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Christian Rauch.
Bildquelle: Dieses Buch

Christian Rauch.

Vergl. über den Bildhauer Rauch, Vortrag von Dr. C. A. Hagen (Königsberg, Dalkowsky) und den Artikel: Christian Daniel Rauch in Brockhaus: Unsere Zeit, 1859, 36.


Wie die Dänen auf ihren Thorwaldsen, so mögen wir Deutschen auf unsern Rauch stolz sein, den herrlichen Meister der germanischen Bildnerkunst, der sie in deutscher Einfachheit und Schlichtheit, Wahrheit und Treue unabhängig vom klassischen Ideal der Griechen und ohne den Reiz der Romantik zu klassischer Vollendung erhob.

Thorwaldsens Phantasie mochte reicher sein an Gestalten und er hauchte ihnen griechisches Leben ein; Schwanthaler war Romantiker, auch wo er Antikes bildete; Rauch ist ganz und voll deutsch in Sinn und Geist der Gegenwart. In seinem ganzen Wesen und Bildungsgange zeigen sich merkwürdige Parallelen mit dem Leben Thorwaldsens. Beide große Männer hatten in ihrer Jugend mit der Noth und Mühsal der leiblichen Existenz zu kämpfen, beide mußten vom niedern Thal des Handwerks emporklimmen zu den heiteren Höhen der Kunst, beide fanden aber auch die mächtigen Freunde und Gönner, die ihren Werth erkannten und ihnen liebevoll die Hand boten zum freudigen sicheren Fortschritt auf ihrer Bahn.

Christian Rauch ward von armen Bürgersleuten am 2. Januar 1777 zu Arolsen im Fürstenthum Waldeck geboren. Das kleine Städtchen bot für geistige Anregung nicht viel, aber das fürstliche Schloß bot dem Genius des künftigen Bildhauers gerade die Nahrung, welche die kindliche Anschauung bedurfte. Wie schlug dem Knaben das Herz, wenn es ihm vergönnt war, einen schüchternen Blick in die prächtigen Säle und Zimmer mit ihren Skulpturen und Bildern zu thun! Da die Eltern die große Neigung für Kunstgegenstände an ihrem Sohne wahrnahmen, beschlossen sie, ihn zum Hofbildhauer Valentin zu Arolsen in die Lehre zu geben. Dieser beschäftigte ihn mit Verzierungen in Holz und Stein zu Bilderrahmen und Grabmälern, die der fleißige Knabe zwar sorgsam ausführte, aber deren Anfertigung ihm doch kein Genüge gab. Erst fünfzehn Jahre alt, ging er zum Bildhauer Professor Ruhl nach Kassel, in der Hoffnung, bei diesem die »höhere Bildhauerei« erlernen zu können; doch der arme Lehrling, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, mußte auch hier sich mit der niederen Arbeit begnügen, zumal da Ruhl überhaupt sich weniger mit der Bildhauerkunst als mit Zeichnungen beschäftigte, die er für den Kupferstich lieferte. Die deutsche Bildhauerei war damals noch sehr beschränkt; Büsten, Grabmonumente und Verzierungen an Gebäuden wurden in alter herkömmlicher Weise mehr handwerksmäßig angefertigt. Indessen benutzte der junge Rauch jede freie Stunde, um sich im Modelliren zu üben.

