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siehe Bildunterschrift

James Watt

James Watt.

Vgl. The origin and Progress of the Mechanical Inventions of James Watt, illustrated by the Correspondence of his Friends, and the Specifications of his Patents, by James Patrick Muirhead, Esq. M. A. 3 vol. London, 1854. Arago, Eloge historique de James Watt (gelesen 1834 in der Akademie) Revue britannique 1855, XVIII.

Jakob Watt, ein Napoleon des Friedens, in gutem Sinne, ein Revolutionsheld, der mit seiner Dampfmaschine das ganze europäische Leben von Grund aus umgestaltet hat und nachhaltiger als jener Kriegsgott sich die Eroberungen sicherte, ward am 19. Januar 1736 zu Greenock in Schottland geboren, wo sein Vater zu gleicher Zeit das Geschäft eines Lieferanten von Geräthen und Werkzeugen für die Schifffahrt, eines Bauunternehmers und Kaufmanns betrieb. Der Vater starb 1782, in einem Alter von 84 Jahren; er hat sich ausgezeichnet durch eifrige Beförderung gemeinnütziger Unternehmungen. James, der ältere seiner beiden Söhne, war von so zarter Leibesbeschaffenheit, daß seine Eltern Anstand nahmen, ihm irgend eine anstrengende Beschäftigung zuzumuthen, und ihn meist selber unterrichteten, obwohl er hier und da auch wohl die Volksschule der Stadt besuchte. Durch seine Kränklichkeit fast immer in die Stube gebannt, mußte der Knabe darauf denken, sich dort Unterhaltung zu verschaffen; bei der großen Regsamkeit seines Geistes machte er aus seinen Spielen Studien, und kaum sechs Jahre alt sah man ihn eines Tages auf dem Fußboden ausgestreckt, wo er mit Kreide die Figur zu einem geometrischen Lehrsatz gezeichnet hatte. Sobald er sich im Besitz der nöthigen Werkzeuge sah, bediente er sich derselben mit der größten Geschicklichkeit, um das Spielzeug seiner Gefährten auszubessern und sich selber neues zu machen. Ein wahres Fest für ihn und seine Spielkameraden war es, als ihm die Zusammensetzung einer kleinen Elektrisirmaschine gelungen war, die selbst das Erstaunen der Erwachsenen erregte. Eines Abends saß er am Theetisch an der Seite seiner Tante, sah und hörte aber weder diese noch die übrige Gesellschaft, so daß ihm die Tante etwas unwillig sagte: »Nimm doch lieber ein Buch zur Hand, James! denn seit einer Stunde hast du weiter nichts gethan, als den Deckel von der Theekanne abzuheben und wieder aufzusetzen. Wer wird doch so die Zeit vertändeln!« Der Knabe hatte jedoch seine Zeit nicht verträumt, sondern mit der größten Aufmerksamkeit die Thätigkeit des Dampfes beobachtet, der aus der Theekanne aufstieg, und indem er bald eine Untertasse, bald einen Löffel in den Dampfstrom hielt, sich über die Tropfen gewundert, die auf der glatten Fläche des Porzellans oder des blanken Metalls sich bildeten. Es hatten sich in diesem Momente die ersten Keime jener Idee in seinen Geist gesenkt, die, nachdem sie sein eigenes Glück begründet, das Schicksal von Millionen bestimmen sollte, – die Idee der Verdichtung des Dampfes in einem besondern Gefäß.

