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siehe Bildunterschrift

Karl Seydelmann. Lithographie von Franz Eybl, 1831

Karl Seydelmann.

Seydelmann's Leben und Wirken etc. von Dr. H. Th. Rötscher (Berlin 1845). Vgl. Gutzkow's »Aus der Zeit und dem Leben« und Lewald's Seydelmann. Ein Erinnerungsbuch an seine Freunde (Stuttgart 1842).


Die Lust Komödie zu spielen, in Verkleidung und Maske aufzutreten, etwas zu leisten in der Kunst »ein Anderer zu scheinen als man ist« – offenbart sich wohl in jedem lebhaften, nur einigermaßen mit Phantasie begabten Kinde, sie liegt tief begründet in dem poetischen Triebe der Jugend; aber bei dem Knaben Seydelmann trat sie doch so entschieden hervor, daß ein aufmerksamer Beobachter hätte bekennen müssen, es seien da besondere Naturanlagen vorhanden.

Karl Seydelmann wurde am 24. April 1793 zu Glatz in Schlesien geboren. Der Vater, ein bemittelter Kaufmann, hielt sein Söhnchen früh zur Schule an, und der kleine Karl lernte leicht und schnell; doch lieber noch als das Lernen und Bücherlesen war ihm das Auftreten in irgend einer theatralischen Rolle und das Deklamiren kleiner Gedichte. Wie er heranwuchs und das Gymnasium seiner Vaterstadt besuchte, so wuchs auch seine Lust am Schauspiel, und da es im Plan der Schulbildung lag, daß alljährlich kleine Stücke aufgeführt wurden, so war der junge Seydelmann dann Feuer und Flamme, und kein Lob über eine Leistung seines Fleißes oder seiner Fortschritte machte ihm solche Freude als der Beifall, den seine Deklamation errang. Wo er nur irgend ein Stündchen von seinen Schularbeiten abmüßigen konnte, da las er Schauspiele und Lebensbeschreibungen berühmter Schauspieler, die ihm schon damals als hellleuchtende Sterne auf seinem Pfade vorleuchteten. Von den vielen Gedichten und Schauspielen, die er wiederholt gelesen, hatten sich manche Stellen so lebhaft seinem Gedächtniß eingeprägt, daß er sie unwillkürlich laut und mit dem größten Pathos rezitirte, ohne an seine Umgebung zu denken, deren schallendes Gelächter ihn freilich oft genug aus seiner Entzückung aufweckte. Uebrigens war zu jener Zeit die Schauspielkunst sehr beliebt in Glatz; sowohl die Offiziere der Garnison als auch die Bürger der Stadt hatten ihre Liebhabertheater und verwandten den jungen Seydelmann, dessen Lust am Theater sie kannten, gern zu dieser und jener Rolle.

Der Vater gab zwar dem Drange des Sohnes nach, aber er sah nicht ohne Bedenken eine Neigung sich entwickeln, die alles andere Interesse zu verschlingen drohte. Da kam ihm ein tragikomischer Vorfall zu Hülfe, den Seydelmann selber also erzählt: »Ein gar trauriger Vorfall unterbrach diese Seitenstudien auf lange Zeit. Ich hatte nämlich Ifflands Leben in die Hände bekommen, und wollte, obgleich ich mit meinen sonstigen Arbeiten erst spät Abends fertig geworden war, nicht ablassen, bis ich es durchgelesen hätte. Ein großer Wachsstock, das Geschenk meiner theuren Mutter (die mich als ihr einziges Söhnchen hegte und pflegte und fast zu lieb gehabt hatte!), wurde aufgewickelt, angezündet und auf das Polster des Stuhls gestellt, der neben meinem Bette stand. Lesend und lesend ermatteten endlich meine Augen, das Buch entfiel der Hand und ich schlief ein. Eine ungewöhnliche Hitze machte meinen Schlaf unruhig; ich erwachte und – ein dicker Qualm drohte mich zu ersticken. Voll Angst sprang ich auf, gewann die Thür und machte Lärm. Welcher Schrecken für uns Alle, als die mit dem Lichte herbeieilende Magd die Szene beleuchtete. Der Wachsstock war herabgebrannt, die Flamme hatte den Kranz ergriffen, ihn geschmolzen, das herabhängende Kopfkissen war von der großen Hitze angeglommen, nur die Stelle, worauf ich gelegen, war noch unversehrt, als Gott mich wach rief. Versteht sich, daß ich von diesem Augenblick an weder Komödien, noch sonst ein damit verwandtes Buch mehr in's Haus bringen, daß ich mich nie wieder deklamirend vernehmen lassen durfte, aber meine Lust dazu blieb wenigstens die alte, nur habe ich mich seither immer sehr in Acht genommen, über dem Studium der Kunsteinzuschlafen

In dem verhängnißvollen ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts war der Knabe zum Jüngling gereift; der eiserne Druck Napoleon's lastete schwer auf dem Vaterlande, die Sehnsucht nach Befreiung ward immer lebendiger, und als Oesterreich 1809 mit neuer Kraftanstrengung auf dem Kampfplatze erschienen war und Herzog Braunschweig-Oels in Böhmen ein Freicorps geworben und seinen Aufruf erlassen hatte, da eilte auch der sechzehnjährige Jüngling mit noch einem Jugendgenossen an die schlesisch-böhmische Grenze zum Herzog von Braunschweig, um sich in dessen Freicorps anwerben zu lassen. Er wurde freundlich empfangen, aber wegen seines noch zu schwächlichen Körpers als zum Kriegsdienste untauglich, nicht aufgenommen.