Fünf Jahre hatte er auf diese Weise in Kassel verlebt, da führte ihn ein Zufall nach Berlin. Er sollte die kleine Erbschaft eines Bruders erheben, der dort als königlicher Bedienter verstorben war. In Berlin, wo der geniale Schlüter gewirkt und sein Meisterwerk, die kolossale Reiterstatue des großen Kurfürsten geschaffen hatte, wo dann Gottfried Schadow die deutsche Plastik würdig fortentwickelt, den alten Dessauer und General Ziethen auf dem Wilhelmsplatze so trefflich gebildet, die Viktoria so siegreich auf das Brandenburger Thor gestellt hatte: hier mußte dem zwanzigjährigen Jüngling eine Fülle neuer belebender Eindrücke zuströmen und seinem Streben die beste Nachhülfe werden. Aber aus dem angehenden Künstler ward plötzlich ein Bedienter, wie der Bruder gewesen war! Die ungewöhnliche Schönheit und das einnehmende Wesen des jungen Mannes hatte bei Hofe Aufmerksamkeit erregt, und es ward ihm der Antrag gemacht, als Kammerdiener der Königin Luise in den Hofdienst zu treten. Da stand nun Herkules am Scheidewege; es wäre vermessen gewesen, ein für ihn in seiner bedenklichen Lage so angenehmes Anerbieten so rundweg von der Hand zu weisen, die Eltern riethen dringend, das »sichere Brod« nicht zu verschmähen, und der Jüngling mußte sich selber sagen, daß er nicht bloß den armen Eltern viel Sorge ersparen, sondern ihnen nun selber eine Stütze sein könnte, wenn er die angebotene Stelle annahm. So entschied er sich, obwohl mit schwerem Herzen, für den Kammerdiener, mit dem stillen Vorsatz, auch in dieser Stellung doch seiner Muse nicht untreu zu werden und jede Freizeit der Uebung in seiner Kunst zu widmen. Und siehe, das, was ihn scheinbar von seiner Bahn ablenkte, ward gerade das Mittel, ihn seiner Bestimmung entgegen zu führen.

Zuerst erkannte Rauch die Nothwendigkeit, im Zeichnen größere Fertigkeit zu gewinnen, und bemühte sich deßhalb um die Bekanntschaft der Maler und Bildhauer. Wäre er ordentlicher Zögling der Akademie der Künste gewesen, dann würde er auch einen vollständigen Kursus durchgemacht haben; so aber betrachtete man ihn als bloßen Kunstliebhaber (Dilettanten), und der berühmte Schadow konnte wenig Notiz von ihm nehmen. Die Zeichnungen, welche der Kammerdiener seiner hohen Gebieterin vorlegte, erregten zwar Theilnahme, aber die Kenner wollten nichts besonders Ausgezeichnetes darin finden, und in der That bestand ja auch die hohe Darstellungsgabe des Kunstjüngers nicht im Zeichnen mit dem Bleistift, sondern im Bilden des Thons. Und zur Ausbildung dieser Kraft der Darstellung hatte er sich das schönste und würdigste Modell gewählt, die unvergleichliche Königin selber. Ihr Bild prägte er tief in seinen Sinn, ihre vollendete Schönheit Leibes und der Seele, die Anmuth in allen ihren Bewegungen, der Adel in jedem Zuge ihres Angesichts – erfüllten sein Gemüth mit dem Ideal, dem er nachstrebte, das ihm als Muster und Maßstab für alle Bilder vorleuchtete. Heimlich modellirte er die Büste seiner Königin. Dieses Werk zeugte klar genug von dem innern Künstlerberufe Rauchs, vermehrte die Zahl seiner Gönner und bestärkte in ihm selber den Entschluß, nicht abzulassen von der edlen Bildhauerkunst. Sein heißester Wunsch war, Italien, das Land der schönen Künste, bereisen zu können; aber wie sollte dieser Wunsch erfüllt werden? Hätte er seiner geliebten Herrschaft den Dienst aufkündigen und dann mit seinen geringen Mitteln die weite Reise wagen sollen? Aber schon hatte die Vorsehung gesorgt: ein schlesischer Edelmann, der Graf Sandrecki, hatte großes Wohlgefallen an dem Bildhauer im Tressenrock gefunden, und beschlossen, das unverkennbare Talent mit allen Mitteln zu unterstützen. Großmüthig streckte er ihm eine Summe vor, hinreichend, um ohne alle Sorge eine Reise nach Italien unternehmen und dort eine Zeit lang verweilen zu können.

In Rom fand sich ein neuer Gönner und Beschützer, Freiherr Wilhelm v. Humboldt, der preußische Minister, der sammt seiner Gemahlin ein so offenes Auge für alles Schöne und Treffliche besaß; die beiden Bildhauer Canova und Thorwaldsen wurden gleichfalls dem strebenden Kunstjünger, dessen hohe Anlagen sie bald durchschauten, freundlich gewogen. Mit dem dänischen Maler Lund, späterem Professor an der Kunstakademie zu Kopenhagen, ward ein Freundschaftsbündnis geschlossen, und der höchst einnehmenden schönen Persönlichkeit Rauch's, trotz ihrer herben Eigenartigkeit und Abgeschlossenheit, ward überall gehuldigt.

