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siehe Bildunterschrift

Galileo Galilei. Portrait von Justus Sustermans, 1636

Galileo Galilei.

Geschichte Galilei's von Jagemann (Weimar 1783). Vgl. » Vita e commercio litterario di Galilei« (2 Bände, Florenz 1821).


… »Galilei, eindringend in die ätherischen Räume, brachte ungekannte Sterne an's Licht, und erschloß die Geheimnisse der Planeten. So lange daher Jupiters wohltätiges Gestirn vom Himmel herab strahlen wird, von vier neuen Satelliten begleitet, so lange wird auch Galilei seines Jahrhunderts Lob zum steten Begleiter haben,« – so schrieb Papst Urban VIII. an Ferdinand von Medicis, Großherzog von Toskana, am 8. Juni 1624. Galilaeus aethereas plagas ingressus ignota sidera illuminavit, et planetarum penetralia reclusit. Quare dum beneficum Jovis astrum micabit coelo quatuor novis asseclis comitatum, comitem aevi sui laudem Galilaei trahet.

Es war ein höchst glückliches Zusammentreffen, daß Kepler und Galilei Zeitgenossen waren, und während jener den Grund zur astronomischen Wissenschaft legte, dieser emsig beschäftigt war, den Blick in das Sonnensystem zu erweitern und durch seine Erfindungen und Experimente der Wissenschaft eine Gasse zu machen.

Galileo Galilei ward zu Pisa im Jahre 1566 geboren. Sein Vater, Vinzenz Galilei, stammte aus edelem Geschlecht, war aber arm und konnte, da er eine zahlreiche Familie zu ernähren hatte, dem Galileo nur einen sehr mittelmäßigen Lehrer geben. Er selber war jedoch ein sehr kenntnißreicher Mann, verfaßte mehrere damals sehr geschätzte Werke über die Theorie der Musik, und in Florenz, wo er seinen Aufenthalt genommen, herrschte überhaupt viel geistige Regsamkeit, so daß es dem kleinen Galileo nicht an bildenden Einflüssen fehlte. Neben dem Studium der alten Sprachen, die er mit allem Eifer sich aneignete, bildete Musik und Malerei frühzeitig eine angenehme Erholung, und geschickte Maler versicherten, der junge Galileo habe ihnen oft mit seinen treffenden Rathschlägen genützt. Von Kindheit an hatte er auch eine große Anlage für Mechanik gezeigt, und sich oft damit beschäftigt, Modelle zu Maschinen anzufertigen.

Der Vater sah mit Freude die herrlichen Anlagen seines Sohnes, und beschloß endlich, obwohl es seinen Finanzen sehr schwer ankam, ihn auf die Universität Pisa zu senden, damit er dort Medizin studire; denn dadurch, so hoffte er, würde der Sohn am ersten sich ein selbständiges Fortkommen sichern können. Der achtzehnjährige Jüngling begann mit Lust und Ernst seine Studien; längst war in seiner Seele der Entschluß lebendig geworden, durch wissenschaftliche Tüchtigkeit seinem Geschlecht den Glanz zu erwerben, den es verloren hatte. Nicht nur das spezielle Fachstudium, sondern auch Philosophie und besonders Mathematik, zu welcher sich Galileo am meisten hingezogen fühlte, beschäftigten den aufstrebenden Geist, so daß der Vater fürchtete, das mathematische Studium möchte ihn von der Medizin entfremden. Ein Professor der Mathematik, Namens Ricci, ertheilte dem jungen Manne Privatunterricht in der Geometrie; sobald der Vater dieß erfuhr, verbot er seinem Sohne allen ferneren Umgang mit diesem Manne; aber Galileo hatte schon so viel gewonnen, daß er für sich allein den Euklid lesen und verstehen konnte. Als er bis zum sechsten Buche gekommen war, konnte er nicht länger an sich halten, dem Vater seine Liebe zur Mathematik zu bekennen, und ihn um Erlaubniß zu bitten, das medizinische Studium verlassen und ganz dem mathematischen sich widmen zu dürfen.