Seine Eltern gingen mit ihm zur Stärkung seiner Gesundheit an die malerischen Ufer des Loch-Lomond; dort, inmitten einer großartigen Gebirgswelt, fand der Knabe Gelegenheit, Pflanzen und Steine kennen zu lernen, nebenbei aber auch im Verkehr mit den Hochschotten den Sagen und Balladen dieser Bergbewohner zu lauschen. Erfrischt und gestärkt kehrte er nach Greenock zurück und warf sich nun mit größtem Eifer auf das Studium der exakten Wissenschaften. Die Chemie und chemische Experimente nahmen den größten Theil seiner Zeit in Anspruch; die »mathematischen Elemente der Naturwissenschaften« von S. Gravesand, Professor zu Leyden, öffneten ihm den Eingang zu allen Theilen der Physik und bildeten für ihn eine unerschöpfliche Quelle des Nachdenkens. Bei seiner Kränklichkeit fühlte er sich auch von der Medizin und Chirurgie sehr angezogen und beschäftigte sich damit, so viel er von seiner Zeit erübrigen konnte. Einst überraschte man ihn sogar, wie er den Kopf eines an unbekannter Krankheit gestorbenen Kindes in sein Zimmer trug, um ihn zu öffnen und zu untersuchen.

Man hätte von so außerordentlichem Triebe nach Erkenntniß erwarten sollen, daß Watt sich irgend einem wissenschaftlichen Studium widmen würde; dem war aber nicht so. Bald erwachte die alte Lust zur Mechanik wieder und errang den Sieg über die Wissenschaft. Der Jüngling entschied sich in aller Demuth für das Gewerbe eines Verfertigers von mathematischen Instrumenten, und um sich dazu auszubilden, machte er sich unter Schutz und Geleit eines Verwandten, des Kapitän Marr, am 7. Juni 1755 nach London auf den Weg. Die beiden Reisenden waren zu Pferde, und um die Thiere nicht übermäßig anzustrengen, brauchten sie bis zur Ankunft in der Hauptstadt volle zwölf Tage. Der angehende Ingenieur ahnte es damals noch nicht, daß durch ihn dieser Weg auf zwölf Stunden verkürzt werden sollte.

In London wollte es ihm anfangs nicht gelingen, einen Lehrmeister zu finden; endlich verständigte er sich mit einem Mechanikus, Namens John Morgan, der ihn gegen ein Entgelt von 20 Guineen für ein Jahr in die Lehre nahm. Watt benutzte seine Zeit so gut, daß er trotz der engen finstern Wohnung doch die feinsten Instrumente liefern konnte, von denen die Wissenschaft Gebrauch macht, und nach Jahresfrist, wie er gekommen, zu Pferde in seine schottische Heimath zurückkehrte, vollkommen befähigt, eine mechanische Werkstatt in Gang zu bringen.

Zunächst fand er Arbeit in Glasgow, wo man ihm auftrug, die astronomischen Instrumente, die auf einer Reise nach Jamaika beschädigt worden waren und die ihr Besitzer der Universität geschenkt hatte, wieder in Stand zu setzen. Watt löste seine Aufgabe zur größten Zufriedenheit der gelehrten Körperschaft und entschloß sich, seine mechanische Werkstatt in Glasgow zu eröffnen. Da er aber weder der Sohn eines glasgower Bürgers war, noch als Lehrling an irgend einer Zunftgenossenschaft Antheil hatte, widersetzten sich die »Privilegien« seinem Vorhaben, und nur mit Mühe gelang es den Professoren, ihm eine Werkstätte in dem Universitätsgebäude selber zu verschaffen. Da arbeitete er nun als Universitäts-Mechanikus, still und zurückgezogen, mehrere Jahre lang mathematische und astronomische Instrumente. Unter den Studirenden zu Glasgow befand sich ein ausgezeichneter Mann, John Robinson, der mit Vorliebe Astronomie trieb und von den trefflichen Instrumenten entzückt nach der Bekanntschaft mit ihrem Urheber verlangte. Er besuchte Watt in seiner Werkstatt, und war nicht wenig erstaunt, in dem Mechanikus einen Mann zu finden, der ihm wissenschaftlich nicht bloß gewachsen, sondern überlegen war. Er berichtet: »Alle jungen Männer, welche von Liebe für wissenschaftliche Fortbildung beseelt waren, hatten mit Herrn Watt Bekanntschaft gemacht; seine Stube war das allgemeine Stelldichein. Wenn uns irgend eine Schwierigkeit aufstieß, von welcher Art sie auch sein mochte, suchten wir flugs unsern Künstler auf. Hatte er einmal einen Gegenstand angegriffen, so ruhte er nicht eher, bis er ihn durch das sorgfältigste Studium ergründet hatte. Mochte die Unterhaltung sich auf Sprache, alte Geschichte, Naturgeschichte, Poesie oder Aesthetik wenden oder auf das Fach eines Civil- und Militär-Ingenieurs: er war überall sattelfest und im Stande, uns zu belehren. Es gab wenig Unternehmungen, wie Kanalbauten, Flußregulirungen u. dgl., wobei nicht Mr. Watt zu Rathe gezogen wurde, obwohl sie eigentlich nicht in sein Fach gehörten.«