Noch ein Jahr lang zügelte der junge Mann seine Ungeduld; der Kampf Preußens gegen Frankreich mußte, das fühlte er wohl, bald ausbrechen und er wollte nicht unthätig zusehen. So ließ er sich, da auch seine Körperkraft merklich zunahm, bei der Artillerie in Neiße einschreiben, trotz seiner Abneigung, die er gegen den Soldatenstand als solchen hatte. Doch Preußen durfte nicht so schnell losschlagen, als es sich der rasche Jüngling gedacht hatte, und der kahle einförmige Dienst sagte ihm durchaus nicht zu. Seine Liebe zum Theater erwachte plötzlich mit verstärkter Kraft und er beschloß, den Militärdienst wieder zu verlassen. Davon mochte aber weder der Vater hören, noch zeigten sich die Vorgesetzten, welche dem jungen kenntnißreichen Manne wohlwollten und dessen schöne Handschrift dem Major Braun besonders gefiel, geneigt, seinem Wunsche zu willfahren. Unerschütterlich fest blieb Seydelmann bei seinem Entschlusse; in einem Briefe an seinen Jugendfreund Simmon, den er zärtlich liebte, schrieb er dat. Neiße, den 8. August 1811:

»Hier sind junge und alte Artilleristen avancirt, doch ich nicht, weil ich durchaus nicht mehr avanciren will, sondern mit Ungeduld dem Augenblicke entgegensehe, wo ich wieder zum freien Menschen avancire; als ich unter's Militär ging, wurde ich degradirt zum Sklaven.

»Ja, ist es nicht so? – Zum Examen der Artilleristen ist jederzeit ein Termin festgesetzt und geschieht die Examination in Neiße. 53 Bombardiere, 10 Unteroffiziere, 6 Feuerwerker wurden dem Chef der Examinationskommission, dem Herrn Major Braun, auf der Liste aufgeführt, die sich zu einer höhern Charge prüfen lassen wollten. Nur ich war unter den 53 Bombardieren der einzige, den er gleich vermißte, und eine Ordonnanz beschied mich am Tage vor dem Examen zum Major. – Als ich in die Stube trat, empfing er mich, die zwei Bogen starke, oben erwähnte Liste in der Hand, folgendermaßen:

M. Braun. Mein Sohn, es ist Ihnen bekannt, daß morgen das Examen der jungen Leute ist, die zum Unteroffizier und Feuerwerker avanciren wollen; hier habe ich das namentliche Verzeichnis von allen den Menschen, und wen ich nicht zu vermissen glaubte, vermisse ich eben, warum sind Sie nicht mit aufgezeichnet?

Ich. Das Warum wird Ihnen noch bekannt sein, Herr Obrist-Wachtmeister. Ich habe um meinen Abschied angehalten, und es wurde –

Braun. In's drei Teufelsnamen, Herr, lassen Sie die Idee von Ihrem Abschied fahren, mit dem es noch sehr dunkel aussieht; lassen Sie sich examiniren! –

Ich. Herr Obrist-Wachtmeister, ich lasse mich nicht examiniren (hier sah er mich starr und finster an) und es würde sehr thöricht sein, wenn ich mich einem Examen unterwürfe, da ich meinen Abschied haben will. Es müßte allen Leuten, die darum wissen, die Idee in die Hand geben, als hätte ich bloß darum um meine Entlassung angehalten, weil ich noch keine Tresse um den Kragen und kein Port-Epée am Pallasch trage, welches doch nicht im Mindesten der Fall ist.

(Pause, in der er mich fest in die Augen faßt; ich blicke ihn dreist an.)

Braun. Sie lassen sich also nicht examiniren?

Ich. Ich bitte um Verzeihung; (sehr fest) nein!

Braun. (wild aufspringend) Herr, gehn Sie zum Teufel!

Gelassen ging ich – nicht zum Teufel – sondern zur Thür hinaus und nach Hause, und mein Vorsatz wurde immer unerschütterlicher.«

Sehr bezeichnend ist es, wie der Verfasser des Briefes bei Darstellung eines für ihn so wichtigen Momentes sich doch nicht enthalten kann, die Szene ganz dramatisch zu zeichnen und zu überliefern.

