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46. Das Jungfrauenkirchlein zu Vöhrenbach.

. Am Bergbache und an der Strasse von Villingen nach Freiburg liegt das gewerb- und handelsthätige Städtchen Vöhrenbach, das dem Phönix gleicht, welcher immer wieder aus seiner eigenen Asche ersteht; denn schon viermal (zuletzt im Jahre 1819) hatte es das Unglück, ein Raub der Flammen zu werden, und doch stand es bald wieder und immer schöner aus seiner Asche wieder auf. Unweit davon, an der Villinger Steig, steht eine Kapelle, zu den sieben Jungfrauen genannt, von der sich folgende Sage erhalten hat.

Hoch ob dem rauschenden Bache, umgeben von einem weiten Kranze mächtiger Eichen und Linden, stund in grauer Vorzeit ein Ritterschloss, dessen Besitzer, stark und kühn, sonst nie die Lanze schwang, als in den Kämpfen, wo es galt, sein eigenes gutes Recht zu wahren oder die bedrohte Unschuld zu schützen. Seine Tugend war felsenfest, seine Tapferkeit weithin bekannt. Sieben Töchter, die ihm seine Gemahlin während einer langen, glücklichen Ehe geschenkt hatte, und die ihm in rosiger Schönheit nach einander erblüht waren, versüssten ihm den Wittwerstand, und die sich allmälig einstellenden Beschwerden des Alters. Zum Dank für dieses ihm vom Himmel bescherte Glück baute der Ritter jenes Kirchlein, welches er prächtig zu schmücken beschloss. Ehe dieses aber geschehen konnte, erscholl die Schreckenskunde, dass ein Schwarm der wilden Hunnen, deren furchtbares Heer unter ihrem Anführer Attila wie ein verheerender Strom sich in die Rheingegenden wälzte, auch in das einsame Thal der Breg eingebrochen sei. Ein heisser Kampf entspann sich zwischen den Thalbewohnern und der räuberischen Schaar. Der Ritter, welcher mit seinen Treuen löwenmuthig focht, fiel, und über ihn hinweg rückte die mordende Horde zur Erstürmung des Schlosses, dessen unbeschützte Mauern sohin leicht überstiegen wurden. Wild durchtobten die Feinde die Hallen der Burg und drangen auch in den hochgewölbten Saal, wo sie die sieben Töchter des gefallenen Ritters vor einem Christusbilde knieend fanden. Die Rohen, denen weibliche Tugend ebenso wenig als Wehrlosigkeit galt, wollten sich der Mädchen zur Stillung ihrer frechen Lüste bemächtigen; doch auf das heisse Flehen der Bedrängten vor dem Bilde des leidenden Heilandes verwandeln sich plötzlich die Gestalten der sieben Schwestern in Engel, und vor dem Verklärungsschein der Himmlischen beben die Hunnen zurück. Jene aber schweben ungefährdet durch die Reihen der Feinde singend aus dem Schlossthore zum Kirchlein hinüber, das, von unsichtbaren Händen geöffnet, sie aufnimmt und sogleich wieder fest sich verschliesst. Von Angst und Entsetzen gejagt, denkt die so eben noch zügellose Rotte nicht mehr an die Ausübung ihres Vorhabens, sondern flieht, wie von Rachegeistern verfolgt, aus dem Thale.

Das Ritterschloss mit seinem Eichen- und Lindenkranze ist im Verlauf der Zeit gefallen, doch das Wunderkirchlein steht noch und oft hört in stillen Nächten der einsam Vorbeiwandernde liebliche Stimmen in siebenfachem Klange vereinigt: es sind die Stimmen der im Hunnenkriege so wundersam geretteten Jungfrauen. Vergl. Schnetzler, Bad. S. B. I.

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