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siehe Bildunterschrift

Peter Paul Rubens

Peter Paul Rubens.

J. J. Merlo, Nachrichten aus dem Leben und den Werken kölnischer Künstler (Köln, 1850). Emil Gachet: lettres inédites de P. P. Rubens (Brüssel, 1840). Peter Paul Rubens von Dr. Waagen, im historischen Taschenbuche von Raumer, 1833. Vgl. P. P. Rubens im Wirkungskreise des Staatsmanns von Klose in Raumer's historischem Taschenbuche (1855).


Ueber den Geburtsort des genialen Malers ist lange Streit gewesen; Antwerpen und Köln machten sich die Ehre streitig, bis zuletzt Siegen, ein Städtchen im heutigen preußischen Regierungsbezirk Arensberg, den Sieg davon trug. Der Vater des großen Künstlers, Johann Rubens, der die Rechte studirt und sich eine nicht gewöhnliche Gelehrsamkeit erworben hatte, erhielt um das Jahr 1570 zu Antwerpen das ehrenvolle Amt eines Schöffen. Der Krieg mit Spanien aber, welcher damals die Niederlande arg verwüstete, die grausamen Hinrichtungen der Grafen Egmont und Hoorne, die alle Bürger mit Schrecken erfüllten, bewogen ihn gleich anderen angesehenen niederländischen Familien in Köln einen Zufluchtsort zu suchen. Dort wurde ihm 1574 sein erster Sohn Philipp, und als er weiter nach Siegen gezogen war, am 29. Juni 1577 als am Peter-Pauls-Tage sein zweiter Sohn geboren, der dem Heiligen zu Ehren Peter Paul genannt wurde. Doch bald nach seiner Geburt kehrten die Eltern nach Köln zurück. Zehn Jahre lang blieb die Familie daselbst, und die Knaben wurden höchst sorgfältig erzogen und durch den Vater geistig geweckt. Aber schon 1587 starb Johann Rubens, und die Wittwe beschloß, mit ihren sieben Kindern wieder nach Antwerpen zurückzukehren. Es war eine große Erleichterung für sie, daß sie ihren zweiten Sohn Peter Paul als Pagen bei der verwittweten Gräfin Lalaing unterbringen konnte. Jedoch dem jungen Rubens sagte dieses Verhältniß keineswegs zu, wegen des wüsten zügellosen Lebens, das ihn dort umgab; sein reger strebsamer Geist verlangte nach höherer Entwickelung, und er kehrte bald wieder zu seiner Mutter zurück, um die Studien fortzusetzen. Als die Seinen den großen Eifer und die leichte Auffassung des Knaben bemerkten, kamen sie überein, ihn für die Laufbahn des Vaters zu bestimmen. Auf den Wunsch des jungen Rubens wurden ihm auch einige Privatstunden im Zeichnen bewilligt, und bald empfand er so große Lust für dieses Fach, daß er die Mutter dringend bat, ihn Maler werden zu lassen. Es wurde mit den Vormündern Rücksprache genommen, und da der größte Theil des Vermögens durch die Wechselfälle des Kriegs verloren gegangen war, auch die Laufbahn eines Malers weniger kostspielig erschien, ward der Entschluß des Knaben gebilligt.

Zuerst brachte man ihn zu einem geschickten Landschaftsmaler, Namens Tobias Verhaegt, der seinen Sinn für die mannigfachen Erscheinungen des Naturlebens, wie sie namentlich in der Landschaft hervortreten, zu erwecken verstand. Dann kam er zu dem Historienmaler Adam van Dort, der sich besonders durch sein vortreffliches Kolorit einen Namen gemacht hatte, dessen wüstes Leben und grobe Behandlung jedoch den jungen Rubens bald wieder verscheuchte, so daß er sich zu dem noch berühmteren Maler Otto van Veen (Otto Benius) begab. Bei diesem erwarb er sich gründliche Kenntnisse in der Anatomie, Perspective und besonders in der Anwendung des Helldunkels. Mit der Leichtigkeit des Genius wußte Rubens bald die Regeln sich eigen zu machen, die Schwierigkeiten zu überwinden, da er zugleich den angestrengtesten Fleiß sich nicht verdrießen ließ. Hocherfreut über die trefflichen Gemälde seines Schülers rieth ihm D. Venius schon 1600, nach Italien zu gehen, um daselbst seine künstlerische Ausbildung zu vollenden.