Lange müßig zu sein, war nicht Rauch's Sache; er begann bald seine Werkstatt in Rom einzurichten, und eines seiner ersten Werke war die kolossale Büste des von ihm verehrten Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen, die jetzt im weißen Saale des berliner Residenzschlosses aufgestellt ist. Leider schien das unglückliche Jahr 1806, das die preußische Monarchie vernichten zu wollen drohte, auch des angehenden Bildhauers Hoffnungen zu zertrümmern; doch der edelsinnige König vergaß seines früheren Dieners auch im Unglück nicht. Als er in einem Blatte des Moniteurs die Nachricht las, daß Rauch als Mitglied der Kommission, welche über die von der französischen Regierung angeordnete Ausstellung der Kunstwerke aller Nationen entscheiden sollte, gewählt worden sei, sandte er ihm durch Vermittlung des Freiherrn v. Humboldt eine Unterstützung von 400 Thalern.

Mit welchem Fleiß der Künstler während der sechs Jahre seines Aufenthaltes in Rom (bis 1811) arbeitete, davon gaben Werke Zeugniß wie die Reliefs »Hippolyt und Phädra« (für den russischen Kammerherrn v. Balk), »Mars und Venus, von Diomedes verwundet« (für W. v. Humboldt), die Büsten der Königin von Preußen (für den schlesischen Grafen Magnis), des Grafen Wengersky, des Herrn v. Balk, des Malers Rafael Mengs (für den König von Baiern), die Statue der elfjährigen Tochter Humboldts, die später in Marmor ausgeführt und in Schloß Tegel aufgestellt ward. Schon in diesen ersten Werken bewunderte man jene dem Leben abgelauschte Naturwahrheit, jene liebevolle Ausführung und geistreiche Auffassung, die nichts Starres, Steifes duldete. In den trefflichen Werken Canova's und Thorwaldsens hatte Rauch mächtige Hülfsmittel, um sich von dem Zopfstyl völlig loszumachen; Kunstreisen nach Pästum und Neapel, das eifrige Studium der Antike bestärkten ihn, die eingeschlagene Richtung kräftig fortzusetzen. Da traf ihn ganz unerwartet die Trauerbotschaft vom Tode seiner Gönnerin, der Königin Louise. Doch es galt, sich zu ermannen vom Schmerz, denn der König hatte beschlossen, der unvergeßlichen Frau ein ehrendes Denkmal zu setzen und seinem Minister W. v. Humboldt den Auftrag gegeben, die berühmtesten Bildhauer zu einer Konkurrenz zu veranlassen, um aus den eingesandten Entwürfen dann den entsprechendsten auswählen zu können. Die Aufgabe war, es sollte die hochgeliebte Königin wie in einem stillen Schlummer auf einem Sarkophage ruhend dargestellt werden. Wilhelm v. Humboldt wandte sich, auf Befehl des Königs, zunächst an Thorwaldsen (s. d.) und Canova; aber beide Meister, die ihren Freund Rauch hochachteten und, da sie seine frühere nahe Beziehung zu der Verewigten kannten, ihn am geeignetsten hielten, das große Werk auszuführen, bezeigten wenig Lust zu dem Wettstreit.

Thorwaldsen schrieb an Baron v. Humboldt:

 

»Ew. Excellenz haben mir wieder aus langer Entfernung einen neuen Beweis Ihres Zutrauens und steter Freundschaft gegeben, die Sie mir bei Ihrem Hiersein so oft angedeihen ließen, und muß – – wieder für die gute Meinung – –, mit welcher Sie des Königs von Preußen Aufforderung zu einem Monumente für die Hochselige Königin zu konkurriren bekannt machen. Ich würde gern alles Mögliche thun, und bin es sogar verpflichtet, Ihren freundschaftlichen Wünschen und Befehlen in jedem anderen Falle schuldige Genüge zu leisten, aber unter diesen Umständen, – ich habe es wohl überlegt –, würde ich unrecht gegen mich selbst und gegen die Gesetze der Freundschaft handeln, wenn ich Ihren Vorschlag, des Königs Forderung gemäß, annähme. Hätte Se. Majestät der König nicht selbst fähige Künstler in seinen Diensten, so würde ich gar keinen Anstand finden, mich des Königs so ehrenvoller Aufforderung augenblicklich mit Vergnügen zu unterwerfen, um so mehr, Ihnen herzlich meine Achtung und Dankbarkeit erkennen zu geben. Dann hält mich ein zweiter Grund davon zurück, daß ich nie Zeichnungen gemacht habe, wenn die Arbeit nicht schon bestellt und angefangen war. Denn eine einmal eingereichte und gewählte Zeichnung würde mich, trotz meiner bessern Ueberzeugung, bei der Anlage im Großen immer hindern, das Schöne und Bessere vorzuziehen, um keinen Verstoß gegen die einmal als gut befundene Zeichnung zu machen. – Herr Rauch wird mich schon beim Ueberschicken seiner Zeichnungen deshalb bei Ihnen entschuldigt haben, wenn ich auch diese wenigen Zeilen hinzufüge.« (Den 10. Novbr. 1810.)