So geschah es denn in einer jener Zusammenkünfte, daß Dr. Robinson seine Idee vortrug, die Dampfkraft zur Radbewegung anzuwenden; das war ein Funken, der plötzlich eine ganze Gedankenreihe in Watt's Kopfe erhellte und in Bewegung setzte Dr. Robinson ward nach Petersburg berufen und hatte keine Zeit, seine Idee weiter zu verfolgen, aber der Mechanikus machte sich (1761-1762) sogleich an's Werk und konstruirte das Modell zu einer Maschine. Robinson hatte den Plan angegeben, daß, wenn man den Dampfmotor mit den Rädern in Verbindung setzte, der Dampfcylinder so angebracht werden müßte, daß seine Oeffnung an das hinterste Ende zu liegen käme, um die Anwendung des Hebels ( balancier) zu vermeiden. »Ich begann deshalb,« schrieb Watt, »ein Modell anzufertigen mit zwei Blechcylindern, um wechselweis auf- und abwärts auf zwei Kolbenstangen zu wirken, die an der Axe der Wagenräder befestigt waren. Aber das Modell, zu leicht und mit zu wenig Sorgfalt gebaut, entsprach nicht meinen Erwartungen. Es entstanden neue Schwierigkeiten. Robinson und ich bekamen andere Arbeiten, die gethan werden mußten, und da uns das rechte Prinzip der Maschine noch nicht bekannt war, so ward der Plan wieder aufgegeben.«

Es war bereits zwei Engländern, einem Messerschmied Thomas Newcomen und einem Glaser John Cowley gelungen, den sogenannten Papinianischen Topf (in welchem, hermetisch verschlossen, das in Dampf verwandelte Wasser Knochen zu Brei kocht), zu einer mit Kolben wirkenden Maschine zu erheben. Doch die Newcomen'sche Maschine blieb noch sehr unvollkommen, da bei der Verdichtung des Dampfes im Cylinder viel Wärme verloren ging und doch nie eine vollständige Abkühlung erreicht werden konnte.

Nun geschah es, daß Watt von der Glasgower Universität das Modell einer solchen Dampfmaschine zur Ausbesserung erhielt. Er sah, daß nur dadurch so viel Hitze verloren ging, mithin so viel Feuerstoss verschwendet wurde, daß man die Dämpfe in demselben Cylinder verdichtete, in welchem der Kolben sich bewegte. Dasselbe Wasser, welches die Dämpfe kondensirte, mußte auch den gußeisernen Cylinder abkühlen; wenn nun in diesen neuer Dampf geleitet wurde, so wurde ein Theil von dessen Hitze wieder verbraucht, um den kühl gewordenen Cylinder zu erhitzen. Um diese Verschwendung zu vermeiden, nahm Watt einen hölzernen Cylinder, nachdem er das Holz mit Leinöl getränkt hatte. Dabei wurde allerdings die schnelle Abkühlung verhütet, aber immer noch viel zu viel Dampf verschwendet, und das Holz erwies sich als ein unpraktischer Stoff. So kam er denn auf den glücklichen Einfall, in einem Behälter getrennt vom Cylinder (worin das Wasser in Dampf verwandelt wurde) den Dampf zu verdichten, so daß nun gar nicht mehr nöthig war, den Cylinder durch kaltes Wasser abzukühlen. Dr. Robinson kam gerade in seine Werkstatt, als Watt seinen zweiten Behälter von Eisenblech gefertigt hatte, und ihn genau untersuchend auf seinen Knieen hielt. Nach langem Nachdenken rief er lebhaft: »Nun brauchen Sie sich nicht mehr den Kopf zu zerbrechen, mein Lieber! wie wir den Dampf sparen wollen. Ich habe eine Maschine zusammengesetzt, in der kein Dampfatom verloren gehen soll. Es wird brennend heiß werden, ja, und noch dazu mit warmem Wasser benetzt!«

