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siehe Bildunterschrift

Joseph von Fraunhofer

Fraunhofer.

Es mag vom Lebensgange des einzelnen Menschen gelten, was man vom Samenkorn sagen kann: wenn es auf guten Boden fällt, so bringt es Frucht hundertfältig, fällt es aber auf steiniges Land und findet keine Wurzel, so muß es verkommen. Auch manches Talent mag auf die Weise verkümmern, daß ihm die Nahrung des Bodens, der Regen und Sonnenschein des freien Feldes fehlt. Aber ganz paßt der Vergleich doch nicht und es zeigt sich hier gleichfalls der tiefgehende Unterschied zwischen der physischen und moralischen Welt. Denn von der überwiegenden Mehrzahl der Talente kann man behaupten, daß sie sich entwickeln trotz des ungünstigen Bodens, trotz aller Hindernisse, ja gerade durch diese erst ihre volle Elastizität gewinnen und in ihrer unverwüstlichen Kraft sich bewähren. Ein lebendiges Beispiel giebt Fraunhofer.

Joseph von Fraunhofer, Doktor der Philosophie, königl. bairischer Akademiker und Professor, Ritter des Civilverdienstordens der bairischen Krone und des königl. dänischen Danebrogordens, ward zu Straubing am 6. März 1787 geboren. Sein Vater war ein armer Glaser, der den Knaben früh zu einem Gehülfen bei seinem Geschäft verwandte, so daß dieser selten in die Schule, und noch seltener zum Lesen oder Schreiben kam. Der arme Joseph verlor früh die Mutter, nicht lange darauf starb auch der Vater; der 11jährige Knabe war eine Waise. Sein Vormund that ihn zu einem Drechsler in die Lehre, dieser fand ihn aber zu schwächlich und konnte ihn nicht behalten, denn der Kleine wäre der ihm noch zu schweren Arbeit schier unterlegen. Ein Glasschleifer, der Hofspiegelmacher Ph. Weichselberger in München, erklärte sich auf weiteres Nachforschen des Vormunds bereit, den jungen Fraunhofer in die Lehre zu nehmen, welche dieser im August 1799 auch antrat. Lehrgeld brauchte er nicht zu bezahlen, dafür mußte er sich jedoch verpflichten, sechs Jahre lang ohne Lohn zu arbeiten. Wie gern hätte Joseph die Münchner Feiertagsschulen besucht, um seine dürftigen Kenntnisse ein wenig zu erweitern, und schreiben und rechnen zu lernen! Herr Weichselberger erlaubte aber solchen Luxus nicht, und sein Lehrling wäre vielleicht nie über die mechanische Handlangerarbeit hinausgekommen, wenn nicht ein großes Unglück geschehen wäre. Fraunhofer hatte fast das zweite Jahr seiner schweren Lehrzeit beendet, als (den 21. Juli 1801) im münchner Thiereckgäßchen plötzlich zwei Häuser zusammenstürzten, von denen eins das Wohnhaus des Meisters war. Der junge Fraunhofer ward im Schutt begraben, doch war sein Kopf durch Kisten, die sich sperrten und einen freien Zwischenraum darboten, so weit frei geblieben, daß er rufen konnte, und nach mehr als vierstündiger Arbeit brachte man ihn ohne gefährliche Beschädigung an's Tageslicht. Man hatte aus dem Innern des nicht eingestürzten Hauses eine Art Schacht absenken und mit Lochsägen durch die eingestürzten Balken und Bretter eine Oeffnung machen können; wäre er weiter hin zu liegen gekommen, so hätte man ihn erst nach mehreren Tagen gefunden, wie es bei der im Augenblick des Einsturzes nur 5 Fuß weiter entfernten Frau seines Lehrherrn der Fall war, welche todt blieb. Der Polizeidirektor und nachherige Baurath Baumgärtner leitete die Rettungsarbeiten so gut, daß Fraunhofer diesem Manne besonders seine Erhaltung zu danken hatte. –