 

Rauch selbst äußerte sich in einem spätern Briefe an seinen Freund, den Historienmaler Lund in Kopenhagen, über diese Angelegenheit: »Thorwaldsen, aus Freundschaft und seltener Delikatesse, schlug die ganze Sache ab, also rein rücksichtlich auf mich. Canova nur aus Freundschaft für Humboldt nahm dies an.« Thorwaldsen hatte dem jüngern talentvollen Künstler sich nicht bloß nicht in den Weg stellen wollen, wo es eine Arbeit galt, durch welche er sein Glück in der Heimath machen konnte, sondern auch den Freund ermuntert, sich bei der Konkurrenz zu betheiligen, so daß nun Rauch seine Komposition entwarf und die Zeichnung unmittelbar nach Berlin an den König sandte. Bald darauf erhielt er die Nachricht, daß sein Entwurf gesiegt habe und daß er sogleich nach Berlin kommen sollte, um die Ausführung des Monumentes zu übernehmen. Rauch schrieb d. Berlin, 12. Mai 1811 an Thorwaldsen also:

 

Lieber, bester Thorwaldsen!

Schon längst hätte ich Ihnen schreiben sollen, aber immer glaubte ich Ihnen mit mehr Bestimmung über mich selbst schreiben zu können, und so unterblieb die Sache bis jetzt. Erst bei meiner Ankunft fand ich schon viele Modelle in Thon und Gyps von andern Bildhauern fertig, auch andere wurden erwartet. Hierzu mußte auch ich meine Skizzen anreihen. Der König war gleich entschlossen für eine der meinigen. Am letzten Freitage, den 10. d. M., zeigte ich dem Könige diese Idee, ungefähr halblebensgroße, aber mehr ausgeführte, und zugleich den Sarkophag dazu mit allen Basreliefs in der Skizze. Der König war ungemein zufrieden damit und erklärte, daß er unabänderlichen Sinnes das Monument, sowie es da wäre, wollte ausführen lassen. Die Gegenstände zu den Basreliefs sollen aus dem Neuen Testamente dazu genommen werden, die Auferstehung Christi u. s. w. Dies wurde Alles von einer Menge Gäste, die beim König gegessen hatten, abgehandelt. Gegen Abend kam der König noch einmal allein und sprach sehr lange mit mir und mit vieler Zutraulichkeit. Dann sagte ich ihm auch, daß Sie mir privatim geäußert hätten aus besonderer Achtung gegen ihn und die Hochselige Königin, auch daß er Sie zu diesem Monumente aufgefordert hätte und dann aus Freundschaft gegen mich – um diese erkennen zu geben, so wollten Sie ein Stück Basrelief dieses Monumentes dazu komponiren und ausführen. So unerwartet ihm dies kam, so sagte er so: Thorwaldsen ist so ein großer Künstler, daß seine Arbeit und Name den Werth des Monumentes um so mehr erhöhen wird, und wird mir viel Vergnügen machen etc.

– Morgen ziehe ich nach Charlottenburg, einem Lustschlosse, eine Stunde von hier, um dort im Grabe selbst das Modell im Großen anzulegen, und die Größe und Beleuchtung genau einzurichten. Künftige Woche wird sich's entscheiden, ob ich's hier oder in Rom ausführen soll. – Mit dem Könige muß man Schritt vor Schritt gehen, darum habe ich ihn noch nicht gefragt. Vgl. Thiele im Leben Thorwaldsens, Th. I.

