Brüdern und sie kamen damit überein, zunächst bis zum Ende des Festes zu bleiben. Als der Abend herankam, verliessen sie heimlich mit ihren Reisigen und Knappen die Stadt. In der Morgendämmerung erreichten sie die heimatliche Burg, wo sie die Ihrigen ohne Ahnung einer nahen Gefahr fanden. Und doch war es höchste Zeit gewesen. Denn kaum war es vollends Tag geworden, da rückten plötzlich, von allen Seiten die kaiserlichen Scharen voll Siegeshoffnung heran, vermeinend, die Besatzung müsste sich, wenn sie der gewohnten tapfern Führung entbehre, ohne Schwertstreich ergeben. Aber statt dessen empfing sie ein dichter Hagel von Pfeilen, Speeren und Wurfgeschossen und brachte sie zum Weichen. Vergebens schritten die kaiserlichen Kriegsknechte zu neuem Sturm, vergebens war alles Ermuntern und Ermahnen, Beschwören und Drohen: sie mussten zum Rückzuge blasen lassen und Hunderte von Leichen deckten die Wahlstatt.

Da erschien plötzlich mitten in der Verwirrung einer vollständigen Niederlage der Kaiser mit seinem Gefolge. Er hatte erwartet, die Seinen als Sieger zu finden. Nun tobte er gewaltig, liess Feldherren und Heerführer vor sich kommen und überhäufte sie mit Vorwürfen. Er schickte drei Ritter als Abgeordnete in die Burg, um die Grafen unter den mildesten Bedingungen zur Uebergabe aufzufordern. Statt aller Antwort führte man sie zunächst in die Vorrathshäuser und liess sie die ungeheuern Mehlvorräthe und Haufen Früchte anstaunen; ferner in die Weinkeller, wo man ihnen aus einer Menge von Fässern köstlichen rothen und weissen Wein zu kosten gab. »Aber,« sagt der alte Chronist, »das war nur ein leeres Prahlen, denn die Fässer waren in Fächer getheilt, und nur der kleinste Raum mit Wein, der übrige mit Wasser gefüllt; unter den Fruchthaufen lagen Säcke voll Spreu und Hülsen.« Die Abgesandten aber kamen zum Kaiser und berichteten, was sie gesehen. Dess wunderten sich alle und seine Räthe stellten ihm vor, wie es weit erspriesslicher scheine, mit so mächtigen Herren in gutem Einvernehmen zu stehen. Dazu kam, dass die Grafen bei ihrem Aufenthalt in Speier einen überaus günstigen Eindruck auf ihn gemacht hatten. Der Kaiser liess sich den guten Rath gefallen und trug den Grafen den Frieden an, dem jüngsten aber, der noch unvermählt war, seine Tochter zur Gemahlin. Die Grafen nahmen den ehrenvollen Antrag erfreut an. Und ehe das Jahr verging, ward im Sachsenland eine glänzende Hochzeit gefeiert: der jüngste Graf von Eberstein führte des Kaisers Tochter heim.

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