Damit war der erste entscheidende Schritt geschehen, der Watt's Namen unsterblich machen sollte. Er nahm 1768 ein Patent auf seine neue Erfindung, und verband sich mit dem kenntnißreichen Dr. Roebuck, zur Gründung einer Gesellschaft für Fabrikation dieser neuen »Feuermaschinen«, wie man sie nannte. Aber bald zeigte sich's, daß ihre Geldmittel dazu nicht ausreichten, und Watt war schon im Begriff, seine Entwürfe wieder aufzugeben, als Boulton, der große Manufakturist in Birmingham, sich in's Mittel schlug. Seinem Scharfblick war die große Bedeutung der neuen Erfindung nicht entgangen, er hatte die Mittel und den Muth, keine Geldopfer zu scheuen, um sie praktisch zu verwerthen. Er zahlte Dr. Roebuck den geleisteten Vorschuß zurück, vergütete ihm den Verlust, und zog Watt nach Birmingham. In Soho, nahe bei Birmingham, besaß Boulton sein großes Fabriketablissement, wo Metallarbeiten der verschiedensten Art verfertigt wurden. Die neue Erfindung sollte zunächst den Bergwerkbesitzern zu Gute kommen, die mit vielen Unkosten ihre Steinkohlen zu Tage förderten. Da die bisherigen Maschinen nicht geändert werden konnten, mußten ganz neue nach Watt's Idee gebaut werden, was nun zu Soho geschah. Die ersten Werke wurden in den Bergwerken zu Cornwall, wo die Steinkohlen sehr theuer sind, in Anwendung gebracht und erwiesen sich sogleich als höchst brauchbar. Dem Erfinder war ein Drittel der durch seine Maschine ersparten Kohlenmenge zugesichert. Es kamen von allen Seiten Bestellungen, selbst vom Auslande. Nun mußte Watt und Boulton daran liegen, nicht bloß eine Verlängerung ihres Privilegiums zu erhalten, sondern auch auf Verbesserungen zu denken, damit ihre Maschinen den nachgeahmten überlegen blieben. Das Parlament, nach einer Debatte, die anfangs der Erfindung nicht günstig zu werden schien, bewilligte doch endlich ein Privilegium auf 25 Jahre. Auch der König von Frankreich, Louis XVI., ertheilte 1778 ein Patent für die Fabrikation und den Verkauf der Maschinen in Frankreich, und 1779 brachten die Brüder Perrier eine in Soho verfertigte Maschine nach Paris zur Anwendung bei der Wasserleitung. Die französischen Mechaniker kamen auf mehrere Verbesserungen, und schrieben sich dann die Ehre der Erfindung der ganzen Maschine zu.