 

Kaum aber hatte der Künstler seine Arbeit in Berlin begonnen, als ihn ein hitziges Fieber befiel, dessen Folgen nach dem Ausspruch der Aerzte nur durch die milde Luft Italiens beseitigt werden konnten. So erhielt er die Erlaubniß, sein Werk in Italien ausführen zu können; es geschah 1812 in Carrara selber, wo der Marmor gebrochen wird. Hier gab ihm auch ein lebender Adler Gelegenheit zum genauesten Studium dieses königlichen Thieres, das an mehreren Werken Rauchs und immer in einer der Natur abgelauschten Lebendigkeit und Treue vorkommt. Die beiden schönen Adler am Fußgestell des Grabdenkmals zu Charlottenburg waren die ersten Früchte dieser Naturstudien. In Carrara war es auch, wo er mit dem Bildhauer Professor Friedrich Tieck, der den Candelaber zum Denkmal der Königin arbeitete, den Freundschaftsbund schloß, der sich bis zum Tode des letzteren bewährte.

Die Statue der Königin wurde 1813 in Rom vollendet und fand unter den Künstlern allgemeinen Beifall; dann ging Rauch abermals nach Carrara, und schon im Winter 1814 hatte er die Freude, nach Berlin zurückkehren und das Kunstwerk an geweihter Stätte aufrichten zu können. Es zeigt das lebensgroße Abbild der Königin auf marmornem Ruhelager in seligem Schlummer hingestreckt. Nur Diadem und Sternenkreuz schmücken das Haupt der Entschlafenen, die junonisch schönen und edlen Formen von der Draperie nur leicht bedeckt, sprechen, verbunden mit dem Ausdruck der Gesichtszüge nicht sowohl die Ruhe des Todes, als vielmehr jenen lebenathmenden Schlummer aus, dem in jedem Momente ein heiteres Erwachen zu frisch gestärktem Leben folgen kann. Rauchs Künstlerruhm und Meisterschaft war mit diesem Werke für die Mit- und Nachwelt festgestellt; der König ernannte ihn zum Professor und Mitglied im berliner Kunstsenate. Aber der unablässig strebende Meister war mit seinem Werke keineswegs ganz zufrieden; vierzehn Jahre später arbeitete er zu Rom ohne Bestellung und ganz insgeheim eine zweite Statue, die weniger an den italienischen Styl Canova's erinnernd, mehr ernst und würdevoll in deutscher Eigenthümlichkeit behandelt war und auf Befehl des Königs in Marmor ausgeführt und in Potsdam aufgestellt wurde.

Die Befreiungskriege, wie sie neuen Schwung in's nationale Leben brachten, gaben auch den Künsten, namentlich der monumentalen Bildhauerkunst, neue Frische und würdigen Gehalt. Die Statuen der für das Vaterland gefallenen Generale Scharnhorst und Bülow v. Dennewitz sollten in der Lindenstraße aufgestellt werden, und Rauch erhielt (1815) vom König den Auftrag, die Standbilder in Marmor zu arbeiten. So eilte der Künstler abermals nach Carrara, um selber die besten Marmorblöcke auszusuchen; da keine Schiffe von hinreichender Größe zur Hand waren, welche den Transport übernehmen konnten, sah der Meister sich genöthigt, gleich an Ort und Stelle die erste Arbeit des Aushauens zu beginnen. Auch eine Statue des russischen Kaisers Alexander, den er zu Berlin nach dem Leben modellirt hatte, wurde begonnen, und dann ein Ausflug nach Rom gemacht, um hier das Nöthige zu besorgen für das Museum der Antiken, das auf den Wunsch des Königs in Berlin errichtet werden sollte. Die Rückkehr nach Berlin geschah 1818; – im Frühling 1822 wurden die Marmorstandbilder der beiden patriotischen Helden aufgestellt und enthüllt. In derselben Zeit vollendete Rauch noch die Büsten des Königs, der Königin, der Prinzessin Charlotte, des Fürsten Hardenberg, des Kaisers Alexander, der Frau v. Maltzahn, die von Göthe und F. A. Wolf, und man rechnet, daß der fleißige Künstler in dem kurzen Zeitraum von 1799 bis 1824 überhaupt 69 Porträtbüsten (worunter 20 kolossale) mit eigener Hand in Marmor gearbeitet hat.