Die Anwesenheit der Vogt'schen Schauspielergesellschaft in Neiße reizte den Musensohn noch mehr, Alles aufzubieten, um baldmöglichst einem Stande anzugehören, in welchem er Besseres leisten zu können sich getraute, als er gewöhnlich vor Augen hatte. Er kam zu dem verzweifelten Entschlusse, mit einem gefälschten Passe unter dem Namen des Malers Sporon zu entweichen, und floh nach Troppau. Seine geringe Baarschaft war bald erschöpft, er mußte sein Leben fristen mit Elementarunterricht, der ihm schlecht honorirt wurde, doch der edelmüthige Schauspieler Schmidt nahm sich seiner freundlich an, und der biedere Freund Simmon that alles Mögliche, den Vater zu versöhnen und Trost zu spenden, als der Verlassene in eine Krankheit gefallen war. Der Vater, durch das Leiden seines Sohnes gerührt, verzieh den unbesonnenen Schritt und bewirkte sogar beim Armeekommando die Erlaubniß zur Rückkehr unter der Bedingung eines erneuten treuen Dienstes. Da sich unterdessen Preußen erhoben und den Krieg gegen Napoleon begonnen hatte, stellte sich der junge Seydelmann gern wieder ein. Er ward mit einer Abtheilung Artillerie der Hauptarmee zugesendet, doch es war ihm nicht beschieden, Kriegslorbeeren zu erringen. Ein kaltes Fieber befiel ihn so heftig, daß er nach Glatz ins Feldlazareth gebracht werden mußte. Er erhielt – diesmal durch Fürsprache seiner Gönner – nun wirklich den Abschied und bald darauf eine Einladung des Grafen Herberstein nach Grafenort, das Personal des dortigen Schloßtheaters zu vermehren. »Dort,« äußerte er sich später über diesen Aufenthalt, der einen Glanzpunkt in seinem Leben bildete – »umgeben von fein gebildeten Männern und Frauen, gern gesehen, weil ich mit glühendem Eifer trieb, was Allen wohlgefiel, dort an der Seite der für die Kunst viel zu früh entschlafenen Louise von Holtei lebte ich beneidenswerthe Tage.«

Nach der Eltern Tode reiste Seydelmann nach Breslau und wurde Mitglied der dortigen Bühne mit einer Gage von wöchentlich 10 Thaler. Er war mit unermeßlichem Fleiß thätig, manche Hindernisse seines Organs, namentlich das Anstoßen mit der Zunge, zu überwältigen, welches ihm bei allen Rollen, wo sehr schnell gesprochen werden mußte, hemmend entgegentrat. Durch unausgesetzte Uebung gelang es ihm endlich, den Fehler zu beseitigen. Wenn auch Kenner die nicht gewöhnlichen Anlagen und den sittlichen Ernst, mit welchem der Künstler seine Aufgabe erfaßte, bald zu würdigen verstanden, so ward er doch von dem großen Publikum keineswegs verwöhnt, zumal da er nicht jener Kunstgriffe sich bediente, womit sonst wohl die Schauspieler einen Knalleffekt hervorbringen. Er schrieb in dieser Hinsicht an seinen Jugendfreund:

»Du bist begierig, mich als Schauspieler zu erblicken. Nun, ich darf, wenn ich auch Dir fremd wäre, Dein Urtheil ohne Bangigkeit erwarten; Anfänger pflegt man ja zu schonen; und bin ich etwas anders? Nein, gewiß nicht! Ich achte die Schauspielkunst zu hoch, um mich für etwas mehr, jetzt schon für etwas mehr zu halten. Man lobt mich, ja; doch worin hat das seinen Grund? Ich bin mit Manchem ausgerüstet, was auf der Bühne doppelt schätzenswerth erscheint. Ich ringe stets mit Feuer nach dem Bessern, lass' es also nie am Fleiße fehlen, und Fleiß eben ist es, den man bei Hunderten – die sich den Namen Künstler anmaßen – vermißt. Dieser Mangel hat nun die traurige Veranlassung gegeben, Schauspieler schon dann zu loben, wenn sie sich desselben nicht schuldig machen. Wie kann aber die Pflichterfüllung Lob verdienen? und wie kann man darauf eitel sein?«

Um seinen Rollenkreis zu vermehren und seine äußere Lage zu verbessern – denn er hatte in Breslau geheirathet – folgte er einem Rufe nach Gratz, wo Graf Thurn und Baron Born die Leitung des landständischen Theaters übernommen hatten und dem ganzen Theaterwesen einen neuen Aufschwung zu geben gedachten. Seydelmann übernahm zuerst die komischen Rollen, und wenn die bisherige rohe Komik in burlesken Sprüngen den Spaß suchte, strebte er durch feinere Charakteristik den komischen Effekt hervorzubringen. Die Achtung, die er sich bald erwarb, zeigte sich darin, daß man ihm die Regie übertrug. Doch nur kurz war seine Wirksamkeit, denn die vornehmen Wirthe des Theaters machten Bankerott.