Da Rubens neben seinen Fachstudien zugleich eifrig die alten Klassiker gelesen und die Kunst des Alterthums studirt hatte, so war er für die italienische Reise trefflich vorbereitet, zumal da er das Lateinische nicht blos fertig las, sondern auch sprach, und auch im Italienischen, das später seine Lieblingssprache ward, tüchtige Fortschritte gemacht hatte. War es doch in den niederländischen Handelsplätzen nichts Seltenes, daß Leute, die nie gereist waren, drei bis vier Sprachen redeten. Nachdem sich der junge Maler noch zum Abschiede dem Wohlwollen der Statthalterin, der Infantin Isabella und ihres Gemahls, des Erzherzogs Albrecht (dem er als Künstler bereits vortheilhaft bekannt war) empfohlen hatte, reiste er am 9. Mai des Jahres 1600 nach Italien ab. Er hatte Empfehlungsbriefe an den Herzog Vincenz I. (von Gonzaga) nach Mantua erhalten, und ward von diesem großen Kenner der Kunst und Wissenschaft so freundlich ausgenommen, daß ihm der Vorschlag gemacht ward, ob er nicht Lust habe als Hofjunker in des Herzogs Dienste zu treten. Gern ging der junge Mann auf dies Anerbieten ein, da er auf solche Weise die beste Gelegenheit erhielt, die zu Mantua vorhandenen Werke des Giulio Romano mit Muße studiren zu können. Zu Romano fühlte sich Rubens ganz besonders hingezogen; Bilder wie die Hochzeit der Psyche und der Gigantensturz setzten seine Phantasie in Feuer und Flammen.

Mit Erlaubniß seines Herrn konnte Rubens von Mantua Ausflüge nach Rom, Venedig und Genua unternehmen; in Venedig fesselten ihn besonders die Werke Titian's und Paolo Veronese's, zweier Meister, die auf seinen außerordentlichen Farbensinn höchst anregend wirken mußten. Drei Bilder, welche er für die Jesuitenkirche in Mantua ausführte, zeigten bald die guten Früchte dieser Studien, und der Herzog war darob so erfreut, daß er seinen genialen »Junker« nach Rom sandte, um dort einige berühmte Gemälde zu kopiren. Während sich Rubens dieses Auftrags entledigte, gewann er noch Zeit genug, um für den Erzherzog Albrecht eine Dornenkrönung, eine Kreuzigung und eine Kreuzfindung zu malen, welche dieser Fürst, der vor seiner Vermählung mit der Infantin Isabella von der Kirche St. Croce di Gerusalemme den Kardinalstitel trug, dieser Kirche zum Geschenk machen wollte. Im Jahre 1605 kehrte Rubens nach Mantua zurück, um im Namen des Herzogs dem Könige von Spanien eine prächtige Staatskarrosse nebst sechs Pferden von seltener Schönheit zu überbringen. Der männlich schöne, feingebildete und liebenswürdige junge Mann fand am madrider Hofe sowohl als Abgesandter seines Herrn wie als Maler die gnädigste Aufnahme. Er mußte das Bildniß des Königs Philipp III. und anderer Großen zu Madrid malen, benutzte dabei jedoch wieder diesen Aufenthalt zu seiner Bildung, indem er drei Bilder von Titian: Venus und Adonis, Diana und Aktäon und die Entführung der Europa kopirte.

Nach Mantua zurückgekehrt, erlaubte ihm der Herzog sogleich wieder nach Rom zu gehen, von woher er den Auftrag erhalten hatte, ein Altarbild für die Kirche St. Maria in Vallicella zu malen. Auf dem Mittelbilde stellte Rubens Maria mit dem Kinde in der Glorie vor, welche von Engeln verehrt wird, auf den Seitenbildern aber mehrere Heilige, namentlich den Papst Gregor den Großen und den heiligen Mauritius. Dieses Mal traf er in Rom mit seinem geliebten Bruder Philipp zusammen, in dessen Gesellschaft er eifrig die römischen Alterthümer studirte. Als Philipp Rubens im Jahre 1608 sein Werk herausgab, lieferte Peter dazu die sechs Kupfertafeln.

Von Rom ging Rubens nach Genua, wo er sich so wohl gefiel (selbst der phantastische, oft barocke Geschmack, worin viele genuesische Paläste gebaut sind, sagte seinem Naturell zu), daß er dort länger als an irgend einem andern Orte in Italien verweilte. Unter den vielen Bildern, welche er daselbst für Kirchen und Privatpersonen ausführte, zeichneten sich zwei für die Kirche der Jesuiten in Antwerpen gemalte besonders aus: eine Beschneidung und der heilige Ignatius von Loyola, welcher einen Besessenen heilt. Letzteres Bild (gegenwärtig in der k. k. Gallerie im Belvedere zu Wien) ist wahrhaft kühn in seiner Komposition, und der heilige Ignatius, welcher den Teufel austreibt, nicht minder dramatisch kraftvoll als die ihn umgebenden Gruppen. Als Rubens im Herbst 1608 die Nachricht erhielt, seine Mutter sei schwer erkrankt, eilte er sogleich in die Heimath; aber die geliebte Mutter fand er nicht mehr am Leben. Sein Schmerz über ihren Verlust war so lebhaft, daß er sich vier Monate lang in die Abtei St. Michael einschloß und nur durch wissenschaftliche und künstlerische Thätigkeit seinen Schmerz zu zerstreuen suchte.