Vinzenz Galilei gab endlich dem heißen Wunsche des Galileo nach, der außer dem Euklid eifrig die Abhandlungen des Archimedes las. Die Methode, womit dieser alte berühmte Geometer die Mischungsverhältnisse des Goldes und Silbers durch Wägungen in der Luft und im Wasser bestimmt hatte, schien ihm so sinnreich, daß er auf Mittel sann, ihre Anwendung zu vervielfältigen, und so erfand er ein Werkzeug, das in ähnlicher Weise zu gebrauchen war wie unsere Wasserwage. Diese Erfindung verschaffte ihm schnell einen wissenschaftlichen Ruf, so daß ihn der Großherzog von Toskana zum Professor der Mathematik an der Universität Pisa ernannte, trotz seiner Jugend, denn er zählte erst 25 Jahre.

Schon als angehender Student hatte er den Philosophen, die mit blinder Vorliebe an Aristoteles hingen, den Krieg erklärt, indem er das Ungereimte nachwies, mit Philosophemen und allgemeinen abstrakten Sätzen über Dinge urtheilen zu wollen, welche die Vernunft bloß an der Hand der Erfahrung entscheiden könne. Die philosophischen Schulen des Mittelalters, an den Worten des griechischen Altmeisters klebend, ohne dessen lebendigen auf scharfe Beobachtung der Dinge gedichteten Geist sich anzueignen, fanden es freilich bequemer, auf den philosophischen Formeln herumzureiten, ohne die mühsamen Untersuchungen und Experimente, die Galilei forderte. Dieß war eben der geniale Funken, der ein so belebendes Feuer in der Wissenschaft anzündete, daß Galilei überall auf das Sehen, Beobachten und Experimentiren drang. Wie Newton später durch einen herabfallenden Apfel zur Untersuchung und Erforschung des Gesetzes der Schwere geführt wurde, so soll Galilei durch einen hin und her schwingenden Kronenleuchter in der Kathedrale von Pisa die erste Anregung zum Studium der Pendelschwingungen erhalten haben. Durch sorgfältige Beobachtung war er ferner zu dem Schluß gekommen, daß alle Körper, von welcher Beschaffenheit sie auch seien, dem Triebe der Schwere in gleicher Weise Folge leisten müßten, und daß die verschiedene Geschwindigkeit, mit der sie fielen, nur von ihrem verschiedenen Volumen und dem dadurch bedingten Widerstande der Luft herrührte. Er wies dieß nach durch Experimente, die er auf dem Domthurme zu Pisa anstellte. Zwar hatten zwei Italiener schon früher es ausgesprochen (Vachi 1454 und Benedetti 1553), daß alle Körper von derselben Höhe in gleicher Zeit herabfielen, aber es fehlten die positiven Beweise und die herrschende Schule verstand sich nicht auf das Experiment, glaubte noch immer steif und fest, ein Stein von 10 Pfund Gewicht müsse 10 Mal schneller zur Erde kommen, als ein Stein von nur 1 Pfund Gewicht, und eine goldene Kugel müsse schneller fallen als eine eiserne. Galilei bestieg den schiefen Thurm von Pisa und zeigte den ungläubigen Gegnern, nicht bloß, daß zwei Steine von verschiedenem Gewicht zugleich auf die Erde fielen, sondern daß auch ein Naturgesetz über die zunehmende Geschwindigkeit des Falles obwalte, nämlich, daß ein fallender Körper in der ersten Sekunde 15, in der zweiten 3 Mal 15, in der dritten 5 Mal 15 Fuß etc. falle, daß also in jeder folgenden Zeiteinheit die Fallräume zunehmen wie die ungeraden Zahlen, woraus dann weiter folgte, daß die Fallräume im Ganzen sich verhalten wie die Quadrate der Zeiten, daß also ein fallender Körper nach 2 Sekunden 4 Mal 15 Fuß, nach 3 Sekunden 9 Mal 15 Fuß gefallen ist.