Durch ein bedeutendes Geschenk der steyermärkischen Stände gegen die nächste Noth gesichert und Frau und Kind in Gratz zurücklassend, begab sich Seydelmann nach der Kaiserstadt; Graf Pachta schenkte dem jungen Künstler lebhafte Theilnahme und wollte ihm eine Gastrolle am Burgtheater auswirken, aber dazu fehlte dem bescheidenen Künstler der Muth. Desto eifriger hörte und sah er, um zu lernen, ging dann nach Preßburg, wo er auftrat (in Kotzebue's: Graf von Burgund), viel Beifall erntete, aber keine Anstellung fand. Darauf wanderte er nach Brünn, wo auch kein Unterkommen zu finden war, von da nach Ollmütz, wo der Musentempel über einem Ochsenstalle angebracht war. Seine jugendliche Frische und sein gebildetes Wesen machten guten Eindruck zumal unter der etwas wilden Truppe, und unter Zusicherung von 8 Gulden Wiener Währung (etwa 3 Gulden rhein.) für jede Rolle, trat er dreizehnmal als Gast auf und gefiel sehr – in solcher Umgebung freilich kein Wunder! Da alle seine Bemühungen, an einer größeren deutschen Bühne Anstellung zu finden, fruchtlos geblieben waren, mußte er in den bittern Apfel beißen und den Posten am ollmützer Theater annehmen. Hier lernte nun Seydelmann das Treiben und das Elend kleiner Bühnen auf das gründlichste kennen. An Sonntagen wurden die Mitglieder in die nächsten Städtchen und Marktflecken kutschirt, wo sie auf Tanzboden, in Scheunen und Wirthsstuben ihr wanderndes Theater aufschlugen, und dann von der klassischen Arbeit auf einem Strohlager ausruhten. Als Liebling des Publikums und ausgezeichnetes Mitglied hatte Seydelmann die Vergünstigung, bei solchen Ausflügen im Direktionswagen zu fahren, was den Neid seiner Collegen nur noch mehr aufregte. Einst war durch ein Mißverständniß der Direktionswagen zu früh aus dem Orte abgefahren, wo am Abend zuvor gespielt worden war, und Seydelmann mußte den Gesellschaftskarren in Anspruch nehmen. Aber er war noch nicht eingestiegen, da trieben die Insassen den Fuhrmann, daß er schnell von dannen fuhr, und Seydelmann mußte leicht gekleidet im vollen Regen zu Fuße folgen.

Ein tiefer Unmuth über das verächtliche Treiben seiner Genossen und ihre gemeine Gesinnung, die von keinem höhern Streben nach künstlerischer Ausbildung wußte, machte den wackern Künstler ganz menschenscheu; er sehnte sich nach einer bessern Sphäre. Die prager Bühne, damals unter Leitung des Herrn v. Holbein, stand in dem besten Rufe, und Seydelmann beschloß, sich direkt an Holbein zu wenden. Er schrieb ihm einen zwar kurzen aber kernigen Brief, der allerdings die Aufmerksamkeit des Direktors erregen mußte, und also lautete:

»Ich spiele in einem Fleischscharren, allein so viel ich von Ihnen weiß, stoßen Sie sich nicht daran und Talent besiegt bei Ihnen alle Vorurtheile. Ich glaube, ich habe Talent, allein ich weiß nicht, wo es hinaus will. Ich glaube, Sie würden es bald sehn und ihm den Weg zeigen. Engagiren Sie mich, wofür und für was Sie immer wollen. Ich ergebe mich Ihnen unbedingt. Wenn Sie mich nicht so stellen können, daß ich brauchbar bin, so ist's nichts mit dem Theater, und ich muß einen andern Weg einschlagen. Ich habe Bildung, Fleiß und ein dankbares Herz. Wagen Sie es mit mir.«

Herr v. Holbein antwortete, er könne ihm zwar keine Aussicht auf ein bestimmtes Rollenfach eröffnen, aber ein Probeengagement von 100 Gulden W. W. monatlich wolle er ihm anbieten, wobei er sich freilich auf jedwede auch die kleinste Rolle gefaßt halten müßte. Dabei versprach er Alles zu thun, was zur Förderung des aufstrebenden Talentes beitragen könnte.

Sobald Seydelmann in Ollmütz gekündigt hatte, thaten die Abonnenten des dortigen Theaters alles Mögliche, eröffneten zu seinen Gunsten eine Subskription und zeigten ihm die Liste, um ihn zum Bleiben zu bewegen. Seydelmann war von dieser Anerkennung sehr gerührt, glaubte es jedoch seinem bessern Selbst schuldig zu sein, weiter zu streben.