Als er, im Begriff nach Mantua zurückzukehren, nach Brüssel ging, um sich bei Hofe zu verabschieden, machten ihm die Erzherzöge so ehrenvolle Anträge, daß er blieb. Er empfing das Patent als Hofmaler (am 23. September 1609) und zugleich die Erlaubniß, nach Gefallen in Antwerpen seinen Aufenthalt zu nehmen. Da im selben Jahre zugleich ein Waffenstillstand mit den 7 nördlichen Provinzen der Niederlande auf zwölf Jahre geschlossen ward und für das friedliche Gedeihen der Kunst sich gute Aussicht eröffnete, baute sich Rubens in Antwerpen ein Haus nach italienischem Styl, das er selber von Außen in Fresko malte. Eine herrliche Rotunda, die das Licht durch eine Oeffnung in der Kuppel erhielt, wurde zwischen dem Hofe und Garten aufgeführt, und war dazu bestimmt, die Vasen, Büsten, Gemmen, Münzen und Gemälde aufzunehmen, die er mit großem Eifer gesammelt hatte. Da er zugleich mit Elisabeth Brant, der Tochter eines Schöffen von Antwerpen, sich sehr glücklich verheirathet hatte, führte er nun ein genußreiches Stillleben. Er brachte (nach Waagen a. a. O.) seinen Tag folgendermaaßen zu. Nachdem er aufgestanden (was sehr früh, im Sommer schon um 4 Uhr geschah), war sein Erstes, die Messe zu hören. Darauf begab er sich an seine Arbeit, und ließ sich während derselben aus irgend einem Klassiker, am liebsten aus dem Livius, Plutarch, Seneka, Cicero oder einem der großen Dichter vorlesen, nahm auch viele Besuche an und unterhielt sich gern und lebhaft über die verschiedensten Gegenstände. Eine Stunde vor dem Essen diente ihm zur Erholung und da mußte er allein sein, indem er sich theils seinen Gedanken über politische oder wissenschaftliche Gegenstände überließ, theils am Anblick seiner Kunstschätze sich erfreute. Bei Tische war er sehr mäßig, denn er fürchtete, durch viel Speise und Trank der Beweglichkeit seiner Phantasie Abbruch zu thun. Die Arbeit begann dann von Neuem bis gegen Abend, wo er, wenn sonst kein Geschäft ihn hinderte, am liebsten auf einem andalusischen Pferde einen Spazierritt machte. Nach seiner Rückkehr fand er in seinem Hause gewöhnlich einen Kreis von Freunden (meist Gelehrte und Künstler), mit denen er ein einfaches Mahl genoß und den Abend unter lehrreichen und heiteren Gesprächen beschloß. Nur bei solcher Lebensweise, verbunden mit seinem außerordentlichen Fleiß, vermochte Rubens jene erstaunliche Anzahl von Werken zu liefern, deren Echtheit keinem Zweifel unterliegt.

Aus den ersten Jahren seiner Ehe stammt das einfache, ganz idyllisch gehaltene Gemälde, das jetzt in der Gallerie zu München befindlich ist, und den Künstler und seine Frau in einer Geißblattlaube sitzend darstellt. Die Ruhe und Gemüthlichkeit, wie der mäßig gehaltene Farbenton, der in diesem Bilde herrscht, lassen gar nicht die spätere Gluth und drastische Lebendigkeit der Rubens'schen Weise ahnen. Doch ging Rubens gar bald zu seiner freien glänzenden, freilich auch mehr phantastischen und flüchtigen Darstellungsweise über in seinem berühmten für die Kathedrale zu Antwerpen bestimmten Gemälde der »Kreuzabnahme«, durch welches Bild sein Ruf so sehr stieg, daß die verwittwete Königin von Frankreich, Maria von Medicis, den von ihr erbauten Palast Luxembourg nur mit Rubens'schen Gemälden geschmückt sehen wollte. Da aber bereits die Aufträge sich allzusehr häuften, entwarf der Künstler nur die Skizzen, die Ausführung seinen Schülern überlassend. Er hatte die merkwürdigsten Szenen aus dem Leben der Königin sich zum Vorwurf genommen, jedoch dem damals höchst barocken Modegeschmack, der das Portrait mit dem Allegorischen und Mythologischen seltsam mischte, auch seinerseits gehuldigt. Bei der Vermählungsszene ist z. B. der Bischof vor dem Altar und Gott Hymen trägt die Schleppe der Prinzessin; zwischen den im Portrait dargestellten Majestäten und andern bekannten Personen, sämmtlich im Hofkostüm dargestellt, bewegt sich zum Theil unbekleidet der ganze Olymp.