Der König Maximilian Joseph, damals noch Churfürst, war auch sogleich zur Stelle geeilt und ging ab und zu, durch seinen Zuspruch die Arbeiter ermuthigend, die sich selber der Gefahr aussetzten, verschüttet zu werden. Der menschenfreundliche Herr freute sich wie ein Vater über den wiedergefundenen Sohn, als der arme Glaserlehrling gerettet war; er befahl, für die Heilung desselben alle Sorge zu tragen, ließ ihn nach seiner Wiederherstellung zu sich kommen, fragte ihn über die Empfindungen, die er im Moment des Verschüttens gehabt und entließ ihn mit einem Geschenk von 18 Dukaten und mit dem Versprechen, für den Verwaisten väterlich sorgen zu wollen, sobald wieder Mangel einträte. Wie glücklich war der arme Bursche! Nur mit einem Theil des Geldes befriedigte er die nothwendigsten Bedürfnisse der Kleidung und Leibes Nothdurft, das Uebrige aber wandte er an zur Herstellung einer Glasschneidemaschine, die er auch bald zum Steinschneiden benutzte, ohne vorher diese Arbeit gesehen zu haben. Zuerst war er in die Werkstatt eines Optikers gegangen und hatte von diesem die Erlaubniß erhalten, die Maschine benutzen zu dürfen, so daß er die Sonn- und Feiertage zum Schleifen optischer Gläser verwenden konnte. Sobald er sich mit dem Mechanismus einigermaßen vertraut gemacht hatte, schaffte er sich, wie bemerkt, selber eine Maschine an. Aber aus Mangel der nöthigen Kenntnisse in der Optik und Mathematik stieß er auf viele Hindernisse, die ihm große Noth machten.

In dieser Verlegenheit nahm sich der bairische Geheimrath Herr von Utzschneider des Jünglings an. Er hatte den Knaben zum ersten Mal gesehen, als derselbe aus dem Schutt hervorgezogen wurde, ihn dann besucht und sich der Regsamkeit seines Geistes, der naiven Feinheit seiner Bemerkungen und nicht minder seiner großen Lernbegierde gefreuet. Er brachte ihm die mathematischen Lehrbücher von Klemm und Tanzer, empfahl ihm auch einige über die Optik handelnde Bücher, und Fraunhofer drang nun, ohne mündlichen Unterricht, in den Geist der Schriften eines Kästner, Klügel, Priestley ein. Er erkannte alsbald, daß die Lehren der Optik auf denen der reinen Mathematik beruheten und suchte mit seiner geringen Baarschaft einen Privatlehrer zu bezahlen, der ihm in der Mathematik Unterricht gab. Er verwandte nur die Freistunden zu seinem Privatstudium, aber sein engherziger Lehrmeister fürchtete doch, es könnte durch solche Leserei der Arbeit Abbruch geschehen und verbot ihm aufs strengste, fernerhin noch Bücher in's Haus zu schleppen. Fraunhofer benutzte jedoch um so eifriger die Stunden der Sonn- und Feiertage, an welchen er das Haus verlassen durfte, und studirte im Freien. Gern hätte er einen Theil der Nacht in seinem Dachstübchen zur Lektüre verwandt, aber Licht zu brennen war ihm untersagt. Die edle Kunst des Schreibens hatte er noch immer nicht üben können, denn der Besuch der Feiertagsschule blieb nach wie vor verboten. Um nun möglichst bald dieser Gunst theilhaftig zu werden, kaufte er mit dem Rest seines Geldes dem Meister das letzte halbe Jahr seiner Lehrzeit ab, und erstand noch – so sparsam war er mit seinem Schatz umgegangen – aus der Hinterlassenschaft des Generals Grafen von Salern eine optische Schleifmaschine.