Noch ehe er von seiner zweiten italienischen Reise zurückgekehrt war, hatte ihn die Provinz Schlesien mit dem Auftrage beehrt, ein Kolossalbild zur dankbaren Erinnerung an Blücher und sein tapferes Heer in Bronze zu arbeiten, das in Breslau aufgestellt werden sollte. Die Schwierigkeiten, Porträtstatuen im modernen Kostüm darzustellen und doch den edlen einfachen Charakter nicht durch unschöne Gewandung zu beeinträchtigen, hatten einen großen Reiz für den Genius Rauchs, der die Aufgabe zu lösen die Kraft hatte. Der Meister wählte zur Darstellung den Augenblick, wo Blücher mit gezücktem Schwert in der Rechten, die Linke zum Himmel erhoben, rasch vorwärtsschreitend dem Volke zuzurufen scheint: Mit Gott für König und Vaterland – vorwärts! Die Statue, 10 Fuß 2 Zoll Höhe, wurde im Guß glücklich vollendet, und im Juli 1827 zu Breslau auf ein hohes Piedestal von Granit aufgestellt. Nach des Feldmarschalls Tode mußte auf Befehl des Königs noch eine zweite Blücherstatue, gleichfalls aus Erz, gearbeitet werden, um den Gefährten Scharnhorst und Bülow gegenüber die Hauptstadt zu zieren. Gleich ihren Nachbarn stellte auch dieses Blücherstandbild den Helden mit entblößtem Haupte dar, siegreich nach errungenem Frieden um sich blickend; die Uniform ist vom Kriegsmantel umwallt, dessen ebenso natürlicher als charakteristischer Faltenwurf der eigenthümlichen Auffassung der ganzen Persönlichkeit vollkommen entspricht. Von gleicher Größe wie die breslauer Statue ruht aber die berliner auf einem bronzenen Fußgestell von 16 Fuß Höhe.

König Ludwig von Baiern übertrug dem gefeierten Meister das kolossale Standbild Albrecht Dürers, das in Nürnberg aufgerichtet ward; bald darauf (1829) vollendete Rauch zu München die 12 Fuß hohe sitzende Statue des Königs Max Joseph von Baiern für den Erzguß. Von den vielen andern Arbeiten mögen hier nur genannt werden das im inneren Hof des Halle'schen Waisenhauses aufgestellte Denkmal August Hermann Francke's, die Erzstatuen der alten Polenkönige Miecislaw und Boleslaw für den Dom zu Posen, die Statue des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I. in Gumbinnen, die kolossalen Siegesgöttinnen in Marmor für die bairische Walhalla, die Statuette Göthe's, die marmornen Grabmonumente des Königs und der Königin von Hannover, die »Jungfrau auf dem Hirsche reitend«, die »Najade« etc. für den Kaiser von Rußland. Doch alle diese gelungenen Werke wurden überstrahlt von dem großen, ja vielleicht dem größten, was die moderne Skulptur aufzuweisen hat, dem Denkmal Friedrichs des Großen.