Watt aber blieb bei seinem ersten Schritte nicht stehen, sondern that einen zweiten noch viel erfolgreicheren. Bis 1780 war die Dampfmaschine nur zur Hebung des Wassers benutzt, und wenn man sie bei Mühlwerken anwenden wollte, mußte das durch sie gehobene Wasser erst auf ein oberschlächtiges Rad gebracht werden, wobei abermals viel Kraft verloren ging. Watt erfand die zweite große Verbesserung, die unmittelbar zur Umgestaltung der ganzen Mechanik und mittelbar der ganzen socialen Welt führte durch das außerordentliche Ergebniß, daß fortan die Kraft von drei Millionen Menschen durch Dämpfe ersetzt wird und daß durch die Dämpfe Wirkungen hervorgebracht werden, welche auf keine andere Weise hervorzubringen sind. Die Aufgabe bestand darin, an die geradlinige auf- und abgehende Bewegung des Kolbens die ununterbrochene Radbewegung zu knüpfen, und Watt löste sie, indem er, das gewöhnliche Spinnrad zum Vorbilde nehmend, das sogenannte »Planetenrad« erfand, nachdem er es zuvor mit der bloßen Kurbel versucht hatte. Er erzählt darüber: »Zahlreiche Projekte gingen mir durch den Kopf, aber keins schien mir geeignet, mich zu dem Ziele zu führen, das mir vorschwebte; nämlich mit Anwendung einer einfachen Kurbel nach Art des Scheerenschleiferrades, das mit dem Fuße in Bewegung gesetzt wird, die Radbewegung hervorzubringen. Der Schleifstein läuft da fort, auch wenn der Fuß sich wieder erhoben hat in Folge der Geschwindigkeit, welche der Stein erhalten hat, die wie ein Schwungrad wirkt. Meine Absicht ging also dahin, meiner Maschine ein Schwungrad hinzuzufügen, dessen Gewicht fähig wäre, die Bewegung während des Aufsteigens des Kolbens fortzusetzen. Ich schlug daher vor, zwei Maschinen in Anwendung zu bringen, die auf zwei an derselben Axe befestigte Kurbeln wirken und unter sich einen Winkel von 120° bilden.« Das Experiment gelang vollkommen und übertraf sogar die gehegten Erwartungen. Aber da der Erfinder versäumt hatte, ein Patent darauf zu nehmen, ward er von einem Arbeiter hintergangen, der an der Konstruktion des Modells half und kurze Zeit nachher mit einem Patent auf seinen Namen (Stael) hervortrat, lautend auf die Anwendung der Kurbel bei Dampfmaschinen.

Watt, hierdurch um die Frucht seines freilich höchst einfachen Mechanismus gebracht, vervollkommnete nun sogleich seine Erfindung selber durch den bereits erwähnten Mechanismus der »Planetenräder«, auch »Sonne und Planeten« genannt, und fügte dazu noch das sogenannte »Parallelogramm« oder die rahmenförmige Verbindung von kurzen Eisenstangen, wodurch die Kolbenstange möglichst senkrecht geführt wird. Und um den Dampfzufluß aus dem Kessel zur Maschine nach Umständen zu reguliren, führte er das Centrifugalpendel ein, brachte auch Manometer und andere »Anzeiger« (Indikatoren) an, um in Kessel, Kondensator und Cylinder die Spannung des Dampfes messen zu können – so daß bei den jetzigen höchst vollkommenen Maschinen keine Einrichtung ist, die nicht auf eine Idee Watt's zurückgeführt werden könnte. Watt's erste Maschinen waren solche, in welchen der Dampf nur das Niedergehen des Kolbens erzeugte, oder einfach wirkende, der Aufgang hingegen dadurch hervorgebracht wurde, daß man, wenn der Kolben den Boden des Cylinders erreicht hatte, den Dampfzufluß absperrte, während der vorher eingeführte Dampf sowohl über als unter den Kolben trat, der Druck sich also aufhob. Ein am andern Ende des Balanciers angebrachtes Gegengewicht nebst dem daselbst zum Wasserheben befindlichen Pumpengestänge konnte daher das Aufsteigen des Kolbens leicht bewirken.
Die Mängel dieser einfach wirkenden Dampfmaschine beseitigte Watt durch seine doppelt wirkende Maschine, an der der Dampf sowohl das Auf- als das Niedergehen des Kolbens bewirkt und das Gegengewicht ganz unnöthig wird.