Er mußte nun darauf bedacht sein, sich selber wieder etwas Taschengeld zu verdienen. Ohne jemals graviren gesehen zu haben, begann er in seinen Freistunden die Versuche, in Metall zu graviren, und bald gelang es ihm, Modelle zum Pressen erhabener Visitenkarten zu fertigen, die er verkaufen konnte. Der großmächtige Napoleon war aber Schuld, daß diese Nahrungsquelle bald wieder versiegte, denn bei den Kriegsunruhen kaufte Niemand mehr Visitenkarten, und Fraunhofer sah sich in die dürftigste Lage versetzt. Dem Könige seine Noth zu klagen, getraute er sich nicht, und es blieb ihm nichts übrig, als zum Handwerk eines Spiegelmachers und Glasschleifers zurückzukehren. Doch blieben die Feiertage dem Studium der Mathematik gewidmet.

Was übrigens der Krieg dem aufblühenden Talent des jungen Mannes zu rauben schien, das ersetzte er ihm bald auf andere Weise reichlich. Georg v. Reichenbach hatte seine Theilmaschine und andere Werkzeuge zur Verfertigung der astronomischen und geodätischen Zum Feldmessen bestimmten. Winkelinstrumente vollendet und sich für sein Etablissement mit den Herren von Utzschneider und Liebherr verbunden. Jedoch konnten wegen der napoleonischen Kontinentalsperre die zu den astronomischen Instrumenten nöthigen Perspektivgläser nicht aus England bezogen werden. Dadurch sah sich Reichenbach veranlaßt, eine optische Schleifmaschine neuer Art zu bauen, und der Professor Schiegg, welcher am Aufblühen der Reichenbach'schen Anstalt den regsten Antheil nahm, empfahl Fraunhofer als geschickten Optiker. Er hatte sich selber von den ausgebreiteten Kenntnissen des Autodidakten überzeugt, und hegte die größte Hoffnung von Fraunhofer's Talent.

Als der dürftige und schüchterne Jüngling vor dem genialen Herrn von Reichenbach stand, knüpfte dieser eine Unterhaltung mit ihm an und rief sogleich die frohen Worte aus: »das ist der Mann, den wir suchen!«

Fraunhofer ward zum Gehülfen angenommen; nach langer Entbehrung und Mühsal hatte er endlich das Element erreicht, worin er sich wohl fühlte. Mit der Sicherheit eines Meisters berechnete und schliff er die Gläser zu den für die Sternwarte in Ofen bestimmten Instrumenten, den ersten größeren dieser Art, welche Deutschland lieferte. Der Geheimrath von Utzschneider hatte das vormalige Kloster Benediktbeuern angekauft und daselbst eine Glasfabrik errichten lassen; nun entschloß er sich zur Anlegung einer optischen Werkstätte, die er Ende 1807 in Benediktbeuern einrichtete und unter Direktion Fraunhofers stellte. Da es an Arbeitern fehlte, unterrichtete Fraunhofer selbst die, welche ihm am fähigsten schienen, und sah sich bald in den Stand gesetzt, sämmtliche Gläser für das Reichenbach'sche Institut in München liefern zu können, das immer größere Ausdehnung gewann. Dies hatte wieder die Folge, daß im Jahre 1809 v. Utzschneider, v. Reichenbach und Fraunhofer zu einer Gesellschaft sich vereinigten und das für dioptrische Instrumente bestimmte Institut in Benediktbeuern in's Leben riefen.

Eine der schwierigsten Aufgaben für den praktischen Optiker ist das der Theorie genau entsprechende Poliren der gekrümmten Flächen großer Objektivgläser in den Fernröhren, weil gerade durch das Poliren diese Flächen leicht in ihrer Gestalt, die sie im Schleifen erhalten haben, einbüßen. Fraunhofer sann nach, und er erfand eine Polirmaschine, mit welcher er nicht nur die Form der Objektivglasflächen vollkommen schonte, sondern auch den bisherigen so leicht eintretenden Fehlern des Schleifens abhalf, Fehler, welche der geschickteste Arbeiter oft nicht vermeiden konnte. Auch wußte Fraunhofer eine Methode zu gewinnen, das zum Gebrauch ausgewählte Glas genau in Rücksicht der darin enthaltenen Wellen und Streifen zu prüfen, durch welche das Licht unregelmäßig gebrochen und zerstreut wird. Er überzeugte sich, daß oft in mehreren Zentnern reinen Flintglases, das v. Utzschneider in Benediktbeuern bereiten ließ, nicht ein von Wellen und Streifen ganz freies Stück zu finden war; ebenso fand er, daß verschiedene Stücke aus ein und derselben Schmelze im Brechungsvermögen sehr von einander abwichen, welcher Fehler freilich bei dem englischen und noch mehr bei dem französischen Flintglase in höherem Grade sich zeigte.