Galilei's Erfahrungswissenschaft brachte die Anhänger der aristotelischen Schule immer mehr in's Gedränge, so daß sie, um des verhaßten Neulings sich zu entledigen, ihn auf alle Weise kränkten und ihn zwangen, schon nach drei Jahren seinen Lehrstuhl in Pisa zu verlassen. Mit schwerem Herzen wanderte der junge Professor nach Florenz (1592), wo er kaum es wagte, dem Vater, der schon so viele Opfer für ihn gebracht hatte, unter die Augen zu treten. Glücklicher Weise schlug sich ein reicher florentinischer Edelmann in's Mittel, der, Salviati mit Namen, Galilei an einen angesehenen Venetianer Namens Sagredo empfahl. Auf des letzteren Verwendung erhielt dann Galilei eine Anstellung als Professor der Mathematik zu Padua, welche Universität unter der Oberherrlichkeit des Senates zu Venedig stand. Freilich lautete die Bestallung nur auf sechs Jahre, aber es war doch der nächsten Noth ein Ende gemacht.

In Padua setzte Galilei nicht bloß seine mathematischen Vorlesungen, sondern auch seine naturwissenschaftlichen Experimente fort und fand den größten Beifall. Er schrieb für seine zahlreichen Schüler mehrere Abhandlungen über Mechanik, sphärische Astronomie und über die Befestigungskunst. Der Republik Venedig leistete er mit einer von ihm erfundenen hydraulischen Maschine, dem Verhältniß- oder Proportionalzirkel, ein für die Feldmesser und Ingenieurs damaliger Zeit höchst nützliches Instrument, manchen Dienst; deshalb ernannte ihn 1599 der Senat auf weitere sechs Jahre zum Professor, und als auch dieser Termin abgelaufen war, verlängerte man mit einer ansehnlichen Gehaltszulage die Professur auf abermals sechs Jahre.

Im Jahre 1609 (wo Kepler seinen berühmten Kommentar über den Mars herausgab) war Galilei in Venedig auf Besuch, und vernahm dort in einer Unterhaltung, daß ein Holländer dem Graf Moritz ein Instrument überreicht habe, welches entfernte Gegenstände bedeutend vergrößerte und sie dem Auge ganz nahe brächte. Viele wollten dem Gerücht gar keinen Glauben schenken, Galilei begann aber sogleich seine Untersuchung mit den Gläsern, die er zur Hand hatte. Mit den vergrößernden Eigenschaften der Linsengläser war er bereits vertraut, es kam nur darauf an, mehrere sphärische Gläser von verschiedener Form mit einander in Verbindung zu setzen An dem einen Ende einer bleiernen Röhre brachte er also ein Brillenglas an, dessen eine Seite eben, die andere konvex war, und auf der entgegengesetzten Seite ein anderes Brillenglas, auf der einen Seite konkav und auf der andern eben. Er hielt nun das Auge an das konkave Glas und sah die Gegenstände sehr groß und nahe vor sich Sie erschienen ihm dreimal näher und an der Oberfläche neunmal größer als dem unbewaffneten Auge. Das Fernrohr, wenn auch noch unvollkommen, war erfunden, und als Belohnung stellte ihm der Senat sogleich ein Dekret auf lebenslängliche Anstellung mit einem dreimal stärkeren Gehalte aus. Da der Weg geöffnet war, so wurde es dem glücklichen Manne leicht, bald ein größeres Fernrohr zu konstruiren, das die Objekte fast 1000 Mal größer und dem Auge mehr als 30 Mal näher darstellte.