Während sich das Genie Watt's besonders in der Verbesserung der Dampfmaschinen hervorthat, unterließ der rastlose Geist es nicht, auch auf anderen Gebieten neue Erfindungen zu machen. Im Jahre 1765 hatte er eine Maschine erfunden zur Zeichnung der Perspektive; 60 bis 80 Instrumente der Art verfertigte er selbst, um sie zu verschenken. Im Jahre 1770 erfand er die sehr sinnreichen Mikrometer zur Messung der Entfernungen. Im Jahre 1780 trat er mit seiner Kopirmaschine hervor. Der berühmte Darwin äußerte in einem wissenschaftlichen Verein, dessen Mitglied auch Watt war, daß er sich eine Feder ausgedacht habe, die mit doppeltem Schnabel versehen wohl im Stande sein könnte, zwei Sachen auf Ein Mal zu schreiben, so daß man zu gleicher Zeit einen Brief im Original schreiben und die Kopie davon anfertigen würde. Watt antwortete sogleich: »Ich hoffe, Ihnen noch eine bessere Lösung des Problems vorlegen zu können!« Und am folgenden Tage hatte er schon seine Kopirpresse zu Stande gebracht. In Glasgow hatte sich eine Gesellschaft gebildet, die auf dem rechten Ufer der Clyde eine große Wasserkunst einrichtete, um sämmtliche Häuser von Glasgow mit Wasser zu versehen. Als die Gebäude errichtet waren, entdeckte man auf dem entgegengesetzten Ufer eine Quelle, die ein vorzügliches Wasser darbot. Die Baulichkeiten standen aber einmal auf der andern Seite, und so dachte man darauf, eine Röhre von strenger Spannung, deren Mündung das quellende Wasser aufsog, herüberzuleiten. Doch der Balken, der ein solches Rohr zu tragen hatte, war schwer auf dem schlammigen Boden anzubringen, der oft mehrere Fuß hoch mit Wasser bedeckt war. Man zog Watt zu Rathe, und dieser war mit der Antwort schon bereit. Er hatte vor einigen Tagen bei Tische einen Hummer betrachtet, dessen vielgegliederter Schwanz ihn auf die Idee brachte, aus Eisen einen Hummerschwanz im Großen zu konstruiren, durch welchen das Wasser übergeführt werden könnte. Diese gegliederte Röhrenleitung war im Stande, allen künftigen Veränderungen des Flußbettes nachzugeben, und wurde auch sogleich ausgeführt.

Der Amerikaner Foulton, welcher das erste Dampfboot erbaute, bestellte die Maschine in Soho am 8. August 1803; sie wurde, in der Stärke von 19 Pferdekraft, 1805 vollendet. Watt nahm das lebhafteste Interesse an den Fortschritten der Dampfschifffahrt; er kaufte im Jahre 1814 die Kaledonia, ein Dampfschiff von 100 Tonnen und 32 Pferdekraft, und nachdem er die schadhaft gewordene Maschine durch zwei neue ersetzt hatte (jede von 14 Pferdekraft), bediente er sich seines Fahrzeugs zu einer Reise nach Holland und den Rhein aufwärts bis nach Koblenz. In 48 Stunden 52 Minuten brauste der Dampfer von Rotterdam nach Köln. Nach der Rückkehr machte die Kaledonia auf der Themse 250 Probefahrten, die Watt zu wesentlichen Verbesserungen im Bau benutzte. Bis zum Jahre 1854 hatte die Fabrik von Soho bereits 319 Maschinen geliefert, die eine wirkliche Kraft von 52,314 Pferden darstellen. Der größte Riese, der vor einem Jahrzehnt auf den Wellen des Meeres schwamm, war der 1853 vom Stapel gelaufene Duke of Wellington, mit 709 Pferdekraft in seiner Maschinerie (die aber eine wirkliche Kraft von circa 6600 Pferden repräsentirt). Die Länge dieses Dampfschiffes war 292 englische Fuß, seine Breite 60 und seine senkrechte Höhe vom Kiel bis zum Hackbord 78 Fuß – eine Größe, welche die meisten Paläste in großen Städten übertrifft. – Aber diese Größe ward noch vom Great Eastern übertroffen, der bei einer Länge von 691 Fuß und einer Breite von 83 Fuß eine Tragfähigkeit von 18,914 Tonnen hat.