All sein Sinnen und Streben hatte Fraunhofer darauf gerichtet, größere Objektivgläser als die bisher üblichen in vollkommener Form herzustellen; an der Beschaffenheit des Glases selber schien nun sein Streben scheitern zu müssen. Da entschloß er sich (im Jahre 1811), selber Flintglas zu schmelzen und den Prozeß der genausten Untersuchung zu unterwerfen. Mit Einwilligung seiner Gesellschaftsgenossen ließ er einen neuen Schmelzofen bauen und alle dazu gehörigen Werkzeuge und Maschinen nach seiner Angabe fertigen. Er machte die Versuche gleich mit mehreren Zentnern, und schon bei der zweiten Schmelze hatte er die Genugthuung, ein so regelmäßiges Flintglas zu erhalten, daß ein Stück auf dem Boden des zwei Zentner enthaltenden Schmelztiegels genau dasselbe Brechungsvermögen zeigte, wie das von der Oberfläche geschöpfte. Doch die folgenden Schmelzen, obschon auf dieselbe Weise vorgenommen, lieferten nicht so glückliche Ergebnisse, sowohl mit Rücksicht auf das gleiche Brechungsvermögen des Glases als in Rücksicht der Wellen und Streifen. Dadurch ließ sich Fraunhofer keineswegs abschrecken, und nach längerer Zeit erhielt er wieder einige völlig gelungene Schmelzen, und durch das angestrengteste Vergleichen und Prüfen kam er endlich dahinter, worin die Ursache des öftern Mißlingens gelegen.

Mit gleicher Beharrlichkeit ging darauf der Optikus an das Schmelzen des Crownglases, da er gefunden hatte, daß sowohl das englische Crownglas wie das deutsche Spiegel- und Tafelglas auch nicht frei war von Streifen und Wellen, welche das Licht unregelmäßig brechen. Je größer und dicker nun ein solches Glas genommen wurde, desto mehr mußten auch die Streifen sich hinderlich erweisen, und doch sollte gerade bei den großen Fernröhren die Wirkung einer regelmäßigen Brechung des Lichtes zunehmen. Fraunhofer räumte auch hier die Hindernisse aus dem Wege. Und mit seinen Eroberungen auf dem Gebiete der optischen Praxis verband er die erfolgreichsten Entdeckungen in der Theorie.

Man hatte sich bisher außer Stande gesehen, das Brechungs- und Zerstreuungsvermögen der Materien mit Genauigkeit zu bestimmen, da das Spektrum (das durch ein dreiseitiges Prisma in die sogenannten Regenbogenfarben zerlegte Licht) in seinen Farben keine scharfen Grenzen hat, eine Farbe in die andere überfließt, daher bei größeren Spektris die Winkel der Brechung nur auf 10 oder 15 Minuten genau gemessen werden können. Um diesen Uebelstand zu heben, kam es zunächst darauf an, gleichartiges (homogenes) Licht künstlich hervorzubringen, und es gelang Fraunhofer durch einen Apparat, durch welchen er das Lampenlicht in einem Prisma zerlegte. Im Verlaufe dieser Versuche entdeckte er die fixe helle Linie, welche im Orange des Spektrums sich findet, und damit gewann er den Anhalt, das absolute Brechungsvermögen der Materien nach festen Zahlenwerthen zu bestimmen.