Es baut sich in drei Absätzen bis zu 42 Fuß Höhe auf. Der unterste Sockel ist von Granit, dann kommt ein zweiter von Bronze mit der Widmungsinschrift auf der Vorderseite und den Namen der treuen Diener des Königs und Vaterlandes auf den drei übrigen Seiten. Nun folgen zwei bedeutende Piedestale mit ihren eben so reichen als ausdrucksvollen Reliefs Hauptreliefs am Piedestal.
Nordseite:
Ferdinand, Herz. v. Braunschweig.
Prinz v. Preußen.
Fr. Wilh. II. (G.L.)
W. S. v. Belling (G.L.)
F. W. v. Seydlitz (G. d. K.)
G. W. v. Dieskau (G.L.)
B. F. v. Tauenzien (G. d. I.)
Eugen, Prinz v. Würtemberg.
F. W. A. v. Kleist (G.M.)
H. E. v. Winterfeldt (G.L.)
Südseite:
H. J. v. Ziethen (G. d. K.)
Leop. Fürst v. Anhalt-Dessau (G.F.M.)
K. C. Graf v. Schwerin (G.F.M.)
Heinrich, Prinz v. Preußen (G. d. I.)
H. V. v. Wedell (O.L.)
H. G. v. Wartemberg (G.M.)
G. G. Freih. v. Goltz (G.M.)
F. L. Gr. v. Geßler (G.F.M.)
Leop. M. Erbpr. v. Anhalt-Dessau (G.F.M.)
Westseite:
Heinrich, Pr. v. Preußen (G. d. I.)
Jacob Keith (G.F.M.)
C. A. Markgr. v. Brandenburg (G. d. I.)
Ferdinand, Herzog v. Br.
Hans S. v. Lestwitz (G.M.)
H. S. v. d. Heyd (G.L.)
J. B. v. Prittwitz (G.L.)
Aug. Wilh., Prinz v. Pr. (G. d. K.)
Joh. D. v. Hülsen (G.L.)
Ostseite:
F. W. v. Seydlitz (G.M.)
C. H. Graun.
H. J. v. Ziethen (G. d. K.)
E. W. v. Schlabrendorf.
G. Ephr. Lessing.
C. W. Gr. Fink v. Finckenstein.
J. H. C. Gr. v. Carme.
Imm. Kant.
Die oberste Abtheilung mit halberhabener Arbeit stellt Scenen dar aus Friedrichs des Großen Leben. Die Inschrift besagt, daß das Denkmal von König Friedrich Wilhelm III. beschlossen und begonnen und von Friedrich Wilhelm IV. vollendet worden sei.
, und über diesen steht das 16 Fuß 3 Zoll hohe Reiterstandbild. Der König erscheint in der charakteristischen Uniform, die er trug, den Degen an der Seite, den Krückstock am Arm hängend. Unter dem dreieckigen Hute schauen die großen durchdringenden Augen, von mächtigen Brauen überschattet, hervor – Augen, die auch im gebrechlichen Leib des Greises die unversiegbare Stärke des Riesengeistes zeigten. Nur der nach hinten herabwallende Königsmantel verschönert die Erscheinung zu Gunsten der plastischen Wirkung. Aber das Ganze ist einfach wie die Antike und doch charakteristisch deutsch und modern, klar und gemeinfaßlich und doch würdig und groß gedacht und dargestellt.

Am 31. Mai 1851 war der festliche Tag der Enthüllung. Als unter Kanonendonner und Trompetenklang und dem freudigen Jauchzen der Menge die Umhüllung fiel, und der erzene hellblinkende König stolz und fest auf seine Umgebung herabzuschauen schien, da mochte auch dem Meister Rauch, der kaum von einer Krankheit genesen dastand in seinem Silberhaar, hoch und fest und stark im Geist, das Herz in schnelleren Pulsen schlagen; der König kam auf ihn zugeritten, drückte ihm gerührt die Hand und Thränen der Freude und Rührung perlten auf des Greises Wangen.

Dem Künstlerkönig zu Ehren ward am 6. Juni Vgl. A. A. Zeit., Nr. 161 (1851). ein schönes Fest gefeiert. Alles wollte dem Schöpfer des Friedrichs-Denkmals seine Theilnahme bezeigen, aber die Zahl der Gäste mußte beschränkt, den Damen der Zutritt verweigert werden. Zweihundertundfünfzig Gäste hatten sich im großen Saale des Kroll'schen Lokals versammelt, unter diesen die gefeierten Künstler Cornelius, Kaulbach, Begas, Kiß, Hensel, Franz Krüger, Hildebrandt etc. Der Festsaal war herrlich geschmückt mit Blumen und tropischen Pflanzen; auf der Rückwand, an der Rauch seinen Platz hatte, sah man dessen Brustbild in einem kolossalen Medaillon von 4 Fuß im Umfange, in Gyps modellirt – so schien es –, allein es war von Richter gemalt so täuschend, daß selbst die Erfahrensten irre wurden. Zwei Victorien von Rauch hielten ihre Kränze über seinem Haupt. Um 8 Uhr erschien der Held des Festes, von zwei Schülern eingeführt, Jubel und Hörnerklang bewillkommneten ihn. Nachdem er mit Vielen freundliche Worte gewechselt, setzte man sich zur Tafel. Das erste Lebehoch dem Könige, das zweite dem Meister Rauch. Plötzlich erloschen die Gasflammen, und in dem verfinsterten Saale stellte sich ein Transparent dar, höchst sinnig komponirt zur Verherrlichung Rauchs und der Helden, mit deren Bildsäulen er Berlin geschmückt. Man sah die Hauptwerke des Künstlers. Friedrichs Reiterbild in der Mitte, Blüchers, Bülows, Scharnhorsts Bildsäulen zu den Seiten, König Friedrich Wilhelm III. und die im Sarge ruhende Königin Louise – alle von Musen und Genien umgeben, und hoch über diesen Gruppen thronte in den Wolken Apoll auf seiner Quadriga. Gesang begleitete dieses Bild. Dann folgte ein scherzhaftes Drama, in welchem unter den Klängen des Dessauer Marsches sechs Krieger aus Friedrichs Zeit auftraten, dem Meister Rauch ihren Dank abzustatten, und in drastischer Weise ihre Bemerkungen über das Friedrichs-Denkmal austauschten. Auch eine gereimte Epistel des geistreichen Kupferstechers Lüderitz erregte homerisches Gelächter. Zeus, der Vater der Götter, war darin als Bildhauer mit Rauch in Parallele gesetzt, und das Gedicht schloß mit den Worten:

Stoßt an mit schäumendem Pokal,
Es lebe hoch Rauch, Zeus Rival!

Seitdem hat der Unermüdliche wieder manches bedeutende Werk vollendet; so das Standbild der Grafen Yorck und Gneisenau, dann die Gruppe des betenden Moses, dem während der Schlacht wider die Amalekiter zwei Freunde die Arme stützen zum Gebet. Friedrich Wilhelm IV. hatte schon als Kronprinz die Idee dazu gegeben. Dann wurde für Königsberg das Denkmal Immanuel Kants in Angriff genommen, des großen königsberger Weisen, dessen hagere und magere Gestalt freilich gar nichts Plastisches hatte, und würdig vollendet. Die Linke hält zugleich den Rohrstock und den dreieckigen Hut, der natürlich die Denkerstirn nicht verhüllen durfte, die rechte Hand ist wie lehrend erhoben und die ganze Stellung zeigt den Mann von Gedanken ergriffen, aber auch mit entschiedener Kraft sie fortbildend und klar machend.

Ad. Stahr äußerte sich über Rauch in einer Skizze aus Berlin (Hausbl. 1855, 17): »Es ist eine Erquickung, den herrlichen Greis zu sehen, den schönsten, den seit Göthe Deutschland aufzuweisen hat unter seinen geistigen Größen. Sein mildes, helles Auge, seine edlen Gesichtszüge, seine stattlich gerade Haltung, das reiche Silberhaar, dessen Locken das edle plastische Haupt olympisch umwallen, die sinnige schweigsame Ruhe seines Behabens – flößen auch dem Ehrfurcht ein, der nicht weiß, daß er in ihm dem ersten Bildhauer Deutschlands, ja Europa's begegnet.« – Niemand ahnte, daß schon zwei Jahre nachher diesem kraftvollen Leben das Ziel gesetzt werden sollte. Rauch ging im Herbst 1857 nach Dresden, um wegen eines körperlichen Uebels, das übrigens gar nicht gefährlich schien, sich mit einem Arzte zu berathen; aber die Krankheit brach in Dresden mit unvorhergesehener Heftigkeit aus und nach mehreren schmerzvollen Wochen starb der große Künstler am 3. Dezember.

Seine Leiche wurde nach Berlin zurückgeführt. In der Werkstatt, die er »seine Heimath« zu nennen pflegte, versammelten sich um sie, vom Prinzregenten an, die Vertreter aller Lebenskreise und geleiteten sie in langem Zuge zur letzten Ruhestätte. F. Drake, einer der ausgezeichnetsten Schüler Rauchs, hat ein herrliches Marmorstandbild des Meisters gearbeitet, das unter der Säulenhalle des älteren von Schinkel erbauten Museums in Berlin, der Statue des großen Baumeisters gegenüber, aufgestellt wurde.

Der Magistrat von Arolsen hat das Haus, worin Rauch geboren und erzogen wurde, angekauft und zu einer Wohlthätigkeitsanstalt gemacht.


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