Man denke sich die Freude eines gelehrten Mathematikers und Astronomen, der schon so oft das Auge auf die unendliche Sternwelt gerichtet und dabei geseufzt hatte, nicht schärfer und näher die glänzenden Pünktchen ergründen zu können. Sobald das herrliche Instrument vollendet war, richtete es sein Erfinder auch sogleich auf den Himmel. Es war am Abend des 7. Januar 1610, als Galilei sein Teleskop auf den hellschimmernden Jupiter richtete. Da sah er denn um den großen Planeten drei glänzende kleine Sterne, parallel mit der Ekliptik, zwei im Osten und einen im Westen. Er hielt sie für gewöhnliche Sterne und dachte nicht daran, ihre Entfernung zu bestimmen; aber wie erstaunte er, als er, am folgenden Abend abermals hinschauend, die drei Sterne sämmtlich an der Westseite des Planeten erblickte! Um eine solche Konstellation hervorzubringen, hätte der Jupiter eine rechtläufige Bewegung haben müssen, während sie doch nach der Berechnung rückgängig war. Der Forscher gerieth über diesen Widerspruch in nicht geringe Verlegenheit; mit großer Ungeduld erwartete er den dritten Abend, aber leider war dieß Mal der Himmel mit Wolken bedeckt! Am vierten Abend jedoch sah er wieder zwei Sterne im Osten, und diesen Umstand konnte er nicht länger mehr durch die Bewegung des Jupiters sich erklären. Er sah sich genöthigt, die verschiedene Stellung der kleinen Sterne in diesen selber zu suchen, und nachdem er noch am fünften Abend seine Beobachtungen wiederholt hatte, zweifelte er nicht, daß er drei um den Jupiter sich bewegende Planeten entdeckt habe. Zwei Tage nachher ward ihm die Freude, auch den vierten Jupiterstrabanten zu erblicken.

Diese Entdeckung – bemerkt Brewster sehr wahr – obgleich von der äußersten Wichtigkeit an sich selbst, erlangte einen neuen Werth durch das Licht, welches sie auf die richtige Erkenntniß des Weltalls warf. So lange nur die Erde der einzige von einem Monde beleuchtete Planet war, konnte man natürlicher Weise voraussetzen, daß sie allein bewohnbar sei und den Vorzug genieße, den Mittelpunkt des Weltsystems zu bilden. Aber die Entdeckung von vier um einen viel größeren Planeten sich bewegenden Monden beraubte dieß Argument seiner Kraft und setzte die Erde den andern Planeten gleich.

Galilei richtete, seine Beobachtungen fortsetzend, das Teleskop gegen die Venus und entdeckte noch im Jahre 1610 die Phasen dieses Planeten, welche ganz wie bei unsern Mondsvierteln sich darstellten. Dieser Anblick benahm ihm allen Zweifel, daß auch die Venus sich um die Sonne bewege; das ptolemäische System aber ward durch dieß Faktum noch mehr erschüttert. Nun wandte Galilei seinen Blick auf die Sonne, entdeckte ihre Flecken und folgerte daraus, daß auch der Centralkörper unsers Planetensystems sich um die Axe drehete. Am Saturn bemerkte er zwei Handhaben (die äußersten Stücke des Ringes), aber den Ring vermochte er mit seinem Instrumente noch nicht zu schauen, sowenig als die kleinen Trabanten des Saturn. Besonders überraschend war der Blick auf den Mond; da sah er, was bisher keinem sterblichen Auge zu schauen vergönnt war, eine große von hohen Bergen und tiefen Thälern durchschnittene Fläche und auch blieb ihm das sonderbare Faktum der Schwankung (Libration) nicht verborgen, durch welches Theile des Randes seiner Scheibe gelegentlich erscheinen und verschwinden. Der Nebel der Milchstraße löste sich auf in zahllose kleine Sterne, der ganze Himmel erschien aus lichten Welten zusammengesetzt, und doch war die Entfernung der Fixsterne so groß, daß sie nur heller, nicht größer erschienen.

Im März 1610 veröffentlichte Galilei seine bis dahin gemachten astronomischen Entdeckungen in einer zu Venedig gedruckten Schrift, die er Nuntius sidereus Bote der Gestirne. nannte und dem Großherzog von Toskana, Kosmus II., widmete.