Obwohl dem großen schottischen Ingenieur auch manche schmerzliche Erlebnisse nicht erspart wurden (es starb ihm die erste Frau und ein hoffnungsvoller Sohn), so war doch sein Leben reich an glücklichen Erfolgen und den edelsten Freuden, die ihm die Freundschaft mit den besten Männern verschaffte. Sein Ruhm drang weit hinaus über Soho und Birmingham. Die königliche Societät zu Edinburg ernannte ihn zu ihrem Mitglied 1784, die zu London 1785. In Birmingham bestand ein Gelehrtenklubb unter dem Namen der »Lunargesellschaft«, zu welchem auch der berühmte Naturforscher Priestley gehörte, der in seinen Memoiren es als das glücklichste Ereigniß seines Lebens betrachtete, daß ihn sein gutes Geschick mit Männern zusammenführte, welche seine wissenschaftlichen Arbeiten auf jede Weise förderten. Unter diesen steht der Name »Watt« obenan. Der Klubb, zu dem auch Dr. Darwin gehörte, kam jeden Monat zur Zeit des Vollmonds zusammen. Im Jahr 1781 theilte Watt dieser Gesellschaft seine Entdeckung der Zusammensetzung des Wassers mit, und die Bekanntmachung seiner über diesen Gegenstand verfaßten Denkschrift machte ihn mit den berühmtesten Mitgliedern der londoner Societät bekannt. Die Idee, die Schraube statt der Schaufelräder zur Bewegung der Dampfschiffe anzuwenden, wurde in Watt's scharfblickendem Geiste bereits im Jahre 1770 rege und findet sich ausgesprochen in einem Briefe (vom 30. September) an Dr. Small, dem Watt noch eine eigenhändige Zeichnung beigefügt hatte. Im August 1785 besuchte der berühmte Cavendish Birmingham und Soho, um die ausgezeichneten Werkstätten genau kennen zu lernen. Bald darauf machte Watt seinen Besuch in London, und wurde hier, wie in Paris, wo er zweimal war, auf das glänzendste gefeiert. Im Jahre 1787 hatte er die Ehre, seine Dampfmaschine dem Könige und der Königin von England zu erklären. Trotz der großen Schwächlichkeit und Kränklichkeit in seiner Jugend erfreute sich selbst der Greis noch der besten Rüstigkeit; Walter Scott spricht im Vorwort zum »Kloster« von seinem Landsmann in folgender charakteristischer Weise:

»Watt war nicht allein der gründlichste Gelehrte, der, welcher mit dem größten Erfolg Zahlen und Kräfte zu kombiniren verstand, die im gemeinen Leben ihre Anwendung fanden; er bekleidete nicht bloß eine der ersten Stellen unter denen, welche sich durch den großen Umfang ihres Unterrichts hervorthun: sondern er war auch einer von den besten, liebenswürdigsten Menschen. Das einzige Mal, wo ich mit ihm zusammenkam, fand ich ihn umgeben von einer kleinen Zahl nordischer Gelehrten. Dort sah und hörte ich, was ich in dieser Art nie wieder sehen und hören werde. In seinem 81sten Jahre war der Greis so aufgeweckt, liebenswürdig, wohlwollend, daß er das lebhafteste Interesse an allen Fragen nahm, die zur Sprache gebracht wurden und die Schätze seines Talents und seiner Phantasie auf alle Gegenstände übertrug; seine Wissenschaft war immer zum Dienste von Jedermann. Unter den Herren befand sich ein tüchtiger Philologe. Watt unterhielt sich mit ihm über den Ursprung des Alphabets, als ob er ein Zeitgenosse des Kadmus gewesen wäre. Als ein berühmter Kritiker sich in das Gespräch mischte, hätte man glauben sollen, daß der Greis sein ganzes Leben dem Studium der schönen Wissenschaften gewidmet habe. Wir entdeckten zu unserem Erstaunen, daß kein Roman von einiger Bedeutung von ihm ungelesen geblieben war, ja daß er an diesen Werken noch so eifrigen Antheil nahm wie ein junger Elegant von 18 Jahren.«