Noch war aber zu untersuchen, ob das vom Sonnenlicht erzeugte Farbenspektrum dieselbe helle Linie im Orange enthalte, wie das vom Lichte des Feuers gewonnene; und die zu diesem Zwecke unternommenen Experimente führten den Forscher zur Entdeckung der unzähligen dunkeln fixen Linien, welche sich in dem aus vollkommen homogenen Farben bestehenden Sonnenlichtspektrum finden.

Dr. Brewster bemerkt in seinem Leben Newton's: »Unter die wichtigsten neueren Entdeckungen in Beziehung auf das Spektrum müssen wir die der unveränderlichen dunkeln und farbigen Linien rechnen, die wir dem Scharfsinn des Dr. Wollaston und Fraunhofers zu danken haben. Zwei oder drei solcher Linien wurden von Wollaston entdeckt, aber nahe an 600 vermittelst des schönen Prisma's und des herrlichen Apparats des bairischen Optikus. Diese Linien sind mit einander parallel und senkrecht gegen die Länge des Spektrums. Die breitesten nehmen einen Raum von, 5 bis 10" in der Breite ein. In einigen Fällen zeigen sie sich als wohlbegrenzte Linien und an anderen Stellen als Gruppen; in allen durch das Sonnenlicht formirten Spektris behalten sie dieselbe Ordnung und Stärke (Intensität) und dieselbe Lage in Beziehung auf die farbigen Räume, wie auch die Natur des Prisma's, durch welche sie erzeugt werden, sein mag. Um unter der großen Zahl von Linien feste Anhaltspunkte zu gewinnen, wählte Fraunhofer einige besonders auffallende Linien des Spektrums und bezeichnete dieselben durch die großen Anfangsbuchstaben A B C D E F G und H. Es fallen A B und C in's Roth, D in Orange, E zwischen Gelb und Grün, F in den Uebergang von Grün und Blau, G in Indigo, H in Violet. Hierdurch wurde das Spektrum in 7 Partien getheilt, von denen jede eine Anzahl feinerer Linien einschließt, über deren Lage und Eigenschaften man sich nun leichter verständigen konnte.

Diese Linien sind ihrem Entdecker zu Ehren die »Fraunhofer'schen Linien« genannt worden. Man fand, daß auch das Licht der Venus die gleichen Linien ergab, nur etwas matter; das Licht des Sirius aber ergab eine andere Gruppirung, die sich von dem der im gebrochenen Sonnenlicht vorhandenen merklich unterschied. Ebenso zeigten sich im Kerzen-, Lampen- und elektrischen Licht dunkle Streifen, wo im Sonnenspektrum helle, und helle Streifen, wo dort dunkle sind. Am meisten zeichnete sich ein mit der Frauenhofer'schen Linie D zusammenfallender heller Lichtstreif aus, der stets zum Vorschein kam, wenn man Kochsalz in eine Lichtflamme brachte, welche dadurch eine lebhaft gelbe Farbe erhielt. An diese Erscheinung anknüpfend, gelang es den Professoren Bunsen und Kirchhoff in Heidelberg, das Phänomen der Fraunhofer'schen Linien aus den in den leuchtenden Körpern vorhandenen Urstoffen zu erklären, und auf diesem Wege ist man jetzt dahin gelangt, aus den Linien des Spektrums durch die sogenannte Spektral-Analyse Schlüsse zu ziehen auf die Zusammensetzung und das Vorhandensein dieser und jener Erdenstoffe in der Sonne, in den Planeten, in den Fixsternen. Auch die Wissenschaft ist ein großer zusammenhängender Kosmos, in welchem »Alles sich zum Ganzen webt, Eins in dem Andern wirkt und lebt«, wo »Himmelskräfte auf- und niedersteigen und sich die goldnen Eimer reichen«.