Man kann sich denken, daß unter den Gelehrten und Astronomen – Galilei's Buch ward alsbald in Frankreich und Deutschland nachgedruckt – die außerordentlichen Entdeckungen nicht geringen Eindruck machten. Die meisten der naturkundigen Herren schüttelten den Kopf und wollten sie für bloße Phantasiespiele erklären; einige gingen so weit, daß sie sich weigerten, durch ein Fernrohr zu sehen. Andere, welche wenigstens Galilei's Erfindung des Fernrohrs anerkennen mußten, meinten doch, er sei im Grunde erst durch den Aristoteles darauf hingeführt worden, da der griechische Gelehrte schon erklärt habe, man könne aus einem tiefen Brunnen am hellen Tage die Sterne sehen. Der Brunnen oder die Grube sei so viel wie die Röhre und die aufsteigenden Dünste entsprächen den Gläsern, denn die Lichtstrahlen, wenn sie durch ein dichtes und dunkles Mittel gingen, würden dem Auge empfindbarer. Galilei erzählte diese Aeußerungen mit vielem Behagen in einem Briefe an Kepler, dem er seinen Dank aussprach, daß derselbe fast der einzige gewesen sei, welcher der neuen Wahrheit Glauben geschenkt habe.

Kepler, als er den Nuntius sidereus erhielt, war nicht wenig erfreut, seine wirklichen und wesentlichen Entdeckungen vollkommen bestätigt zu finden, während seine noch auf dem alten Glauben beruhenden Ansichten von der Harmonie der Sphären einen harten Stoß erlitten. Wie eine klar erkannte Wahrheit viele andere aus sich erzeugt, sah man auch hier. Kepler machte in der Dissertation, welche er über Galilei's Entdeckung herausgab, sogleich den Satz wahrscheinlich, daß Jupiter sich um seine Axe drehe, daß man über kurz oder lang auch um den Saturn und Mars sich drehende Monde erblicken würde. Ist auch diese Hoffnung nicht ganz in Erfüllung gegangen, so hat sie sich doch zum größten Theile bestätigt.

So groß die Fruchtbarkeit war, mit welcher Galilei eine Entdeckung und Erfindung an die andere reihete, so groß war sein praktisches Talent, das jede wissenschaftliche Eroberung sogleich zu verwerthen wußte. Er begnügte sich nicht damit, die Bewegungen und Verfinsterungen der Jupiterstrabanten bloß zu beobachten, sondern er wandte sie an zur Bestimmung der Länge für den Seefahrer, und Galilei's astronomische Beobachtungen haben der Anfertigung von Tabellen zum Gebrauch der Schiffer großen Vorschub geleistet.

Im April 1611 reiste Galilei, einer Einladung folgend, auf vier Wochen nach Rom und zeigte dort mehreren Kardinalen und wißbegierigen Freunden seine Entdeckungen am Himmel, auch die Flecken in der Sonne. Dieser Besuch erwarb ihm manchen Freund und Gönner in Rom, und selbst unter den Jesuiten traten gelehrte Mathematiker, wie Klavius, auf seine Seite und berichteten zu seinen Gunsten an den Kardinal Bellarmin, der sie über des Naturforschers Entdeckungen befragte. Der Kardinal del Monte erklärte sogar in einem Schreiben an den Großherzog von Toskana, daß, wenn Galilei zur Zeit der römischen Republik gelebt hätte, man ihm eine Ehrensäule auf dem Kapitol errichtet haben würde. Doch fehlte es schon damals nicht an solchen, die den glücklichen Forscher beneideten und ihn in den Verdacht der Ketzerei zu bringen suchten, da sie ihm auf dem Boden der Wissenschaft nichts anhaben konnten.

Wegen seiner Entdeckungen am Himmel bekam Galilei den Zunamen Linceus, von dem wegen seines scharfen Gesichts berühmten Argonauten. Ferner stiftete der Marchese Monticelli eine Akademie dei Lincei und machte Galilei zum Mitgliede.