Bei seinem damaligen Aufenthalt in Paris (1625) lernte Rubens auch den höchst unwürdigen Günstling der englischen Könige Jakob und Karl, den Herzog von Buckingham kennen, der mit besonderem Eifer den flandrischen Maler an sich zu ziehen suchte und die schöne Sammlung von Kunstsachen, auf die Rubens so stolz war, käuflich an sich brachte, indem er dafür 100,000 Gulden zahlte. Die große Summe reizte vielleicht den für das Geld nicht unempfindlichen Künstler, obwohl Rubens sogleich wieder zu sammeln begann und auch bald eines der reichsten Kabinette wieder sein nennen konnte.

Im Jahre 1621 war Erzherzog Albrecht gestorben. Er hatte noch auf seinem Todtenbette seiner Gemahlin, der Infantin Isabella, gerathen, sich in politischen Angelegenheiten des Rathes von Rubens zu bedienen, dessen Ergebenheit und Treue zuverlässiger war, als die mancher belgischen Großen vom Adel. Nicht lange nachher (1624) war zwischen England und Spanien ein Krieg ausgebrochen, welcher der Infantin einen Waffenstillstand mit den Vereinigten Staaten von Holland wünschenswerth machte. Rubens sollte die Unterhandlungen einleiten, doch eine Hofkabale widersetzte sich seiner Sendung. Als indeß 1627 der leichtfertige Buckingham den König Karl I. auch zu einem Kriege mit Frankreich verleitete, glaubte die Infantin, daß es nun an der Zeit sei, an England von Seiten Spaniens Friedensvorschläge zu machen, und Rubens ward nach dem Haag gesandt, wo er mit Gerbier, der als Maler und Architekt in König Karls Diensten stand, und von ihm zum Agenten gewählt war, unterhandelte.

Die Verhandlungen zerschlugen sich wieder, die zunehmende Finanznoth in den Niederlanden machte die Lage der Infantin immer schwieriger, und sie schickte 1628 ihren Liebling Rubens nach Spanien; doch so sehr auch Philipp IV. dem Maler-Gesandten gewogen war, zog sich doch die Unterhandlung wieder in die Länge, bis endlich England nach der Ermordung Buckinghams sich zum Frieden neigte, den Rubens, der nach London ging, mit dem englischen Kanzler Cottington abschloß, und dafür von beiden Monarchen königlich belohnt ward. Schon vor Abschluß des Friedens (im Februar 1630) wurde Rubens vom Könige von England zum Ritter geschlagen.

In demselben Jahre vermählte sich Rubens zum zweiten Mal, da er 1628 seine erste Frau verloren hatte. Seine zweite Braut war Helena Forman, ein eben so reiches als schönes Mädchen von 16 Jahren, deren Liebenswürdigkeit von allen Zeitgenossen gepriesen wird. Sie diente ihm in der Folge häufig als Modell für seine historischen und allegorischen Gemälde. Rubens hatte ohne Unterlaß auch während seiner diplomatischen Missionen gemalt; doch seit 1635 mußte er wegen öfterer Gichtanfälle seinem Fleiß Schranken setzen und seinen Schülern mehr zur Ausführung überlassen, als ihm wohl selbst lieb sein mochte. Für Kunst und Wissenschaft blieb aber seine Theilnahme sich stets gleich, und seine Gespräche mit den hervorragendsten Gelehrten und Künstlern waren stets anregend und höchst lebendig. Mit den philosophischen Systemen alter und neuer Zeit vertraut, ein Kenner des klassischen Alterthums und sechs neuere Sprachen redend, mußte sein Umgang auch für die gelehrtesten Männer seiner Zeit, für den ausgezeichneten Humanisten Gevaerts und den Parlamentsrath Reiresk in Aix, für Dupuy und die beiden de Thou, mit welchen allen er innig befreundet war, sehr erwünscht sein. Seine Korrespondenz war, so lange ihm die Gichtanfälle noch das Schreiben erlaubten, höchst ausgebreitet. Dabei stand, auch wenn er arbeitete, sein Haus jederzeit den Künstlern offen, und er gab gern Rath und wußte auch bei mittelmäßigen Arbeiten die gute Seite hervorzukehren. An Neidern fehlte es ihm zwar auch nicht, aber er antwortete ihnen bloß durch tüchtige Bilder, die er produzirte. So, als man verbreitet hatte, er müßte sich für Thier- und Landschaftszeichnungen Maler halten, da er nicht im Stande sei, sie selber zu malen, führte er in trefflicher Weise vier Landschaften und zwei Löwenjagden aus, und seine Feinde verstummten. Mit seinem klaren Verstande und treffenden Mutterwitz antwortete er einem berühmten Alchymisten jener Zeit, Brendel aus London, der Rubens zur Anlegung eines Laboratoriums bereden wollte und kühn behauptete, er sei nun ganz gewiß, den Stein der Weisen zu finden: »Meister Brendel, Ihr kommt um zwanzig Jahre zu spät, denn damals schon habe ich den wahren Stein der Weisen durch Pinsel und Farben entdeckt.«