Fraunhofer beschrieb seine Versuche in einer Abhandlung, die in's Französische, Englische und auszugsweise auch in's Italienische übersetzt wurde, Denkschriften der bairischen Akademie, 5. Bd. Gilberts Annalen der Physik, 55. Bd. und den Ruf des Verfassers zu einem europäischen machte. Die Münchener Akademie der Wissenschaften erwählte ihn (1817) zu ihrem Mitgliede.

Auf dem eingeschlagenen Wege fortschreitend, stellte er höchst glückliche Versuche über die Beugung des Lichtes an und gelangte bald dahin, ohne Prismen vollkommen homogene Farbenspektra herzustellen bloß durch Gitter, die aus sehr feinen, völlig gleichen und parallelen Fäden bestanden. Da die auf solche Weise hervorgebrachten Spektra gleichfalls jene dunkeln fixen Linien enthielten, wie er sie früher durch prismatische Brechung des Lichtes gewonnen hatte, und er nun im Stande war, die Winkel des Lichtweges genau zu bestimmen: so konnte er nun aus seinen Versuchen die optischen Gesetze ganz genau entwickeln Fraunhofer beschrieb sie im 8. Bde. der Denkschriften der bairischen Akademie., und namentlich fand er, daß alle dahin gehörigen Erscheinungen ohne Schwierigkeit durch die Annahme einer Wellenbewegung (Undulation) und der zuerst von Th. Young aufgestellten Lehre der »Interferenz«, d. h. der Begegnung und gegenseitigen Einwirkung der Wellen in den Lichtstrahlen erklärt werden könnten.

skizze

[Fußnote aus technischen Gründen im Text wiedergegeben. Re]Indem Dr. Thomas Young bei B einen Schirm aufstellte und die nahe bei dem Haare X vorbeigehenden Lichtstrahlen auffing, fand er zu seinem nicht geringen Erstaunen, daß alle Ränder innerhalb des Schattens verschwunden waren. Dieselbe Erscheinung zeigte sich, wenn der Schirm die Strahlen auf der andern Seite auffing, und hieraus zog er den Schluß, daß die Strahlen auf jeder Seite des Haares zur Hervorbringung der innern Ränder nothwendig wären, und daß die Ränder durch die Interferenz derjenigen Strahlen entstünden, welche auf beiden Seiten des Haares vorbeigingen. Um die farbigen Ränder außerhalb des Schattens zu erklären, bemerkte Dr. Young, daß die nahe an dem Rande des Haares vorbeigehenden Strahlen mit andern zusammenstoßen, die (weil sie nach seiner Meinung sehr schräg auf die äußersten Theile des Körpers gefallen) zurückgeworfen werden.

 

Bis an seinen Tod war er angestrengt damit beschäftigt, für die neuen optischen Gesetze die analytische Entwickelung zu finden und ein Gitter herzustellen, dessen Parallellinien so fein waren, daß ungefähr 8000 Linien auf einen Zoll gingen. Dazu war eine neue Theilmaschine erforderlich, und auch diese ward von ihm erfunden. Die Resultate seiner Forschungen machte er im 74. Bande von Gilberts Annalen der Physik bekannt. Ebenso gelang es ihm, die Entstehung der Höfe und Nebensonnen und ähnlicher Phänomene genügend nach der neueren Theorie des Lichtes zu erklären, und sein Aufsatz darüber in »Schumacher's Astronomischen Abhandlungen« ward mit dem größten Beifall aufgenommen.