Die Republik Venedig hatte den berühmten Mathematiker und Astronomen mit vielen Gunstbezeigungen erfreut, und wenn Galilei hätte ahnen können, was später sich begeben würde, so würde er auch wohl Pavia nicht verlassen haben, wo ihm die vollste Freiheit für seine Forschungen gelassen ward. Aber der Großherzog von Toskana, Kosmus II., sein Landesherr, wollte durchaus den Galilei als »großherzoglichen Mathematiker« in Florenz um sich sehen; er versprach dem Naturforscher die unbedingteste Muse und Unterstützung für seine astronomischen Beobachtungen und Galilei folgte dem Rufe. Sein großherziger Beschützer schien die sicherste Gewähr dafür, daß er nun sein Leben ganz der Verkündigung der Wahrheit widmen könnte; doch die Geistlichkeit in Toskana dachte anders. Sie stellte seine Entdeckungen in Abrede, schalt ihn einen Gottvergessenen und feindete ihn auf alle Weise an. Dem Klerus schien durch solche Naturforscher wie Galilei der Glaube an die kirchlichen Dogmen gefährdet und der freien Wissenschaft zu viel eingeräumt. Galilei ward beim heiligen Stuhl angeklagt, daß er Lehren verbreite, welche den Worten der heiligen Schrift geradezu widersprächen. Alsbald folgte eine Vorladung vor die Inquisition zu Rom. Der Großherzog von Toskana fühlte sich zu sehr von Rom abhängig, um öffentlich die Partei seines geschätzten Mathematikers zu nehmen; aber insgeheim suchte er für den Beklagten die Gemüther der Kardinäle günstig zu stimmen. Das aus lauter Theologen zusammengesetzte Kollegium, das den Galilei richten sollte, that den Ausspruch: »Die Erde steht im Mittelpunkt der Welt, und zwar fest; die entgegengesetzte Meinung ist abgeschmackt, philosophisch unrichtig und ketzerisch.« Doch wurde Galilei für dieß Mal mit einem bloßen Verweise entlassen, mußte aber versprechen, seine verdammte Meinung ein für alle Mal aufzugeben. Um Rache an seinen bornirten Richtern zu nehmen, kehrte Galilei mit dem Vorsatze nach Florenz zurück, seine »Gespräche« zu schreiben, worin er drei Personen über die brennende Frage verhandeln ließ. Simplicius hieß der eine, welcher, ein Anhänger der aristotelischen Philosophie, nur das ptolemaische Weltsystem anerkennen, von einer Axendrehung der Erde aber durchaus nichts wissen wollte. Salviati und Sagredo (die beiden Freunde Galilei's) hießen die beiden andern Sprecher, die als gebildete Laien eingeführt werden, welche an keinem Systeme hängen und keine Vorurtheile mitbringen, dagegen Alles prüfen, bevor sie es annehmen. Gegen diese ereifert sich Simplicius ganz in der Weise der Scholastiker und weiß immer nur mit der Autorität des Aristoteles seine Aussagen zu stützen. Diese so berühmt gewordenen Gespräche wurden unter dem Titel: » Dialogo di Galileo Galilei; dove ne congressi di quattro giornate si discorre de due massimi sistemi, Tolemaico et Copernicano« (Florenz 1632) herausgegeben. Dialog über die zwei größten Systeme der Welt, das ptolemaische und kopernikanische.