Im Jahre 1640 wurden die Gichtanfälle so heftig, daß der Künstler ihnen am 30. Mai in einem Alter von 63 Jahren unterlag. Sein Leichenbegängniß war großartig; sämmtliche Maler und Künstler von Antwerpen, eine große Anzahl geistlicher und weltlicher Herren folgten dem Sarge, dem eine goldene Krone vorausgetragen wurde. Die sterblichen Ueberreste wurden in Rubens eigener Kapelle in der Jakobskirche beigesetzt, deren Altar durch ein vortreffliches Gemälde von seiner Hand geziert ist, Maria mit dem Kinde vorstellend, von dem heiligen Bonaventura verehrt. Außerdem sieht man darauf noch drei Frauen, unter denen zwei die Gattinnen Rubens, und das Bild des Künstlers selbst, als heiligen Georg vorgestellt. Im Vordergrunde befindet sich der heilige Hieronymus mit dem Löwen. Eine einfache Marmorplatte enthält in lateinischer Sprache die Grabschrift Es ist nicht übertrieben, wenn es u. A. heißt: Qui inter caeteras, quibus ad miraculum excelluit doctrina, historiae priscae omniumque bonarum artium et elegantiarum dotes non sui tantum saeculi, sed et omnis aevi, Apelles dici meruit, atque ad regum principumque virorum amicitias gradum sibi fecit, a Philippe IV. Hispaniarum Indiarumque rege, inter sanctioris consilii (er war Sekretär des geheimen Raths) scribas adscitus, et ad Carolum Magnae Britanniae regem anno MDCXXIX delegatus, pacis inter eosdem principes mox initae fundamenta feliciter posuit., die lobend seines hohen Werthes als Gelehrter, Maler und Staatsmann gedenkt.

J. J. Merlo sagt von Rubens: »Er war ein Mann von schöner Körpergestalt, seine Haltung war würdevoll, sein Angesicht hatte edle, regelmäßige Formen, auf seinen Wangen blühte das Roth der Gesundheit, sein Haar war kastanienbraun, sein Auge glänzend aber mild, aus seinen Zügen sprach eine einnehmende Freundlichkeit, sein Benehmen gegen Jedermann war höflich und wohlwollend, obschon er eine gewisse abgemessene Zurückhaltung vor vertrauterem Anschließen beobachtete, indem er nur mit einem erlesenen Kreise von gelehrten Männern und geschickten Künstlern ein häufiges Zusammenkommen unterhielt, wobei die Gegenstände der Kunst und Wissenschaft gründlich besprochen wurden.«

Rubens war mit der Größenlehre vollständig vertraut. Die Aufgaben Euklid's waren die strengen Musen gewesen, die seinem Urtheil jene logische Schärfe gegeben hatten, die man in seiner Rede und Schrift bewunderte, obwohl der Styl in seinen Briefen oft etwas breit erscheint.