Man erstaunt billig über die außerordentliche Thätigkeit des Mannes, wenn man erwägt, daß er zu seinen physisch-optischen Versuchen nicht bloß die Maschinen erfinden und sammt den Instrumenten anfertigen mußte, sondern auch die hauptsächlichsten Abbildungen zu seinen Abhandlungen selber in Kupfer stach. Und doch waren die vielen Experimente nur Nebenarbeiten, denn Fraunhofer mußte für die wissenschaftlichen Anstalten von ganz Europa seine verbesserten oder neu erfundenen optischen Instrumente liefern. Im Jahre 1824 verfertigte er für die kaiserliche Sternwarte in Dorpat den großen »Refraktor«, d. h. ein astronomisches Fernrohr, das mit Vorrichtungen versehen ist, um mikrometrischen Messungen größere Genauigkeit zu geben. Dieses in seiner Art einzige Instrument hat 13½ pariser Fuß Länge, 13 Fuß 4 Zoll Brennweite und 9 Zoll Oeffnung des Objektivs. Der daran befindliche sogenannte »Sucher« (das kleinere Fernrohr zum Aufsuchen des Himmelskörpers, der beobachtet werden soll) hat 30 Zoll Brennweite und 29 Linien Oeffnung. Die Vergrößerungen gehen bis auf das 600fache. Dies Fraunhofer'sche Fernrohr übertrifft sogar die Spiegelteleskopen an Genauigkeit der Bilder und Bequemlichkeit des Gebrauchs. Das Stativ trägt zwei Achsen, die eine in der Richtung der Weltaxe mit einem dem Aequator parallelen, die andere mit einem Deklinationskreise. Durch ein am Gestell angebrachtes Uhrwerk wird die Stundenaxe in 24 Stunden herumgetrieben, so daß das Instrument von selbst der Bewegung der Gestirne folgt; der Stern bleibt daher immer im Sehfelde und scheint festzustehen. Das ganze Instrument hat ein Gewicht von 25 Zentnern, da außer 900 Pfund Messing noch gegen 6½ Zentner Eisen, Stahl und Blei daran verarbeitet sind, was jedoch die leichte Bewegung des Rohrs nicht hindert, da dieses sich um die Stundenaxe mit einem Finger drehen läßt. Vgl. Bode's astronom. Jahrbuch für 1827.

Hierauf verfertigte Fraunhofer auf Bestellung des Königs von Baiern noch einen größeren Refraktor von 18 Fuß Brennweite und 14 pariser Zoll Oeffnung des Objektivs, dessen Mechanismus noch vollkommener ausgeführt ward. Die Astronomen zogen bald Fraunhofer'sche Refraktoren von 5 Fuß 52 Linien Oeffnung dem 13füßigen Spiegelteleskope Schröters vor. Das 1819 von Benediktbeuern nach München verlegte Institut, das seit diesem Jahre die Firma »Utzschneider und Fraunhofer« führte, da Herr v. Reichenbach mit T. Ertel ein eigenes Institut begründete, beschäftigte 50 Arbeiter, und Fraunhofer war der anerkannt erste Optikus nicht bloß Deutschlands, sondern Europa's; seine Instrumente waren nicht nur vorzüglicher, sondern auch billiger als die der englischen Künstler.

Nachdem der König ihn 1823 zum Konservator des physikalischen Kabinets ernannt, erhob er ihn im folgenden Jahre zum Ritter des Civilverdienstordens. Viele auswärtige gelehrte Gesellschaften ernannten Fraunhofer zu ihrem Mitgliede. Aber ein langes Leben war dem verdienstvollen Manne nicht beschieden. Die große körperliche Schwäche (vielleicht eine Folge seiner kümmerlichen Jugendzeit und der Verschüttung im Hause seines Lehrherrn) ward durch die ununterbrochene Anstrengung des Geistes und durch den Dunst des Glasofens noch mehr gesteigert, so daß der Tod des genialen Optikers schon am 7. Juni 1826 erfolgte. Wenige Tage zuvor war auch sein berühmter Kunstgenosse G. v. Reichenbach gestorben, und die Grabstätten beider Männer sind nahe bei einander. Man weihte dem Grabmal Fraunhofers die Inschrift:

Approximavit sidera!

(Er hat die Gestirne uns näher gebracht.)

Vor seinem Geburtshause in Straubing wurde Fraunhofers Büste aufgestellt und die Straße hieß fortan »Fraunhoferstraße«. Einen »Umriß des Lebens Fraunhofers« hat v. Utzschneider geliefert.


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