In Prag fand er den geeigneten Fruchtboden, in welchem sein Künstlergeist Wurzel fassen und Blüthen treiben konnte. Herr v. Holbein unterstützte und erfreute ihn mit dem reinsten Wohlwollen, ließ ihm freieste Bewegung, und so gewann der Künstler volle Gemüthsruhe, sich in seine Aufgaben zu vertiefen. Hatte er einen Charakter nach allen Seiten hin sich klar gemacht, sich ganz in ihn eingelebt, dann sprang auch wie Minerva aus dem Haupte des Jupiter dieser Charakter völlig geharnischt und abgeschlossen auf die Bühne, jede kleinste Bewegung, jede Miene war mit solcher Treue der Natur abgelauscht, daß der Zuschauer gleich von Anfang an in die größte Spannung versetzt wurde, und weniger auf die pathetischen Reden und Deklamationen (worin bisher die meisten Schauspieler das Talent der Darstellung setzten), als auf die mit innerer Nothwendigkeit sich entwickelnde Handlung lauschten. – Selbst die Nächte wurden zu Hülfe genommen, um alle Züge der Charaktermaske mit Sicherheit einzuprägen und durch die Kunst des Schminkens zu fixiren. Die liebevolle Gattin saß ihm dabei zur Seite und prüfte gemeinschaftlich mit dem Künstler, ob und in wie weit das Bild gelungen sei. So ward z. B. die Charaktermaske Friedrichs des Großen, welchen Seydelmann im »Tagesbefehl« von Töpfer spielen sollte, in der Nacht vor der ersten Aufführung des Stückes so lange geformt, bis sie beiden Gatten völlig genügte.

Die großen Anstrengungen, welche sich Seydelmann bei seinem überaus reizbaren Nervensystem zumuthete, erschütterten seine Gesundheit, und die Aerzte verordneten Karlsbad und Teplitz. Als er an letzterem Orte kaum drei Wochen die Kur gebraucht hatte, ward er vom dortigen Theaterdirektor dringend zum Gastspiel aufgefordert, und er spielte sechsmal mit dem größten Erfolge, aber die gute Wirkung der Kur war gelähmt. Seydelmann blieb bis an sein Ende Unterleibspatient.

Sein Ruf als Charakterdarsteller hatte sich schon weit über Prag hinaus verbreitet und es ward ihm von Kassel aus ein Anerbieten gemacht, das Aussicht auf lebenslängliche Versorgung bot. Herr v. Holbein war edel genug, seinem hochgeschätzten Freunde noch zuzureden, die Stelle anzunehmen. In Kassel ward er vom Fürsten wie vom Publikum gleich sehr ausgezeichnet, aber die Lebensatmosphäre sagte ihm gleich anfangs nicht zu. Dazu kam, daß nicht unbedeutende Schulden ihn drückten, sein Gesundheitszustand sich wieder verschlimmerte; er mußte um Gehaltsvorschüsse bitten, die ihm verweigert wurden, ein Entlassungsgesuch hatte ihm die Ungnade des Kurfürsten zugezogen. Als er nun in Darmstadt Gastrollen gab und vom Großherzog sehr ausgezeichnet wurde, glaubte er hier einen günstigeren Boden für seine Wirksamkeit zu finden, löste das Verhältniß mit der kasselschen Direktion, und nahm die Stelle in Darmstadt an. Aber auch dort war seines Bleibens nicht lange, denn bei seinen hohen idealen Forderungen, die er an die Menschen stellte, bei seiner Reizbarkeit und schroffen Unbeugsamkeit mußten manche Reibungen entstehen, die ihm das Leben verbitterten. Für das Hofleben war er nicht gemacht, noch weniger für Hofintriguen, und diese blieben in den kleinen deutschen Residenzen nicht aus. Charaktere seiner Art konnten nur in größeren und freieren Verhältnissen, wie in Wien oder Berlin, sich frei entfalten. In einem Schreiben an den Direktor des stuttgarter Theaters, der ihm den Wunsch des Königs ausgedrückt hatte, ihn für Stuttgart zu gewinnen, sagt Seydelmann in dieser Beziehung: »Die entsetzliche Leere in Darmstadts Theaterwelt und das ewige Steigen und Fallen von Gnade und Ungnade lastet auf mir, der ich in der Welt nichts weiter will, als ungehindert Komödie spielen. Es ist doch in der That ein erbärmliches Loos, in jeder Minute siebenmal lang und siebenmal kurz werden, ohne eigentlich zu wissen warum und wozu? Lebhaft erfüllt mich der Wunsch, Ihnen anzugehören.« Der Großherzog hatte dem Künstler die nachgesuchte Entlassung durch Dekret vom 13. Mai 1829 bewilligt, und der König von Württemberg seine Anstellung für das Fach der Charakterrollen durch Dekret vom 22. Mai 1829 genehmigt.

Der Sommer ward noch zu Ausflügen benutzt, und dabei auch Breslau bedacht, wo Seydelmann vor zehn Jahren seine Laufbahn begonnen hatte und nun als gesuchter Künstler wieder erschien. Ueber den Erfolg seines Gastspiels in Breslau war er sehr beglückt, der Ruf »hier bleiben« war ihm nirgends so wohlthuend gewesen als hier.