Man hat es Rubens zum Vorwurf gemacht, daß er einer Regierung, die er im Grunde nicht immer achten konnte und die er mit seinem freisinnigen Geiste als der Freiheit des Vaterlandes verderblich ansehen mußte, seine Dienste widmete, und auf ein Feld sich begab, wo doch für ihn keine Lorbeeren blühten. Es war aber gewiß mehr eine Pietät (der Herzog Albrecht hatte seinen ersten Sohn aus der Taufe gehoben, die Erzherzogin ihn mit wirklich aufrichtiger Freundschaft begnadigt), als Ehrgeiz und Gewinnsucht, die ihn zu einer elfjährigen diplomatischen Thätigkeit veranlaßte und zuletzt mit bitterer Demüthigung Seitens des hohen belgischen Adels schloß. Als nämlich zwischen den Vereinigten Staaten der Niederlande und dem König von Spanien im Haag (1635) die Friedensunterhandlungen begannen, fehlte es den belgischen Abgeordneten an einer erneueten Vollmacht des spanischen Königs, und die Versammelten sandten daher drei ihrer Mitglieder, unter welchen sich der Herzog von Aerschott befand, nach Brüssel, um von der Infantin die Auslieferung aller auf den Waffenstillstand Bezug habenden Papiere sich zu erbitten. Sobald Isabella dies erfuhr, beschloß sie, Rubens mit der gewünschten königlichen Vollmacht nach dem Haag zu senden, der aber unglücklicher Weise unterwegs dem Herzoge von Aerschott begegnete und von diesem ziemlich barsch aufgefordert wurde, die betreffenden Papiere auszuliefern. Rubens antwortete durch folgendes Schreiben: »Monseigneur, ich habe mit großem Bedauern vernommen, daß Ew. Excellenz mein Paßgesuch übel empfunden haben; denn ich gehe den geraden Weg und bitte sehr, überzeugt zu sein, daß ich stets bereit bin, von meinen Handlungen gute Rechenschaft abzulegen. Zugleich betheure ich vor Gott, daß ich von meinen Obern niemals einen andern Auftrag erhalten habe, als den, Ew. Excellenz in dieser für den Dienst des Königs und für die Erhaltung des Vaterlandes so wichtigen Frage auf jede Weise zu dienen, und daß ich denjenigen des Lebens unwürdig achten würde, der um seines persönlichen Vortheils willen die Fortsetzung dieser Angelegenheit nur im geringsten verzögern möchte. Dennoch sehe ich nicht ein, welcher Uebelstand darum hervorgegangen sein würde, wenn ich, ohne irgend einen andern Beruf, als den, Ihnen meine ganz ergebensten Dienste zu leisten, meine Papiere nach dem Haag gebracht und in die Hände Ew. Excellenz gelegt hätte, indem ich auf der Welt nichts mehr wünsche, als Gelegenheit, durch die That zu beweisen, daß ich von ganzem Herzen bin« u. s. w.

Die herzogliche Antwort lautete: »Mein Herr Rubens, ich habe aus Ihrem Briefchen ( billet) das Bedauern ersehen, welches meine Unzufriedenheit mit Ihrem Paßgesuch in Ihnen erweckt hat, und daß Sie immer den geraden Weg gehen und von Ihren Handlungen immer gute Rechenschaft ablegen werden. Ich hätte es wohl unterlassen können, Ihnen die Ehre einer Antwort zu erweisen, da Sie so auffallend Ihre Schuldigkeit versäumt haben, persönlich bei mir zu erscheinen und in solchem Grade den Vertrauten spielen, daß Sie mir jenes Briefchen schrieben, was ganz gut paßt für Leute, die auf einer und derselben Stufe stehen. Ich bin von elf bis halb ein Uhr im Wirthshause gewesen und Abends halb sechs dahin zurückgekehrt; Sie haben also Muse genug gehabt, mich zu sprechen. Ich will Ihnen aber dennoch sagen, daß die ganze Versammlung, die in Brüssel gewesen ist, es sehr sonderbar gefunden hat, daß, nachdem man sich von ihrer Hoheit den Marquis von Ayetone erbeten hat, Sie geschickt werden, um uns die Papiere mitzutheilen, die Sie angeblich mit sich führen, und statt das Versprechen erfüllt wurde, Sie um einen Paß nachgesucht haben; dabei kümmere ich mich sehr wenig darum, welchen Weg Sie gehen und welche Rechenschaft Sie von Ihren Handlungen ablegen können. Alles, was ich Ihnen sagen kann, ist, daß es mir lieb sein soll, wenn Sie von nun an lernen, wie an Leute meiner Art Leute von der Ihrigen schreiben müssen. Alsdann können Sie versichert sein, daß ich sein werde« u. s. w.

Rechnet man zu dem schwierigen Standpunkte den Parteien im Innern des Landes gegenüber noch den Umstand, daß in Frankreich ein Richelieu das Staatsruder in Händen hatte, so kann man es dem Diplomaten Rubens nicht zum Vorwurf machen, wenn manche seiner Sendungen ohne Erfolg blieben. Aber allerdings hätte es bei dem genialen Meister nicht dieser staatsmännischen Thätigkeit bedurft, um seinen Namen unsterblich zu machen. Rubens war, wie J. A. Füßli über ihn sich äußert Kritisches Verzeichniß der besten Kupferstiche etc. IV, 101-110., »einer jener außerordentlichen Männer, die nur im Verlauf von Jahrhunderten erscheinen. Die Geschichte der neueren Kunst kann – Raphael ausgenommen – schwerlich einen Maler aufweisen, dessen Genie so weit umfassend, dessen Einbildungskraft so schöpferisch reich, dessen Verstand durch die schönen Wissenschaften so ausgebildet und berichtigt, und bei welchem Auge und Hand dem Wissen und Wollen so entsprechend als bei Rubens waren.«