Zuvor mußte die Erlaubniß der Zensur eingeholt werden. Galilei reiste im Jahr 1630 nach Rom, legte sein Werk dem Zensor dreist als eine Sammlung wissenschaftlicher Kontroversen zur Unterhaltung und zum Scherz geschrieben vor, und der Prälat, welcher mit den eifrigen Reden des Simplicius zufrieden sein mochte, ertheilte die nachgesuchte Erlaubniß. Als der Verfasser diese in Händen hatte, bat er sich das Manuscript wieder aus, um es in Florenz drucken zu lassen. Dadurch ward das Mißtrauen des Zensors erregt, der nun seinerseits das imprimatur wieder zurückzog, so daß Galilei sein Werk nun ohne römische Zensur in Florenz zum Druck brachte. Kaum aber war das Werk erschienen, als der Sturm losbrach. Die Angegriffenen merkten die Ironie; besonders wüthete Scipione Chiaramonti, Lehrer der Philosophie zu Pisa, auch Papst Urban VIII., der früher ein Verehrer Galilei's gewesen, wurde nun sein unversöhnlicher Verfolger, da ihn die Mönche zu überreden wußten, er sei unter dem Simplicius gemeint und spotte seiner Einfalt, daß er den Druck eines so anstößigen Buches erlaubt habe. Unter solchen Umständen ward es den Widersachern Galilei's leicht, ihn den schimpflichsten Mißhandlungen preis zu geben, da überdieß noch sein Gönner, Kosmus II., gestorben und die Regierung in die Hände des jungen und schwachen Ferdinand II. übergegangen war.

Es trat abermals eine Versammlung von Kardinälen, Mathematikern und Mönchen, sämmtlich dem Naturforscher feindlich gesinnt, zusammen, untersuchten seine Schrift, verdammten sie als höchst gefährlich und beschieden ihn abermals vor das Inquisitionsgericht zu Rom. Galilei, ein Greis von 69 Jahren und noch dazu krank, mußte in Person sich stellen, und durfte die Reise nicht aufschieben. Sobald er in Rom angekommen war, besuchte ihn Pater Lancio, der oberste Kommissär des Inquisitionsgerichts, um ihn auf gütlichem Wege zum Widerruf seiner Lehren zu bewegen. Galilei sprach: Ich bin gern dazu bereit, wofern mir bewiesen wird, daß ich Unrecht habe! Dieß vermochte Pater Lancio nicht, und da er durch die Gründe des Astronomen sehr in die Enge getrieben ward, rief er fast wüthend: Terra autem stabil in aeternum, quia terra in aeternum stat! (Die Erde wird in Ewigkeit still stehen, weil die Erde ewig still steht!) Das Inquisitionsgericht wollte ebenso wenig als Pater Lancio auf wissenschaftliche Gründe hören, und hatte als einziges Argument bloß die Stelle in Bereitschaft, wo es in der Bibel bei Josua heißt: »Sonne stehe still zu Gibeon, und Mond im Thal Ajalon!«

Galilei, körperlich angegriffen und erwägend, daß an diesem Ort keine Vertheidigung möglich sei, war schwach genug, vor unwissenden Mönchen und neidischen Gelehrten (am 22. Juni 1633) seine »ketzerische Meinung« mit folgenden Worten abzuschwören: »Ich Galilei, der ich in mein 70stes Lebensjahr trete, als Gefangener zu den Füßen Eurer Eminenzen liege und das heilige Evangelium mit meiner Hand berühre: verfluche, verschwöre und verabscheue hiermit den Irrthum und die Ketzerei von der Bewegung der Erde.« Nach dieser Abschwörung soll er, mit dem Fuße stampfend, halblaut die Worte gerufen haben: E pur si muove! (und doch bewegt sie sich!) Sein Buch aber wurde als ketzerisch verbrannt und der Verfasser auf unbestimmte Zeit zur Gefängnißstrafe verurtheilt. Und doch war schon längst zuvor das kopernikanische System von vielen frommen Gliedern der katholischen Kirche angenommen worden, und sogar mehrere Prälaten hatten es öffentlich vertheidigt. Kurz vor der ersten Verfolgung Galilei's hatte ein neapolitanischer Edelmann, Vizenzio Karaffa, ein auch durch seine Frömmigkeit ausgezeichneter Mann, einen gelehrten Karmelitermönch ersucht, Namens Foscari, das neue System des Weltalls zu erläutern, und dieser hatte in einer Flugschrift mit der größten Freimüthigkeit die Partei des kopernikanischen Systems genommen. Aber Galilei wurde in Ketten geworfen. Drei Jahr lang sollte er wöchentlich ein Mal die 7 Bußpsalmen Davids beten. Doch blieb er, da mehrere hohe Personen für ihn baten, nur vier Tage im Kerker, und wurde dann in den Palast des toskanischen Gesandten geführt, wo es ihm nicht an Bequemlichkeit fehlte. Auch war man so gnädig, an die Stelle der Kerkerstrafe die Verweisung in den bischöflichen Palast zu Siena treten zu lassen. Dort setzte er seine Forschungen über den Widerstand der festen Körper fort. Nach fünf Monaten ward ihm gestattet, seine Wohnung in dem Kirchspiel von Arcetri, nahe bei Florenz zu nehmen, um seiner Familie näher zu sein. Aber Florenz selber durfte er noch nicht betreten.