In Stuttgart ward es ihm wohler als in Kassel und Darmstadt. Der neue Chef des Hoftheaters, Graf Leutrum, anerkannte willig die Kraft und Bedeutung des Seydelmann'schen Geistes, fragte ihn oft um seine Meinung und behandelte ihn mit der größten Aufmerksamkeit. Nachdem Seydelmann die Regie übernommen hatte, nahm er manche Reformen vor, ordnete z. B. zwei Leseproben an, in denen einmal der Regisseur, einmal die Mitglieder lesen sollten, drang auch auf genaueres Studium der Rollen und besseres Zusammenspielen. Das verdroß den alten Schlendrian und mancher Widerstand erhob sich. Doch Graf Leutrum trat stets auf Seydelmann's Seite und suchte, so gut es gehen wollte, alle Mißhelligkeiten zu beseitigen.

Unterdessen wuchs der Beifall, den der Künstler sowohl in Stuttgart als auf seinen Reisen im Jahre 1830 und 1831 errang. In Weimar hatte er viermal unter den Augen Göthe's gespielt, war bei dem Dichterfürsten eingeführt worden und hatte mit ihm bedeutende Gespräche geführt über den Karlos im Klavigo und den Mephistopheles. In Wien hatte ihm der glänzende Erfolg seines Gastspiels sogleich die vortheilhaftesten Anerbietungen, dem Burgtheater für immer seine Kräfte zu weihen, zu Wege gebracht. Der Graf Leutrum, als er davon Kunde erhielt, schrieb sogleich an den Künstler einen Brief, worin er ihn der besondern Gnade des Königs versicherte und jede Unterstützung versprach. Seydelmann kehrte nach Stuttgart zurück, als aber alte Mißhelligkeiten sich erneuerten, forderte er seine Entlassung. Das Gesuch ward abgewiesen und durch eine Zulage von 1000 Gulden beantwortet.

Im November des Jahres 1832 bewarb sich die berliner Intendanz um Seydelmann's dauernden Besitz, indem Graf Redern ihm nach Prag hin schrieb (wo er Gastdarstellungen geben sollte), daß er seinen Besitz für die königliche Bühne um so mehr wünschen müsse, als die fernere Wirksamkeit L. Devrients in Folge seiner großen Körperschwäche sehr zu bezweifeln sei. Zugleich ward er als Gast nach Berlin eingeladen. Doch sein Urlaub war abgelaufen, und erst zwei Jahre nachher entschloß sich Seydelmann, eine Reihe von Gastrollen auf dem berliner Hoftheater zu spielen. Die berliner Kritik haßte und fürchtete er, und doch mußte er sich sagen, daß so lange sein Ruhm nicht festgestellt sei, als er noch keinen Erfolg in Berlin errungen hatte.

Seydelmann trat im April 1835 zum ersten Mal als Karlos im Klavigo auf. Die Erwartungen waren auf das höchste gespannt, wozu noch eine Schrift von A. Lewald beigetragen hatte, die ganz von Bewunderung für den Künstler erfüllt war und namentlich seine Proteus-Natur als eine noch nicht dagewesene schilderte. Seydelmann war nicht ohne Befangenheit, aber doch war er seiner Sache sicher. Er hatte den Karlos weder als einen Intriguanten, noch als einen boshaften Mann gefaßt, dem es eine Lust ist, die edelsten Verhältnisse zu zerreißen, sondern er stellte ihn einfach dar als einen gewandten, entschlossenen Weltmann, vor dessen unerbittlichem Verstande und sicherm Auftreten alle Halbheit und Unentschlossenheit zu nichte wird. »Die große Scene des vierten Aktes, in welcher der Schwerpunkt des ganzen Drama's wie des Karlos liegt, wurde daher nicht wie ein großes rhetorisches Prachtstück gegeben, das wie bunte wechselnde Flammen und himmelanstrebende Raketen das Auge blendet, sondern als der Moment der höchsten Reife, der konzentrirtesten Stärke, deren dieser gemüthlose aber seiner selbst gewisse, von aller Halbheit freie Verstand fähig ist. Diese organisch gewachsene Frucht war es, welche die Hörer mit dem Gefühl einer Naturnothwendigkeit erfüllte und plötzlich jenen Sturm des Beifalls, jenen langdauernden Jubel hervorrief, den man nach dem unscheinbaren Anfang nie hätte erwarten dürfen. Was Horaz vom homerischen Sänger, im Gegensatz der cyklischen Dichter singt, daß er nicht aus Glanz uns Rauch, nein Licht aus Rauch uns giebt, dies hatte auch Seydelmann durch seinen Karlos als das Geheimniß seiner außerordentlichen Wirkungen bewährt.« Rötscher, a. a. O. S. 116.

