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38. Der Hexenthurm in Bühl.

. In dem Theile des Städtchens Bühl, welcher dem Herrn von Windeck gehörte, stand noch in den letzten Jahrzehnten ein mächtiger Thurm, der Hexenthurm genannt. Ursprünglich mochte er mit dem kaum hundert Schritte entfernten Schlosse der Windeck in Verbindung gestanden haben; später, zur Zeit der unseligen Hexenprozesse, wurde er als Gefängniss für diese unglücklichen Schlachtopfer des Wahns benutzt. Damals lebte in Bühl eine ehrbare, fromme Matrone, die eine einzige, schöne und ebenso tugendhafte Tochter hatte, Gertrud mit Namen. Das Mädchen gefiel dem Schlossvogt, der ein Wüstling war, und er machte der Jungfrau Anträge, die mit Abscheu zurückgewiesen wurden. Der Burgvogt ergrimmte und sann auf Rache.

Zufällig begab es sich, dass Gertrud eines Tages vor Sonnenaufgang sogenannte Ostertaufe, das heisst Wasser, welches auf Ostern in katholischen Kirchen geweiht wird, auf einen ihrer Mutter gehörigen Acker trug, wie es noch jetzt in jenen Gegenden Sitte ist, und wodurch man böse Einwirkungen abzuhalten glaubt. Nun war zufällig gerade der folgende Sommer an Unglück für die Gegend reich. Es kamen ganze Schwärme von Insekten, welche die Felder verwüsteten, und was diese verschonten, das zerschlug der Hagel. Dies brachte den Vogt auf den höllischen Gedanken, die arme Gertrud als Hexe zu verschreien, welche Insekten und Hagel herbeigezaubert. Er hatte gehört, dass sie eine Flüssigkeit auf das Feld ausgegossen und dabei einen Spruch hergesagt. Die Jungfrau hatte nämlich, während sie das geweihte Wasser herumspritzte, ein Vaterunser gebetet. Keine Anklage fand in jener Zeit leichtern und allgemeinern Glauben, als die auf ein Bündniss mit den bösen Geistern. Gertrud wurde als Hexe eingezogen, und um ein Geständniss zu erhalten, erkannte der Richter auf Tortur. Gertrud fühlte, sie würde unter der peinlichen Frage erliegen, und bat um einen Beichtvater. Diese Bitte konnte man nicht abschlagen, und der Pfarrer wurde gerufen. Es war dies ein frommer Mann, der die Sprache der Unschuld und Wahrheit verstand und keine Menschenfurcht kannte. Ihm wurde die Unschuld Gertruden's gewiss, nachdem er ihre Beichte gehört, zumal da er den Vogt als einen bösen Menschen kannte. Seine Worte erweckten in Gertruden's Herz Vertrauen. »Es ist ein Gott, der die Unschuld schützt«, sagte er, »vertraue auf den!« Hohe Zuversicht zog ein in das Herz des Mädchens, als er seine Hand auf ihr Haupt legte und ein Gebet sprach. Sie betrat die Folterkammer in ruhiger Fassung, aber plötzlich, bei ihrem Eintritte, zersprangen alle Marterinstrumente mit grossem Geräusch. Selbst der Henker erblasste, aber der Vogt, der dabei stand, rief: »Da seht ihr die Hexe, das ist ein Werk des Teufels – was braucht es mehr Beweise? Verdammt sie zum Scheiterhaufen!« Und Gertrud wurde zum Scheiterhaufen verdammt.

Der verhängnissvolle Tag brach an. Der Scheiterhaufen war aufgerichtet und im Rücken desselben stieg ein hoher Pfahl empor, an welchem die Verurtheilte festgebunden werden sollte. Eine unermessliche Volksmenge war herbeigeströmt. Der Pfarrer begleitete die Jungfrau auf ihrem letzten Gange. Er sprach ihr Muth zu. »Er der dich von den Qualen der Folter errettete, kann dich auch vom Tode befreien«, sagte er. Gertrud erhob den Blick zum Himmel und es kam in sie die Zuversicht: Gott könne sie nicht verlassen haben.

Sie bestieg jetzt den Holzstoss und liess sich geduldig an den Pfahl binden. Der Pfarrer blieb in ihrer Nähe. Todesstille lag auf der Menge der Zuschauer und in vielen Augen zitterten Thränen. Da wurde das Signal gegeben und der Holzstoss auf drei Seiten angezündet.

Aber plötzlich fiel aus einer schwarzen Wolke, die von Abend heraufgezogen war, ein Schlagregen nieder, der alle Feuer auslöschte, und im nämlichen Augenblick lösten sich die Bande der Jungfrau wie von unsichtbarer Hand, und sie fiel nieder und hob die gefalteten Hände zum Himmel empor. Der Pfarrer aber rief zu dem versammelten Volke: »Seht ihr das Zeichen vom Himmel? Gott hat gerichtet, denn Menschen gebieten den Elementen nicht!«

»Gott hat gerichtet!« schrie das Volk und stürzte auf den Vogt los, der nicht weit vom Holzstoss auf seinem Rappen hielt und nur in der Schnelligkeit desselben Rettung fand. Aber der Herr von Windeck liess ihn, als ihm die Geschichte zu Ohren kam, als Gefangenen in den Hexenthurm werfen, wo er sich einige Monate später erhing.

* * *


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