Man hat Rubens den »flandrischen« Raphael genannt, dies ist freilich mit einem Körnlein Salz zu nehmen und auf das Flandrische, Niederländische der Ton zu legen. Rubens war durch und durch eine niederländische Natur voll derbem Realismus, der Sinn für die Schönheit der Linie, für die durchgeistete Form wird bei seinen Landsleuten stets mangelhaft bleiben im Vergleich mit den Italienern, aber Rubens packte sie da, wo sie zugänglich und empfänglich waren: in der Darstellung des Individuellen der Naturerscheinungen, des durch ein lebendiges feuriges Kolorit hervorgehobenen Lebens. Rubens selber ist so sehr ein Sohn seines Landes, daß seine Madonnen und Göttinnen sammt und sonders derben niederländischen Mädchen gleichen, seine Engel und schwebenden Gestalten sind oft so sehr mit Fleisch und Blut bedacht, daß man nicht wohl absieht, wie sie überhaupt schweben können. Dazu kommt die große Nachlässigkeit und offenbare Unrichtigkeit in der Zeichnung mancher Figuren. Aber trotz alledem fesselt doch immer wieder die natürliche Frische, die unversiegbare Schöpferkraft, die jedem Bilde aufgeprägt ist, und die Harmonie der Gesammtwirkung hat Rubens mit Raphael gemein. Namentlich ist in der berühmten Kreuzabnahme (im Dom zu Antwerpen), wo alle Figuren sich um den Heiland bemühen und obwohl jede auf ihre individuelle Art thätig, doch als nothwendige Glieder des Ganzen erscheinen, der Totaleffekt ergreifend; die Färbung ist leuchtend, doch nicht übertrieben, und die Lichtmassen sind zu Einem Ganzen zusammengehalten.

Aus der christlichen Legende und biblischen Geschichte hat Rubens eine große Zahl von Bildern geliefert, und am meisten sind ihm jene gelungen, in denen energische Handlung, der im Moment geschehende dramatische Effekt dem Auge zu vermitteln war. Denn des großen Künstlers Phantasie ist zugleich feurig und energisch, und wie es ihn drängte, fast mit Einem Wurf die Szene zu skizziren, so brachte er auch das in dem Augenblick zusammengedrängte Leben zur Anschauung. Die selige heitere Ruhe war weniger seine Sache, deshalb sind ihm auch die Madonnen selten gelungen. Doch erwähnt Frau v. Humboldt einer Maria im Capitilo Prioral des spanischen Eskurials, die auf einer Weltkugel stehend, die Schlange, die sich unter ihr krümmt, unter die Füße tritt, als besonders gelungen. Die geistvolle Kennerin sagt darüber: »Maria ist eine große, schlanke und sehr erhabene Gestalt. Eine Himmelskrone schwebt im Strahlenkranze über ihrem Haupte, sie erscheint als eine Himmelskönigin und erweckt Ehrfurcht und Anbetung. Zwei Engel, liebliche Kindergestalten, stehen auf den Wolken neben ihr. Einer hält eine Palme, der andere eine Lorbeerkrone Maria erscheint erfüllt von Anbetung und Dank; in dem schimmernden Blick ihres Auges ahndet man ein begeistertes Wesen. Ihr Gewand fliegt in sehr schönen Falten von der Brust hernieder. Ein weißer Schleier bedeckt ihren Busen. Dieses Gemälde ist so schön, so edel und groß gehalten, so entfernt von der oft so widrigen Ueppigkeit der Rubens'schen Frauen, daß man es auf derselben Wand neben einem Raphael und Guido Reni mit Entzücken sieht und gern dabei verweilt. Dabei hat es alle Vorzüge, die Rubens so ganz ausschließend gehören, das blühendste Fleisch und das schönste Kolorit.«

Auch in einem Gemälde wie die beiden Apostel Petrus und Paulus (überlebensgroße stehende Figuren in der Pinakothek zu München) ist in der Ruhe das höchste Leben ausgesprochen. Petrus mit dem Schlüssel des Himmelreichs, auf seinem Antlitz das freudige und gewisse Siegesbewußtsein des Glaubens, der die Welt überwindet, und Paulus mit dem Schwert, bereit für den Glauben zu streiten und für das zu kämpfen, was innerlich sein Herz durchglühet und auf seinem denkenden tiefbewegten Antlitz sich ausspricht: welch schöne Einheit im Gegensatz!