Gleich nach Beendigung des Karlos gab Seydelmann noch seinen Koch Vatel (im kleinen Lustspiel von Lambert »Ehrgeiz in der Küche«), und zeigte seine Virtuosität in der Umgestaltungskunst so, daß Viele zweifelhaft wurden, ob sie in dem Koch noch denselben Menschen vor sich hätten, der vorher so fein in den höchsten Kreisen der Gesellschaft sich bewegt hatte.

Aus den zuerst bedungenen zwölf Gastrollen wurden achtzehn und steigerten sich, da die Theilnahme eher zu- als abnahm, auf dreißig. Manche, die dem Theater ganz den Rücken gekehrt hatten, fühlten sich nun angezogen, auch die mißgünstigste Kritik mußte wenigstens den Erfolg anerkennen. Der König hatte mit großem Wohlgefallen dem Spiele des Künstlers beigewohnt, und in seiner kurzen Weise sich geäußert: »Guter Schauspieler, der Seydelmann; immer brav, immer anders und ein guter Künstler, ausgezeichnet! hat mir recht gefallen!«

Da der König von Würtemberg dem Künstler den Urlaub verlängert hatte, so füllte Seydelmann diese Zeit mit Gastrollen aus zunächst in Hamburg, ging dann über Hannover in seine Heimath und folgte im August einem Rufe nach München. Ueberall wiederholte sich der Jubel bei überfüllten Häusern. Die in Berlin ihm gemachten Anträge hatte er abgelehnt, er wollte dem stuttgarter Theater seine Kräfte weihen, aber sich nun, wo sein Ruhm festgegründet war, auch freie Bahn schaffen und hatte in dieser Beziehung die entschiedenste Sprache schon von Hamburg aus gegen seinen Chef, den Grafen Leutrum geführt. Eine Zeit lang ging Alles gut; als aber neue Reibungen kamen, hielt Seydelmann sich berechtigt, das Verhältniß mit Gewalt zu brechen und schied unter ebenso großer Ungnade des Königs als Indignation des Grafen von Stuttgart.

Am 4. April 1838 betrat er zum ersten Mal als Mitglied der berliner Hofbühne das Theater, er spielte den Kromwell in den Royalisten von Raupach. Wegen des Andrangs hatte man das Opernhaus zu dieser Vorstellung wählen müssen, und der Jubel, welcher die Darstellung Seydelmann's fort und fort begleitete, und sich zuletzt mit der Bekränzung des Künstlers endigte, bewies hinlänglich, wie großer Werth auf seine Anstellung gelegt ward. Den Dankesworten, die er sprach, fühlte man es an, daß er Berlin als seine zweite geistige Heimath betrachtete, und in der That ward er bald so heimisch in den vielen gebildeten Kreisen, er fand so viel Anerkennung und Verständniß seines Strebens, daß er frisch und fröhlich seine unermüdete Thätigkeit entfaltete. Denn wie er seine Kunst nach höheren Prinzipien gestaltete, so war es ihm auch Bedürfniß, diese Grundsätze mit gleichgestimmten Freunden zu erörtern. Gleich im ersten Winter bildete sich ein Kreis von Männern, wie Professor Gans, Werder, Hotho, Veit, Moritz Carrière, die alle 14 Tage sich versammelten, um ein klassisches Werk mit Rollenvertheilung zu lesen, wobei Seydelmann und Eduard Devrient die Hauptcharaktere übernahmen. Dann wurden die charakteristischen Seiten jeder einzelnen Rolle hervorgehoben, und in dieser Entwickelung war Seydelmann Meister. Im Februar 1839 las er für das Lessing-Denkmal, das in Braunschweig errichtet werden sollte, den Nathan, und hatte die Freude, dem Verein 320 Thaler für diese Vorlesung abliefern zu können.

Die älteren Stücke, wie Emilia Galotti, bekamen durch Seydelmann wieder volle Häuser, der Göthe'sche Faust, auch der Nathan mußten öfter wiederholt werden. In Halle gab er binnen 11 Tagen sechs Gastdarstellungen, in Stettin innerhalb 13 Tagen zehn. Der fortwährenden geistigen Aufregung war übrigens die Körperkraft nicht gewachsen, die alten Leiden brachen mit doppelter Stärke hervor, und wenn auch im Moment des Spieles die kräftige Seele ihr gebrechliches Organ vollkommen in der Gewalt hatte, so war darauf die Erschöpfung desto größer. Carlsbad und zur Nachkur Warmbrunn wurden verordnet, brachten für den Augenblick einige Erleichterung, so daß im Winter von 1841-1842 der wackere Künstler wieder mit voller Hingebung spielen konnte, und zu Anfang des Jahres 1842 sogar einem Rufe nach Posen Folge leistete. Hier riß er alle Zuhörer gewaltig mit sich fort und die Wenigsten ahnten, daß sie den letzten Heldenthaten des Bühnenheros zugeschaut hatten.