Wenn man die wirklich großartige Thätigkeit des Mannes bedenkt, so macht es einen komischen Eindruck, wenn er uns ganz ernsthaft versichert, »das Hauptvergnügen in seinem Leben bestände im Faullenzen und Schlafen.«

Im Jahre 1817 besuchte Watt noch einmal seine schottische Heimath; seine Gesundheit schien fester als je. Doch im Sommer 1819 stellten sich einzelne Krankheitssymptome ein, welche seine Familie und die Aerzte beunruhigten. Er selber machte sich keine Täuschung und sagte zu seinen Freunden: »Ich bin gerührt von der Anhänglichkeit, die Ihr mir beweist, und beeile mich, Euch zu danken, denn nun bin ich bei meiner letzten Krankheit angelangt.« Dann sprach er seine dankbare Gesinnung gegen den Allmächtigen aus, »der ihm so lange Tage gestaltet und ihn mit Ehre und Reichthum gesegnet habe.« Da ihm sein Sohn nicht genug gefaßt schien, bemühte er sich noch auf alle Weise, diesem die besten Trostgründe an's Herz zu legen. Er starb am 19. August 1819, in einem Alter von 84 Jahren, in seinem Landhause zu Heathfield.

Seine irdischen Reste wurden in der Pfarrkirche von Handsworth neben denen seines treuen Freundes Boulton beigesetzt; sein Sohn James Watt (das einzige seiner Kinder, das ihn überlebte), ließ über dem Grabe eine gothische Kapelle errichten, in deren Mitte eine schöne Marmorbüste vom Bildhauer Chantry zu stehen kam, welche die edlen Züge des Greises mit vieler Treue wiedergiebt. Eine Kolossalstatue in Bronze, von demselben Künstler gefertigt, steht an der Ecke des Georgsplatzes vor Glasgow und zeigt, wie stolz die Hauptstadt der schottischen Industrie darauf ist, die Wiege der großen Entdeckungen Watt's gewesen zu sein Im Jahre 1827 endlich ward ein schönes Standbild von Chantry in Birmingham errichtet, und später lieferte der gleiche Künstler sein Meisterstück, eine Kolossalstatue aus karrarischem Marmor für das englische Pantheon in der Westminsterabtey. Die Inschrift des Fußgestells ward von Lord Brougham verfaßt und lautet:

 

Not To Perpetuate A Name
Which Must Endure While The Peaceful Arts Flourish
But To Show
That Mankind Have Learnd To Honour Those
Who Best Deserve Their Gratitude
The King
His Ministers And Many Of The Nobles
And Commoners Of The Realm
Raised This Monument To
James Watt
Who Directing The Force Of An Original Genius
Early Exercised In Philosophic Research
To The Improvement Of
The Steame Engine
Enlarged The Resources Of His Country
Increased The Power Of Man
And Rose To An Eminent Place
Among The Most Illustrious Fellowers of science
And The Real Benefactors Of The World
Born At Greenock MDCCXXXVI
Died At Heathfield In Straffordshire MDCCCXIX.

 

(Nicht um einen Namen zu verewigen, der fortleben wird, so lange die friedlichen Künste blühen, wohl aber um zu zeigen, daß das Menschengeschlecht die zu ehren gelernt habe, welche am meisten seine Dankbarkeit verdienen: haben der König, seine Minister und viele vom Adel und den Gemeinen des Königreichs dies Denkmal dem Jakob Watt errichtet, welcher die Kraft seines originalen Genius, der sich früh in philosophischen Forschungen übte, auf Verbesserung der Dampfmaschine leitete, des Landes Hülfsquellen erweiterte, des Menschen Macht vergrößerte und zu einem der höchsten Plätze unter den Wissenschaftsmännern und wahren Wohlthätern der Welt sich aufschwang.)


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