Es folgte nun aber ein trauriges Schicksal auf das andere. Kaum war er in seine Wohnung zu Arcetri zurückgekehrt, so ward seine Lieblingstochter Maria von einer gefährlichen Krankheit ergriffen, die sie in kurzer Zeit hinraffte. Er selbst wurde von verschiedenen Leiden des Alters heimgesucht und ganz schwermüthig; er bat um Erlaubniß, sich der ärztlichen Hülfe willen in die Stadt Florenz begeben zu dürfen, aber dieses ward ihm abgeschlagen, und erst 1638 gestattete ihm der Papst, Florenz unter Begleitung eines Inquisitionsbeamten zu besuchen. Doch schon nach zwei Monaten mußte er wieder nach Arcetri zurück. Niedergebeugt von der Last der Jahre und von Widerwärtigkeiten aller Art hatte er aber doch keinen Tag unbenutzt gelassen, um seine wissenschaftlichen Untersuchungen fortzusetzen, und namentlich an den Tafeln über die Trabanten des Jupiters zu arbeiten. Seit dem Jahre 1636 war sein rechtes Auge erblindet, im folgenden Jahre auch das linke Auge mit dem gleichen Uebel befallen. Endlich versagten auch die Ohren ihren Dienst, und dennoch blieb der Greis thätig mit seinem rastlosen Geiste. »In meiner Finsterniß,« schreibt er vom Jahre 1638, »grüble ich bald diesem, bald jenem Gegenstände der Natur nach, und kann meinen nie rastenden Kopf nicht zur Ruhe bringen, so sehr ich es auch wünsche. Diese immerwährende Thätigkeit meines Geistes raubt mir fast ganz den Schlaf.« Er starb am 8. Januar 1642, am Geburtstage Newtons, im 78. Jahre seines Alters, in den Armen seines jüngsten und dankbarsten Schülers, Vizenzo Viviani. Sein Körper wurde in der Kirche St. Croce in Florenz beigesetzt, wo ihm ein Jahrhundert später (1737) neben Michel Angelo ein prächtiges Denkmal errichtet ward.

Galilei war klein von Gestalt, sonst aber von festem Körperbau. Seine Gesichtsbildung war einnehmend, sein Umgang sehr munter und angenehm, seine Gastfreundschaft stets warm und herzlich. Obgleich er sehr einfach lebte, fand er doch Geschmack an einem Glase guten Weins, und selbst in seiner letzten Lebenszeit war er besorgt, die Ehre seines guten Weinkellers aufrecht zu erhalten. Sein ganzes Leben hindurch blieb er ein Liebhaber der Musik, Malerei und Poesie. Er schrieb einen höchst fließenden und bündigen Styl. Den Ariosto konnte er auswendig, und zog ihn weit dem Tasso vor, den er scharf kritisirte. Seine Bibliothek war sehr klein; sein bestes Buch, sagte er, sei die Natur.

Die vollständige Ausgabe von Galilei's Werken erschien zu Mailand (1803) in 13 Bänden; enthielt aber doch manche Lücken, die erst in der neuesten 1842 begonnenen: Opere di Galileo Galilei prima edizione completa etc., von Professor Alberi in 15 Bänden veranstaltet, beseitigt wurden.


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