Im Sommer mußte die Kur in Warmbrunn wiederholt werden; mit großer Gemüthsbewegung sah er sein heimathliches Schlesien wieder. »Bad Reinerz,« schrieb er, »ist eine der freundlichsten ruhigsten Stationen zum ewigen Frieden.« Anfangs Oktober kehrte er wieder nach Berlin zurück; bei seinem neuen Auftreten auf der Bühne wurde er mit einer so herzlichen Begrüßung empfangen, daß er die Thränen schwer zurückhielt. Mit dem Winter nahmen aber die Kräfte zusehends ab; nichtsdestoweniger bereitete er sich fleißig vor, die Rolle des Jago im Othello zu spielen. »Ich habe mich lange nicht auf eine Rolle so gefreut, wie auf diese,« schrieb er am 12. Januar 1843 seinem Sohne, – »Shakespeare, je länger man ihn liest, gewährt einen immer größeren Genuß. Wenn ich ihn nun aber gar nicht spielen dürfte! – Bitte Gott, daß er mich wieder gesund macht! Noch ist, was man Geist zu nennen pflegt, zu lebhaft in mir, als daß ich der Unthätigkeit ohne Schaudern zusehen könnte.« Aber nur noch die Leseprobe, worin Seydelmann seine Rolle in ergreifender Weise las, konnte gehalten werden; am 17. März machte ein Nervenschlag dem vielbewegten Leben ein Ende.

In Seydelmann verlor die Welt einen der größten dramatischen Künstler und einen vortrefflichen Menschen. Trotz seiner öfteren Verstimmung, seiner schroffen heftigen Art im Verkehr mit Andern war sein Herz doch zart und edelgesinnt und sein Gemüth offen für alles Menschliche – und Göttliche. Wie er in der heißen Liebe zu seiner Kunst, der er alle seine Kräfte unausgesetzt widmete, den festen sittlichen Haltpunkt gefunden hatte, von welchem aus er das unlautere, gemeine Thun und Treiben seiner Standesgenossen mit schneidender Schärfe geißeln durfte: so führte ihn das von seiner zartfühlenden Seele stets so sicher ergriffene Reinmenschliche zu Gott, dem Urquell alles Guten. Nach Geburt und Erziehung Katholik, ehrte und achtete er die positive Religion, so sehr er auch dem Lessing'schen Nathan huldigte. Kam er zum ersten Mal in eine Stadt, so galt sein erster Besuch der Kirche, wo er sich seinen andächtigen Empfindungen hingab, am liebsten zu einer Zeit, wenn die Kirche leer war. Vgl. Guhrauer im deutschen Museum von Prutz 1852, 20. Besonders trat sein religiöser Sinn hervor, wenn er in eine schöne Gegend kam, und Herz und Mund mit Dank und Lobpreisung Gottes erfüllte!

Als Kunstkritiker würde Seydelmann Ausgezeichnetes geleistet haben, aber zum Schriftstellern war er nicht zu bringen. Dagegen hat uns sein Biograph Rötscher eine Reihe von Briefen aufbewahrt, in denen sich die werthvollsten Goldkörner gelegentlicher Aeußerungen finden für seine Freunde. Sein Ausdruck ist überall energisch, kurz, treffend. Ein Brief an seinen Sohn (in Wien als Schauspieler engagirt) möge den Schluß dieser biographischen Skizze bilden.

»Ich glaube wirklich, es giebt in keinem Stande gewissenlosere Tagediebe als in dem unsrigen. Und ist ein erträglicher Schauspieler zu denken ohne allseitige Bildung und rastlosen Fleiß? Das Talent freilich ist Nr. 1. Zum guten Boden aber gehört ein tüchtiger Bauer, und die Blume der Kunst gedeiht nicht ohne Pflege. Das wissen die liederlichen Kerle Alle; aber süßer däucht ihnen Faulheit und Schnaps, als edle Benutzung der Zeit. – Manche Bühnen zählen einige solide Leute. Man sieht, sie thun, was sie können, aber sie können eben nicht viel. Geschick und Anlage sind oft da, aber der ausgebildete Verstand, die gute Erziehung fehlen. Alles geht unter, ersäuft in Rohheit und alltäglichem, gemeinen Geschwätz. Giebt es nicht eine Masse von Künstlern, denen – nicht etwa Göthe oder Shakespeare, nein, Kotzebue selbst ein unauflösliches Räthsel ist? deren Schulbildung und Fassungsvermögen nicht einmal zu den gewöhnlichsten Aufgaben hinaufreicht? Solcher Bursche wirst Du schon eine Menge kennen. Und das Pack erfrecht sich, dem gebildeten Zuschauer das schwerste Bild, den innern Menschen an sich, abzuspiegeln? Es muß – muß anders werden in der Theaterwelt! Fordern's nicht die Fürsten, wird die Zeit, die unaufhaltsam vorwärts schreitende, es fordern. Sie wird es nicht mehr dulden, daß man Vagabunden Künstler nenne.«


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