Doch mit Vorliebe mußte Rubens Gegenstände behandeln wie »der Sturz der gefallenen Engel«, und »der Sturz der Verdammten«, »das jüngste Gericht«, oder Szenen aus der Apokalypse, wie die in Kap. 12 geschilderte, welche auf einem ursprünglich für die Domkirche von Freisingen bestimmten, gegenwärtig auch in der Münchener Gallerie befindlichen Gemälde dargestellt ist. Mit Adlersflügeln schwebt das von hellem Glanz umleuchtete Weib, ihr neugebornes Kindlein auf dem Arm, daher; unter ihren Füßen krümmt sich die Schlange, welche den Mond, worauf sie tritt, umwindet. Von oben senkt Gott Vater schützend sein Szepter herab. In der Tiefe erhebt sich der siebenköpfige Drache, um das Kind zu verschlingen, aber der gepanzerte Erzengel Michael kämpft wacker mit dem Ungethüm, das, vom Blitzstrahl getroffen, in ohnmächtiger Wuth die Füße des Engels umwindet und mit einem seiner Köpfe den Mantel des Weibes zu ergreifen sucht. Ebenso kühn und großartig wie dieses in biblischen Ideen wurzelnde Gemälde ist ein anderes aus der griechischen Mythologie: die Amazonenschlacht. Die Griechen haben die Amazonen besiegt und über den Thermodon zurückgedrängt, aber auf der Brücke wüthet noch der Kampf. Im Gedränge beißen sich zwei Pferde, eine Amazone wird vom Pferde herabgerissen, eine andere von dem ihrigen geschleift, andere Amazonen stürzen in den Fluß und suchen sich durch Schwimmen zu retten. Ein kostbares in Madrid befindliches Bild stellt Herkules dar, im Begriff, sich zu verbrennen. Ueber ihm schweben zwei Genien, die eine hält einen Lorbeerkranz über des Helden Haupt, die andere lenkt die muthigen Rosse durch den Aether.

Von den historischen Darstellungen nehmen besonders die der römischen Geschichte entnommenen sieben Gemälde aus dem Leben des Konsuls Decius Mus (in der fürstlich lichtenstein'schen Gallerie zu Wien) einen hohen Rang ein; nur ein Rubens konnte die Römerkraft und Tugend so energisch darstellen. Wo es Darstellungen aus der Thierwelt galt, wählte Rubens die energischen, bewegungslustigen, kräftigen: den Löwen, Tiger, Wolf, Hund. Unter den Landschaftsbildern gelangen ihm vorzüglich solche, welche die Elemente im Aufruhr darstellten. In allen Gebieten hat sich der Meister versucht, wenn auch mit mehr und weniger Glück. Im wiener Belvedere befinden sich von ihm 44 Bilder, in der lichtenstein'schen Sammlung 33, in München 100, Dresden 32, Berlin und Potsdam 50, und wie viele sind nicht in den Niederlanden, Frankreich, Italien, Spanien und England. Die Zahl der durch den Stich bekannten Kompositionen des Meisters beträgt gegen 1000, und mit Einschluß der Kopieen mehr als 1500. Und doch gewann Rubens neben seinen praktischen Arbeiten noch Zeit, die Theorie seiner Kunst, die Perspektive, Optik, Anatomie und Proportionslehre sehr gründlich zu studiren. In seinem Nachlasse fand sich ein Buch mit schriftlichen Bemerkungen über diese Wissenschaften und erläuternden Zeichnungen, nebst einer großen Menge von Studien – Menschen in allen Lebensverhältnissen, Stimmungen und Leidenschaften, Skizzen nach Gemälden Raphaels und anderer Künstler mit angezogenen Stellen aus Virgil und anderen Dichtern, welche dieselben Gegenstände behandeln. Besonders gehaltvoll ist ein kurzer lateinischer Aufsatz von Rubens, worin er den Malern das Studium der antiken Statuen empfiehlt. Seine Liebe zu den Kunstwerken der Alten war so groß, daß er in Rom und in der Lombardei die wichtigsten antiken Denkmale zeichnen ließ und den Entschluß faßte, die schönsten antiken Cameen in einem Kunstwerk herauszugeben; man fand nach seinem Tode 6 Platten mit 21 Cameen, darunter die Gemma Augustea und Tiberiana, bereits ausgeführt.

Rubens hat sich selber zu öfteren Malen porträtirt; so fand man vor einigen zwanzig Jahren ein Selbstporträt von ihm in Fornbridgegreen bei Stafford in England, im 46sten Jahre seines Lebens gemalt. Im Palast Pitti zu Florenz ist ein unter dem Namen der vier Philosophen berühmtes Bild, eine Darstellung des Justus Lipsius, Hugo Grotius, Philipp und Peter Paul Rubens, ausgezeichnet durch das glänzende Kolorit, geistreiche Auffassung und kräftige Zeichnung der Köpfe; ebenso trefflich gemalt ist das von Rubens ausgeführte Porträt in der berühmten Sammlung von Malerporträten der Gallerie zu Florenz. Die meisten Bildnisse möchten aber wohl nach einem von van Dyk (der im Porträtiren die Rubens'sche Weise noch feiner ausbildete) gemalten Originale gestochen sein.


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